Der Bundesrat hat in seiner 971. Sitzung am 19. Oktober 2018 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 7b Absatz 1 Satz 1 EStG)
In Artikel 1 Nummer 2 sind in § 7b Absatz 1 Satz 1 nach den Wörtern "Europäischen Union" die Wörter "oder in einem Staat" einzufügen.
Begründung:
§ 7b Absatz 1 Satz 1 EStG bedarf nach den Wörtern "die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union" einer redaktionellen Ergänzung durch die Wörter "oder in einem Staat", da der folgende Nebensatz "belegen sind, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) angewendet wird" ohne diese Ergänzung inhaltsleer ist. Alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind auch Vertragsparteien des EWR-Abkommens.
2. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 7b Absatz 4 Satz 3 EStG)
In Artikel 1 Nummer 2 sind in § 7b Absatz 4 Satz 3 die Wörter "zehnten Kalenderjahres nach dem Kalenderjahr der Anschaffung oder Herstellung" durch die Wörter "Kalenderjahres, in dem das Ereignis im Sinne des Satzes 1 eingetreten ist" zu ersetzen.
Begründung:
Die Sonderabschreibungen sind nach § 7b Absatz 4 Satz 1 EStG rückgängig zu machen, wenn im Jahr der Anschaffung oder Herstellung oder in den folgenden neun Jahren ein schädliches Ereignis im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 und 2 eintritt. Der in § 7b Absatz 4 Satz 3 EStG vorgesehenen langen Anlaufhemmung bedarf es nur für Fälle, in denen erst im letzten Jahr der Verwendungs-/Haltefrist ein solches schädliches Ereignis eintritt. Es ist zielgenauer und beeinträchtigt den Rechtsfrieden weniger, wenn sich die Anlaufhemmung der Festsetzungsverjährung am Eintritt des schädlichen Ereignisses orientiert und somit bei früherem Eintritt dieses Ereignisses auch ein früherer Beginn der Festsetzungsfrist geregelt wird. Sachlich ausreichend ist somit eine dem § 175 Absatz 1 Satz 2 AO entsprechende Anlaufhemmung; der Wegfall der Vermietung und auch die Veräußerung sind aus der Steuererklärung ersichtlich.
3. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 7b Absatz 4 EStG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die Regelungen über die Rückgängigmachung der Sonderabschreibungen nach § 7b Absatz 4 EStG dahingehend anzupassen sind, dass die Veräußerung der begünstigten Wohnung zu einer Rückgängigmachung der Sonderabschreibung führt, unabhängig davon, ob der Erwerber die Wohnung weiterhin zu fremden Wohnzwecken vermietet.
Begründung:
Nach dem Gesetzentwurf führt die Veräußerung der begünstigten Wohnung innerhalb der zehnjährigen Nutzungsfrist nicht zu einer Rückgängigmachung der Sonderabschreibungen, wenn der Begünstigte die Nutzung zu fremden Wohnzwecken durch den Erwerber nachweist. Diese Regelung führt zu einem erheblichen Überwachungsaufwand für die Finanzverwaltung. Dies insbesondere in den Fällen, in denen private Vermieter nach der Veräußerung der begünstigten Wohnung nicht mehr als Pflichtveranlagungsfälle zur Einkommensteuer veranlagt werden. Darüber hinaus führt die Regelung zu einer aufwändigen Zinsberechnung mit einer geringen finanziellen Auswirkung, wenn der Erwerber innerhalb des zehnjährigen Nutzungszeitraums die Fremdvermietung aufgibt und beispielsweise die begünstigte Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzt. In diesem Fall werden beim Veräußerer zum einen die Sonderabschreibungen rückgängig gemacht mit der Folge, dass Nachzahlungszinsen festzusetzen sind. Zum anderen verringert sich der bis dahin versteuerte Veräußerungsgewinn um die rückgängig gemachten Sonderabschreibungen. Die Änderung dieser Steuerfestsetzung führt zu Erstattungszinsen.
Die Rückgängigmachung der Sonderabschreibungen bereits bei Veräußerung der begünstigten Wohnung führt in Bezug auf die Zinsfestsetzung zu einem annähernd gleichen Ergebnis wie in dem Fall, in dem die Rückgängigmachung erst bei schädlicher Nutzung durch den Erwerber erfolgt. Es entfiele allerdings der Überwachungsaufwand der Finanzverwaltung, um sicherzustellen, dass der Erwerber die Wohnung nicht schädlich verwendet.
4. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 7b Absatz 5 EStG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob die Sonderabschreibung die Voraussetzungen einer Beihilfe im Sinne des Artikels 107 AEUV erfüllt. Dabei erscheint neben der selektiven Wirkung zumindest das Kriterium der Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten fraglich.
Der Bundesrat misst diesem Aspekt eine erhebliche Bedeutung bei, da aufgrund der Beschränkung auf den von der Deminimis-Verordnung gesteckten Rahmen Wohnungsunternehmen weitgehend von der Sonderabschreibung ausgeschlossen werden. Dies droht die Erfolgsbilanz der Förderung erheblich zu schmälern. Darüber hinaus werden den Steuerpflichtigen durch die notwendige Nachweisführung über die erhaltenen Deminimis-Beihilfen erhebliche Bürokratiekosten aufgebürdet. In der Konsequenz daraus entsteht für die Finanzverwaltungen der Länder ein im Zeitverlauf steigender Überwachungs-und Kontrollaufwand.
Eine Beihilfe im Sinne von Artikel 107 AEUV ist eine selektiv wirkende Maßnahme, die vom Staat oder aus staatlichen Mitteln gewährt wird und dem begünstigten Unternehmen einen wirtschaftlichen Vorteil verschafft, sofern sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt. Sie muss insbesondere auch den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen.
Nachdem die Sonderabschreibung grundsätzlich allen Steuerpflichtigen zugänglich ist, erscheint das Kriterium der Selektivität zumindest fraglich. Zwar begünstigt die Sonderabschreibung neben privaten Investoren in erster Linie Wohnungsunternehmen und andere institutionelle Anleger, wie zum Beispiel Versicherungsunternehmen, die auf dem Immobilienmarkt aktiv sind. Ob dies für die Annahme einer faktischen Selektivität ausreicht, wurde von der Bundesregierung in der Begründung ihres Entwurfs nicht dargelegt, zumal sich die unterschiedlich behandelten Unternehmensgruppen in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden müssen.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, inwieweit die Sonderabschreibung den grenzüberschreitenden Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt. Sie wird unabhängig davon gewährt, ob der Begünstigte ein inländisches oder ausländisches Unternehmen ist. Solange die Gefahr von Wettbewerbsverfälschungen nicht im Raum steht, ist letztlich auch kein Grund für beihilferechtliche Beschränkungen ersichtlich.
Der beihilferechtliche Aspekt hat erhebliche Auswirkungen auf die Effektivität der Sonderabschreibung, da Artikel 3 Absatz 2 der Deminimis-Verordnung den Gesamtbetrag der einem Unternehmen von einem Mitgliedstaat gewährten (Deminimis-) Beihilfen auf höchstens 200.000 Euro in einem Zeitraum von drei Steuerjahren einschränkt. Der hierbei seitens der geförderten Unternehmen durch die Sonderabschreibung erzielte Vorteil - und damit auch die Zahl der mit der Förderung errichteten Mietwohnungen - ist daher eher als gering einzuschätzen.
Demgegenüber sind jedoch nach Artikel 5 und 6 der Deminimis-Verordnung hohe Anforderungen an die Kumulierung der Sonderabschreibung mit anderen staatlichen Beihilfen, namentlich im Bereich der Wohnraumförderung, wie auch erhebliche Nachweis- und Prüfpflichten im Verwaltungsverfahren zu beachten.
Wie die Bundesregierung der EU-Kommission gemäß Artikel 9 des Beschlusses 2012/21/EU zuletzt am 15.06.2018 mitgeteilt hat, wird die Wohnraumförderung in Deutschland unter Anwendung des Beschlusses 2012/21/EU durchgeführt; dementsprechend werden die Ausgleichszahlungen an die Fördernehmer objektbezogen so bemessen, dass diese angesichts der von diesen zu erbringenden Gemeinwohlverpflichtungen nicht zu einer Überkompensation führen. Soweit die Adressaten der steuerlichen Förderung auch Wohnraumfördermittel erhalten, wären die Deminimis-Verordnung und der Beschluss 2012/21/EU (sogenannter DAWI-Freistellungsbeschluss) nebeneinander anzuwenden, so dass in die Überkompensationsprüfung nach dem Beschluss 2012/21/EU im Einzelfall die konkreten steuerlichen Vorteile der Sonderabschreibung einzubeziehen wären.
Es wären demnach zwei gesonderte Prüfverfahren nach unterschiedlichen rechtlichen Vorgaben durchzuführen; die Voraussetzungen der jeweiligen EU-Rechtsakte müssten jeweils gesondert nachgewiesen werden. Ebenso entstünden der Verwaltung nach Gewährung der Beihilfe jeweils zusätzliche Berichts- und Kontrollpflichten gegenüber der Europäischen Kommission, die noch weiteren Mehraufwand für den Beihilfeempfänger wie auch die Verwaltung erzeugen.
Zum Gesetzentwurf insgesamt
5. Der Bundesrat bittet im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, wie durch Einführung einer praxistauglichen Regelung für den Zeitraum von zehn Jahren nach Anschaffung oder Herstellung der geförderten Objekte die Miethöhe auf ein bezahlbares Niveau begrenzt werden kann.
Begründung:
Der Gesetzentwurf will gemäß seiner Begründung steuerliche Anreize für den Mietwohnungsneubau im bezahlbaren Mietsegment in die Tat umsetzen. Die Steuervergünstigung hindert die Begünstigten jedoch nicht daran, für Mietwohnraum, der in Gebieten mit hoher Marktanspannung neu geschaffen wird, die höchstmögliche am Markt erzielbare Miete zu verlangen. Da die Mietpreisbremse für neu geschaffenen Wohnraum nicht gilt, sind nach oben keine Grenzen gesetzt. Durch die Begrenzung der abschreibungsfähigen Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf 3 000 Euro/m2 Wohnfläche soll zwar Luxusneubau verhindert werden. Hierbei bleibt jedoch unberücksichtigt, dass in Gebieten mit hohem Nachfrageüberhang selbst für neu gebauten Wohnraum mit einfacher oder durchschnittlicher Ausstattung und Lage mittlerweile Mietpreise aufgerufen werden, die sich Menschen mit geringem oder mittlerem Einkommen als Zielgruppe dieses Gesetzentwurfs nicht mehr leisten können.