Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung des Übereinkommens vom 30. Oktober 2007 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

E. Sonstige Kosten

F. Bürokratiekosten

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung des Übereinkommens vom 30. Oktober 2007 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen

Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 23. Mai 2008
Die Bundeskanzlerin

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ersten Bürgermeister
Ole von Beust

Sehr geehrter Herr Präsident,

hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen


mit Begründung und Vorblatt.
Federführend ist das Bundesministerium der Justiz.
Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Abs. 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.


Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel
Fristablauf: 04.07.08

Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung des Übereinkommens vom 30. Oktober 2007 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Gesetz über die Übermittlung gerichtlicher Entscheidungen nach dem Protokoll 2 zum Übereinkommen vom 30. Oktober 2007 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und

Artikel 2
Änderung des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes

Das Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz vom 19. Februar 2001 (BGBl. I S. 288, 436), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:

Artikel 3
Bekanntmachungserlaubnis

Artikel 4
Inkrafttreten

Begründung

A. Allgemeiner Teil

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Gesetz über die Übermittlung gerichtlicher Entscheidungen nach dem

Protokoll 2 zum Übereinkommen vom 30. Oktober 2007 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen)

Nach Artikel 3 Abs. 1 des Protokolls 2 zu dem Lugano Übereinkommen von 2007 über die einheitliche Auslegung des Übereinkommens und den Ständigen Ausschuss richtet die Kommission ein System für den Austausch von Informationen über Entscheidungen ein, die in Anwendung der Lugano Übereinkommen von 1988 und von 2007 und ihrer Parallelrechtsakte (Brüsseler Übereinkommen von 1968 und Auslegungsprotokoll in der Fassung der jeweiligen Beitrittsübereinkommen, Brüssel-I-Verordnung, Parallelabkommen mit Dänemark) ergangen sind. Die zuständigen Behörden der durch das Lugano Übereinkommen von 2007 gebundenen Staaten übermitteln der Kommission die Entscheidungen letztinstanzlicher Gerichte sowie besonders wichtige, rechtskräftig gewordene Entscheidungen ihrer Gerichte zu diesen Rechtsinstrumenten.

Das Lugano Übereinkommen von 2007 setzt damit das für das Lugano Übereinkommen von 1988 eingerichtete System fort. Zuständige Behörde für die Übermittlung gerichtlicher Entscheidungen nach Artikel 2 Abs. 1 Satz 2 des Protokolls Nr. 2 über die einheitliche Auslegung des Lugano Übereinkommens von 1988 ist das Bundesministerium der Justiz (Artikel 2 des Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 16. September 1988 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, BGBl. 1994 II S. 2658, 3772). Es ist zweckmäßig, es dabei zu belassen, da die Überwachung der Funktionsweise des Übereinkommens eng mit der Diskussion etwaiger Änderungen des Übereinkommens zusammenhängt. Darüber hinaus besteht ein Zusammenhang mit Vorlageverfahren, die sich mit der Auslegung des Lugano Übereinkommens von 2007 und der - mit dem Übereinkommen in weiten Teilen wortgleichen - Brüssel-I-Verordnung befassen und in denen sich die Bundesregierung in Verfahren vor dem EuGH äußern kann. Auch dies spricht dafür, die bisherige Zuständigkeit beizubehalten.

Die Übermittlung von Gerichtsentscheidungen ist im Übrigen keine neue Aufgabe. Es wird lediglich die nach dem Lugano Übereinkommen von 1988 bestehende Verpflichtung durch die Verpflichtung abgelöst, die sich aus dem neuen Übereinkommen ergibt.

Zu Artikel 2 (Änderung des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes - AVAG)

Zu Nummer 1 (Inhaltsübersicht)

Die amtliche Inhaltsübersicht wird an die geänderte Überschrift für Abschnitt 6 des Teils 2 angepasst.

Zu Nummer 2 (§ 1 AVAG)

Die Aufzählung der Verordnungen und Abkommen der Europäischen Gemeinschaft nach § 1 Abs. 1 Nr. 2, die ein Vollstreckbarerklärungsverfahren vorsehen, wird um das Lugano Übereinkommen von 2007 ergänzt. Dabei ist der Begriff "Abkommen" untechnisch zu verstehen und erfasst gleichermaßen Abkommen der Europäischen Gemeinschaft mit einer anderen Vertragspartei und Übereinkommen der Europäischen Gemeinschaft mit mehr als einer anderen Vertragspartei.

Zu Nummer 3 (§ 8 AVAG)

Die Vorschrift nennt bisher ausdrücklich nur die durchzuführende Verordnung der Europäischen Gemeinschaft, sollte jedoch auch für durchzuführende Abkommen der Europäischen Gemeinschaft gelten.

Zu Nummer 4 (§ 34 AVAG)

Das Lugano Übereinkommen von 2007 ist in die Liste der Übereinkommen und Abkommen aufzunehmen, bei denen die Konzentrationsermächtigung jeweils allein ausgeübt werden kann, um den Gleichlauf mit den übrigen dort genannten Rechtsinstrumenten herzustellen.

Zu Nummer 5 (Überschrift von Abschnitt 6 des Teils 2)

Um die Liste der in der Überschrift von Abschnitt 6 des Teils 2 genannten Rechtsinstrumente nicht weiter zu verlängern, wird in der Überschrift auf den in § 1 Abs. 1 Nr. 2 eingeführten Begriff der "Verordnungen und Abkommen der Europäischen Gemeinschaft" zurückgegriffen und durch die Bezugnahme auf diese Vorschrift klargestellt für welche Rechtsinstrumente die Vorschriften des Abschnitts 6 gelten.

Zu Nummer 6 (§ 55 AVAG)

Die Änderungen dienen der Vereinfachung und der Anpassung der Vorschrift an die vergleichbare Vorschrift in § 24 des Gesetzes zum internationalen Familienverfahrensrecht (IntFamRVG).

Artikel 43 der Brüssel-I-Verordnung, der aufgrund des Parallelabkommens mit Dänemark auch im Verhältnis zu Dänemark anzuwenden ist, und Artikel 43 des Lugano Übereinkommens von 2007 bestimmen, dass jede Partei gegen die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung einen Rechtsbehelf einlegen kann. Absatz 5 der Vorschriften legt dafür einheitliche Beschwerdefristen fest. Hat der Schuldner seinen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat bzw. einem anderen durch das Lugano Übereinkommen von 2007 gebundenen Staat, so beträgt die Rechtsbehelfsfrist zwei Monate. Sie beginnt von dem Tage an zu laufen, an dem die Vollstreckbarerklärung dem Schuldner persönlich oder in seiner Wohnung zugestellt worden ist, und ist nicht verlängerbar. In den übrigen Fällen beträgt die Beschwerdefrist einen Monat (Artikel 43 Abs. 5 Satz 1 der Brüssel-I-Verordnung und Artikel 43 Abs. 5 Satz 1 des Lugano Übereinkommens von 2007). Eine Verlängerung dieser Frist wird durch Artikel 43 Abs. 5 Satz 3 der Brüssel-I-Verordnung bzw. des Lugano Übereinkommens von 2007 nicht ausdrücklich ausgeschlossen, da sich diese Vorschrift nur auf die im vorangehenden Artikel 43 Abs. 5 Satz 2 genannte Zwei-Monats-Frist bezieht.

§ 55 Abs. 2 Nr. 2 in der geltenden Fassung dehnt die Regelung der Artikel 43 Abs. 5 Satz 2 und 3 der Brüssel-I-Verordnung bzw. des Lugano Übereinkommens von 2007 auf alle Schuldner aus, die ihren Wohnsitz im Ausland haben. Die Vorschrift differenziert nicht danach ob der Wohnsitz des Verpflichteten in einem Mitgliedstaat oder einem anderen durch das Lugano Übereinkommen von 2007 gebundenen Staat oder aber in einem Drittstaat liegt.

Eine Verlängerung der Zwei-Monats-Frist ist nach § 55 Abs. 2 Satz 4 ausgeschlossen, da § 10 Abs. 2 und 3 Satz 2 sowie § 11 Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz, die eine Verlängerung der Beschwerdefrist durch das Gericht zulassen, keine Anwendung finden, wenn der Verpflichtete seinen Wohnsitz im Ausland hat. Dieser Ausschluss gilt auch dann wenn die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen muss (§ 10 Abs. 2 Satz 1 zweite Alternative), sofern der Verpflichtete seinen Wohnsitz im Ausland hat, auch wenn die genaue Anschrift möglicherweise nicht bekannt ist (Fall des § 185 Nr. 1 der Zivilprozessordnung - ZPO).

§ 55 Abs. 2 Satz 4 in der geltenden Fassung belässt für § 10 Abs. 2 und 3 Satz 2 sowie § 11 Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz daher nur noch einen sehr begrenzten Anwendungsbereich. Das Gericht kann demnach die Beschwerdefrist lediglich dann verlängern wenn die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen muss und der Verpflichtete seinen Wohnsitz nicht im Ausland hat. Hat der Verpflichtete seinen Wohnsitz nicht im Ausland, ist der Wohnsitz aber nicht bekannt (§ 185 Nr. 1 ZPO) oder unterliegt der Verpflichtete nicht der deutschen Gerichtsbarkeit (§ 185 Nr. 3 ZPO), gibt es keinen Anlass, ihn nicht nach den allgemein für Beteiligte mit Wohnsitz im Inland geltenden Vorschriften für den Fristbeginn bei öffentlicher Zustellung zu behandeln. Nach § 188 ZPO gilt das Schriftstück als zugestellt, wenn seit dem Aushang der Benachrichtigung an der Gerichtstafel ein Monat vergangen ist; das Gericht kann eine längere Frist bestimmen. Ist der Wohnsitz des Verpflichteten vollkommen unbekannt, kann er sich nur entweder im Ausland aufhalten - dann ist eine Verlängerung der Beschwerdefrist ausgeschlossen - oder im Inland - dann ist eine Behandlung nach den allgemeinen Vorschriften angemessen. Überdies beginnt die Frist nach § 55 Abs. 2 Satz 2 und Artikel 43 Abs. 5 Satz 2 der Brüssel-I-Verordnung bzw. des Lugano Übereinkommens von 2007 (bei Wohnsitz des Verpflichteten in einem durch das Übereinkommen gebundenen Staat) erst mit dem Tag, an dem die Vollstreckbarerklärung dem Verpflichteten entweder persönlich oder in seiner Wohnung zugestellt worden ist.

Daher bestimmt § 55 Abs. 1 AVAG-E, dass § 10 Abs. 2 und 3 Satz 2 und § 11 Abs. 3 Satz 1 insgesamt im Beschwerdeverfahren nach Artikel 43 der Brüssel-I-Verordnung bzw. des Lugano Übereinkommens von 2007 keine Anwendung finden. Als Folgeänderung wird § 55 Abs. 2 Satz 4 aufgehoben, da sein Inhalt in § 55 Abs. 1 AVAG-E übernommen wird und eine Verlängerung der Beschwerdefrist darüber hinaus in allen Fällen ausgeschlossen ist und nicht nur dann, wenn der Verpflichtete seinen Wohnsitz im Ausland hat.

Zu Nummer 7 (§ 56 AVAG)

Die Artikel 54, 57 und 58 des Lugano Übereinkommens von 2007 stimmen inhaltlich mit den Artikeln 54, 57 und 58 der Brüssel-I-Verordnung überein. Nach Artikel 54 der Brüssel-I-Verordnung bzw. des Lugano Übereinkommens von 2007 stellt das Gericht oder die sonst befugte Stelle des Mitgliedstaats oder eines sonstigen durch das Lugano Übereinkommen von 2007 gebundenen Staates auf Antrag eine Bescheinigung nach einem einheitlichen Formblatt aus, die bestimmte Angaben zu dem Urteil enthält.

Entsprechendes gilt nach den Artikeln 57 und 58 der Verordnung bzw. des Übereinkommens für gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden. Da die Vorschriften der Verordnung und des Übereinkommens inhaltlich übereinstimmen, gilt § 56 AVAG-E sowohl für Bescheinigungen nach der Verordnung als auch für solche nach dem Übereinkommen. Darüber hinaus gilt die Vorschrift aufgrund des Abkommens vom 19. Oktober 2005 (Parallelabkommen mit Dänemark) auch im Verhältnis zu Dänemark; eine Änderung des Wortlauts war hierfür nicht erforderlich (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucksache 016/2857 S. 9).

Zu Artikel 3 (Bekanntmachungserlaubnis)

Das AVAG ist in letzter Zeit mehrfach geändert worden. Von der im letzten Gesetz zur Änderung des AVAG vorgesehenen Bekanntmachungsermächtigung ist bisher kein Gebrauch gemacht worden, weil sich neue Änderungen abzeichneten. Zur Rechtsklarheit und Rechtssicherheit für den Rechtsanwender ist eine Neubekanntmachung sinnvoll. Die neuen Änderungen erfordern eine neue Bekanntmachungsermächtigung. Daher soll das Bundesministerium der Justiz ermächtigt werden, eine Neubekanntmachung des AVAG vorzunehmen.

Zu Artikel 4 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes. Das Lugano Übereinkommen von 2007 tritt am ersten Tag des sechsten Monats in Kraft, der auf den Tag folgt, an dem die Europäische Gemeinschaft und ein Mitglied der Europäischen Freihandelsassoziation (d. h. Island, Norwegen oder die Schweiz) ihre Ratifikationsurkunden hinterlegt haben.

Dagegen hat die Hinterlegung der Ratifikationsurkunde durch Dänemark auf den Tag des Inkrafttretens des Übereinkommens keine Auswirkung. Der Tag des Inkrafttretens ist im Bundesgesetzblatt bekannt zu geben.

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Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKR-Gesetz:
NKR-Nr. 430:
Durchführungsgesetz zum Übereinkommen vom 30. Oktober 2007 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Lugano Übereinkommen von 2007)

Der Nationale Normenkontrollrat hat den o.g. Gesetzentwurf auf Bürokratiekosten, die durch Informationspflichten begründet werden, geprüft.

Mit dem Gesetz werden keine Informationspflichten für die Wirtschaft, die Verwaltung und Bürgerinnen und Bürger eingeführt, geändert oder aufgehoben. Der Nationale Normenkontrollrat hat im Rahmen seines gesetzlichen Prüfauftrages daher keine Bedenken gegen das Regelungsvorhaben.

Catenhusen Bachmaier
Stellv. Vorsitzender Berichterstatter