Staatsministerium Baden-Württemberg Stuttgart, den 27. Juni 2013
Staatssekretär und Chef der Staatskanzlei
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Winfried Kretschmann
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Regierung des Landes Baden-Württemberg hat beschlossen, dem Bundesrat die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates zum Beschäftigtendatenschutz zuzuleiten.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der Sitzung des Bundesrates am 5. Juli 2013 aufzunehmen und eine sofortige Sachentscheidung herbeizuführen.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus-Peter Murawski
Entschließung des Bundesrates zum Beschäftigtendatenschutz
Der Bundesrat möge beschließen:
- 1. Der Bundesrat bedauert, dass es der Bundesregierung trotz unbestrittener Notwendigkeit und Dringlichkeit bis dato nicht gelungen ist, eine umfassende gesetzliche Regelung zum Beschäftigtendatenschutz zu schaffen, die einen effektiven Schutz der Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten gewährleistet.
- 2. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, in dem Verfahren auf Erlass einer Datenschutz-Grundverordnung der EU - unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips - auf die Grundlagen für einen effektiven Beschäftigtendatenschutz durch den nationalen Gesetzgeber hinzuwirken. Dabei sollten die Voraussetzungen für ein künftiges Bundesgesetz geschaffen werden, das den folgenden Kriterien gerecht wird:
- - Daten dürfen sowohl im Einstellungsverfahren als auch im laufenden Beschäftigungsverhältnis grundsätzlich nur bei der oder dem Betroffenen selbst erhoben werden. - Fragen nach einer Schwangerschaft oder einer Behinderung können im Bewerbungsgespräch lediglich in eng begrenzten Ausnahmefällen gestattet sein.
- - Ärztliche Untersuchungen dürfen im laufenden Beschäftigungsverhältnis grundsätzlich nur aus Gründen des Arbeitsschutzes, allenfalls in Ausnahmefällen auch darüber hinaus gefordert werden.
- - Ein automatisierter Datenabgleich darf lediglich zur Aufklärung ausgewählter Straftaten und nur bei Vorliegen eines vorab zu dokumentierenden konkreten Verdachts erfolgen. - Eine Videoüberwachung zum Schutz des Eigentums darf nur erfolgen, sofern ein besonderes Sicherheitsinteresse aufgrund der Besonderheiten der jeweiligen Arbeitsstätte besteht. Eine Videoüberwachung zur Qualitätskontrolle darf nicht pauschal erlaubt werden.
- - Das Mithören von Telefonaten in Callcentern ist so zu reglementieren, dass eine Dauerüberwachung ausgeschlossen ist.
Begründung:
Eine klare gesetzliche Regelung zum Schutz der personenbezogenen Daten von Beschäftigten vor und nach der Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses wurde über Parteigrenzen hinweg immer wieder gefordert und ist vor dem Hintergrund der neuen technischen Möglichkeiten und der damit verbundenen Kontrollmöglichkeiten dringlicher denn je.
Die Bundesregierung hat dies bislang versäumt. Nachdem bereits der im Jahre 2010 vorgelegte Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes (Bundestagsdrucksache 17/4230) die Forderung nach einem gesetzlich verankerten und ausgewogenen Beschäftigtendatenschutz nur unzureichend aufgriff und daher von vielen Seiten in zahlreichen Punkten kritisiert wurde, setzten die Regierungsfraktionen des Deutschen Bundestages jüngst mit ihrem Änderungsantrag vom 10.01.2013 ein weiteres Signal in die falsche Richtung. In ihrer Entschließung vom 25.01.2013 kritisierte auch die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder das mangelnde Datenschutzniveau der vorgesehenen gesetzlichen Regelung.
"Gläserne Beschäftigte" in Wirtschaft und Verwaltung müssen verhindert werden. Es geht darum, den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Überwachung, Ausforschung und vor widerrechtlicher Verwendung ihrer personenbezogenen Daten am Arbeitsplatz besser als bisher zu gewährleisten. Dies wird mit dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf sowie durch den hierauf bezogenen Änderungsantrag der Regierungsfraktionen nicht erreicht. Er ist in weiten Teilen gegenüber dem Status quo eine Verschlechterung. So wird bei der Videoüberwachung auf die von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entwickelten
Voraussetzungen einer lediglich vorübergehenden und anlassbezogenen Überwachung verzichtet. Das Fragerecht des Arbeitgebers vor Beginn des Beschäftigungsverhältnisses wird ausgeweitet statt eingedämmt. Mitarbeiter von Callcentern müssen befürchten, einer legalen Dauerüberwachung ausgesetzt zu werden. Bisher verbotene Praktiken des Datenabgleichs und die heimliche Datenerhebung zu repressiven und präventiven Zwecken werden zum Nachteil der Beschäftigten in weiten Teilen legalisiert.
Dass die Koalition die geplanten Regelungen zum Beschäftigtendatenschutz als Reaktion auf die vielfach geäußerten Beanstandungen bis auf weiteres ganz aufgegeben hat, deutet zwar darauf hin, dass sie sich der Kritik nicht gänzlich verschließt, ist aber ein für die Sache unbefriedigendes und zu bedauerndes Ergebnis.
Angesichts der Versäumnisse der Bundesregierung ist es nun dringend geboten, im europäischen Rechtsetzungsverfahren, das auf den Erlass einer EU-weit unmittelbar geltenden Datenschutz-Grundverordnung gerichtet ist, darauf hinzuwirken, dass der Beschäftigtendatenschutz weiterhin so weit als möglich auf nationaler Ebene geregelt werden kann. Nach dem derzeit vorliegenden Entwurf der EU-Kommission ist davon auszugehen, dass die EU-Verordnung auch für den Beschäftigtendatenschutz allgemein geltende Grundsätze aufstellen wird. Hier gilt es zu verhindern, dass Spielräume für den nationalen Gesetzgeber, den Beschäftigtendatenschutz im oben genannten Sinne zu regeln, verloren gehen.