Empfehlungen der Ausschüsse
Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe

948. Sitzung des Bundesrates am 23. September 2016

A

Der federführende Rechtsausschuss (R) und der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV) empfehlen dem Bundesrat zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nummer 10 (§ 43e BRAO), Nummer 21 Buchstabe a Doppelbuchstabe cc (§ 59b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe h BRAO)

Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Zu Buchstabe a

Die gegenwärtige einheitsjuristische Ausbildung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die den juristischen Vorbereitungsdienst abschließende Zweite Juristische Staatsprüfung gleichermaßen die Befähigung für alle reglementierten juristischen Berufe (Richter, Staatsanwalt, Rechtsanwalt, Notar, Jurist im höheren Verwaltungsdienst) vermittelt, hat sich bewährt. Sie hat dazu geführt, dass sich in Deutschland - im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern - ein einheitlicher Juristenstand entwickelt hat, der über gleiche Rechtskenntnisse und Rechtsüberzeugungen verfügt. Ein Wechsel zwischen den juristischen Professionen ist möglich und findet auch statt.

Die Forderung, dass erfolgreiche Absolventen der Zweiten Juristischen Staatsprüfung, die als Rechtsanwalt tätig werden wollen, im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Anwaltszulassung zusätzliche Rechtskenntnisse erwerben müssen, widerspricht dem Leitbild des Einheitsjuristen und entwertet die Bedeutung der Zweiten Juristischen Staatsprüfung. Zwar ist das Erfordernis des Besuchs einer Lehrveranstaltung zum anwaltlichen Berufsrecht nicht als Zulassungsvoraussetzung ausgestaltet, sondern lediglich als Berufspflicht, an deren Nichterfüllung berufsrechtliche Sanktionen geknüpft werden können. Dennoch stellt es einen ersten Schritt in Richtung auf einen Systemwechsel dar und ist daher aus grundsätzlichen Erwägungen abzulehnen.

Eine gesetzliche Regelung, die spezielle inhaltliche Vorgaben für die Erfüllung der den Rechtsanwalt treffenden Fortbildungspflicht trifft, erscheint zudem im Hinblick auf Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes bedenklich (vgl. Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl. 2014, § 43a Rn. 238). Soweit ersichtlich, existiert auch bei anderen reglementierten Berufen kein Zwang zur Fortbildung im einschlägigen Berufsrecht, so dass Bedenken gegen die Erforderlichkeit und damit Verhältnismäßigkeit der Regelung bestehen.

Zu Buchstabe b

Aus den unter Buchstabe a genannten Gründen ist auch hier der Hinweis auf eine gesetzlich angeordnete Fortbildungspflicht im Berufsrecht zu streichen.

2. Zu Artikel 1 Nummer 11 (§ 46a Absatz 4 Nummer 2 BRAO), Artikel 4 Nummer 14 Buchstabe b (§ 41b Absatz 4 PAO)

Begründung:

Für Syndikusrechtsanwälte sieht § 46a Absatz 4 Nummer 2 BRAO-E vor, dass deren Mitgliedschaft bei der Rechtsanwaltskammer rückwirkend schon zu dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der Antrag auf Zulassung bei der Rechtsanwaltskammer eingegangen ist, sofern nicht die Tätigkeit, für die die Zulassung erfolgt, erst nach der Antragstellung begonnen hat (in diesem Fall soll die Mitgliedschaft erst mit dem Zeitpunkt des Beginns der Tätigkeit begründet werden). Die Rückwirkungsfiktion soll allein auf die Pflichtmitgliedschaft in der Kammer im Sinne des § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 SGB VI beschränkt sein. Diese Regelungen führt zu einer ungerechtfertigten Bevorzugung der Syndikusrechtsanwälte gegenüber Rechtsanwälten, die selbständig tätig oder im Sinne des § 46 Absatz 1 BRAO bei einem anwaltlichen Arbeitgeber beschäftigt sind.

Ihr Zweck besteht darin, Nachteile der Syndikusrechtsanwälte bei der Befreiung von der Pflichtversicherung zu vermeiden. Gemäß § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 SGB VI können Beschäftigte, die Pflichtmitglieder einer öffentlichrechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe und einer berufsständischen Kammer sind, unter näher dargelegten Voraussetzungen von der Versicherungspflicht befreit werden. Die Befreiung wirkt grundsätzlich vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, § 6 Absatz 4 Satz 1 SGB VI. Berufsständische Versorgungseinrichtung und Kammer im vorgenannten Sinne für Rechtsanwälte - jeweils mit Pflichtmitgliedschaft von der Zulassung an - sind zum Beispiel in Niedersachsen das Rechtsanwaltsversorgungswerk Niedersachsen und die Rechtsanwaltskammern Braunschweig, Celle und Oldenburg. Verzögert sich das Zulassungsverfahren, treten die Befreiungsvoraussetzungen erst zu einem späteren Zeitpunkt ein und müssen die Bewerber bis dahin Beiträge in die Rentenversicherung einzahlen, die gegebenenfalls später nicht oder nur bei einer Aufstockung mit freiwilligen Beiträgen zu Leistungsansprüchen aus der Rentenversicherung führen.

Tritt dieser Nachteil aufgrund von Verzögerungen im Verfahren auf Erteilung einer Erstzulassung ein, trifft er alle Bewerber gleichermaßen.

Die Situationen differieren allenfalls nach der positiven Zulassungsentscheidung. Anders als die Zulassung eines selbständigen oder angestellten Rechtsanwalts ist die Zulassung eines Syndikusrechtsanwalts tätigkeitsbezogen, d.h. sie kann nur für anwaltliche Tätigkeiten im Rahmen eines konkreten Arbeitsverhältnisses oder mehrerer konkreter Arbeitsverhältnisse beantragt und erteilt werden. Treten wesentliche Veränderungen des Arbeitsverhältnisses ein, kann sie - was auf die bestehenden Pflichtmitgliedschaften in Versorgungswerk und Rechtsanwaltskammer keinen Einfluss hat - auf Antrag angepasst oder erweitert werden. Besteht die wesentliche Veränderung in der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wird die Zulassung widerrufen und enden die Pflichtmitgliedschaften. Nur in diesem Fall kann es, wenn der Syndikusrechtsanwalt eine neue Zulassung beantragt, dazu kommen, dass die Voraussetzungen des § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 SGB VI für einen Übergangszeitraum zwischen der Aufnahme der neuen Tätigkeit und dem Wirksamwerden der "neuen" Zulassungsentscheidung nicht vorliegen und er "verlorene" Beiträge zur Rentenversicherung zu zahlen hat. Ungerechtfertigt erscheint dieser Nachteil allenfalls dann, wenn er den Antrag auf erneute Zulassung zeitnah gestellt hat und sich das (neue) Zulassungsverfahren aus außerhalb seiner Einflusssphäre liegenden Gründen verzögert. Anderenfalls steht er einem Rechtsanwalt gleich, der sich gleichfalls um eine Wiedererteilung seiner - z.B. nach einem vorübergehenden Berufswechsel - erloschenen Zulassung bewirbt und Verfahrensverzögerungen hinnehmen muss. Welcher zeitliche Abstand zwischen dem Widerruf der Zulassung und dem Antrag auf Erteilung einer neuen Zulassung ausreichend "zeitnah" wäre, um die Fiktion einer Rückwirkung zu rechtfertigen, lässt sich nicht abstrakt bestimmen.

Auch die Regelungssystematik überzeugt nicht. Die beabsichtigte Rückwirkung der Mitgliedschaft auf den Tag des Eingangs des Zulassungsantrags, "sofern nicht die Tätigkeit, für die die Zulassung erfolgt, erst nach der Antragsstellung begonnen hat" - in welchem Fall "die Mitgliedschaft erst mit dem Zeitpunkt des Beginns der Tätigkeit begründet [wird]" - läuft leer. "Tätigkeit, für die die Zulassung erfolgt", ist gemäß § 46 Absatz 2 Satz 1 BRAO die anwaltliche Tätigkeit für den Arbeitgeber im Rahmen des Arbeitsverhältnisses.

Zu ihrer Ausübung bedarf der Syndikusrechtsanwalt nach § 46 Absatz 2 Satz 2 BRAO der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft - mithin kann er die Tätigkeit, für die die Zulassung erfolgen soll, nicht vor der (positiven) Entscheidung über den Zulassungsantrag aufgenommen haben. Dass die Formulierung "Tätigkeit, für die die Zulassung erfolgt", stattdessen als Antritt des Beschäftigungsverhältnisses zu verstehen ist, ergibt sich weder aus dem vorgesehenen Gesetzeswortlaut noch der Begründung des Entwurfs. Ein solches Verständnis ließe zudem etwaige arbeitsvertragliche Beschränkungen der Tätigkeitsaufnahme z.B. Vorgaben zum Zeichnungsrechts des Bewerbers - unberücksichtigt.

Eine inhaltsgleiche Parallelvorschrift enthält § 41b Absatz 4 Nummer 2 PAO-E für Syndikuspatentanwälte.

Beide Regelungen sind daher zu streichen.

3. Zu Artikel 1 Nummer 21 Buchstabe d (§ 59b Absatz 2 Nummer 8 BRAO), Artikel 4 Nummer 25 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc (§ 52b Absatz 2 Nummer 7 PAO)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob nicht flankierend zu den mit § 59b Absatz 2 Nummer 8 BRAO-E und § 52b Absatz 2 Nummer 7 PAO-E vorgesehenen berufsrechtlichen Regelungen im Verfahrensrecht - zum Beispiel in der Zivilprozessordnung - eine gesetzliche Pflicht zur Mitwirkung bei der Zustellung von Anwalt zu Anwalt vorgesehen werden sollte.

Begründung:

Artikel 1 Nummer 21 Buchstabe d des Gesetzentwurfes sieht eine Änderung des § 59b Absatz 2 Nummer 8 BRAO dahingehend vor, dass künftig § 59b Absatz 2 BRAO um eine Ermächtigungsgrundlage für die Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer erweitert werden soll, auf deren Grundlage eine berufsrechtliche Mitwirkungspflicht bei der - in § 195 der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelten - Zustellung von Anwalt zu Anwalt statuiert werden kann. Eine entsprechende Regelung ist in Artikel 4 Nummer 25 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc mit § 52b Absatz 2 Nummer 7 PAO-E vorgesehen.

Anlass der beabsichtigten Neuregelung ist das Urteil des BGH vom 26. Oktober 2015 (AnwSt (R) 4/15). Danach begeht ein Rechtsanwalt, der sich weigert, an einer Zustellung von Anwalt zu Anwalt mitzuwirken, indem er kein Empfangsbekenntnis ausstellt, keine ahndbare Berufspflichtverletzung. Eine entsprechende Verpflichtung zur Mitwirkung an der Zustellung ergibt sich auch nicht aus der ZPO. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verpflichtet § 195 ZPO den Anwalt, an den zugestellt werden soll, nicht zu einer Mitwirkung an der Zustellung; er empfängt die zugestellte Urkunde vielmehr nur als Vertreter seiner Partei und ist nicht gehindert, die Annahme der Urkunde und die Ausstellung des Empfangsbekenntnisses zu verweigern, ohne dass hieran prozessuale Nachteile geknüpft wären (vgl. BGH a.a. O.m.w.N.; Zöller/Stöber, ZPO 31. Aufl., § 195 Rn. 7 i.V.m. § 174 Rn 6).

Welche Auswirkungen dies haben kann, zeigt zum Beispiel die Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 23. März 2016 (6 U 38/16). Die Verfügungsbeklagte war im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verurteilt worden, es u.a. zu unterlassen, selbst oder durch Dritte Kundendaten (Personen- und/oder Vertragsdaten) von Kunden an Dritte zu Werbezwecken weiterzuleiten. Anschließend übermittelten die Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin an die Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten zum Zwecke der - gemäß § 929 Absatz 2 ZPO nur innerhalb eines Monats zulässigen - Vollziehung der einstweiligen Verfügung im Wege der Zustellung von Anwalt zu Anwalt eine Ausfertigung und beglaubigte Kopien der Ausfertigung des angefochtenen Urteils. Die Beklagtenvertreter sandten das Empfangsbekenntnis nicht zurück. Stattdessen erklärten sie auf Nachfrage gegenüber den Klägervertretern:

"...in dieser Angelegenheit vertreten wir bekanntlich die vier Antragsgegnerinnen. Wir teilen namens und im Auftrag sämtlicher Antragsgegnerinnen mit, dass nicht beabsichtigt ist, die Abschlusserklärung abzugeben. Die Versendung eines Abschlussschreibens ist daher nicht angezeigt. An einer Zustellung des Urteils von Anwalt zu Anwalt wirken wir nicht mit." Daraufhin ließ die Klägerin das angefochtene Urteil durch den Gerichtsvollzieher an die Beklagten selbst, nicht aber an die Beklagtenvertreter zustellen. Das OLG Karlsruhe entschied daraufhin, dass die einstweilige Verfügung innerhalb der Frist des § 929 Absatz 2 ZPO nicht wirksam vollzogen worden sei. Eine wirksame Zustellung an die Beklagtenvertreter schied mangels deren Mitwirkung an der Zustellung aus. Die Zustellung durch den Gerichtsvollzieher an die Verfügungsbeklagte selbst war - so das OLG Karlsruhe - unwirksam, weil nach § 172 Absatz 1 Satz 1 ZPO an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten hätte zugestellt werden müssen, was jedoch an deren Weigerung gescheitert war.

Einziger Ausweg für die Verfügungsklägerin wäre es demensprechend gewesen, anstatt - wie geschehen - an die Verfügungsbeklagte selbst zuzustellen, an den sie vertretenden, aber die Annahme der Zustellung verweigernden Beklagtenvertreter per Gerichtsvollzieher zuzustellen. Dies ist jedoch weder im Interesse der Prozessbeteiligten noch mit Blick auf die schon jetzt hohe Belastungssituation der Gerichtsvollzieher im Interesse der Landesjustizverwaltungen.

Letztlich erschwert diese Rechtslage damit die effektive Rechtsdurchsetzung zugunsten des berechtigten Anspruchsinhabers. Obwohl er einen Titel erwirkt hat, sieht er sich dem Risiko ausgesetzt, in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit des § 929 Absatz 2 ZPO weder an die Verfügungsbeklagte noch an deren Prozessbevollmächtigten wirksam zustellen zu können, weil sich innerhalb der Vollziehungsfrist die Vertretungsverhältnisse zwischen Verfügungsbeklagten und dessen Anwalt von außen nicht belastbar aufklären lassen: Besteht kein wirksames Vertretungsverhältnis, ist an den Verfügungsbeklagten persönlich zuzustellen; besteht ein wirksames Vertretungsverhältnis, ist an die Zustellung an den Rechtsanwalt erforderlich, der an der Zustellung nicht mitwirken muss. Der Titelinhaber ist dementsprechend zur Wahrung seiner Rechte gezwungen, sowohl an den Verfügungsbeklagten als auch seinen Prozessbevollmächtigten per Gerichtsvollzieher zuzustellen.

Diesem Problem vermag die im Gesetzentwurf mit § 59b Absatz 2 Nummer 8 BRAO-E oder § 52b Absatz 2 Nummer 7 PAO-E vorgesehene Neuregelung gerade nicht wirksam abzuhelfen. Der an der Zustellung nicht mitwirkende Anwalt begeht danach zwar künftig eine gemäß § 113 Absatz 1 BRAO ahndbare Pflichtverletzung. Dies führt aber nicht dazu, dass die Zustellung als solche bei fehlender Mitwirkung des Anwalts wirksam wäre. Hierfür bedürfte es vielmehr einer ausdrücklichen Regelung in § 195 ZPO, z.B. in Form einer ausdrücklich normierten Zustellungsfiktion für den Fall der Annahmeverweigerung oder in Anlehnung an die Formulierung in § 14 BORA. Daran dürfte auch der Umstand nichts ändern, dass § 195 Absatz 2 Satz 2 ZPO i.V.m. § 174 Absatz 4 ZPO aufgrund des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3786) mit Wirkung zum 1. Januar 2018 neu gefasst wird, da die genannten Normen auch ab diesem Zeitpunkt gerade keine Pflicht des Anwaltes zur Mitwirkung an der Zustellung von Anwalt zu Anwalt vorsehen. Gleiches gilt für die weiter vorgesehene Neuregelung des § 31a Absatz 6 BRAO-E (Artikel 1 Nummer 8 Buchstabe c des Gesetzentwurfes), mit der eine passive Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs eingeführt werden soll. Denn die Neuregelung soll ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfes an der in §§ 130a und § 174 ZPO vorgesehenen Wahlfreiheit ausdrücklich nichts ändern: es soll den Rechtsanwälten auch künftig freistehen, andere elektronische Übermittlungswege i.S.d. § 130a Absatz 4 ZPO zu nutzen (vgl. S.123ff des Gesetzentwurfes, insbesondere S. 124, zweiter Absatz). Hinzu kommt, dass eine isolierte berufsrechtliche Regelung ohnehin nicht zu einer prozessual wirksamen Zustellung verhelfen kann (vgl. oben).

4. Zu Artikel 1 Nummer 26 (§ 64 BRAO), Nummer 40 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb (§ 89 Absatz 2 Nummer 1 BRAO), Doppelbuchstabe cc - neu - (§ 89 Nummer 7 - neu - BRAO)

Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung soll das Verfahren zur Wahl des Vorstands der Rechtsanwaltskammern geändert werden: § 64 Absatz 1 BRAO-E sieht vor, dass die Kammervorstände im Wege der Briefwahl gewählt werden müssen (obligatorische Briefwahl). Der Bundesrat begrüßt zwar, dass der geringen Beteiligung der Mitglieder der Rechtsanwaltskammern an den von der Kammerversammlung durchgeführten Wahlen entgegengewirkt werden soll. Grundsätzlich lässt die Durchführung einer Briefwahl auch eine höhere Wahlbeteiligung erwarten. Die Rechtsanwaltskammern sind jedoch Träger funktionaler Selbstverwaltung. Es ist daher sachgerecht, ihnen die Freiheit zu belassen, selbst zu entscheiden, wie die Repräsentanten ihres Berufsstandes gewählt werden. Dem dient der Änderungsantrag.

Danach soll es bei dem Grundsatz in § 64 Absatz 1 BRAO bleiben, wonach die Mitglieder des Vorstands von der Kammerversammlung gewählt werden. Hierdurch wird eine Schwächung der Kammerversammlung, die mit der Einführung einer obligatorischen Briefwahl verbunden wäre, vermieden. Der Änderungsantrag trägt hiermit zudem dem Umstand Rechnung, dass in der Kammerversammlung eine persönliche Aussprache stattfinden kann und sich die Teilnehmer ein persönliches Bild von den Bewerberinnen und Bewerbern machen können, was die Entscheidungsbasis für die Wahlentscheidung verbessert.

In § 64 Absatz 2 BRAO-E soll jedoch in Form einer Öffnungsklausel geregelt werden, dass jede Rechtsanwaltskammer in ihrer Geschäftsordnung bestimmen kann, dass die Mitglieder ihr Stimmrecht bei der Vorstandswahl - neben der persönlichen Ausübung nach § 88 Absatz 2 BRAO - auch durch Briefwahl oder durch elektronische Wahl ausüben können. Die Rechtsanwaltskammern wären danach frei, es für die Wahl des Kammervorstands bei der bisherigen Präsenzwahl in der Kammerversammlung zu belassen (§§ 64 Absatz 1, 88 Absatz 2 BRAO) oder durch Regelung in der Geschäftsordnung in Form eines "Mischmodells" neben der Präsenzwahl auch eine Stimmabgabe durch Briefwahl zuzulassen.

5. Zu Artikel 2 Nummer 10 (§ 16 Absatz 1 Satz 1 EuRAG)

In Artikel 2 Nummer 10 sind in § 16 Absatz 1 Satz 1 die Wörter "Voraussetzungen erfüllt" durch die Wörter "Kenntnisse vermittelt" zu ersetzen.

Begründung:

Nach der im Gesetzentwurf vorgesehenen Fassung des neuen § 16 Absatz 1 Satz 1 EuRAG kann eine Person, die eine Ausbildung abgeschlossen hat, die zum unmittelbaren Zugang zum Beruf eines europäischen Rechtsanwalts berechtigt, die Feststellung beantragen, "dass die von ihr erworbene Berufsqualifikation die Voraussetzungen erfüllt, die für die Ausübung des Berufs des Rechtsanwalts in Deutschland erforderlich sind".

Die gewählte Formulierung gibt zu Missverständnissen Anlass. Regelvoraussetzung für den Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts in Deutschland ist nach § 4 Satz 1 Alternative 1 BRAO die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz, die durch das Bestehen der das rechtswissenschaftliche Studium abschließenden ersten Prüfung und der den Vorbereitungsdienst der Rechtsreferendare abschließenden zweiten juristischen Staatsprüfung erworben wird ( § 5 Absatz 1 DRiG). Auch wenn in § 16 Absatz 1 Satz 1 EuRAG nicht explizit auf die Befähigung zum Richteramt Bezug genommen wird, könnte ein Bescheid mit dem vom Gesetzentwurf vorgesehenen Wortlaut bei wörtlichem Verständnis als Feststellung verstanden werden, dass die im Herkunftsmitgliedstaat erworbene Berufsqualifikation jener entspricht und damit der deutschen zweiten juristischen Staatsprüfung gleichwertig ist. Dies gilt sowohl für den Fall, dass die Feststellung unmittelbar aufgrund der ausländischen Berufsqualifikation erfolgt, als auch dann, wenn die Gleichwertigkeit erst aufgrund einer nach § 16a Absatz 3 EuRAG auferlegten Eignungsprüfung festgestellt wird. Eine solche Feststellung wäre inhaltlich evident unzutreffend. Bereits der Prüfungsstoffkatalog in § 6 der Verordnung über die Eignungsprüfung für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (RAZEignPrV), aus dem überdies nur das Pflichtfach Zivilrecht, zwei vom Antragsteller gewählte Wahlfächer und das anwaltliche Berufsrecht zum Prüfungsgegenstand zu machen sind, belegt, dass die Eignungsprüfung nicht einmal ansatzweise mit der zweiten juristischen Staatsprüfung vergleichbar ist.

Eine Feststellung des genannten Inhalts wird von der Richtlinie 2005/36/EG auch nicht verlangt. Nach dieser kann der Aufnahmemitgliedstaat von einem Antragsteller, der seine Berufsqualifikation in einem anderen Mitgliedstaat erworben hat, die Ablegung einer Eignungsprüfung verlangen, wenn die bisherige Ausbildung des Antragstellers sich auf Fächer bezieht, die sich wesentlich von denen unterscheiden, die durch den Ausbildungsnachweis im Aufnahmemitgliedstaat abgedeckt werden (Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe a). Unter diesen Fächern sind nach der Legaldefinition in Artikel 14 Absatz 4 solche zu verstehen, "bei denen Kenntnis, Fähigkeiten und Kompetenzen eine wesentliche Voraussetzung für die Ausübung des Berufs sind und bei denen die bisherige Ausbildung des Migranten wesentliche Abweichungen hinsichtlich des Inhalts gegenüber der im Aufnahmemitgliedstaat geforderten Ausbildung aufweist". Der Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts in Deutschland, dessen Ausübung eine genaue Kenntnis des einzelstaatlichen Rechts erfordert (Artikel 14 Absatz 3 Unterabsatz 1), ist einem Antragsteller, der seine Berufsqualifikation in einem anderen Mitgliedstaat erworben hat, danach dann zu gestatten (Artikel 13 Absatz 1), wenn er entweder aufgrund seiner Befähigungs- oder Ausbildungsnachweise oder durch das Bestehen der Eignungsprüfung nachgewiesen hat, dass er über die für die Berufsausübung als Rechtsanwalt in Deutschland erforderlichen Kenntnisse im deutschen Recht verfügt.

Dies sollte in der für § 16 Absatz 1 Satz 1 EuRAG zu wählenden Formulierung zum Ausdruck kommen. Die Vorschrift sollte daher - in Anlehnung an die Vorschrift des § 11 Absatz 1 RAZEignPrV, die regelt, wann die Eignungsprüfung bestanden ist - dahingehend gefasst werden, dass die antragstellende

Person die Feststellung beantragen kann, "dass die von ihr erworbene Berufsqualifikation die Kenntnisse vermittelt, die für die Ausübung des Berufs des Rechtsanwalts in Deutschland erforderlich sind".

6. Zu Artikel 2 Nummer 10 (§ 16 Absatz 3 Nummer 2 EuRAG)

In Artikel 2 Nummer 10 ist in § 16 Absatz 3 Nummer 2 das Wort "Ausbildungsnachweis" durch das Wort "Nachweis" zu ersetzen.

Begründung:

Der Gesetzentwurf übernimmt in § 16 Absatz 3 Nummer 2 EuRAG-E inhaltlich im Wesentlichen die bisherige Regelung in § 3 Absatz 2 Nummer 2 der Verordnung über die Eignungsprüfung für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (RAZEignPrV), verlangt jedoch statt eines "Nachweises" nunmehr einen "Ausbildungsnachweis" über die Berechtigung zum Zugang zum Beruf des europäischen Rechtsanwalts. Dies ist unter den nachfolgenden Erwägungen nicht zweckmäßig.

Die Zugangsberechtigung zum Beruf des europäischen Rechtsanwalts ist nach § 16 Absatz 1 Satz 1 EuRAG Voraussetzung für die Feststellung der Gleichwertigkeit ebenso wie für die Durchführung der Eignungsprüfung und mithin durch das zuständige Prüfungsamt zu prüfen. In der Praxis sind allerdings die Anforderungen an die Berufsqualifikation für den Rechtsanwaltsberuf, die in den mittlerweile 31 nach der Anlage zu § 1 EuRAG in Frage kommenden Staaten (Mitgliedstaaten der Europäischen Union, andere Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und die Schweiz) gestellt werden, außerordentlich vielgestaltig. Dies bedeutet nicht nur für die Prüfungsämter einen erheblichen Prüfungsaufwand. Erfahrungsgemäß ist es auch für die Antragsteller oft schwierig, sämtliche fachliche Berufszugangsvoraussetzungen nachzuweisen. Im Einzelfall können hierfür etwa Nachweise über den Abschluss der universitären Ausbildung, der praktischen Rechtsanwaltsausbildung (die in einen oder mehrere theoretische und praktische Teile zerfallen kann) und verschiedener Examina erforderlich sein, die, wenn sie dem Antragsteller nicht (mehr) vorliegen, unter Umständen von verschiedenen Behörden beschafft und darüber hinaus in aller Regel übersetzt werden müssen.

In der Entscheidungspraxis der Prüfungsämter wird es daher vielfach auch als ausreichend angesehen, wenn der Antragsteller nachweist, in einem anderen Mitgliedstaat als Rechtsanwalt zugelassen zu sein oder gewesen zu sein. Ein solcher Nachweis ist für die Antragsteller in der Regel einfach zu beschaffen, weil er sich auf eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Rechtsanwaltskammer beschränken kann, die oftmals auch bereits in deutscher, englischer oder französischer Sprache ausgestellt wird.

Das Genügenlassen einer Zulassungsbescheinigung der zuständigen Rechtsanwaltskammer würde aber nach dem Wortlaut des Gesetzentwurfes nicht mehr in Betracht kommen, weil es sich dabei nicht um einen Ausbildungsnachweis handelt. Die bisherige Formulierung der Verordnung, die lediglich einen Nachweis fordert, sollte daher unverändert in das Gesetz übernommen werden.

7. Zu Artikel 6 Nummer 2 Buchstabe b (§ 1 Absatz 2 Nummer 2 RDG)

In Artikel 6 Nummer 2 Buchstabe b sind in § 1 Absatz 2 Nummer 2 nach dem Wort "unterfällt" die Wörter "oder die Rechtsdienstleistung eine Forderung eines Unternehmers gegenüber einem Verbraucher, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, aus einem Rechtsverhältnis zum Gegenstand hat, für das Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 17. Juni 2008 (ABl. L 177 vom 4. Juli 2008, S. 6) über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) gilt" einzufügen.

Begründung:

Bei Verbraucherverträgen im grenzüberschreitenden Fernabsatz kommt es zunehmend vor, dass gemäß Artikel 6 Absatz 2 der Rom-I-Verordnung das Recht eines Staates vereinbart wird, der nicht dem Wohnsitz des Verbrauchers entspricht. Trotz des Geltungsanspruchs des zwingenden Verbraucherrechts des Wohnsitzstaates unterfällt der Vertrag als solches nicht dem deutschem Recht, so dass Inkassomaßnahmen hieraus durch einen nicht im Inland niedergelassenen Inkassodienstleister gemäß dem Gesetzentwurf nicht dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) unterlägen. Da dem Verbraucher aber oftmals die Rechtswahl und ihre Folgen nicht bewusst sein dürften, ist es nicht sachgerecht, ihm in Bezug auf Inkassomaßnahmen aus einem derartigen Vertragsverhältnis den Schutz des RDG zu verwehren. In den von Artikel 6 Absatz 1 der Rom-I-Verordnung erfassten Fällen, in denen Unternehmen ihr Angebot bewusst auf den deutschen Markt ausrichten, besteht auch keine schutzwürdige Erwartung auf Seiten der Unternehmen, dass für die Durchsetzung ihrer vertraglichen Ansprüche ausschließlich das von ihnen vorgegebene Recht zur Anwendung gelangt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Unternehmer im Falle einer gerichtlichen Durchsetzung nach Artikel 18 Absatz 2 der Brüssel-I-Verordnung das zuständige Gericht im Wohnsitzstaat des Verbrauchers anrufen müsste und seine Klage dem deutschen Prozessrecht unterläge.

Außerdem gewährleistet die vorgeschlagene Ergänzung, dass das RDG auch im Falle einer dazwischengeschalteten Forderungsabtretung des Vertragspartners an den Auftraggeber der Inkassodienstleistung zur Anwendung kommt und damit Umgehungen verhindert werden können.

8. Zu Artikel 6 Nummer 8 (§ 15 Absatz 3 RDG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob § 15 Absatz 3 RDG um eine Fristenregelung im Sinne des Artikels 7 Buchstabe c der Richtlinie 2013/55/EU zu ergänzen ist.

Begründung:

Der Gesetzentwurf dient unter anderem der Umsetzung der Änderungen der Richtlinie 2005/36/EG durch die Richtlinie 2013/55/EU. Nach Artikel 7 Absatz 4 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2005/36/EG hatte sich die zuständige Behörde zu bemühen, den Dienstleister grundsätzlich binnen einer Frist von höchstens einem Monat nach Eingang der Meldung und der Begleitdokumente über ihre Entscheidung, seine Qualifikationen nicht nachzuprüfen, sowie über das Ergebnis dieser Nachprüfung zu unterrichten. Die Fristenregelung wurde in Artikel 7 Buchstabe c der Richtlinie 2013/55/EU verschärft. Nunmehr hat die zuständige Behörde den Dienstleister spätestens einen Monat nach Eingang der näher spezifizierten Meldung und Begleitdokumente über ihre Entscheidung zu informieren und die Erbringung der Dienstleistung zuzulassen, ohne seine Berufsqualifikation nachzuprüfen. Diese Vorgabe findet bisher in § 15 RDG keinen Niederschlag.

9. Zu Artikel 9 Nummer 6 (§ 10 Absatz 2 Satz 3 BNotO)

Artikel 9 Nummer 6 ist zu streichen.

Begründung:

Artikel 9 Nummer 6 des Gesetzentwurfes sieht eine Änderung des § 10 Absatz 2 Satz 3 der Bundesnotarordnung - BNotO dahingehend vor, dass Anwaltsnotarinnen und Anwaltsnotare ihre notarielle Geschäftsstelle auch am Ort einer weiteren Kanzlei im Sinne des § 27 Absatz 2 BRAO-E einrichten können und sie diese nicht zwingend am Ort der Zulassungskanzlei unterhalten müssen. Dadurch soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass nach dem Gesetzentwurf zukünftig die weiteren Kanzleien grundsätzlich gleichberechtigt neben der Zulassungskanzlei bestehen sollen. Die mit Artikel 9 Nummer 6 bezweckte Änderung des § 10 Absatz 2 Satz 3 BNotO erscheint vor diesem Hintergrund zunächst als konsequente Nachzeichnung der beabsichtigten Änderung zu Artikel 1 Nummer 6 (§ 27 Absatz 2 BRAO-E).

Die in dem Gesetzentwurf vorgeschlagene Änderung berücksichtigt jedoch nicht, dass die Anwaltsnotarinnen und Anwaltsnotare gemäß § 3 Absatz 2 BNotO nur für die Dauer der Mitgliedschaft bei der für den Gerichtsbezirk zuständigen Rechtsanwaltskammer bestellt werden und ihr Notaramt gemäß § 47 Nummer 3 BNotO von Gesetzes wegen erlischt, wenn die Mitgliedschaft bei der für den Gerichtsbezirk zuständigen Rechtsanwaltskammer entfällt. Der Ort, an dem die notarielle Geschäftsstelle unterhalten wird, muss demnach im Zuständigkeitsbereich derjenigen Rechtsanwaltskammer liegen, in dem die Rechtsanwältin, der Rechtsanwalt zugelassen ist.

Zugelassen s i.d.R. chtsanwältinnen und Rechtsanwälte stets nur an einem Ort, nämlich dem Ort der sogenannten Zulassungskanzlei. Mit der Errichtung einer weiteren Kanzlei im Bezirk einer anderen Rechtsanwaltskammer wird keine Doppelmitgliedschaft begründet. Die Mitgliedschaft bestimmt sich weiterhin nach dem Ort der ersten Zulassung, solange die Rechtsanwältin oder der Rechtsanwalt nicht die Aufnahme in eine andere Rechtsanwaltskammer beantragt. An diesem Ort der Zulassung muss dann auch die notarielle Geschäftsstelle unterhalten werden. Einer durch § 10 Absatz 2 Satz 3 BNotO-E erlaubten Einrichtung der notariellen Geschäftsstelle am Ort einer weiteren Kanzlei im Sinne des § 27 Absatz 2 BRAO-E stünden § 3 Absatz 2 und § 47 Nummer 3 BNotO entgegen.

10. Zu Artikel 9 Nummer 10 (§ 29 Absatz 3, 4 BNotO)

Artikel 9 Nummer 10 ist zu streichen.

Begründung:

Auf eine Einbeziehung der in Artikel 9 Nummer 10 des Gesetzentwurfes vorgesehenen Ersetzung des bisherigen § 29 Absatz 3 BNotO in das hier maßgebliche Gesetzgebungsverfahren sollte verzichtet werden. Eine Anpassung des § 29 Absatz 3 Satz 1 BNotO an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 8. März 2005 - 1 BvR 2561/03 (BGBl. I S. 1413) steht mit der Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie nicht in unmittelbarem Zusammenhang und ist nicht in besonderem Maße dringlich. Sie bedarf hinsichtlich ihrer Umsetzung einer sorgfältigen Abwägung, die durch eine breiter angelegte Diskussion auf der Grundlage der Ermittlung der bislang in der Praxis gewonnenen Erfahrungen vorbereitet werden sollte. Dabei sind die Berufsfreiheit des werbenden Anwaltsnotars, der Schutz der rechtsuchenden Bevölkerung vor einer Irreführung sowie der Schutz konkurrierender Berufsträger vor der ungerechtfertigten Ausnutzung eines Wettbewerbsvorteils miteinander in Einklang zu bringen. Hierbei spricht viel dafür, anhand des Kriteriums der Ortsfestigkeit zwischen Geschäftspapieren und Verzeichnissen einerseits sowie Geschäftsschildern andererseits zu unterscheiden. Anders als Geschäftspapiere oder Einträge in Verzeichnissen werden Geschäftsschilder für eine ortsfeste Verwendung beschafft. Ein schutzwürdiges Interesse, für an unterschiedlichen Orten belegene Räume gleich ausgestaltete Geschäftsschilder zu verwenden, ist nicht anzuerkennen. Ohne die Anerkennung eines solchen Interesses an einer einheitlichen Beschaffung und Verwendung aber besteht kein Grund, in Kauf zu nehmen, dass ein Anwaltsnotar auf einem Geschäftsschild an einem Ort die Bezeichnung "Notar" führt, an dem er notarielle Amtsgeschäfte nicht vornehmen darf. Mit einer solchen Verwendung eines Geschäftsschildes ist eine erhebliche Gefahr verbunden, die rechtsuchende Bevölkerung irrezuführen und den Wettbewerb unter den Berufsträgern ohne sachliche Rechtfertigung zu verzerren. Ein auf dem Schild angebrachter Hinweis auf den Amtssitz des Anwaltsnotars bringt nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass der Betroffene notarielle Amtshandlungen nicht örtlich unbegrenzt vornehmen darf. Denn angesichts der Verbreitung mit einer Ortsangabe verbundener LL.M-Titel ist für die rechtsuchende Bevölkerung nicht hinreichend klar ersichtlich, ob der Klammerzusatz lediglich angibt, wo der Betroffene sein Amt erlangt hat, oder ob aus dem Klammerzusatz zu schließen ist, dass der Betroffene an dem Ort, an dem er das mit dem Hinweis auf einen abweichenden Amtssitz versehene Schild verwendet, notarielle Amtshandlungen nicht vornehmen darf.

11. Zu Artikel 9 Nummer 16 (§ 67 Absatz 2 Satz 3 Nummer 7 BNotO)

In Artikel 9 Nummer 16 sind in § 67 Absatz 2 Satz 3 Nummer 7 nach dem Wort "Verzeichnissen" ein Komma und die Wörter "die Angabe der Amtsbezeichnung" einzufügen.

Begründung:

Nach dem Gesetzentwurf hat der Anwaltsnotar, der weitere Kanzleien oder Zweigstellen unterhält, auf seinen Geschäftspapieren, in Verzeichnissen, in der Werbung und auf nicht an der notariellen Geschäftsstelle befindlichen Geschäftsschildern einen Hinweis auf seinen notariellen Amtssitz anzubringen (§ 29 Absatz 3 Satz 1 BNotO-E). Für diesen Hinweis sieht der Gesetzentwurf vor, dass er der Amtsbezeichnung als Notar unmittelbar nachfolgen und der Amtsbezeichnung im Erscheinungsbild entsprechen muss (§ 29 Absatz 3 Satz 2 BNotO-E).

Der Gesetzentwurf sieht ferner vor, dass die Notarkammern für das nach § 29 zu beachtende Verhalten durch eine Richtlinie nähere Regelungen erlassen können (§ 67 Absatz 2 Satz 3 Nummer 7 Halbsatz 1 BNotO-E). Hierzu benennt der Gesetzentwurf in seinem zweiten konkretisierenden Halbsatz ausdrücklich nur die "Geschäftspapiere" und die "Verzeichnisse". Die in § 29 Absatz 3 Satz 1 BNotO-E darüber vorgesehene "Werbung" und die "Geschäftsschilder" werden hingegen nicht ausdrücklich als möglicher Regelungsgegenstand einer Kammerrichtlinie benannt. Um der Schlussfolgerung entgegenzuwirken, dass die Notarkammern betreffend die Angabe der Amtsbezeichnung in der Werbung und auf rechtsanwaltlichen Geschäftsschildern keine näheren Regelungen treffen könnten, sollte dieser Regelungsbereich den Notarkammern durch eine entsprechende Klarstellung ausdrücklich eröffnet werden. Hierbei bietet es sich an, den Regelungsgegenstand von § 29 Absatz 3 Satz 1 BNotO-E ("Angabe der Amtsbezeichnung") abstrakt in Bezug zu nehmen.

12. Zu Artikel 10 Nummer 2 (§ 169 Absatz 5 ZPO)

Artikel 10 Nummer 2 ist wie folgt zu fassen:

Begründung:

Der Bundesrat stimmt zwar dem Ziel der Bundesregierung zu, die elektronische Zustellung eines eingegangenen elektronischen Dokuments zu regeln, nicht aber dem vorgeschlagenen Weg.

Ein elektronisches Dokument kann in zwei Formen wirksam bei Gericht eingehen: entweder versehen mit einer qualifizierten elektronischen Signatur oder ab dem 1. Januar 2018 auch über einen sicheren Übermittlungsweg im Sinne des § 130a der Zivilprozessordnung (ZPO). Ist das elektronische Dokument mit einer elektronischen Signatur versehen, sollte der Rechtsgedanke des § 169 Absatzes 5 ZPO entsprechend angewendet werden. Die Herstellung einer elektronisch beglaubigten Abschrift zum Zweck der Zustellung ist danach unnötiger Mehraufwand, wenn das zuzustellende Dokument ohnehin bereits originär elektronisch in der Form des § 130b ZPO vorliegt. In diesem Fall kann das nach § 130b errichtete Dokument als solches elektronisch zugestellt werden (d.h. versehen mit der qualifizierten elektronischen Signatur des Urhebers), ohne dass es noch einer Beglaubigung bedarf (siehe hierzu: BT-Drucksache 17/13948, S. 34). Dies kann auf die elektronischen Dokumente der Parteien entsprechend übertragen werden. Da die Dokumente der Partei bereits originär elektronisch in Form des § 130a ZPO gegebenenfalls i.V.m. § 14a des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) oder § 46c des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG), § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), § 65a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) oder § 52a der Finanzgerichtsordnung (FGO) vorliegen, bedarf es einer Beglaubigung des elektronischen Dokumentes nicht mehr.

Soweit der Eingang ab dem 1. Januar 2018 über einen sicheren Übermittlungsweg im Sinne des § 130a ZPO oder § 14a FamFG, § 46c ArbGG, § 55a VwGO, § 65a SGG oder § 52a FGO erfolgt ist, genügt ebenfalls die Weiterleitung ohne Signatur, da die Zustellung nach § 174 Absatz 4 ZPO in der ab dem 1. Januar 2018 gültigen Fassung über einen sicheren Übermittlungsweg zu erfolgen hat. Damit der Adressat erkennen kann, dass es sich um ein elektronisches Dokument handelt, dass das Gericht auf einem sicheren Übermittlungsweg erreicht hat, kann der elektronische Nachweis (Prüf- und Übermittlungsprotokolle) über den sicheren Übermittlungsweg beigefügt werden. Das gesetzgeberische Ziel der Bundesregierung, dem Zustellungsadressaten durch die Signatur des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu ermöglichen, die Herkunft des Schriftstücks vom Gericht zu überprüfen, wird bereits durch die Regelungen des § 174 Absatz 4 ZPO sichergestellt. Nach dessen Regelung ist das Dokument gegen unbefugte Kenntnis Dritter zu schützen und ab dem 1. Januar 2018 zusätzlich auf einem sicheren Übermittlungsweg im Sinne des § 130a Absatz 4 ZPO zu übermitteln. Bereits jetzt wird gerichtlicherseits der Schutz gegen unbefugte Kenntnisnahme Dritter durch die Verwendung des OSCIProtokolls sichergestellt, der ab dem 1. Januar 2018 einen sicheren Eingangsweg im Sinne des § 130a Absatz 4 ZPO n.F. darstellt, da dieses Protokoll z.B. durch das besondere Anwaltspostfach verwendet wird. Bereits die Verwendung des sicheren Übermittlungswegs ermöglicht die Überprüfung der Herkunft des Schriftstücks vom Gericht. Einer weiteren Signatur bedarf es dafür nicht, sie führt bei den Gerichten nur zu erheblichen Mehraufwänden, ohne dass es dadurch zu einem Mehrwert bei den Parteien kommt.

Aufgrund des dargestellten Gleichlaufs mit dem bisherigen § 169 Absatz 5 ZPO kann die Zustellung von eingehenden elektronischen Dokumenten in die Vorschrift integriert werden, die entsprechend neu zu fassen ist.

13. Zu Artikel 11 Nummer 5 (§ 9 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe r1 - neu - StPOEG)

In Artikel 11 Nummer 5 ist in § 9 Absatz 1 Nummer 1 nach Buchstabe r folgender Buchstabe einzufügen:

"r1) Rettungsassistentinnen und -assistenten,"

Begründung:

Die Aufzählung der Heilberufe in § 9

Der Beruf des Rettungsassistenten ist ein reglementierter Gesundheitsfachberuf, dessen Ausübung eine staatlich geregelte Ausbildung und staatliche Prüfung erfordern, § 1 Absatz 1 und § 2 Absatz 1 Nummer 1 Rettungsassistentengesetz.

Gemäß Artikel 5 Satz 2 des Gesetzes über den Beruf der Notfallsanitäterin und des Notfallsanitäters sowie zur Änderung weiterer Vorschriften vom 22. Mai 2013 (BGBl. I S. 1348) ist das Rettungsassistentengesetz zum 31. Dezember 2014 außer Kraft getreten und durch das Notfallsanitätergesetz abgelöst worden.

Jedoch dürfen gemäß § 30 Notfallsanitätergesetz Rettungsassistenten, welche eine Erlaubnis nach dem Rettungsassistentengesetz besitzen, die Berufsbezeichnung "Rettungsassistentin" oder "Rettungsassistent" ohne zeitliche Einschränkung weiter führen. Es besteht insoweit keine Pflicht dieser Berufsangehörigen zu einer weiteren ergänzenden Ausbildung und Prüfung nach dem Notfallsanitätergesetz mit dem Ziel die Berufsbezeichnung Notfallsanitäter führen zu dürfen.

Der Beruf des Rettungsassistenten folglich ist von dem Anwendungsbereich der Richtlinie umfasst.

Gemäß Artikel 56a Absatz 1 der Richtlinie erfolgen Warnmeldungen zur Unterrichtung der Mitgliedstaaten über Beschränkungen oder Untersagungen der Berufsausübung bestimmter Berufsangehöriger. Dies betrifft gemäß Artikel 56a Absatz 1 Buchstabe k der Richtlinie die Berufsangehörigen, welche Tätigkeiten ausüben, die Auswirkungen auf die Patientensicherheit haben. Rettungsassistenten nehmen an der notfallmedizinischen Versorgung von Patienten teil, folglich sind sie Berufsangehörige gemäß Artikel 56a Absatz 1 Buchstabe k.

Ebenso ist hinsichtlich der Berufsgruppe der Rettungsassistenten der Anwendungsbereich gemäß Artikel 56a Absatz 3 der Richtlinie eröffnet, da im Fall einer Berufsausübung in einem anderen Mitgliedstaat ein Anerkennungsverfahren erfolgt.

14. Zu Artikel 12 Nummer 2 (§ 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 StPO)

Artikel 12 Nummer 2 ist wie folgt zu fassen:

Begründung:

Der bislang in § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 StPO-E verfolgte Ansatz, das Zeugnisverweigerungsrecht auf nahezu alle Rechtsanwälte weltweit zu erstrecken, kann einer effektiven Strafrechtspflege entgegenstehen. Dies gilt insbesondere, soweit nach der Begründung des Gesetzentwurfes (S. 277) hinsichtlich eines ausländischen Rechtsdienstleisters, der weder aus einem anderen

Mitgliedstaat der EU stammt noch einer der in der Anlage 1 zu § 206 BRAO aufgeführten Berufsgruppen angehört, an Hand des in § 206 Absatz 1 BRAO aufgezeigten Prüfungsmaßstabs im Freibeweisverfahren zu klären ist, ob die Voraussetzungen des Zeugnisverweigerungsrechts im Einzelfall vorliegen. Dies kann einen erheblichen Aufwand, die Gefahr divergierender Entscheidungen durch unterschiedliche Gerichte und auch ein nicht zu unterschätzendes Streitpotenzial mit sich bringen.

Die Problematik kann sich außerdem im Zusammenhang mit den Regelungen des § 97 Absatz 1 StPO sowie des § 160a Absatz 1 Satz 1 StPO stellen, da die Vorschriften Verbote hinsichtlich Ermittlungsmaßnahmen und Beschlagnahmen zu Gunsten zeugnisverweigerungsberechtigter Personen statuieren. Ob ein Zeugnisverweigerungsrecht eines ausländischen Rechtsdienstleisters besteht, wäre nach der bisherigen Entwurfsfassung wiederum am Maßstab des § 206 Absatz 1 BRAO zu bestimmen, sofern dies nicht bereits anhand formaler Gesichtspunkte möglich ist. Im Rahmen von - zum Teil eilbedürftigen - Ermittlungsmaßnahmen wie Durchsuchungen oder der Überwachung der Telekommunikation würde diese Prüfung der Staatsanwaltschaft obliegen. Gerade in Eilfällen wird eine solche zum Teil aufwendige Prüfung aber nicht möglich sein. Eine falsche Bewertung hätte jedoch nach § 160a Absatz 1 Satz 2 StPO zwingend die Unverwertbarkeit erhobener Beweise zur Folge. Insofern besteht auch das Risiko, dass die mit der beabsichtigten Regelung verbundene Unklarheit des Rechts dazu führt, dass von Beweiserhebungen durch die Strafverfolgungsbehörden abgesehen wird, obwohl faktisch kein Zeugnisverweigerungsrecht besteht.

Daher wird vorgeschlagen, auf rein formale Kriterien abzustellen und ein Zeugnisverweigerungsrecht nur Rechtsanwälten einzuräumen, die in Deutschland oder einem Mitgliedstaat der EU zugelassen sind oder einer der in der Rechtsverordnung zu § 206 BRAO aufgeführten Berufsgruppen angehören. Etwaige hierdurch verursachte Ungleichbehandlungen sind durch das öffentliche Interesse an einer effektiven Strafrechtspflege gerechtfertigt und waren bereits in der bisherigen Gesetzesfassung angelegt.

B