A. Problem und Ziel
In Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) stehen sich Beschwerdeführer und die Bundesrepublik Deutschland gegenüber. In vielen Fällen sind neben den Beschwerdeführern auch Dritte in ihren Menschenrechten betroffen. Zum Beispiel geht es bei einem Rechtsstreit über das Umgangsrecht des Vaters nicht nur um dessen Menschenrechte, sondern auch um die des Kindes und der Mutter, bei der das Kind lebt. Diese Drittbetroffenen können sich gemäß Artikel 36 Absatz 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) an dem Verfahren beteiligen. Die Kosten dafür müssen sie allerdings selbst aufbringen. Sind sie dazu nicht in der Lage, scheitert die Drittbeteiligung. Obwohl sie genau wie die Beschwerdeführer in ihren Menschenrechten betroffen sind, hängt der Zugang der drittbetroffenen Person zum EGMR bislang von ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit ab. Dies ist aus rechts- und sozialstaatlichen Gesichtspunkten nicht hinnehmbar.
Es soll deshalb eine finanzielle Unterstützung in Form einer Kostenhilfe für Drittbetroffene eingeführt werden.
B. Lösung
Wenn eine dritte in ihren Menschenrechten betroffene Person finanziell bedürftig ist und nach nationalem Recht Prozesskostenhilfe erhalten würde, wird ihr aus der Bundeskasse sogenannte Kostenhilfe gewährt.
Die Höhe der Kostenhilfe richtet sich nach den Vorschriften der Artikel 100 ff. der Verfahrensordnung des EGMR, die die Prozesskostenhilfe zugunsten der Beschwerdeführer regeln. Es handelt sich um Kostenzuschüsse in bescheidener Höhe. Dadurch werden Drittbetroffene in dieser Hinsicht dem Beschwerdeführer gleichgestellt.
C. Alternativen
Keine.
D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Nach derzeitigem Stand ist davon auszugehen, dass pro Jahr nicht mehr als fünf Personen die Kostenhilfe in Anspruch nehmen werden. Im Regelfall wird es pro Jahr nur ein bis drei Personen geben, denen die Kostenhilfe zu bewilligen ist.
Die jährlichen Ausgaben für die Kostenhilfe werden für den Bund deshalb voraussichtlich zwischen 1 000 und 3 000 Euro liegen. Der Mehrbedarf soll im Einzelplan 07 ausgeglichen werden. Länder und Gemeinden werden durch die Regelungen nicht mit Kosten belastet.
Der Vollzugsaufwand fällt nicht ins Gewicht.
E. Erfüllungsaufwand
E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger
Der Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger fällt nicht ins Gewicht. Das Stellen eines Antrags auf Kostenhilfe wird nach derzeitiger Schätzung durchschnittlich höchstens zwei Stunden dauern.
E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Keiner.
Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten
Es werden keine Informationspflichten für die Wirtschaft eingeführt, vereinfacht oder abgeschafft.
E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung
Der Erfüllungsaufwand der Verwaltung fällt nicht ins Gewicht. Die Bearbeitung eines Antrags auf Kostenhilfe inklusive Ratenfestsetzung und Überwachung wird nach derzeitiger Schätzung durchschnittlich höchstens fünf Stunden dauern. Ein Mehrbedarf an Sach- und Personalmitteln für den Bund folgt daraus nicht.
F. Weitere Kosten
Es sind weder zusätzliche Kosten für die Wirtschaft noch Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, zu erwarten.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Kostenhilfe für Drittbetroffene in Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR-Kostenhilfegesetz - EGMRKHG)
Bundesrepublik Deutschland
Berlin, den 10. August 2012
Die Bundeskanzlerin
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Horst Seehofer
Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Kostenhilfe für Drittbetroffene in Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR-Kostenhilfegesetz - EGMRKHG) mit Begründung und Vorblatt.
Federführend ist das Bundesministerium der Justiz.
Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Absatz 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.
Mit freundlichen Grüßen
Der Stellvertreter der Bundeskanzlerin
Dr. Philipp Rösler
Fristablauf: 21.09.12
Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Kostenhilfe für Drittbetroffene in Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte(EGMR-Kostenhilfegesetz - EGMRKHG)
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
§ 1 Voraussetzungen; Verfahren
- (1) In Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wird einer dritten in ihren Menschenrechten betroffenen Person auf Antrag Kostenhilfe bewilligt, wenn
- 1. die Beschwerde der Bundesrepublik Deutschland vom Gerichtshof zur Stellungnahme zugestellt worden ist,
- 2. der Antrag der drittbetroffenen Person, gemäß Artikel 36 Absatz 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention Stellung zu nehmen oder an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen,
- a) erfolgreich war oder
- b) Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig ist und 3. die drittbetroffene Person nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Verfahrensführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann.
- (2) In Bezug auf Voraussetzungen und Verfahren der Kostenhilfegewährung sind die §§ 115, 116, 117 Absatz 1 Satz 1 erster Halbsatz, Satz 2, Absatz 2 Satz 1, § 118 Absatz 2, § 120 Absatz 1, 3 und 4 sowie § 124 der Zivilprozessordnung in der jeweils geltenden Fassung entsprechend anzuwenden. An die Stelle des Prozessgerichts tritt das Bundesamt für Justiz. Die drittbetroffene Person muss bei der Antragstellung die Formulare verwenden, die gemäß § 117 Absatz 3 der Zivilprozessordnung für die Erklärung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingeführt worden sind.
§ 2 Bewilligung
- (1) Die Bewilligung von Kostenhilfe bewirkt, dass der drittbetroffenen Person für Auslagen sowie für Honorare, die ihr für einen Rechtsbeistand entstehen, aus der Bundeskasse eine finanzielle Hilfe gezahlt wird. Rechtsbeistand kann neben einem zugelassenen Rechtsanwalt auch eine Person sein, die in dem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vom Kammerpräsidenten als Vertreter zugelassen ist.
- (2) Werden mit der Bewilligung der Kostenhilfe Raten oder aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt, sind diese an die Bundeskasse zu leisten.
- (3) Die Bewilligung von Kostenhilfe für eine drittbetroffene Person gilt im Verfahren vor der Großen Kammer weiter.
§ 3 Festsetzung; Verordnungsermächtigung
- (1) Die Kostenhilfe umfasst die Fahrt- und Aufenthaltskosten sowie andere notwendige Auslagen, die der drittbetroffenen Person und der zu ihrem Rechtsbeistand bestellten Person entstehen.
- (2) Das Bundesministerium der Justiz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Höhe der Erstattungsbeträge für Honorare und Auslagen in Anlehnung an die Tarife zu bestimmen, die nach der Verfahrensordnung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gelten. Für Verfahren, die in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht einfach sind und deren Umfang unterdurchschnittlich ist, kann dabei eine Reduzierung der Erstattungsbeträge vorgesehen werden. Für den Fall, dass sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts auf die Stellung des Antrags auf Drittbeteiligung beschränkt, ist ein Viertel des Pauschalbetrages vorzusehen.
- (3) Das Bundesamt für Justiz setzt die Höhe der Kostenhilfe fest, sobald die drittbetroffene Person dargelegt hat, dass die Honorare oder Auslagen fällig werden. Sollte die drittbetroffene Person wider Erwarten nicht zur Zahlung eines Honorars verpflichtet sein oder keine Auslagen haben, ist die Kostenhilfe unverzüglich zurückzuzahlen.
§ 4 Rechtsmittel
- (1) Gegen die Entscheidung über die Kostenhilfe findet die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung statt, über die das Beschwerdegericht durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter entscheidet. Die Notfrist des § 569 Absatz 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung beträgt einen Monat. Die Beschwerde kann auch durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftstelle des Beschwerdegerichts eingelegt werden. § 572 Absatz 1 der Zivilprozessordnung ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Bundesamt für Justiz über die Abhilfe entscheidet.
- (2) Über die Beschwerde entscheidet das Landgericht, in dessen Bezirk das Bundesamt für Justiz seinen Sitz hat.
§ 5 Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung
A. Allgemeiner Teil
I. Notwendigkeit der vorgesehen Maßnahme
In Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) stehen sich Beschwerdeführer und die Bundesrepublik Deutschland gegenüber. In vielen Fällen geht es jedoch zugleich um die Menschenrechte dritter Personen. Dies ist oftmals der Fall, wenn ein nationales Gerichtsverfahren Verfahrensgegenstand ist. Der Verfahrensgegner des nationalen Verfahrens wird vor dem EGMR zum Drittbetroffenen. Wenn sich zum Beispiel ein Vater aufgrund eines nationalen Umgangs- oder Sorgerechtsverfahrens in seinen Menschenrechten verletzt sieht, sind die Menschenrechte der Mutter und die des Kindes gleichermaßen betroffen. Wenn der EGMR zu dem Ergebnis kommt, dass die Versagung des Umgangsrechts oder der Ausschluss vom Sorgerecht menschenrechtswidrig waren, wird dies nationale Folgeverfahren nach sich ziehen. Die nationalen Gerichte werden sich an der Rechtsprechung des EGMR orientieren. Die Entscheidung des EGMR ist deshalb für die Mutter und das Kind von großer Bedeutung und kann deren Situation ganz erheblich beeinflussen. Gemäß Artikel 36 Absatz 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) können sich Mutter und Kind an dem Verfahren vor dem EGMR beteiligen und eine Stellungnahme abgeben oder an der mündlichen Verhandlung teilnehmen. Fehlen ihnen dazu jedoch die finanziellen Mittel, bleiben sie ungehört. Nach derzeitiger Rechtslage haben sie dann keine Möglichkeit, ihre rechtlichen Interessen vor dem EGMR wahrzunehmen.
1. Keine Prozesskostenhilfe nach nationalem Recht
Es ist ein verfassungsrechtlich verankertes Gebot des sozialen Rechtsstaates, dass finanziell bedürftige Parteien nicht aus wirtschaftlichen Gründen daran gehindert sein dürfen, die Gerichte anzurufen (so die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, s. zum Beispiel BVerfGE 35, 348, 354 f.; BVerfGE 78, 104, 117 f. m. w. N.). Aus Gründen der Rechtsgleichheit gemäß Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) ist deshalb für die Verfahren vor den nationalen Gerichten ein umfassendes Prozesskostenhilfesystem vorgesehen. Maßgeblich sind die Regelungen in der Zivilprozessordnung (ZPO), auf die andere Verfahrensordnungen verweisen. Voraussetzung ist, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Partei, die Prozesskostenhilfe beantragt, muss finanziell bedürftig sein.
Die Prozesskostenhilfe umfasst die Gerichts- und die notwendigen Anwaltskosten. Je nach Einkommens- bzw. Vermögenssituation muss die Person, die Prozesskostenhilfe bekommen hat, diese in monatlichen Raten oder in aus dem Vermögen zu zahlenden Beträgen an die Staatskasse zurückzahlen.
Auf Verfahren vor internationalen Gerichten, also auch vor dem EGMR, sind die nationalen Prozesskostenhilfevorschriften nicht anwendbar.
2. Prozesskostenhilfesystem des EGMR: Nur für den Beschwerdeführer
Zwar verfügt der Gerichtshof über ein eigenes Prozesskostenhilfesystem, dies ist jedoch auf den Beschwerdeführer beschränkt (Artikel 100 ff. der Verfahrensordnung in der seit dem 1. April 2011 geltenden Fassung, im Internet veröffentlicht unter http://www.echr.coe.int/ECHR/EN/Header/Basic+Texts/Other+texts/Rules+of+Court/. Eine Übersetzung ist abgedruckt bei Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Auflage 2011, S. 508 ff. sowie im Internet auf der Seite des Bundesministeriums der Justiz abrufbar unter http://www.bmj.de/DE/Recht/OeffentlichesRecht/BeauftragteMenschenrechtsfragen/Europ aeischerGerichtshoffuerMenschenrechte/_node.html). Ab Zustellung einer Beschwerde an den beschwerdegegnerischen Staat kann der Beschwerdeführer beim Präsidenten der zuständigen Kammer Prozesskostenhilfe beantragen. Voraussetzung ist, dass der Beschwerdeführer finanziell bedürftig ist. Die Bedürftigkeit muss er in Deutschland durch eine Erklärung nach § 117 Absatz 2 ZPO nachweisen. Weiterhin muss die Prozesskostenhilfe für die ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens notwendig sein. Diese Voraussetzung wird im Regelfall als erfüllt angesehen, so dass Prozesskostenhilfe bei Vorliegen der finanziellen Bedürftigkeit gewährt wird. Die Höhe der finanziellen Unterstützung ist bescheiden: Für bestimmte Verfahrensabschnitte werden dem Beschwerdeführer Honorare für seinen Rechtsbeistand erstattet, die anhand der geltenden Tarife bestimmt werden. Bei einem Verfahren ohne mündliche Verhandlung werden insgesamt höchstens 850 Euro erstattet. Hierbei handelt es sich um einen Pauschalbetrag für alle Stellungnahmen (auch zur gerechten Entschädigung oder zu einem Vergleich) und für übliche Sekretariatskosten.
Drittbetroffene profitieren von diesem Prozesskostenhilfesystem nicht.
3. Regelung in der Verfahrensordnung des EGMR ausgeschlossen
Eine Ausweitung des Prozesskostenhilfesystems des EGMR auf Dritte, die in ihren Menschenrechten betroffen sind, ist in absehbarer Zeit nicht durchsetzbar. Die derzeitigen Reformdiskussionen in Bezug auf den Gerichtshof konzentrieren sich auf die Frage, wie dieser entlastet werden kann. Soweit Haushaltsmittel vorhanden sind, werden sie für die Erledigung möglichst vieler anhängiger Fälle eingesetzt. Die Einführung neuer Prozesskostenhilferegelungen, die einen gewissen Kosten- und Verwaltungsaufwand nach sich ziehen, hat vor diesem Hintergrund keine Aussicht auf Erfolg.
4. Gesetzgeberischer Handlungsbedarf
In der derzeitigen Situation, in der Drittbetroffene aus finanziellen Gründen gehindert sind, sich an Verfahren vor dem EGMR zu beteiligen, die ihre Menschenrechte unmittelbar betreffen, besteht aus zwei Gründen Handlungsbedarf:
- a) Hauptsächlich ist es aus rechtsstaatlichen Gründen geboten, dass Drittbetroffene sich unabhängig von ihrer finanziellen Situation in Verfahren vor dem EGMR äußern können, wenn ihre Menschenrechte betroffen sind. In vielen Fällen geht es um die Frage, ob in kontradiktorischen Verfahren vor den nationalen Gerichten, in denen sich der Beschwerdeführer und die drittbetroffene Person gegenüberstanden, Menschenrechte verletzt wurden. Vor dem Gerichtshof steht dem jeweiligen Beschwerdeführer dann aber die Bundesrepublik Deutschland gegenüber; der ursprüngliche Verfahrensgegner wird zum Drittbetroffenen. Selbst wenn die Bundesregierung auf die Interessenlage der drittbetroffenen Person hinweist, vermögen diese Stellungnahmen die Beteiligung der drittbetroffenen Person selbst nicht zu ersetzen. Die unmittelbare Stellungnahme der drittbetroffenen Person hinterlässt einen stärkeren Eindruck. Zudem kann die Beteiligung der drittbetroffenen Person neue Argumentationsansätze ergeben, die für die Bundesregierung nicht ersichtlich oder aufgrund eines anderen Interessenschwerpunktes nicht erwähnenswert sind. Wird die drittbetroffene Person nicht beteiligt, kann sich der Gerichtshof nur einen Eindruck von der persönlichen Betroffenheit des Beschwerdeführers, nicht jedoch von der Gegenpartei im innerstaatlichen Verfahren machen, deren Menschenrechte gleichermaßen betroffen sein können. Es besteht deshalb die Gefahr, dass vor dem Gerichtshof das nationale Verfahren einseitig aufgearbeitet wird und wichtige Informationen und Sichtweisen der drittbetroffenen Person nicht berücksichtigt werden. Dies wiederum würde nicht nur zu objektiv fragwürdigen Entscheidungen führen, sondern auch die subjektive Rechtsposition drittbetroffener Personen negativ beeinflussen: So kann es durchaus sein, dass der Beschwerdeführer, gestützt durch ein Urteil des EGMR, ein neues Verfahren in Deutschland beginnt und die Fragen, die aus der Sicht der drittbetroffenen Person bereits auf nationaler Ebene entschieden waren, wieder aufgeworfen werden. Das ist beispielsweise in kindschaftsrechtlichen Verfahren jederzeit möglich, weil die Entscheidungen keine materielle Rechtskraft erlangen. Wenn der Gerichtshof es als menschenrechtswidrig angesehen hat, dass die nationalen Gerichte ein Recht des Beschwerdeführers auf Umgang mit seinem Kind abgelehnt haben, wird der Beschwerdeführer ein neues Verfahren vor den deutschen Familiengerichten anstreben. Diese werden sich an der Rechtsprechung des Gerichtshofs orientieren. Das Ergebnis des nationalen Folgeverfahrens wird durch die Entscheidung des EGMR stark beeinflusst. Die Entscheidung des EGMR ist deshalb für die Kindesmutter und das Kind genauso wichtig wie für den Beschwerdeführer; allerdings haben sie ohne Drittbeteiligung keine Möglichkeit, ihren Standpunkt darzulegen und auf die Entscheidung Einfluss zu nehmen. In anderen Fällen kann es die Möglichkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens geben. Für eine dritte Person, deren Menschenrechte betroffen sind, ist es ein nicht zu unterschätzender Vorteil, wenn sie ihre Auffassung - in rechtlicher und vor allem in tatsächlicher Hinsicht - bereits im Verfahren vor dem EGMR darlegen kann. Es darf nicht von ihrer finanziellen Leistungskraft abhängen, dass sie diesen Vorteil nutzen kann.
Das Bundesverfassungsgericht hat bereits im "Görgülü-Beschluss", in dem es zum Verhältnis zwischen der Europäischen Menschenrechtskonvention und dem nationalen Recht grundlegend Stellung genommen hat, darauf hingewiesen, dass die Rechte von Drittbetroffenen nicht vernachlässigt werden dürfen:
"Gerade in Fällen, in denen staatliche Gerichte wie im Privatrecht mehrpolige Grundrechtsverhältnisse auszugestalten haben, kommt es regelmäßig auf sensible Abwägungen zwischen verschiedenen subjektiven Rechtspositionen an, die bei einer Änderung der Subjekte des Rechtsstreits oder durch eine Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse im Ergebnis anders ausfallen können. Es kann insofern zu verfassungsrechtlichen Problemen führen, wenn einer der Grundrechtsträger im Konflikt mit einem anderen einen für sich günstigen Urteilsspruch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gegen die Bundesrepublik Deutschland erstreitet und deutsche Gerichte diese Entscheidung schematisch auf das Privatrechtsverhältnis anwenden, mit der Folge, dass der insofern "unterlegene" und möglicherweise nicht im Verfahren vor dem Gerichtshof beteiligte Grundrechtsträger gar nicht mehr als Verfahrenssubjekt wirksam in Erscheinung treten könnte." (BVerfGE 111, 307, 324 f.).
Genau dieser vom Bundesverfassungsgericht skizzierten Gefahr, dass Drittbetroffene nicht mehr als Verfahrenssubjekt wahrgenommen werden, wird begegnet, indem sie bereits in dem Verfahren vor dem EGMR Stellung nehmen können. Zwar führt das Bundesverfassungsgericht weiter aus, dass eine Beteiligung Dritter nach Artikel 36 Absatz 2 EMRK "kein institutionelles Äquivalent für die Rechte und Pflichten als Prozesspartei oder weiterer Beteiligter im nationalen Ausgangsverfahren sei" (BVerfGE 111, 307, 328). Die Drittbeteiligung trägt jedoch dazu bei, dass die Rechte von Dritten, die in ihren Menschenrechten betroffen sind, bereits vor dem EGMR umfassend wahrgenommen werden.
- b) Außerdem wird der Drittbetroffene regelmäßig die Positionen der deutschen Rechtsordnung vertreten, so dass seine Beteiligung an dem Verfahren für den EGMR Sinn und Zweck der zugrundeliegenden rechtlichen Regelungen illustrieren kann.
II. Lösungsansätze
Da eine Lösung auf internationaler Ebene nicht möglich ist, muss die finanzielle Unterstützung von Drittbetroffenen in Verfahren vor dem EGMR im nationalen Recht geregelt werden.
Eine interessengerechte Lösung wird erzielt, wenn in ihren Menschenrechten betroffenen Dritten, die finanziell nicht in der Lage sind, die Kosten ihrer Beteiligung selbst zu tragen, finanzielle Hilfen gewährt werden, die der Höhe nach dem Prozesskostenhilfesystem des EGMR entsprechen. Anders als bei der Prozesskostenhilfe im Sinne der §§ 114 ff. ZPO werden dadurch die zur Prozessführung notwendigen Kosten zwar nicht vollständig abgedeckt. Stattdessen wird lediglich eine finanzielle Hilfe als Beitrag zu den entstehenden Kosten gewährt. Es wird dadurch aber die Gleichbehandlung von Dritten, deren Menschenrechte betroffen sind, und dem Beschwerdeführer erreicht. Um dies von der Prozesskostenhilfe nach nationalem Recht abzugrenzen, wird der Begriff "Kostenhilfe" verwandt.
Die Einführung einer Prozesskostenhilfe entsprechend den §§ 114 ff. ZPO nur für Drittbetroffene kommt nicht in Betracht. Diese dürfen gegenüber den Beschwerdeführern, die auf die nach der Verfahrensordnung des EGMR gewährte, bescheidene Unterstützung beschränkt sind, nicht bevorzugt werden.
III. Umsetzung
Bei der Umsetzung wird zwischen den Voraussetzungen der Kostenhilfe und den Folgen der Bewilligung differenziert:
Bei den Voraussetzungen für die Bewilligung der Kostenhilfe orientiert sich der Gesetzentwurf im Wesentlichen an den Vorschriften der ZPO, die zum großen Teil entsprechend anzuwenden sind.
Die finanzielle Bedürftigkeit der drittbetroffenen Person, die Grundvoraussetzung für die Bewilligung der Kostenhilfe ist, liegt deshalb nur dann vor, wenn die drittbetroffene Person entsprechend § 114 Satz 1 erster Halbsatz ZPO nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. Dies muss die drittbetroffene Person nachweisen und dazu entsprechend den Vorschriften der ZPO das dafür eingeführte Formular verwenden. Wird das Formular nicht vollständig ausgefüllt oder fehlen Belege, kann der antragstellenden Person eine Frist zur Glaubhaftmachung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gesetzt werden. Läuft die Frist ab, ohne dass die Bedürftigkeit glaubhaft gemacht wird, wird die Kostenhilfe entsprechend § 118 Absatz 2 Satz 4 ZPO abgelehnt.
Die Bewilligung der Kostenhilfe erfolgt entsprechend § 120 Absatz 1 ZPO. Mit der Bewilligung wird auch entschieden, ob und in welcher Höhe die antragstellende Person Raten aus ihrem Einkommen oder Beträge aus ihrem Vermögen zu zahlen hat. Durch diese Lösung wird sichergestellt, dass auch in ihren Menschenrechten betroffene Dritte, die die Kosten ihrer Drittbeteiligung nach ihren wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen nur teilweise oder nur in Raten aufbringen können, nicht an der Beteiligung gehindert werden. Es wäre eine unzulässige Benachteiligung, wenn finanziell schlechter gestellte Personen ihren Zugang zu den Gerichten so lange aufschieben müssten, bis sie den erforderlichen Betrag für die Kosten gespart haben (BGHZ 10, 139, 145). Dies gilt bei Drittbetroffenen in besonderem Maße, da sie den zeitlichen Ablauf der Verfahren vor dem EGMR nicht beeinflussen können. Die entsprechende Geltung des § 115 ZPO sorgt dafür, dass der Antragsteller zur Finanzierung seiner Drittbeteiligung nicht auf sein Existenzminimum zugreifen muss. Auf der anderen Seite ist es zumutbar, dass er im Rahmen des § 115 ZPO an der Finanzierung seiner Verfahrensbeteiligung vor dem EGMR beteiligt wird.
Auch in Bezug auf die Aufhebung der Kostenhilfe verweist der Gesetzentwurf auf die Vorschriften der ZPO. Dies ist sinnvoll, da Möglichkeiten der Aufhebung eng mit den wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen verknüpft sind. Die Kostenhilfe wird beispielsweise aufgehoben, wenn die drittbetroffene Person länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate in Verzug ist oder absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über ihre finanzielle Bedürftigkeit gemacht hat. Dadurch wird sichergestellt, dass die Kostenhilfe nur gezahlt wird, wenn dies aus sozial- und rechtsstaatlichen Gründen geboten ist.
Der Verweis auf die Vorschriften der ZPO hat den Vorteil, dass die Voraussetzungen und das Bewilligungsverfahren der finanziellen staatlichen Unterstützung für Gerichtsverfahren so weit wie möglich gleich gehandhabt werden. Zudem kann auf ein System zurückgegriffen werden, das sich in der Praxis bewährt hat. Für die Prüfung der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse gibt es Formulare und Computerprogramme, der Verwaltungsaufwand fällt deshalb nicht ins Gewicht.
Anders als bei der Prozesskostenhilfe für Verfahren vor den deutschen Gerichten kann jedoch nicht das Prozessgericht - der EGMR - über die Bewilligung der Kostenhilfe entscheiden. Daher wird diese Aufgabe dem Bundesamt für Justiz übertragen. Dieses hat die erforderliche Kompetenz für die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und für die Festsetzung der Ratenhöhe. Eine umfassende Prüfung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung ist vor der Bewilligung der Kostenhilfe nicht erforderlich. Denn rechtliche Fragen in Bezug auf das Verfahren vor dem EGMR, an dem sich die drittbetroffene Person beteiligen möchte, werden nur nach § 1 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe b des Entwurfs relevant, wenn die Betroffenheit der dritten Person in ihren Menschenrechten, die Erfolgsaussichten des Antrags auf Drittbeteiligung und die eventuelle Mutwilligkeit geprüft werden müssen. Dies erfordert jedoch keine vertiefte Kenntnis der in dem Verfahren aufgeworfenen rechtlichen Probleme. Vielmehr kommt es darauf an, inwiefern der Antragsteller durch das Verfahren betroffen ist, was sich im Regelfall sehr schnell erschließen lässt. Bei der Prüfung der Frage, ob die Antragstellung mutwillig sein könnte, kann sich das Bundesamt für Justiz an der gefestigten Rechtsprechung zu § 114 Satz 1 zweiter Halbsatz ZPO orientieren. Deshalb ist es unschädlich, dass das Bundesamt für Justiz - anders als das Prozessgericht - nicht unmittelbar mit dem jeweiligen Verfahren befasst ist.
IV. Gesetzgebungskompetenz; Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und mit völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 GG (gerichtliches Verfahren).
Der Gesetzentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat, vereinbar.
V. Gesetzesfolgen; Nachhaltigkeitsaspekte
Es ist damit zu rechnen, dass die Zahl der drittbetroffenen Personen, denen die Kostenhilfe bewilligt wird, pro Jahr im Durchschnitt zwischen eins und drei liegen wird. Die Kostenhilfe für ein Verfahren ohne mündliche Verhandlung beträgt insgesamt höchstens 850 Euro (Pauschalbetrag für die Vorbereitung des Falles und die geschriebenen Stellungnahmen auf Anforderung des Gerichtshofs). Nur in den sehr seltenen Verfahren, in denen eine mündliche Verhandlung stattfindet, kommen eine Gebühr von 300 Euro sowie die Reise- und Übernachtungskosten hinzu. Wurde die Kostenhilfe mit Ratenzahlung bewilligt, zahlt die drittbetroffene Person die erhaltenen Beträge ganz oder teilweise zurück. Die Belastung des Bundeshaushalts ist deshalb sehr gering und wird voraussichtlich zwischen 1 000 und 3 000 Euro liegen. Der Mehrbedarf soll im Einzelplan 07 ausgeglichen werden.
Länder und Gemeinden werden durch die Regelungen nicht mit Kosten belastet.
Der Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger fällt nicht ins Gewicht. Das Stellen eines Antrags auf Kostenhilfe wird nach derzeitiger Schätzung durchschnittlich höchstens zwei Stunden dauern.
Der Erfüllungsaufwand der Verwaltung fällt aufgrund der geringen Zahl der zu erwartenden Anträge ebenfalls nicht ins Gewicht. Die Bearbeitung eines Antrags auf Kostenhilfe inklusive Ratenfestsetzung und Überwachung wird nach derzeitiger Schätzung durchschnittlich höchstens fünf Stunden dauern. Ein Mehrbedarf an Sach- und Personalmitteln für den Bund folgt daraus nicht. Es werden keine Informationspflichten für die Wirtschaft, die Bürgerinnen und Bürger und die Verwaltung eingeführt, vereinfacht oder abgeschafft.
Es sind zudem weder zusätzliche Kosten für die Wirtschaft noch Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, zu erwarten.
Der Gesetzentwurf steht im Einklang mit den Leitgedanken der Bundesregierung zur nachhaltigen Entwicklung im Sinne der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie. Die Einführung der Kostenhilfe hat zur Folge, dass dritten in ihren Menschenrechten betroffenen Personen, die finanziell bedürftig sind, der Zugang zu den Verfahren vor dem EGMR erleichtert wird. Die finanzielle Hürde, die in der derzeitigen Situation ein Hinderungsgrund sein kann, sich in Verfahren mit Menschenrechtsbezug Gehör zu verschaffen, wird dadurch überwindbar. Dem Sozial- und Rechtstaatsprinzip wird ausreichend Rechnung getragen, ohne jedoch die Drittbetroffenen gegenüber den Beschwerdeführern zu bevorzugen.
VI. Gleichstellungspolitische Auswirkungen
Auswirkungen von gleichstellungspolitischer Bedeutung sind nicht zu erwarten.
B. Besonderer Teil
Zu § 1 (Voraussetzungen; Verfahren)
Zu Absatz 1
Absatz 1 regelt die Antragsberechtigung. Kostenhilfe wird nur denjenigen gewährt, die in einem Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland als Dritte in ihren eigenen Menschenrechten betroffen sind. In diesen Fällen ist es unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten notwendig und entspricht dem Interesse der Bundesrepublik Deutschland, dass die Drittbetroffenen ihre rechtlichen Interessen wahrnehmen können. Weitere Voraussetzungen werden deshalb nicht festgesetzt.
In der Bundesrepublik Deutschland lebende Personen oder Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit, die in Verfahren gegen andere Staaten Drittbeteiligte sind, erhalten - zumindest von Deutschland - keine Kostenhilfe. Die Kostenhilfe ist verfahrensbezogen. Nur in Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland besteht eine besondere Verantwortung, die Grundlage für die Gewährung von Kostenhilfe ist.
Weitere Voraussetzungen an die von der drittbetroffenen Person beabsichtigte Rechtsverfolgung sind in den Nummern 1 bis 3 geregelt: Sie müssen kumulativ erfüllt sein.
Zu Nummer 1: Zeitpunkt
Nummer 1 verlangt, dass die Beschwerde der Bundesrepublik Deutschland zur Stellungnahme zugestellt worden ist. Der drittbetroffenen Person kann damit früher als dem Beschwerdeführer finanzielle Unterstützung bewilligt werden. Gemäß Artikel 100 der Verfahrensordnung des EGMR kann dem Beschwerdeführer Prozesskostenhilfe erst bewilligt werden, wenn die beschwerdegegnerische Vertragspartei zur Zulässigkeit der Beschwerde Stellung genommen hat oder wenn die Frist dafür abgelaufen ist.
Die frühere Bewilligung der Kostenhilfe für Drittbetroffene soll diese schon frühzeitig in die Lage versetzen, ihre Beteiligung zu beantragen und ihre Stellungnahme vorzubereiten. Es besteht kein Grund, damit zu warten, bis die Bundesregierung ihre erste Stellungnahme abgegeben hat; insbesondere hängen die Erfolgsaussichten der Drittbeteiligung - anders als bei der Beschwerde - in aller Regel nicht von der Stellungnahme der Bundesrepublik Deutschland ab. Stattdessen kann die drittbetroffene Person oftmals Argumente oder zusätzliche Informationen liefern, die die Verteidigung der deutschen Rechtsordnung stärken.
Zu Nummer 2: Beteiligungsantrag
Buchstabe a regelt den Fall, dass der Präsident der zuständigen Kammer des Gerichtshofs dem Beteiligungsantrag stattgegeben und dass die drittbetroffene Person Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten hat. Dann ist - anders als in den Vorschriften über die Prozesskostenhilfe in der ZPO - eine gesonderte Prüfung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung nicht mehr erforderlich. Die Stellungnahme der drittbetroffenen Person ist für das Verfahren relevant, so dass es vor der Bewilligung von Kostenhilfe keiner zusätzlichen inhaltlichen Prüfung mehr bedarf. Eine Bevorzugung der drittbetroffenen Person gegenüber dem Beschwerdeführer erfolgt dadurch nicht. Zwar sieht die Verfahrensordnung des EGMR für die Prozesskostenhilfe, die dem Beschwerdeführer geleistet wird, sehr wohl inhaltliche Voraussetzungen vor. Artikel 101 Buchstabe a der Verfahrensordnung des EGMR bestimmt, dass die Bewilligung der Hilfe für den Beschwerdeführer zur ordnungsgemäßen Prüfung der Rechtssache vor der Kammer notwendig sein muss. Die Anforderungen an diese "Notwendigkeit" dürfen jedoch nicht zu hoch geschraubt werden. Im Regelfall wird die Prozesskostenhilfe gewährt (vgl. Karen Reid, A Practioner`s Guide to the European Convention on Human Rights, 3. Auflage 2008, S. 22). Übertragen auf eine drittbetroffene Person bedeutet dies, dass die Kostenhilfe zumindest immer dann notwendig ist, wenn ihr gemäß Artikel 36 Absatz 2 der Konvention Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde. Der Normierung einer zusätzlichen Voraussetzung wie etwa einer Notwendigkeitsklausel, die Artikel 101 Buchstabe a der Verfahrensordnung des EGMR entspricht, bedurfte es daher nicht.
Buchstabe b hingegen sieht eine inhaltliche Prüfung für den Fall vor, dass noch über den Antrag auf Drittbeteiligung entschieden werden muss. Es soll verhindert werden, dass erkennbar aussichtslose Drittbeteiligungsanträge auf Staatskosten gestellt werden können. Die Regelung orientiert sich an § 114 Satz 1 zweiter Halbsatz ZPO.
Für die Prüfung der Erfolgsaussichten des Drittbeteiligungsantrags ist das Bundesamt für Justiz zuständig. Dies ergibt sich aus dem Verweis auf die Vorschriften der ZPO in § 1 Absatz 2 mit der Maßgabe, dass statt des Prozessgerichts das Bundesamt für Justiz handelt. Die Folge ist, dass das Bundesamt für Justiz über die Bewilligung von Kostenhilfe entscheidet und die Voraussetzungen prüft.
Die Anforderungen an die Erfolgsaussichten sind niedrig und die Prüfung ist nicht mit besonderen Schwierigkeiten verbunden. Aussicht auf Erfolg wird in aller Regel bestehen, wenn die drittbetroffene Person von der Bundesregierung über die Möglichkeit der Drittbeteiligung informiert worden ist. Einen geeigneten Prüfungsmaßstab bietet darüber hinaus Artikel 44 d der Verfahrensordnung des EGMR: Demnach kann der Präsident der Kammer sich weigern, den Vortrag einer Partei zu berücksichtigen, wenn er missbräuchlich, leichtfertig, schikanös, irreführend oder weitschweifig ist. Der Drittbeteiligungsantrag hat deshalb keine Aussicht auf Erfolg, wenn der Antragsentwurf diese Eigenschaften besitzt und mit einer Nichtberücksichtigung des Vortrags zu rechnen ist. Daneben ist zu prüfen, ob die Antragstellung mutwillig ist. Mutwilligkeit wird nur in Ausnahmefällen vorliegen und die Rechtsprechung zu § 114 Satz 1 zweiter Halbsatz ZPO ist entsprechend zu berücksichtigen.
Zu Nummer 3: Bedürftigkeit
Nummer 3 bestimmt, dass der Antragsteller nach den wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen bedürftig sein muss, um Kostenhilfe beanspruchen zu können. Die Vorschrift entspricht § 114 Satz 1 erster Halbsatz ZPO.
Zu Absatz 2
Der Verweis auf die Vorschriften der ZPO in Satz 1 betrifft die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers sowie das Bewilligungsverfahren.
Der Verweis auf § 115 ZPO bezieht sich auf den Einsatz des eigenen Einkommens und Vermögens sowie auf die Höhe der Monatsraten, die die drittbetroffene Person aus dem einzusetzenden Einkommen zahlen muss. Es wird darauf hingewiesen, dass entsprechend § 115 Absatz 4 ZPO Kostenhilfe nicht bewilligt wird, wenn die Kosten der Prozessführung einen bestimmten Betrag nicht überschreiten. Dieser Betrag wird individuell bestimmt. Er beträgt vier Monatsraten zuzüglich der entsprechend § 115 Absatz 3 ZPO aus dem Vermögen aufzubringenden Teilbeträge. Bei der Kostenberechnung muss die geltende Gebührentabelle zu Grunde gelegt werden, da nicht auf Kosten der Staatskasse eine teure Honorarvereinbarung abgeschlossen werden darf. Wenn, wie in Verfahren vor dem EGMR im Regelfall, keine mündliche Verhandlung erfolgt, sind die Kosten deshalb überschaubar. Es wird daher nicht wenige Fälle geben, in denen die Kosten mit vier Monatsraten gedeckt werden können.
Mit § 116 ZPO wird auf die Norm verwiesen, nach der auch Parteien kraft Amtes (Nummer 1) sowie juristische Personen mit Sitz im Inland oder einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Prozesskostenhilfe beantragen können. Eine Ausweitung auf andere ausländische juristische Personen ist schon deshalb nicht erforderlich, da diese aller Voraussicht nach nicht drittbetroffen sein werden.
Mit dem Verweis auf § 117 Absatz 1 Satz 1 erster Halbsatz und Satz 2 ZPO finden die Bestimmungen über den Ort der Antragstellung und den Inhalt des Antrags entsprechend Anwendung. Der Verweis auf § 117 Absatz 2 Satz 1 ZPO verpflichtet zur Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und zur Beifügung entsprechender Belege. Es ist nicht erforderlich, der gegnerischen Partei diese Unterlagen entsprechend § 117 Absatz 2 Satz 2 ZPO mit Zustimmung der antragstellenden Partei zugänglich zu machen, da sich Beschwerdeführer und Drittbetroffene nicht als Prozessgegner gegenüberstehen.
Der Verweis auf § 118 Absatz 2 ZPO zielt darauf ab, dass vom Antragsteller die Glaubhaftmachung seiner Angaben verlangt werden kann. Kommt er dieser Verpflichtung innerhalb einer bestimmten Frist nicht nach, wird die Kostenhilfe entsprechend § 118 Absatz 2 Satz 4 ZPO abgelehnt. Damit wird sichergestellt, dass der Antragsteller zügig und nachvollziehbar belegt, dass er bedürftig ist.
Der Verweis auf § 120 Absatz 1, 3 und 4 ZPO betrifft die Festsetzung der Monatsraten nach § 115 ZPO, die mit der Bewilligung der Kostenhilfe erfolgt. Absatz 4 stellt sicher, dass die Ratenzahlung bei einer Änderung der wirtschaftlichen oder persönlichen Verhältnisse angepasst werden kann. Wörtlich heißt es, dass "die zu leistenden Zahlungen" geändert werden können. Die vollständige Entziehung der Prozesskostenhilfe regelt die Vorschrift nicht. Bei wesentlichen Einkommens- oder Vermögensverbesserungen können jedoch gemäß § 120 Absatz 4 Satz 1 ZPO Raten bzw. Beträge aus dem Vermögen festgesetzt werden, die im Einzelfall wirtschaftlich einer Aufhebung der Prozesskostenhilfe gleichkommen können. Ein Verweis auf Artikel 105 der Verfahrensordnung des EGMR, wonach der Präsident der Kammer die Bewilligung von Prozesskostenhilfe rückgängig machen oder ändern kann, wenn die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, ist deshalb nicht erforderlich.
Mit § 124 ZPO wird auf die Vorschrift verwiesen, die regelt, unter welchen Voraussetzungen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe darüber hinaus aufgehoben werden kann. Dies ist der Fall, wenn das Streitverhältnis falsch dargestellt wurde (Nummer 1), wenn absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht wurden oder auf Verlangen des Gerichts keine Erklärung nach § 120 Absatz 4 Satz 2 ZPO über eventuelle Änderungen abgegeben wurde (Nummer 2), wenn die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe nicht vorgelegen haben (Nummer 3) oder wenn die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages im Rückstand ist (Nummer 4).
Nach Artikel 105 der Verfahrensordnung des EGMR kann hingegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe immer dann rückgängig gemacht oder geändert werden, wenn die Voraussetzungen für die vorherige Bewilligung nicht mehr vorliegen.
Demgegenüber ist der Verweis auf die Vorschriften der ZPO vorzugswürdig, da die Aufhebungsmöglichkeiten eng mit den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen verknüpft sind. Außerdem wird eine verhaltensbedingte Aufhebung ermöglicht, wenn die drittbetroffene Person zumindest grob fahrlässig falsche Angaben gemacht hat oder die Raten nicht zahlt.
Der Verweis auf die ZPO erfolgt mit der Maßgabe, dass an Stelle des Prozessgerichts das Bundesamt für Justiz handelt. Es ist für die Bewilligung und Aufhebung der Kostenhilfe zuständig. Es setzt die Raten fest und überwacht die Ratenzahlungen, wobei es auch nachträgliche Änderungen der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse berücksichtigt.
Satz 2 bestimmt, dass bei der Antragstellung die gemäß § 117 Absatz 3 ZPO vom Bundesministerium der Justiz eingeführten Formulare zu verwenden sind. Wäre stattdessen nur auf § 117 Absatz 3 ZPO verwiesen worden, hätte dies lediglich zu einer Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz geführt, durch Rechtsverordnung ein Formular für die Beantragung von Kostenhilfe einzuführen. Die Regelung in Satz 2 ist demgegenüber vorzugswürdig, da es zur Verwendung der bereits existierenden Formulare keiner weiteren Rechtsverordnung mehr bedarf.
Zu § 2 (Bewilligung)
Zu Absatz 1
Der Umfang der Kostenhilfebewilligung orientiert sich an den Prozesskostenhilferegeln in der Verfahrensordnung des EGMR, damit der Beschwerdeführer und drittbetroffene Personen gleichbehandelt werden. Die Kostenhilfe wird nicht nur für Honorare eines zugelassenen Rechtsanwalts, sondern auch für eine andere Person gewährt, die nach Artikel 36 Absatz 4 Buchstabe a der Verfahrensordnung des EGMR vom Kammerpräsidenten zugelassen wurde. Die drittbetroffene Person kann sich deshalb beispielsweise auch von Professoren vertreten lassen, die nicht als Rechtsanwalt zugelassen sind. Der Kammerpräsident wird eine andere Person im Sinne von Artikel 36 Absatz 4 Buchstabe a der Verfahrensordnung des EGMR als Rechtsbeistand eines Drittbeteiligten jedoch erst dann zulassen, wenn zuvor dem Antrag auf Drittbeteiligung stattgegeben wurde. Drittbetroffene Personen, die sich von einer anderen Person als einem zugelassenen Anwalt vertreten lassen möchten, bekommen deshalb erst nach Zulassung der Drittbeteiligung Kostenhilfe. Dadurch wird ausgeschlossen, dass sich die drittbetroffene Person auf Kosten der Staatskasse eine unqualifizierte oder ungeeignete Person als Rechtsbeistand bestellt, die vom Kammerpräsidenten nicht als Vertreter zugelassen wird.
Zu Absatz 2
Absatz 2 regelt, dass die Zahlung der gemäß § 1 Absatz 2 in Verbindung mit § 115 Absatz 1 und 2 ZPO festgesetzten Monatsraten an die Bundeskasse erfolgt.
Zu Absatz 3
Diese Vorschrift entspricht Artikel 100 Absatz 2 der Verfahrensordnung des EGMR. Sie weicht von den Vorschriften der ZPO ab, wonach die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für jeden Rechtszug gesondert erfolgt. Bei den Verfahren vor der Großen Kammer des EGMR ist es hingegen weder erforderlich noch sinnvoll, das Vorliegen der Kostenhilfevoraussetzungen erneut zu prüfen, da diese ohnehin erfüllt sein werden. Denn gemäß Artikel 43 Absatz 2 EMRK wird ein Verfahren auf Antrag der Parteien nur dann zur Entscheidung an die Große Kammer verwiesen, wenn die Rechtssache eine schwerwiegende Frage der Auslegung oder Anwendung der Konvention oder der Protokolle oder eine schwerwiegende Frage allgemeiner Bedeutung aufwirft. Über den Verweisungsantrag entscheidet ein Ausschuss von fünf Richtern. Wenn diese besonderen Voraussetzungen erfüllt sind, ist es unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten geboten, dass die gemäß Artikel 36 Absatz 2 EMRK beteiligte Person, die in eigenen Menschenrechten betroffen ist, auch vor der Großen Kammer gehört wird.
Daneben besteht die Möglichkeit, dass die jeweils zuständige Kammer eine anhängige Rechtssache gemäß Artikel 30 EMRK an die Große Kammer abgibt, wenn die Rechtssache eine schwerwiegende Frage bezüglich der Auslegung der Konvention oder der Protokolle aufwirft oder wenn die Entscheidung zu einer Abweichung von einem früheren Urteil des Gerichtshofs führen kann. Auch in diesen Fällen ist eine weitere Beteiligung der dritten in ihren eigenen Menschenrechten betroffenen Person unverzichtbar. Wenn sie deshalb in einem Verfahren vor der Kammer Kostenhilfe erhalten hat, muss sie diese auch für das Verfahren vor der Großen Kammer erhalten. Einer gesonderten Prüfung der Erfolgsaussichten, wie sie etwa im Zivilverfahren für jede Instanz erfolgt, bedarf es daher bei Verfahren vor der Großen Kammer nicht.
Zu § 3 (Festsetzung; Verordnungsermächtigung)
Zu Absatz 1
Absatz 1 entspricht Artikel 103 Absatz 2 der Verfahrensordnung des EGMR. Die drittbetroffene Person muss genau wie der Beschwerdeführer die Möglichkeit haben, an einer mündlichen Verhandlung oder einer Anhörung vor dem Gerichtshof teilzunehmen. Dem Beschwerdeführer und seinem Anwalt werden in der Regel die Reisekosten nach Straßburg sowie eine Hotelübernachtung erstattet (Philip Leach, Taking a Case to the European Court of Human Rights, 3. Auflage 2011, S. 47).
Zu berücksichtigen ist, dass die Kosten für die Hotelübernachtung des Beschwerdeführers im Tagegeld von maximal 175 Euro enthalten sind, das entsprechend den geltenden Tarifen gewährt wird. Die Kosten, die durch die Einführung einer entsprechenden Regelung für drittbetroffene Personen entstehen, sind deshalb gering.
Zu Absatz 2
Zu Satz 1
Das Bundesministerium der Justiz wird ermächtigt, die Höhe der Erstattungsbeträge für Honorare und Auslagen durch Rechtsverordnung in Anlehnung an die Tarife zu bestimmen, die nach der Verfahrensordnung des EGMR gelten. Auf diese Weise ist es möglich, auf eine Änderung der geltenden Tarife zu reagieren und die Höhe der Kostenhilfe anzupassen, ohne eine Gesetzesänderung vornehmen zu müssen. Ein bloßer Verweis auf die für die Verfahrensordnung des EGMR geltenden Tarife ist keine Alternative zu der Verordnungsermächtigung. Die geltenden Tarife werden zwar den Beschwerdeführern übersandt, sie sind in deutscher Sprache jedoch nicht für jedermann zugänglich veröffentlicht.
In den derzeit geltenden Tarifen sind für die einzelnen Verfahrensabschnitte die nachfolgenden Honorarsätze vorgesehen:
A | Honorare | Pauschalbetrag |
1. | Vorbereitung des Falles | |
2. | Geschriebene Stellungnahme auf Anforderung des Gerichtshofs | |
Stellungnahme zur Zulässigkeit oder Begründetheit des Falles | ||
Ergänzende Stellungnahme auf Anforderung des Gerichtshofs | ||
Vortrag zur angemessenen Entschädigung oder zur gütlichen Einigung | ||
Insgesamt | 850 Euro | |
3. | Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof oder an einer Zeugenvernehmung (einschließlich der Vorbereitung) | 300 Euro |
4. | Teilnahme an Vergleichsverhandlungen | 200 Euro |
B | Auslagen | |
Reisekosten, die durch die Teilnahme an einer mündlichen Ver handlung oder an einer Zeugenvernehmung oder an Vergleichs verhandlungen entstehen | nach Belegen | |
Tagegeld in Verbindung mit der Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung oder an einer Zeugenvernehmung oder an Ver gleichsverhandlungen | 175 Euro pro Tag |
Zu Satz 2
Die Beträge in den geltenden Tarifen dürfen im Rahmen der Kostenhilfe nicht überschritten werden. Stattdessen kann eine Reduzierung vorgenommen werden, wenn ein Fall besonders kurz ist oder es bereits eine etablierte Rechtsprechung gibt (vgl. Karen Reid, a.a. O., S. 22). Dem soll auch in der Rechtsverordnung über die Kostenhilfe für drittbetroffene Personen Rechnung getragen werden können. Eine solche Reduzierung wird allerdings nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen.
In vielen Fällen werden hingegen die tatsächlich anfallenden Anwaltskosten deutlich höher sein als die im Rahmen der Kostenhilfe zu erstattenden Honorare. Genau wie bei den Beschwerdeführern (vgl. dazu Philip Leach, a.a. O., S. 22 f.) ist die Kostenhilfe daher eher als "Beitrag" zur Kostendeckung zu sehen. Sie muss diese nicht decken.
Zu Satz 3
Nach Satz 3 ist für den Antrag auf Drittbeteiligung gemäß § 1 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe b ein Abschlag in Höhe von einem Viertel des Pauschalbetrages vorzusehen. Bleibt der Antrag ohne Erfolg, hat es damit sein Bewenden und weitere Zahlungen erfolgen nicht. Anderenfalls wird der Abschlag auf den später festzusetzenden Pauschalbetrag angerechnet.
Zu Absatz 3
Absatz 3 regelt die Festsetzung der Kostenhilfe. Diese nimmt das Bundesamt für Justiz vor, sobald die drittbetroffene Person dargelegt hat, dass ihr bestimmte Kosten für Auslagen und Honorare entstehen werden. Es ist nicht erforderlich, dass die Kosten bereits fällig sind oder schon gezahlt wurden. Dadurch wird verhindert, dass die drittbetroffene Person die Kosten zunächst aus eigenen Mitteln aufbringen muss, wozu sie nicht in der Lage ist. Sollten wider Erwarten Auslagen und Honorare, für die bereits Erstattungsbeträge festgesetzt wurden, nicht anfallen, sieht Satz 2 einen Rückzahlungsanspruch vor. Dies könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn eine geplante Stellungnahme nach einem überraschenden Vergleichsabschluss nicht mehr abgegeben wird.
Zu § 4 (Rechtsmittel)
Zu Absatz 1
Die Entscheidungen des Bundesamtes für Justiz über die Kostenhilfe sind entsprechend den Vorschriften über die Prozesskostenhilfe mit der sofortigen Beschwerde nach der ZPO anfechtbar. Dies ist sachgerecht, da es in einem wesentlichen Teil der Beschwerden um die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 114 Absatz 1 Satz 1 ZPO gehen wird. Die Beschwerden werden sich gegen die Ratenfestsetzung oder die aus dem Vermögen zu zahlenden Beträge richten oder die Ablehnung der Kostenhilfe angreifen. Die Zivilgerichte sind mit den Rechtsfragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, vertraut. Von einem Verweis auf § 127 Absatz 2 ZPO wurde abgesehen, da nach Satz 2 dieser Vorschrift die sofortige Beschwerde nicht stattfindet, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 ZPO genannten Betrag nicht übersteigt. Da es sich bei der Entscheidung des Bundesamtes für Justiz um eine Verwaltungsentscheidung handelt, wäre es nicht mit Artikel 19 Absatz 4 GG vereinbar, den Rechtsschutz gegen die Entscheidung von einem Mindeststreitwert abhängig zu machen. Genau wie bei der sofortigen Beschwerde gegen die Entscheidung über Prozesskostenhilfe beträgt die Notfrist des § 569 Absatz 1 Satz 1 ZPO einen Monat. Satz 2 bestimmt, dass bei der Abhilfeentscheidung nach § 572 Absatz 1 ZPO an Stelle des Prozessgerichts das Bundesamt für Justiz entscheidet. Ein Verweis auf § 127 Absatz 3 ZPO, der die sofortige Beschwerde der Staatskasse regelt, ist nicht erforderlich, da es sich bei der Bewilligung der Kostenhilfe um eine intern überprüfbare Verwaltungsentscheidung des Bundesamtes für Justiz handelt.
Zu Absatz 2
Da über die Bewilligung der Kostenhilfe kein Gericht, sondern das Bundesamt für Justiz entscheidet, muss das zuständige Beschwerdegericht bestimmt werden. Es ist sachgerecht, dass dies das für den Sitz des Bundesamtes für Justiz zuständige Landgericht ist. Diese Regelung nimmt § 335 Absatz 5 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) zum Vorbild. Das Beschwerdegericht entscheidet der Einzelrichter. Eine Überlastung des Beschwerdegerichts ist aufgrund der geringen Anzahl der zu erwartenden Beschwerden nicht zu befürchten. Es ist deshalb nicht erforderlich, die Landesregierungen wie in § 335 Absatz 5 Satz 2 und 3 HGB zu ermächtigen, die Entscheidung zur Vermeidung von Verfahrensrückständen oder zum Ausgleich einer übermäßigen Geschäftsbelastung einem anderen Gericht zu übertragen.
Zu § 5 (Inkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.
Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKR-Gesetz: NKR-Nr. 2023:
Gesetz zur Einführung von Kostenhilfe für Drittbetroffene in Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
Der Nationale Normenkontrollrat hat den oben genannten Gesetzentwurf geprüft.
Mit dem Gesetz wird eine Kostenhilfe für Drittbetroffene in Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingeführt.
Der Antrag auf Gewährung der Kostenhilfe führt bei Bürgerinnen und Bürgern zu einem Zeitaufwand von ca. zwei Stunden. Die entsprechende Bearbeitung in der Verwaltung dürfte höchstens fünf Stunden dauern. Da in der Regel nicht mehr als fünf Anträge im Jahr gestellt werden, ist der damit verbundene Erfüllungsaufwand gering.
Der Nationale Normenkontrollrat hat gegen das Regelungsvorhaben keine Bedenken.
Dr. Ludewig Schleyer
Vorsitzender Berichterstatter