Unterrichtung durch die Bundesregierung
Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Europäischen Rat über die Umsetzung der erneuerten Partnerschaft für Wachstum und Arbeitsplätze -Ein Markenzeichen für Wissen: Das Europäische Technologieinstitut KOM (2006) 77 endg.; Ratsdok. 6844/06

Übermittelt vom Bundesministerium der Finanzen am 3. März 2006 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (BGBl. I 1993 S. 313 ff.).

Die Vorlage ist von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften am 24. Februar 2006 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.


Hinweis: vgl.
Drucksache 917/04 (PDF) = AE-Nr. 043278
und Drucksache 093/06 (PDF) = AE-Nr. 060324

Zusammenfassung

Der Vorschlag zur Einrichtung eines Europäischen Technologieinstituts (ETI) wurde 2005 im Rahmen der Halbzeitüberprüfung der Lissabonner Strategie vorgelegt. Auf der Grundlage einer öffentlichen Konsultation, die eine große Zahl wertvoller Beiträge ergab, wurde der Vorschlag weiter ausgearbeitet.

Obwohl in den letzten Jahren zahlreiche Initiativen auf nationaler und auf EU-Ebene gestartet wurden um die Leistungsfähigkeit der Sektoren Forschung, Ausbildung und Innovation zu verbessern und die Verbindungen zwischen ihnen zu stärken, bleibt noch viel zu tun. Europa kämpft noch immer damit, FuE-Ergebnisse in Geschäftsmöglichkeiten umzusetzen, personelle finanzielle und materielle Ressourcen in der Forschung und im Hochschulbereich zu konzentrieren, eine von Innovation und unternehmerischer Initiative getragene Kultur in Forschung und Ausbildung zu fördern sowie neue, an die heutigen Anforderungen angepasste Organisationsmodelle zu entwickeln.

Das ETI wird als Betreiber in den Bereichen Ausbildung, Forschung und Innovation fungieren. Seine Struktur wird diese drei Bereiche integrieren, die gemeinsam der Schlüssel zur Wissensgesellschaft sind. Es soll bei Studierenden, Forscherinnen und wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen die besten Köpfe Europas anziehen und halten, um gemeinsam mit führenden Unternehmen an der Entwicklung und Nutzung von Wissen und Forschung zu arbeiten und um Forschungs- und Innovationsmanagementfähigkeiten allgemein zu verbessern.

Einige wichtige Aspekte seiner Konzeption:

Für die Einrichtung des ETI ist die Verabschiedung eines Rechtsinstruments nötig, für das die Kommission (gemeinsam mit einer umfassenden Folgenabschätzung) im Laufe des Jahres 2006 einen Vorschlag vorlegen wird. Dieses Rechtsinstrument wird dem ETI eine eigene Rechtspersönlichkeit verleihen und seine Unabhängigkeit von nationalen Rechtsvorschriften gewährleisten. Das Rechtsinstrument wird den Rahmen für ein entsprechendes Management und die erforderliche Rechenschaftspflicht gegenüber den EU-Organen vorgeben.

Die Finanzierung wird von verschiedenen Seiten stammen, darunter die EU, die Mitgliedstaaten und Unternehmenskreise.

1. Einleitung

Die EU kann ihre Wettbewerbsfähigkeit nur erhöhen, wenn es ihr gelingt, die Elemente Ausbildung, Forschung und Innovation enger zu verzahnen, damit sich ihr Beitrag zu Wachstum, Beschäftigung und sozialem Zusammenhalt erhöht. Wie allgemein bekannt, könnte diese Verzahnung in Europa wesentlich besser funktionieren, was die Kommission dazu bewogen hat, in ihrem Frühjahrsbericht 2005 eine neue Initiative vorzuschlagen:

Der Europäische Rat nahm diesen Vorschlag bei seiner Frühjahrstagung 2005 zur Kenntnis.

Bei der informellen Tagung im Oktober 2005 hatte er dringend Maßnahmen eingefordert, um sowohl im Bereich der Forschung als auch der Ausbildung weltweit zur Spitze aufzuschließen. Auch der jährliche Fortschrittsbericht der Kommission (2006) "Strategie für Wachstum und Arbeitsplätze" geht ausführlich auf die Notwendigkeit ein, die Qualität europäischer Innovationssysteme zu verbessern und global wettbewerbsfähig zu bleiben2.

Diese Mitteilung greift die Idee eines Europäischen Technologieinstituts (ETI) auf. Sie ist das Ergebnis einer breiten öffentlichen Konsultation, an der sich die wichtigsten Universitäts-, Forschungs- und Innovationseinrichtungen im Bereich der Industrie sowie Unternehmensverbände gemeinsam mit zahlreichen Einzelpersonen aus jedem dieser Sektoren beteiligten. Die Mitteilung beschreibt, wie das ETI funktionieren könnte, und die Art, wie es aufgebaut werden sollte. Eine detaillierte Folgenabschätzung samt umfassender Prüfung der rechtlichen und finanziellen Auswirkungen wird im Laufe dieses Jahres folgen.

2. das Wissensdreieck erfolgreich Nutzen - WARUM WIR eine NEUE Initiative brauchen

Im Jahr 2005 wickelte die Kommission einen umfangreichen Konsultationsprozess über ein zukünftiges ETI ab, mit Brainstorming-Sitzungen und Positionspapieren von Universitäten, Forschungs- und Innovationseinrichtungen. Die Ergebnisse der öffentlichen Konsultation werden in einem getrennten Arbeitspapier der Kommission vorgelegt und eingehend analysiert3. Behandelt werden unter anderem die Aufgaben und Ziele des ETI, seine Struktur und seine Prioritäten.

Als zentrale Herausforderung im Bereich Innovation wird allgemein die Unfähigkeit der EU gesehen FuE-Ergebnisse optimal zu verwerten und gemeinsam zu nutzen sowie sie in der Folge in wirtschaftliche und gesellschaftliche Werte umzusetzen. Europa sollte nicht nur die drei Eckpunkte seines "Wissensdreiecks" (Ausbildung, Forschung und Innovation) stärken, sondern auch die drei Seiten dazwischen. Dies deckt sich mit den Ergebnissen der Expertengruppe "FuE und Innovation"4.

Im Rahmen dieser gemeinsamen Diagnose treten zahlreiche Ursachen zu Tage. Auf der Angebotsseite des Wissens wird sowohl Kritik an der Qualität als auch an der Verwertbarkeit der Ergebnisse laut. Vor allem zwischen Forschungsergebnissen und deren Anwendung klafft immer noch eine große Lücke5. Diese beiden Fakten können nicht getrennt betrachtet werden.

Zwar ist das allgemeine Leistungsniveau der Hochschulen gut, Europa braucht jedoch mehr Spitzenleistungen6, da diese sich positiv auf Gesellschaft und Wirtschaft auswirken.

Spitzenqualität fördert das Zirkulieren von Talenten, zieht private FuE-Investitionen an und begünstigt die Entdeckung neuer Ideen mit u. U. weit reichenden positiven Nebenwirkungen (spill-over effects). Damit sich Spitzenqualität entwickeln kann, brauchen Forscher/innen unter anderem Zugang zu einer Umgebung, in der Auswahl und Karriere auf Wettbewerb beruhen in der leistungsabhängige Bezahlung kein Tabu ist, und in der eine unternehmerische Geschäftstätigkeit im Lebenslauf der Forschenden positiv bewertet und als wichtige Lernmöglichkeit gesehen wird. Dies setzt wiederum neue Formen der Zusammenarbeit voraus.

Die Entstehung einer so genannten "Engelsspirale", bei der sich die Fakultät mit gutem Ruf, Forschende und Studierende gegenseitig anziehen und die im Wettbewerb um private und öffentliche Fördermittel erfolgreich sind, setzt eine kritische Konzentration personeller, finanzieller und materieller Ressourcen voraus. Derzeit haben viele Hochschulen in Europa entsprechende Pläne, ihre Bemühungen sind jedoch zu weit verstreut. Es gibt fast 2 000 Universitäten in der EU, die forschungsaktiv sein möchten. Stellen wir einen nicht ganz passenden Vergleich an: In den USA verleihen weniger als 10 % der Hochschuleinrichtungen postgraduale Diplome und ein noch geringerer Prozentsatz erhebt den Anspruch, eine forschungsintensive Universität zu sein7. Die Ausgaben für Bildung und FuE sind in Europa niedriger als in den USA8, dafür ist die Zahl derer, die ein Stück von diesem kleineren Kuchen möchten, größer. Das amerikanische System führt zu einer Konzentration von Ressourcen und Menschen, die in den wenigen betroffenen Einrichtungen9 eine kritische Masse erreicht und ihnen hilft, zu den weltweit Besten zu gehören. Es ist keineswegs ein Zufall, dass sowohl die FuE-Ausgaben von EU-Unternehmen als auch EU-Talente an die USA oder andere internationale Mitbewerber10 verloren gehen und dass nur wenige Namen von EU-Hochschulen in den weltweit am häufigsten zitierten internationalen Universitäts-Rankings erscheinen.

Gleichzeitig gibt es in Europa zu wenig Nachfrage nach Forschungsergebnissen. Selbst wenn mehr hervorragende Forschungsprodukte oder -kapazitäten zur Verfügung stünden, würden sie wahrscheinlich nicht entsprechend vermarktet werden. Ein Hauptgrund für diese Schwäche ist die kulturelle und intellektuelle Kluft zwischen Forscherinnen und Unternehmerinnen11. Innovation ist mehr als nur der Wissenstransfer am Ende eines Forschungsvorhabens:

Innovation setzt einen wechselseitigen Lernprozess auf der Basis gegenseitigen Vertrauens voraus. Unternehmer/innen, vor allem in KMU, müssen sich eine Forschungs-/Innovationskultur aneignen und müssen ermutigt werden, Risiken einzugehen. Akademiker/innen und Forschende müssen etwas von unternehmerischer Kompetenz verstehen und diese auch selbst entwickeln. Intensivere Zusammenarbeit kann bei KMU die fehlende kritische Masse ausgleichen und ihr positives Potenzial, Flexibilität und Kreativität, freisetzen. Der öffentliche Sektor kann seinen Teil übernehmen: öffentliche Forschung, geistige Eigentumsrechte und die Vergabe innovativer Forschungsaufträge, all das kann die Beziehung zwischen Forschung und Unternehmen effizienter und produktiver machen.

In den vergangenen Jahren wurden verschiedene europäische Initiativen gestartet, um die Leistungsfähigkeit des Forschungs-, Bildungs- und Innovationssektors zu stärken.

Mobilitätsprogramme wie Erasmus haben Studierenden und dem Hochschulpersonal das Kennenlernen unterschiedlichster Lern- und Ausbildungskontexte ermöglicht und sie mit der Vielfalt und der Unterschiedlichkeit der europäischen Wissenslandschaft konfrontiert. Die Forschungsrahmenprogramme der Gemeinschaft leisten mit Initiativen wie den "Marie Curie"-Aktionen, Integrierten Projekten, Exzellenznetzen und der Förderung Europäischer Technologieplattformen einen wichtigen Beitrag. Der vor der Gründung stehende Europäische Forschungsrat soll von den Forschenden selbst initiierte Pionierforschung der Spitzenqualität unterstützen. All das hat dazu beigetragen, dass ein Kontext entstanden ist, in dem europäische Universitäten, Forschungszentren, Unternehmen und öffentliche Akteure besser zusammenarbeiten können.

Trotzdem gibt es immer noch ungenutztes Potenzial, und Europa sollte seine Position in den strategisch brisanten Bereichen weiter ausbauen. Ressourcenbündelung und -konzentration könnten dieses Manko ausgleichen. Dies setzt jedoch einen dynamischen und flexiblen institutionellen Rahmen voraus, der auch neuen Akteuren offen steht, um trans- und interdisziplinär arbeiten zu können und produktive Synergien zwischen den Bereichen Ausbildung, Forschung und Innovation zu entwickeln.

Die derzeit bestehenden Einrichtungen werden diesen Paradigmenwechsel zweifellos vollziehen aufgrund der "Trägheit der Masse", wird er aber Zeit brauchen. Er erfordert einen neuen Ansatz zur Überbrückung der Kluft zwischen Wissenschaft und Gesellschaft: Ein Referenzmodell als Impuls und Anleitung für langfristige Veränderungen. Dieses Referenzmodell war auch Thema der öffentlichen Konsultation. Es wurden vier Optionen genannt:


(1) eine einzige Einrichtung
(2) ein kleines Netzwerk
(3) ein großes Netzwerk
(4) ein ETI-Label

Zwar befürwortete die Mehrheit eine der Netzwerklösungen, ein Viertel der Befragten sprach sich jedoch für eine einzige Einrichtung aus (nicht gleichzusetzen mit einem einzigen Standort). Es wurden Bedenken dahingehend geäußert, dass ein festgelegtes Hochschulnetzwerk weder die erforderliche Flexibilität noch die nötige Offenheit aufweist, um ein ausreichendes Maß an Integration zu gewährleisten. Zudem würde bei einem Netzwerk die Tatsache außer Acht gelassen, dass Spitzenleistungen oft von einzelnen Abteilungen und Teams erbracht werden, nicht unbedingt von ganzen Hochschulen12.

In dem im Folgenden beschriebenen Modell für ein Europäisches Technologieinstitut wurden diese Bedenken berücksichtigt: Die besten Teams in strategisch wichtigen Bereichen würden auf eine Art und Weise zusammengebracht, die sowohl für die Teams selbst als auch für ihre ursprünglichen Heimateinrichtungen von Nutzen sind. Das ETI wird drei Arten von Mehrwert erbringen:

3. WIE WÜRDE das ETI Funktionieren?

Das ETI wird seinen eigenen, unverwechselbaren Platz haben. Es wird eine Funktion erfüllen, die nicht mit irgendeiner bestehenden oder geplanten EU-Initiative vergleichbar ist. Das Institut wird sich zu einem hochrangigen Zentrum weltweiter Spitzenforschung entwickeln, das für begabte Studierende und hochkarätige Forschende attraktiv ist, das modernste trans- und interdisziplinäre Innovation und Forschung fördert und im weltweiten Wettstreit um private und öffentliche Mittel erfolgreich ist.

Dazu braucht das ETI eine starke Identität - ein Punkt, der bereits im Konsultationsprozess betont wurde. Das ETI sollte eine eigenständige, weltweit unverwechselbare und bekannte europäische Marke werden. Das ETI braucht auch Autonomie: in seiner Führungsstruktur, im Bestehen auf Spitzenqualität in den Auswahl- Kontroll- und Evaluierungsprozessen und in seiner Finanzierung.

Das ETI hätte folgende Aufgaben:

3.1. Funktion und Aufgaben des ETI

Die Tätigkeit des ETI würde alle drei Seiten des Wissensdreiecks erfassen:

In all diesen Bereichen würde das ETI bereits vorhandene Spitzenqualität nutzen und, wo diese noch nicht erreicht wird, deren Entwicklung unterstützen.

Die verschiedenen Akteure des ETI wären alle in diesen Prozess einbezogen.

Die Konzentration auf Spitzenqualität erfordert auch einen neuen Ansatz bei der Finanzierung. Derzeit haben viele Universitäten in Europa im Wesentlichen den Status einer öffentlichen Dienstleistung. Sie werden häufig von den Steuerzahlerinnen finanziert, und im Allgemeinen gibt es nur eine begrenzte finanzielle Unterstützung seitens anderer Stakeholder.

Selbstverständlich stellen die Universitäten fortlaufend ihren Wert unter Beweis und sollten weiterhin ihre Aufgaben wahrnehmen; das ETI sollte sich jedoch ganz klar davon unterscheiden. Es sollte von Anfang an so eingerichtet werden, dass es Mittel vom öffentlichen und vom privaten Sektor akquirieren kann.

Eine solche Basis ist von maßgeblicher Bedeutung für den Erfolg des ETI, der im Wesentlichen an zwei Kriterien gemessen werden wird: erstens an der Fähigkeit des Instituts, den privaten Sektor davon zu überzeugen, dass es kommerziell relevante Ergebnisse liefern kann, und zweitens am Ausmaß, in dem Universitäten und Entscheidungsträger/innen das ETI-Modell als eine erfolgreiche neue Organisationsstruktur für Universitäten aufgreifen.

3.2. Struktur des ETI

Forschung und Innovation und in der Fähigkeit liegen, Beiträge verschiedener Partner/innen zu integrieren und zu einer einheitlichen Struktur zu verschmelzen, die größer ist als die Summe ihrer Teile. Dazu wird das Institut zahlreiche Partnerschaften mit bestehenden Universitäten, Forschungszentren und Unternehmen ("Partnereinrichtungen") zu Konstruktionen formen, die im Folgenden als "Wissensgemeinschaften" bezeichnet werden.

Diese werden vom Verwaltungsrat des ETI ausgewählt und sind ihm gegenüber rechenschaftspflichtig. Diese Wissensgemeinschaften unterscheiden sich in folgender Hinsicht grundlegend von gängigen Netzwerken: Während die Partner/innen solcher Netzwerke lediglich eine Zusammenarbeit vereinbaren, stellen sie bei einer ETI-Wissensgemeinschaft Ressourcen (Infrastruktur, Personal, Ausrüstung) für das ETI ab.

Rechtlich gesehen sind die Wissensgesellschaften selbst Teil des ETI.

3.2.1. Der Verwaltungsrat und die Zentrale des ETI

Die Leitung des ETI muss freie Hand lassen und gleichzeitig sicher führen. Sie wird die Verantwortung für die "Marke" ETI tragen, d.h. sie wird dafür sorgen, dass die getroffenen Entscheidungen (z.B. bezüglich der Bereiche, in denen gearbeitet werden soll) die größtmöglichen Aussichten auf wissenschaftlichen und geschäftlichen Erfolg aufweisen, dass die Auswahlentscheidungen anhand der Qualität getroffen werden und dass die wissenschaftliche/geschäftliche Agenda des ETI breite Zustimmung findet. Der Verwaltungsrat sollte möglichst hochkarätig besetzt sein, und seine Mitglieder sollten aus der in Abschnitt 3.1 beschriebenen Gruppe von Akteuren ausgewählt werden.

Der Verwaltungsrat sollte nicht anstreben, repräsentativ für bestehende europäische Einrichtungen zu sein, sondern so organisiert sein, dass der Erfahrungshintergrund seiner Mitglieder eine ausgewogene Mischung ergibt und seine Funktionsweise operationell ist. Er wäre unmittelbar zuständig für

3.2.2. Die Wissensgemeinschaften

Die Wissensgemeinschaften werden aus Fachabteilungen oder Teams von Universitäten, Forschungszentren und Unternehmen bestehen, die sich zu einer integrierten Partnerschaft zusammenschließen um gemeinsam auf postgradualem Niveau Ausbildung (d.h. ausschließlich auf Magister- und Doktoratsstufe), Forschung und Innovation zu betreiben. In den Wissensgemeinschaften werden verschiedene Arten von Ressourcen gebündelt: wissenschaftliches Personal und Infrastruktur, die den Wissensgemeinschaften von den Partnereinrichtungen zur Verfügung gestellt werden, und finanzielle Ressourcen von öffentlicher und privater Seite. Mit diesen Ressourcen werden sie eine hochkarätige kritische Masse erzeugen und die Leistungsspitze in Ausbildung, Forschung und Innovation in ihrem jeweiligen Arbeitsgebiet bündeln. Die physischen Ressourcen werden weiterhin an unterschiedlichen Standorten angesiedelt sein, doch die Wissensgesellschaft selbst wird als integriertes Ganzes arbeiten.

Die Wissensgemeinschaften werden sich auf transdisziplinäre Arbeitsgebiete spezialisieren, wie z.B. Mechatronik oder Bioinformatik, oder auf interdisziplinäre Bereichen wie Bioenergie, Klimawandel, Öko-Innovation oder "die alternde Gesellschaft". Das Potenzial für Innovation und Entwicklung (in Ausbildung und Forschung) ist in solchen Feldern am höchsten außerdem unterscheiden sie sich deutlich von den traditionellen Formaten und Studiengängen, die die europäischen Universitäten in großer Zahl anbieten.

Die Wissensgemeinschaften würden vom Verwaltungsrat des ETI im Rahmen eines wettbewerbsbasierten Verfahrens auf Grundlage der Peer-Evaluierung ausgewählt. Dabei würde festgestellt, über welches Potenzial jede der vorgeschlagenen Partnerschaften verfügt, um in ihrem Feld innerhalb eines mittelfristigen Zeitrahmens von 10-15 Jahren Ergebnisse zu liefern. Jede der ausgewählten Wissensgemeinschaften würde mit dem Verwaltungsrat exakte Ziele und Meilensteine vereinbaren, die in ihrem Arbeitsbereich alle drei Seiten des Wissensdreiecks abdecken. Die Einhaltung würde durch regelmäßige Kontrolle und Evaluierung gewährleistet werden.

Eine Wissensgemeinschaft könnte sich im Verlauf ihrer Lebensdauer auf verschiedene Arten weiterentwickeln: Flexibilität muss Teil des Systems sein. Die Wissensgemeinschaft braucht u. U. zusätzliche Leistungsfähigkeit: vielleicht, weil die Arbeitsfelder erweitert werden müssen und neue Partner/innen neues hochwertiges Knowhow einbringen würden, vielleicht, weil die Zahl der Studierenden den Ressourcenrahmen sprengt. Eine Wissensgemeinschaft könnte sich auch diversifizieren, weil verschiedene Entwicklungen ihre Arbeit in unerwartete Richtungen gelenkt haben. Wissensgemeinschaften sollten dynamisch bleiben und das ETI sollte in der Lage sein, auf wissenschaftliche Entwicklungen in der ihm am geeignetsten erscheinenden Weise zu reagieren, u. a. indem es Veränderungen der Partnerschaft gestattet, finanzielle Regelungen anpasst oder Mittel nachschießt, wenn dieser zusätzliche Bedarf durch das Bemühen um Topqualität entstanden ist.

Die Wissensgemeinschaften würden anhand exakter Benchmarks kontrolliert und evaluiert werden. Der Verwaltungsrat würde diesen Prozess auf allen Stufen überwachen.

3.3. Rechtliche Fragen

Die Einrichtung des ETI erfordert die Verabschiedung eines Rechtsinstruments. Die Kommission wird im Laufe des Jahres 2006 einen entsprechenden Vorschlag vorlegen.

Dieses Rechtsinstrument würde die Einrichtung des ETI und seine Ziele festlegen und es würde alle notwendigen Vorschriften zur Arbeitsweise des ETI umfassen.

In diesem Zusammenhang werden in den nächsten Monaten einige zentrale Fragestellungen eingehend analysiert: angemessenes Verhältnis zwischen Rechenschaftspflicht und Unabhängigkeit, damit das ETI seine Kernaufgaben wahrnehmen kann; Status des gesamten Personals des ETI (ob in den Wissensgemeinschaften oder auf zentraler Ebene; Management und kommerzielle Nutzung von geistigen Urheberrechten, die aus der gemeinsamen Forschung resultieren; rechtliche Integration der Wissensgemeinschaften in das ETI und insbesondere die damit verknüpfte Anreize und Modalitäten.

3.4. Budget

Der überwiegende Teil der Ausgaben des ETI wird auf die Wissensgemeinschaften entfallen.

Der Mittelbedarf des Verwaltungsrats und der zentralen Verwaltung, für die eine "schlanke" Struktur vorgesehen ist, wird verhältnismäßig gering sein. In der Phase des Aufbaus der Lerngemeinschaften wird zwar noch eine umfassende Grundfinanzierung aus öffentlichen Mitteln erforderlich sein, im Laufe der Zeit soll sich das ETI jedoch - im Wettbewerb mit anderen Einrichtungen - Mittel aus anderen gemeinschaftlichen bzw. nationalen Finanzierungsquellen, der Wirtschaft, Stiftungen, Studiengebühren usw. erschließen. Die Beschaffung von Drittmitteln soll in sämtlichen Vereinbarungen zwischen Wissensgemeinschaften und dem ETI als Zielvorgabe (mit Meilensteinen) festgeschrieben werden.

Beiträge der Privatwirtschaft können auf drei Arten zum ETI gelangen: Privatunternehmen, die einer Wissensgemeinschaft angehören, stellen (ebenso wie die anderen Partner) von Anfang an Ressourcen an das ETI ab. Ebenso können Unternehmen Aufträge an herausragende Wissensgemeinschaften vergeben (z.B. für Weiterbildung, Forschung). Und schließlich könnte das ETI eine private Stiftung für Beiträge von Sponsoren sowie von anderen Stiftungen gründen.

Das Rechtsinstrument zur Einrichtung des ETI sollte spätestens im Jahr 2008 verabschiedet werden. Anschließend könnten der Verwaltungsrat ernannt und die ersten Mitarbeiter eingestellt werden. Die Festlegung der ersten Wissensgemeinschaften sollte im Jahr 2009 erfolgen, so dass ab 2010 umfassendere Ausgaben anfallen würden. Es ist ratsam, zunächst mit einer kleinen Zahl von Wissensgemeinschaften zu beginnen.

Der Zeitplan lässt erkennen, dass das ETI hauptsächlich zum Ende des nächsten Finanzplanungszeitraums einen größeren Finanzbedarf haben wird und dass dieser Bedarf insgesamt begrenzt sein wird. Der Vorschlag der Kommission für ein Rechtsinstrument wird einen detaillierten Finanzbogen umfassen, der Angaben zum Umfang, zur Art und zur Herkunft (z.B. Gemeinschaftshaushalt, nationale und private Quellen) der gesamten benötigten Mittel enthält.

4. Nutzen der Mitwirkung am ETI für die Partner

Gibt es genügend Anreize für die Mitwirkung am ETI? Dies ist eine berechtigte Frage.

Schließlich sollen die potenziellen Partner ihre besten Teams und Abteilungen in das ETI einbringen. Welche Anreize sind also vorgesehen, und welche Gegenleistungen erhalten die Partner?

Die "Investitionen", die die Partnereinrichtungen und Einzelpersonen einbringen, ergeben verschiedenartige "Renditen". Für Forschende und Dozenten/-innen sind erfahrungsgemäß vor allem unabhängige Forschungsmöglichkeiten, viel versprechende Karriereaussichten, gute Gehälter und motivierende Arbeitsbedingungen attraktiv. Das ETI könnte somit Anreize finanzieller Natur oder auch in Form von Bürokratiefreiheit und erstklassigen Arbeitsbedingungen bieten. Hinzu käme der Faktor der Zusammenarbeit mit den besten Forschenden und Unternehmen Europas im jeweiligen Fachgebiet und die daraus resultierende verstärkte akademische Anerkennung.

Die Partnerorganisationen in Lehre und Forschung würden in verschiedener Hinsicht von ihrer Beteiligung profitieren:

Dem privaten Sektor eröffnet das ETI die Möglichkeit, die Richtung von Innovation und Spitzenforschung mit zu beeinflussen und ihren kommerziellen Nutzen zu maximieren, da die Unternehmen von Anfang an involviert würden und sie sichergehen könnten, dass sie die Ergebnisse später ausschöpfen können. Zudem erhalten sie durch die konstanten Beziehungen zum ETI und seinen Wissensgemeinschaften direkten Zugang zu einem einmaligen Kompetenzzentrum, von dessen Prestige und Humanressourcen (Übernahme von Mitarbeitern) sie profitieren können.

5. BEZÜGE ZU den anderen Aktivitäten der EU den Bereichen Ausbildung, Forschung und Innovation

Die EU ist auf vielfältige Art und Weise in den Bereichen Ausbildung, Forschung und Innovation aktiv. Das ETI ist jedoch eine vollkommen neuartige Initiative. Das dem ETI zugrunde liegende Konzept - Bündelung europäischer Spitzenleistungen in einer permanenten Einrichtung - wäre beispiellos. Auch die Mischung von Ausbildung, Forschung und Innovation sowie die privilegierte Beziehung zur Wirtschaft ist in keiner anderen Gemeinschaftsinitiative zu finden. Während die derzeitigen Programme auf jeweils eine Ecke des Wissensdreiecks ausgerichtet sind (Bildung beim Programm Erasmus, Forschung bei den Forschungsrahmenprogrammen und innovative Maßnahmen beim Gemeinschaftsprogramm für Innovation), ist für das ETI ein praxisorientiertes Konzept vorgesehen, bei dem diese drei Ecken miteinander verbunden werden, um Synergien freizusetzen.

Das ETI wäre ein Wissensakteur, keine Finanzierungsquelle. Es würde im gesamten Wissensdreieck tätig werden - in der Lehre, der Forschung und bei der Anwendung der Forschungsergebnisse für wirtschaftliche oder gesellschaftlich relevante Zwecke. Und das ist auch der wichtigste Unterschied zu den Bildungs-, Forschungs- und Innovationsprogrammen:

Diese dienen der Kommission im Wesentlichen dazu, Mittel für verschiedene vordefinierte Aktivitäten zu vergeben.

Das ETI würde somit keine Konkurrenz zu dieser Finanzierungstätigkeit darstellen. Vielmehr würden Synergien entstehen, insbesondere mit dem Europäischen Forschungsrat. Dieser ist nicht selbst in der Forschung tätig, sondern agiert als Finanzierungsmechanismus. Er stellt Mittel für Teams bereit, die Projekte im Bereich der Pionierforschung durchführen, steht allen Wissenschaftsdisziplinen offen und verfolgt im wesentlichen einen Bottom-up-Ansatz. Das ETI bildet den operativen Gegenpol: Es wäre eine inter- und transdisziplinär in Lehre, Forschung und Innovation tätige Einrichtung mit starker Ausrichtung auf den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzen ihrer Aktivitäten. Das ETI könnte also Fördermittel beim Forschungsrat (und bei allen anderen Finanzierungsmechanismen) beantragen, jedoch sollte ihm keine Vorzugsbehandlung gewährt werden.

Zwischen den Wissensgemeinschaften und anderen mit EU-Unterstützung eingerichteten Netzen - z.B. den Exzellenznetzen des 6. Forschungsrahmenprogramms - gibt es ebenfalls einen entscheidenden Unterschied: Während in einem Exzellenznetz mehrere Hochschulen und andere Forschungseinrichtungen ihre Forschungskapazitäten zusammenschließen, ist für das ETI eine sehr viel tiefer gehende Integration von Forschungs- und Ausbildungskapazitäten vorgesehen. Die an den Wissensgemeinschaften des ETI beteiligten Einrichtungen und Unternehmen stellen Ressourcen an das ETI ab; d.h. diese Ressourcen sind nicht mehr Teil der Ursprungsorganisation, sondern rechtlich dem ETI zugeordnet.

Außerdem sollen für das gesamte Personal einer Wissensgemeinschaft gemeinsame Management- und (leistungsorientierte) Beurteilungsprozesse gelten, die vom ETI koordiniert werden.

6. Fazit

Die Modernisierungsagenda für Bildung, Forschung und Innovation an den europäischen Hochschulen stößt auf breite Akzeptanz. Um den Prozess zu beschleunigen, müssen jedoch Impulse in Form von Vorreiterinitiativen gegeben werden. Dabei darf das ETI nicht das einzige strategische Element zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit Europas im Wissensdreieck bleiben, doch es kann eine wichtige Rolle spielen: Es kann als - auf die Vielfalt Europas abgestimmtes - Modell für herausragende Leistungen auf höchster Ebene dienen. Es kann zum Ausbau der Wissenschafts- und Forschungskapazitäten beitragen und somit den Innovationsprozess in Europa verbessern. Und es kann zum Ziel der besten Hochschulabsolventen und Doktoranden aus Europa und den anderen Teilen der Welt werden und sich global zum europäischen Anziehungspunkt für Talente entwickeln.

Natürlich kann das ETI nicht von heute auf morgen akademisches und wissenschaftliches Renommee entwickeln. Das ETI muss sich dieses Renommee verdienen, was maßgeblich abhängig ist von der Qualität seines Managements, den Mitarbeitern in Lehre und Forschung, ihren Leistungen und Ergebnissen sowie davon, inwieweit es dem ETI gelingt, Unterstützung von Akteuren außerhalb der Hochschulwelt zu erhalten. Dabei spielen der erste Verwaltungsrat des ETI und seine ersten Manager eine wichtige Rolle, denn sie würden die Agenda des ETI und seine Kultur für eine ganze Epoche prägen.

Der Konsultationsprozess hat verdeutlicht, dass ein Europäisches Technologieinstitut in der hier beschriebenen Form einen beträchtlichen Mehrwert für die Wissensvermehrung erbringen und das Wachstum in Europa verstärken könnte.

In der vorliegenden Mitteilung wird ein Modell für den Aufbau eines Europäischen Technologieinstituts beschrieben. Die Kommission ersucht den Rat, diese Ausführungen zu prüfen und die Bedeutung dieser Initiative zu bekräftigen. Die Kommission wird sich bei ihrem weiteren Vorgehen auf eine umfassende Folgenabschätzung stützen, die auch eine ausführliche Analyse der rechtlichen und finanziellen Auswirkungen beinhalten wird. Mit dem Europäischen Technologieinstitut würde die Europäische Union Neuland betreten. Die Kommission ist jedoch der Überzeugung, dass dies der logische nächste Schritt ist und dass Europa es sich nicht leisten kann, diese Chance ungenutzt zu lassen.