Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hat mit Schreiben vom 24. August 2006 zu der o. g. Entschließung des Bundesrates wie folgt Stellung genommen:
Der Beschluss des Bundesrates enthält auch eine Entschließung des Bundesrates, mit der die Bundesregierung gebeten wird, dem Bundesrat zu nachstehenden Punkten zu berichten:
1. Überprüfung von Grenzwerten
Im Hinblick auf die Nichteinhaltbarkeit der Grenzwerte bittet der Bundesrat die Bundesregierung, sich bei der Europäischen Kommission dafür einzusetzen, dass im "Rahmen der nach Artikel 10 der Richtlinie 99/30/EG vorgesehenen Revision der Richtlinie neben der ohnehin geplanten Revision der PM10-Richtgrenzwerte für 2010 (2. Stufe) die Grenzwerte der 1. Stufe (2005) sowie die Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO₂) für 2010 einer Prüfung unterzogen werden.
2. Verlängerung von Einhaltefristen
Der Bundesrat bittet darüber hinaus die Bundesregierung, sich angesichts der Schwierigkeiten bei der fristgemäßen Einhaltung der Grenzwerte für eine Verlängerung der Einhaltungsfristen bei der Europäischen Kommission einzusetzen, Die Kommission könnte dem Sachverhalt Rechnung tragen, indem sie ihrem nach Artikel 10 avisierten Erfahrungsbericht 2004 zur Anwendung der Richtlinie einen entsprechenden Vorschlag zur möglichen Verlängerung der Einhaltungsfristen beifügt.
3. Schaffung steuerlicher und wirtschaftlicher Anreize
Der Bundesrat stellt außerdem fest, dass eine deutliche Absenkung der Partikelemissionen ohne eine möglichst zeitnahe Einführung von Partikelfiltern oder eine im Ergebnis gleichwertige Technik sowie eine deutliche Absenkung von N02-Emissionen ohne NOx-Katalysatoren oder eine im Ergebnis gleichwertige Technik für alle Dieselfahrzeuge nicht erreichbar ist. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher auf, zur Unterstützung und Einführung geeigneter Minderungstechnologien steuerliche oder wirtschaftliche Anreize möglichst rasch zu schaffen. Diese Anreize, beispielsweise durch aufkommensneutrale Kraftfahrzeugsteuerbefreiungen für Fahrzeuge mit Partikelfilter oder gleichwertige Techniken, sollten für Pkw, Lkw und Busse gelten und sowohl Neufahrzeuge als auch Nachrüstungen umfassen. Dabei muss sichergestellt sein, dass den Ländern keine Einnahmeausfälle entstehen.
Hierzu wird wie folgt Stellung genommen:
1. Überprüfung von Grenzwerten
Trotz mehrfacher Aufforderung durch die Bundesregierung und andere Mitgliedstaaten, hat die EU-Kommission die nach Artikel 10 der Richtlinie 1999/30/EG vorgesehene Revision nicht vorgenommen.
Anstelle einer Revision hat die EU-Kommission am 21.09.2005, zeitgleich mit der "Thematischen Strategie zur Luftreinhaltung", einen Vorschlag für eine neue "Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates zur Luftreinhaltung und für saubere Luft in Europa" vorgelegt, die auch die zu überprüfende Richtlinie 1999/30/EG ablösen soll. Der Vorschlag führt alle bisherigen Luftqualitätsrichtlinien zusammen, mit Ausnahme der erst vor zwei Jahren erlassenen Richtlinie 2004/107/EG.
Die wesentlichen Regelungen des Richtlinienvorschlags sind: _
- - Festlegung von Grenz-, Alarm-, Ziel- und Informationswerten; geregelt werden Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, Partikel (PM10 und PM2.5), Blei, Benzol, Kohlenmonoxid und Ozon;
- - Vorschriften zur Beurteilung der Luftqualität anhand einheitlicher Methoden;
- - Gewährleistung der Information der Öffentlichkeit über die Luftqualität;
- - Verpflichtung zur Erhaltung guter und zur Verbesserung unzureichender Luftqualität.
Neu in dem Vorschlag ist die
- - Einführung von Regelungen für kleinere Feinstäube-PM2.5;
- - Ausweitung der Möglichkeiten zur Nichtberücksichtigung natürlicher Emissionen;
- - Einführung einer Möglichkeit zur Verlängerung der Einhaltefrist für Grenzwerte.
Die Überprüfung der Grenzwerte für PM10 und NO₂ durch die EU-Kommission hat dazu geführt, dass im Vorschlag für eine neue Luftqualitätsrichtlinie die Grenzwerte für PM10 und NO₂ unverändert übernommen und die PM10-Richtgrenzwerte für 2010 (2. Stufe) ersatzlos gestrichen worden sind.
Da die Erste Lesung im EP auf September 2006 verschoben worden ist, konnte der Umweltrat am 27.6.06 zum Vorschlag für eine Luftqualitätsrichtlinie der EU-Kommission vom September 2005 lediglich eine sog. "Allgemeine Ausrichtung" beschließen. Ein förmlicher "Gemeinsamer Standpunkt" wird erst unter finnischer Präsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte möglich sein.
Im Rahmen dieser "Allgemeinen Ausrichtung" hat der Umweltrat mehrheitlich den Vorschlägen der Kommission zur Beibehaltung der Grenzwerte und Streichung der ab 2010 vorgesehenen PM1O-Richtgrenzwerte (Stufe 2) zugestimmt. Bezüglich PM2.5 fand der Vorschlag der österreichischen Präsidentschaft, zunächst einen Zielwert für PM2.5 in Höhe von 25µg/m3 als Jahreswert festzulegen, der ab 2015 in einen Grenzwert umgewandelt wird, mehrheitliche Zustimmung.
2. Verlängerung von Einhaltefristen
In ihrem Vorschlag für eine neue Luftqualitätsrichtlinie hat die EU-Kommission die Einführung einer Möglichkeit zur einmaligen Verlängerung der Einhaltefrist für Grenzwerte um bis zu fünf Jahre vorgesehen. Diese Verschiebung ist an strenge Voraussetzungen geknüpft. Dazu zählen insbesondere die Erstellung von Plänen und Programmen, sowie die Begrenzung der zugelassenen Überschreitung auf einen Höchstwert.
Auch hier fand der Vorschlag der österreichischen Präsidentschaft, die Möglichkeit zu schaffen, die Einhaltung des PM10-Grenzwertes bis 3 Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie aufzuschieben, mehrheitlich Zustimmung.
3. Schaffung steuerlicher und wirtschaftlicher Anreize
Schon bisher wurde die Einführung moderner Umwelttechnologie in Kraftfahrzeugen über kraftfahrzeugsteuerliche Vergünstigungen gefördert, wobei die emissionsorientierte Kraftfahrzeugsteuer für Pkw nach der Einhaltung kompletter Abgasnormen mit insgesamt vier Schadstoffgrenzwerten gestaffelt wurde. In Abkehr von dieser Systematik hat die Bundesregierung mehrfach Anreizkonzepte zur Förderung speziell von besonders partikelreduzierten Pkw vorgelegt. Der Bundesrat hat im Juli 2005 konkret gefordert, nur mit moderner Partikelminderungstechnik nachgerüstete Diesel-Pkw kraftfahrzeugsteuerlich aufkommensneutral zu fördern (Drucksache 394/05(B) ). Vor kurzem hat der Bund ein neues diesen Anforderungen entsprechendes inhaltliches Konzept unterbreitet, das zurzeit mit den Ländern diskutiert wird. Die Zustimmung der Länder oder ein konstruktiver Gegenvorschlag stehen noch aus. Die Bundesregierung ist der Ansicht, dass Bund und Länder schnellstmöglich eine Lösung finden müssen, damit das Gesetzgebungsverfahren begonnen werden kann.
Bei der EU hat sich die Bundesregierung im Rat für weitere europaweite Maßnahmen zur Emissionsminderung eingesetzt. So hat der Rat (Umwelt) am 9.März 2006 seine "Ratsschlussfolgerungen" zur Luftreinhaltestrategie, verabschiedet. Wesentliche Punkte der Schlussfolgerungen sind:
- - Die Forderung nach einer kohärenten und integrierten Politik zur Bekämpfung der Luftverschmutzung mit Prioritäten für weitere Maßnahmen sowie die Überprüfung und Aktualisierung von Luftqualitätsnormen und nationalen Emissionshöchstmengen im Hinblick auf das langfristige Ziel der Nichtüberschreitung kritischer Belastungswerte und Konzentrationen;
- - Der Verweis auf die bedeutenden grenzüberschreitenden Beiträge und der Hinweis, dass Anstrengungen der Gemeinschaft als Ganzes erforderlich sind, um die Schadstoffmengen weiter zu verringern;
- - Die Betonung, dass selbst bei einer wirksamen Durchführung der gegenwärtig bereits beschlossenen Maßnahmen auch im Jahr 2020 noch erhebliche negative Auswirkungen der Luftverschmutzung auf die Gesundheit des Menschen und auf die Umwelt bestehen werden und dass zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Luftverschmutzung in der EU getroffen werden müssen;
- - Die Forderung nach verstärkter Einbeziehung von Fragen der Luftverschmutzung in die Agrar-, Energie und Verkehrspolitik der Gemeinschaft;
- - Die Betonung, dass die Erreichung ehrgeiziger Ziele davon abhängt, dass rechtzeitig weitere Maßnahmen der Gemeinschaft auf den Weg gebracht werden und die Forderung gegenüber der Kommission, so bald wie möglich geeignete Vorschläge, u. a. zu Emissionen von schweren Lastfahrzeugen (Euro VI) und zu Emissionen aus kleinen und mittleren stationären Verbrennungsanlagen vorzulegen.