Der Bundesrat hat in seiner 909. Sitzung am 3. Mai 2013 die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefasst.
Anlage
Entschließung des Bundesrates "Maßnahmen für mehr Steuergerechtigkeit und gegen Steuerbetrug"
- 1. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass Steuergerechtigkeit und eine faire Finanzierung des Gemeinwesens die Grundvoraussetzung für ein funktionierendes Staatswesen und einen handlungsfähigen Staat darstellen. Die notwendigen Einnahmen für staatliche Investitionen in zukunftsträchtige Bereiche wie Bildung und Infrastruktur lassen sich nur erzielen, wenn sich der ehrliche Steuerzahler nicht als der "Dumme" vorkommt. Der Bundesrat sieht hier dringenden Handlungsbedarf. So entgehen dem Staat nach seriösen Schätzungen durch Steuerhinterziehung jedes Jahr Einnahmen in Milliardenhöhe.
- 2. Die Finanzkrise hat das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Rechtsstaat und die Banken erheblich geschwächt. Dieses Vertrauen muss wieder zurück gewonnen werden. Deshalb fordert der Bundesrat, dass in das Kreditwesengesetz explizite Regelungen aufgenommen werden, die ein Vorgehen gegen Banken im Falle der systematisch betriebenen Beihilfe zur Steuerhinterziehung oder der Verweigerung der Kooperation mit Steuerbehörden ermöglichen. Es soll ein gestuftes System von Sanktionsmöglichkeiten geschaffen werden, welches im äußersten Fall den Entzug der Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften vorsehen soll.
- 3. Der Bundesrat hält es gerade auch im Hinblick auf die jüngsten Enthüllungen zu den "Offshore Leaks" für dringend geboten, den zwischenstaatlichen Informationsaustausch national und international effektiver zu gestalten, um Steueroasen weltweit trocken zu legen. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass der Anwendungsbereich der EU-Zinsrichtlinie zügig auf alle Kapitaleinkünfte und alle natürlichen und juristischen Personen ausgedehnt wird. Damit Steuerhinterzieher jederzeit mit der Gefahr rechnen müssen, überführt zu werden, hält es der Bundesrat darüber hinaus für unabdingbar, den automatischen Auskunftsaustausch im Bereich der Finanzanlagen zumindest in Europa, besser weltweit, zum Standard zu machen. Anonyme Briefkastenfirmen und Stiftungen müssen auf den Prüfstand gestellt, Gewinnverlagerungen in Steueroasen bekämpft werden. Bestehende Doppelbesteuerungsabkommen mit Steueroasen müssen neu verhandelt und gegebenenfalls ausgesetzt werden.
- 4. Der Bundesrat erinnert an die erfolgreiche Praxis in der Vergangenheit, Länder auf schwarze Listen zu setzen, die das Musterabkommen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zum Informationsaustausch missachteten. Er fordert die Bundesregierung auf, eine Neuauflage der schwarzen Liste für Steueroasen zu veranlassen und in diese Liste auch die Länder aufzunehmen, die zu keinem automatischen Informationsaustausch und nicht zur Beantwortung von Gruppenanfragen bereit sind.
- 5. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Einführung eines generellen Reverse-Charge-Verfahrens für Warenlieferungen und Dienstleistungen ein wirksames Instrument zur Bekämpfung der derzeitigen system- und betrugsbedingten Umsatzsteuerausfälle sein kann. Diese Maßnahme setzt eine entsprechende Reform des Mehrwertsteuersystems auf EU-Ebene voraus.
- 6. Zur besseren Nutzbarkeit der schon vorhandenen Daten zu im Ausland erzielten Einkommen oder bestehenden Vermögen regt der Bundesrat an, alle Verfahren der Datenübermittlung des Bundes an die Länder daraufhin zu überprüfen, ob die vorhandenen Daten statt in Papierform auch in elektronischer und somit in auch kurzfristig auswertbarer Form geliefert werden könnten.
- 7. Umfangreiche Steuerflucht und Steuerhinterziehung führen auch und gerade in den Staaten mit hoher Staatsverschuldung dazu, dass dem Staat notwendige Mittel zur Finanzierung des Gemeinwesens vorenthalten werden. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich dafür einzusetzen, den konsequenten Kampf gegen Steuerdumping und Steuerbetrug zur Voraussetzung für die Gewährung von Finanzhilfen im Rahmen der Euro-Rettungspakete zu machen. Auf diese Weise kann auch sichergestellt werden, dass die hoch verschuldeten Staaten entsprechend dem Subsidiaritätsgedanken zunächst die eigenen Steuerquellen ausschöpfen, bevor solidarische Hilfe auf europäischer Ebene in Anspruch genommen werden kann.
- 8. Nach Auffassung des Bundesrates müssen die Verjährungsfristen für Steuerbetrug verschärft werden. Die gegenwärtigen Regelungen in der Abgabenordnung stehen einer wirksamen Bekämpfung der Steuerhinterziehung entgegen, soweit die Frist für die Verfolgung entsprechender Sachverhalte gerade bei Auslandsbezug zu kurz bemessen ist. Verstöße gegen das Steuerrecht sollen künftig nicht mehr automatisch schon nach zehn Jahren verjähren. Die Verjährungsfristen sollen künftig so gestaltet werden, dass eine wirksame Strafverfolgung und Nacherhebung verkürzter Steuern auch über diesen Zeitraum hinaus ermöglicht wird.
- 9. Zu oft entziehen sich Steuerstraftäter durch die Abgabe einer wirksamen Selbstanzeige einer Bestrafung. Eine solche Möglichkeit besteht für andere Straftaten nicht. Daher gilt es, das Steuerstrafrecht an die Regelungen des allgemeinen Strafrechts anzupassen und die strafbefreiende Selbstanzeige auf Bagatellfälle zu begrenzen. Die aktuellen Beispiele zeigen, dass selbst die mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz 2011 eingeführten Verschärfungen der strafbefreienden Wirkung einer Selbstanzeige nicht zielführend waren. Das verfolgte moralische Ziel der Vorschrift, nämlich die freiwillige vollständige Rückkehr reuiger Steuersünder zur Steuerehrlichkeit, wurde durch die Verschärfung der Zugangsvoraussetzungen nicht erreicht.