Empfehlungen der Ausschüsse
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der deutschen Finanzaufsicht

897. Sitzung des Bundesrates am 15. Juni 2012

A

Der federführende Finanzausschuss, der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

Zum Gesetzentwurf allgemein

4. Zu Artikel 1 (§ 3 Absatz 4a - neu - FinStabG)

In Artikel 1 § 3 ist nach Absatz 4 folgender Absatz 4a einzufügen:

Begründung:

Nach § 3 Absatz 3 FinStabG-E kann jede öffentliche Stelle im Inland Adressat einer Warnung oder von Empfehlungen des Ausschusses für Finanzstabilität sein. In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich klargestellt, dass auch Behörden der Länder, die über Instrumentarien verfügen, mit denen den identifizierten Gefahren begegnet werden kann, zum Adressatenkreis gehören sollen.

§ 3 Absatz 4 FinStabG-E sieht vor, dass der Adressat dem Ausschuss für Finanzstabilität über die geplante Umsetzung der Empfehlungen berichtet. Lehnt der Adressat die Umsetzung ab, hat er dies eingehend zu begründen. In allen Fällen, in denen eine Empfehlung nicht oder nicht vollständig umgesetzt wird oder der Ausschuss die Begründung des Adressaten für nicht ausreichend hält, hat der Ausschuss für Finanzstabilität nach § 3 Absatz 5 FinStabG-E nur die Möglichkeit, die Empfehlung zu veröffentlichen.

Ausweislich der Gesetzesbegründung soll die Veröffentlichung - mit Ankündigung gegenüber dem Adressaten - für Transparenz sorgen und gleichzeitig dem Adressaten die Möglichkeit geben, unmittelbar im Anschluss an die Veröffentlichung angemessen gegenüber der Öffentlichkeit Stellung zu nehmen.

Damit wird die Diskussion zwischen Bund und Ländern um die Umsetzung von Empfehlungen in die Öffentlichkeit getragen. Für ein konstruktives Zusammenwirken von Bund und Ländern beim Umgang mit Gefahren für die Finanzstabilität dürfte dieser Schritt nicht hilfreich sein. Hinzu kommt, dass die Veröffentlichung als Mittel zur Durchsetzung einer Empfehlung nur bei den Länderbehörden praktische Relevanz hat. Es ist kaum vorstellbar, dass die Bundesbank oder die BaFin, die auf Bundesebene über die aufsichtsrechtlichen Instrumentarien zur Wahrung der Finanzstabilität verfügen, eine Empfehlung des Ausschusses nicht umsetzen. Beide sind im Ausschuss vertreten. Zudem übt das Bundesministerium der Finanzen, bei dem der Ausschuss angesiedelt ist, über die BaFin die Fach- und Rechtsaufsicht aus.

Allenfalls dann, wenn alle anderen Optionen ausgeschöpft sind oder keinen Erfolg versprechen, sollte bei Empfehlungen an Landesbehörden der Schritt in die Öffentlichkeit in Betracht kommen.

Blaupause für das Zusammenwirken von Bund und Ländern sollte die Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über die Finanzaufsicht der Europäischen Union auf Makroebene und zur Errichtung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 1) sein, in der unter anderem der Umgang der EU-Mitgliedstaaten mit den Empfehlungen des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (ESRB) geregelt ist. Gemäß den Artikeln 17 und 18 dieser Verordnung ist zwar auch dort die Umsetzung der ESRB-Empfehlungen sowie die Möglichkeit der Veröffentlichung vorgesehen. Anders als der vorliegende Gesetzentwurf sieht Artikel 17 Absatz 2 allerdings vor, dass der ESRB bei Nichtumsetzung oder nicht angemessener Begründung den Adressaten sowie den ECOFIN-Rat in vertraulicher Weise informiert. Dieser Zwischenschritt ist nach Ansicht der EU-Gesetzgeber erforderlich, da - wie es in der Erwägung 21 der Verordnung heißt - "eine Veröffentlichung die Befolgung von Empfehlungen unter bestimmten Umständen fördern kann".

Dieser Zwischenschritt ist aber auch für das Zusammenwirken von Bund und Ländern erforderlich. Der neu eingefügte § 3 Absatz 4a FinStabG-E ist in weiten Teilen wortgleich mit dem Artikel 17 Absatz 2 der o.g. EU-Verordnung. Hierdurch wird nicht nur der Druck in Richtung Veröffentlichung genommen. Dem Ausschuss für Finanzstabilität wird vielmehr ein weiteres Instrument an die Hand gegeben, um die Behörden der Länder bei identifizierten Gefahren zu aktivem Handeln zu bewegen.

5. Zu Artikel 2 Nummer 2a - neu - (§ 4 Absatz 1 Satz 2 - neu - FinDAG)

In Artikel 2 ist nach Nummer 2 folgende Nummer 2a einzufügen:

Begründung:

Die Bundesanstalt sollte ihre Aufgaben nicht nur zur Wahrung der Finanzmarktstabilität wahrnehmen, sondern bei ihrer Tätigkeit auch die Interessen und den Schutz der Kunden berücksichtigen. Der aufsichtsrechtliche Schutz der Kunden als Aufgabe der Bundesanstalt ist bereits in einigen Spezialgesetzen, z.B. dem Wertpapierhandelsgesetz, normiert. Um dem hohen Stellenwert des Kundenschutzes als Aufsichtsziel Rechnung zu tragen, sollte die Wahrung der Belange der Kunden als generelles Aufsichtsziel in § 4 des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes (FinDAG) festgelegt werden.

Mit dieser Regelung soll allerdings nicht bezweckt werden, dass die Aufsichtstätigkeit der BaFin zur Durchsetzung individueller Rechtsansprüche der Kunden dient. Lediglich das kollektive Kundeninteresse sollte Teil der Aufsichtstätigkeit der Bundesanstalt sein.

6. Zu Artikel 2 Nummer 3 (§ 4b Absatz 3 Satz 1, Absatz 3a - neu -, Absatz 4 FinDAG)

In Artikel 2 Nummer 3 ist § 4b wie folgt zu ändern:

Begründung:

Die Zusammenarbeit zwischen der staatlichen Finanzaufsicht und Verbraucherverbänden ist verbesserungsbedürftig. Verbraucherverbände sind häufig Anlaufstelle für Beschwerden über Fehlverhalten in der Finanzbranche. Das insoweit bei den Verbraucherverbänden vorhandene Wissen wird aber nicht hinreichend bei der aufsichtsrechtlichen Tätigkeit der Bundesanstalt genutzt.

Die Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Beschwerderechts für Kunden sollte daher um ein qualifiziertes Beschwerderecht für qualifizierte Einrichtungen nach § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Unterlassungsklagengesetzes ergänzt werden. Dieses qualifizierte Beschwerderecht sollte sich dadurch auszeichnen, dass die Bundesanstalt gegenüber qualifizierten Einrichtungen innerhalb einer Frist von grundsätzlich sechs Monaten Stellung nehmen sollte. In der Stellungnahme sollte die Bundesanstalt begründen, ob der Beschwerde ein aufsichtsrechtlicher Rechtsverstoß zugrunde lag und welche aufsichtsrechtlichen Maßnahmen die Bundesanstalt ergriffen hat. Diese engere Kooperation zwischen der Bundesanstalt und qualifizierten Einrichtungen wird ein effektiveres Vorgehen gegen Verbraucherrechtsverstöße im Finanzdienstleistungssektor erleichtern. Das aufsichtsrechtliche Handeln der Bundesanstalt kann somit enger mit den zivilrechtlichen Klagebefugnissen der qualifizierten Einrichtungen gemäß § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Unterlassungsklagengesetzes koordiniert werden.

Darüber hinaus sollten bei allen Beschwerden die betroffenen Institute verpflichtend seitens der Bundesanstalt zur Stellungnahme aufgefordert werden. Hierbei sollte eine zügige Stellungnahme seitens der betroffenen Institute durch eine gesetzlich vorgegebene Frist gewährleistet werden.

7. Zu Artikel 2 Nummer 6 (§ 8a Absatz 1 Satz 3 - neu - FinDAG)

In Artikel 2 Nummer 6 ist dem § 8a Absatz 1 folgender Satz anzufügen:

"Die Bundesanstalt informiert den Verbraucherbeirat regelmäßig zu allen verbraucherrelevanten Aufgaben und Themen ihrer Aufsichtstätigkeit und hört ihn auf Wunsch zu vom Verbraucherbeirat ausgewählten Themen an."

Begründung:

Neben der allgemeinen Aussage, dass der Beirat aus Verbrauchersicht die Arbeit der Bundesanstalt bei der Erfüllung ihrer Aufsichtsaufgaben berät, ist sicherzustellen, dass die Bundesanstalt den Beirat auch in Bezug auf alle für ihn relevanten Aufgaben und Themen einbezieht und informiert. Auf Wunsch des Verbraucherbeirats sollte die Bundesanstalt dazu verpflichtet sein, den Verbraucherbeirat zu einzelnen verbraucherpolitischen Fragestellungen anzuhören. Dieses Informations- und Anhörungsrecht des Verbraucherbeirats gegenüber der Bundesanstalt sollte gesetzlich festgelegt werden.

8. Zu Artikel 2a - neu - (§ 4b - neu - WpHG)

Nach Artikel 2 ist folgender Artikel 2a einzufügen:

'Artikel 2a
Änderung des Wertpapierhandelsgesetzes

Nach § 4a des Wertpapierhandelsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1998 (BGBl. I S. 2708), das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 44 des Gesetzes vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I S. 3044) geändert worden ist, wird folgender § 4b eingefügt:

" § 4b Besondere Überwachungsbefugnisse bei der Anlageberatung

Begründung:

Die Einhaltung der kundenbezogenen Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes (z.B. Erstellung eines Beratungsprotokolls, Aushändigung eines Produktinformationsblattes, ordnungsgemäße Offenlegung von Provisionen, Ermittlung der persönlichen Verhältnisse des Anlegers, anlegergerechte Beratung) kann behördlich nur dann wirksam überwacht werden, wenn Mitarbeiter der Bundesanstalt die Qualität der Finanzdienstleistung in einer realen Situation überprüfen können. Dies setzt voraus, dass die eingesetzten Mitarbeiter bei Erbringung der Finanzdienstleistung ihre Identität bzw. den Überwachungszweck nicht offen legen. Es ist nicht erkennbar, wie die BaFin auf andere Weise an vergleichbare Informationen gelangen könnte, auf die sich behördliche Anordnungen bei Rechtsverstößen stützen lassen.

Angesichts der in verschiedenen Untersuchungen festgestellten Defizite in der Qualität der Anlageberatung ist eine verstärkte Aufsichtstätigkeit geboten, um die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben sicherzustellen und die wirtschaftlichen Schäden auf Grund von Fehlberatungen zu verringern.

Die Schaffung einer entsprechenden gesetzlichen Befugnis ist außerdem europarechtlich erforderlich. Die Finanzmarktrichtlinie (Richtlinie 2004/39/EG) schreibt vor, dass die zuständigen Behörden mit allen notwendigen Überwachungs- und Ermittlungsbefugnissen auszustatten sind. Artikel 50 Absatz 2 Buchstabe c der Finanzmarktrichtlinie verlangt in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Befugnis zu Ermittlungen vor Ort.

Durch das notwendige Einverständnis nach Absatz 2 ist den grundrechtlich geschützten Belangen der Wertpapierdienstleistungsunternehmen und ihrer Mitarbeiter ausreichend Rechnung getragen. Zudem sind staatliche Organe nicht per se zur Offenlegung ihrer Identität und ihres Handlungszwecks verpflichtet, wie beispielsweise die praktizierten Testkäufe zur Überwachung des Alkoholabgabeverbots an Jugendliche nach § 9 Absatz 1 Jugendschutzgesetz belegen. Auch der behördliche Vollzug der Preisangabeverordnung ist ohne Testkäufe nicht vollständig möglich. Außerdem ist mit Blick auf die Grundrechtspositionen der betroffenen Mitarbeiter festzustellen, dass die BaFin mit Testberatungen nicht in einen sensiblen Bereich der Privatsphäre oder der Freiheit der Berufsausübung eingreift. Denn die Beratungstätigkeit setzt notwendigerweise Kundenkontakt voraus. Der Berater muss damit rechnen, dass seine Dienstleistung sorgfältig geprüft und gegebenenfalls sogar Gegenstand einer gerichtlichen Auseinandersetzung wird. Der Berater muss schließlich auch Kontrollmaßnahmen seines Arbeitgebers im erforderlichen Umfang dulden. Da die Überwachung der Verhinderung von erheblichen Vermögensschäden dient, sind die mit ihr verbundenen Grundrechtseingriffe gerechtfertigt.

Die Regelung soll zunächst befristet eingeführt und rechtzeitig vor Fristablauf evaluiert werden.*

9. Zu Artikel 2b - neu - (§ 3 Absatz 3 - neu - PreisAngG) Artikel 2c - neu - (§ 6c - neu - PAngVO)

Begründung:

Bisher fällt die Überwachung sämtlicher Vorschriften der Preisangabenverordnung sowie die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten in die Zuständigkeit der Länder. Im Bereich des Kreditwesens kann diese dezentrale Überwachungsstruktur aber nicht überzeugen. Eine wirkungsvolle Überwachung der Preisangabenvorschriften für das Kreditwesen setzt neben einem umfangreichen Spezialwissen auch eine hohe Prüfungsintensität bei den zu überwachenden Kreditinstituten voraus. So wird ein Verstoß gegen die Vorgaben der Preisangabenverordnung häufig erst nach Einblick in und Auswertung von zahlreichen Verbraucherkrediten einschließlich der Überprüfung im Kreditinstitut vorliegender Geschäftsunterlagen festgestellt werden können.

Mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) existiert eine Fachbehörde, die über das notwendige Fachwissen im Bereich des Kreditwesens verfügt und schon heute die Tätigkeit von Kreditinstituten überwacht. Die Neuschaffung einer Zuständigkeit nach der Preisangabenverordnung stellt eine sinnvolle Ergänzung bestehender Befugnisse der BaFin dar, die gemäß § 23 Kreditwesengesetz berechtigt ist, Instituten zur Beseitigung von Missständen bestimmte Arten von Werbung zu untersagen. Dies schafft nicht nur Synergieeffekte bei der Aufgabenerledigung, sondern ist letztendlich auch im Interesse werbender Kreditinstitute, die sich dann bei Fragen zum Umfang zulässiger Werbetätigkeiten sowohl nach dem Kreditwesengesetz als auch nach der Preisangabenverordnung mit der BaFin abstimmen können.

Die Bündelung von Aufgaben bei der BaFin ist auch vor dem Hintergrund sinnvoll, dass Kreditinstitute zunehmend im Internet für ihre Produkte werben und damit Verbraucherinnen und Verbraucher im gesamten Bundesgebiet ansprechen. Das vorhandene Wissen der bundesweit tätigen BaFin sollte auch für die Feststellung und Ahndung von Verstößen nach der Preisangabenverordnung nutzbar gemacht werden.

In § 4 Absatz 1 Satz 2 Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz ist vorgesehen, der BaFin nach anderen Bestimmungen weitere Aufgaben zu übertragen. Mit der vorgeschlagenen Änderung werden die Bestimmungen im Preisangabengesetz und in der Preisangabenverordnung angepasst, um die Aufgaben im Bereich des Kreditwesens auf die BaFin zu verlagern.

10. Zu Artikel 5 (Überschrift, Absatz 4 - neu -)*

Artikel 5 ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Die Befugnis zur Durchführung von Testberatungen bei Wertpapierdienstleistungsunternehmen soll zunächst befristet eingeführt werden. Rechtzeitig vor Ablauf der Geltungsdauer soll die Effektivität des neuen Überwachungsinstruments evaluiert werden. Außerdem ist zu überprüfen, ob weiterhin Bedarf für eine verstärkte behördliche Überwachung besteht.

B