Europäische Kommission Brüssel, den 18. April 2007
Vizepräsidentin
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Harald Ringstorff
Sehr geehrter Herr Präsident,
vielen Dank für Ihren Brief vom 15. Dezember 2006 mit dem Beschluss des Bundesrates über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 97/67/EG über die Vollendung des Binnenmarktes für Postdienste {KOM (2006) 594 endg.; Ratsdok- 14357/06}. *
In Übereinstimmung mit der Entscheidung der Kommission, welche die nationalen Parlamente auffordert, zu ihren Vorschlägen zu reagieren, um die Politikformulierung und Rechtsetzung auf europäischer Ebene zu verbessern, begrüßen wir diese Gelegenheit, auf Ihre Anmerkungen einzugehen. Ich füge die Stellungnahme der Kommission bei. Ich hoffe, dass diese Antwort ein wertvoller Beitrag zu Ihren eigenen Ratsverhandlungen ist. Ich hoffe, dass wir unseren Politikdialog zukünftig weiter entwickeln.
Mit freundlichen Grüßen
Margot Wallström
Europäische Kommission Brüssel, März 2007
Bemerkungen der Europäischen Kommission zu einer Stellungnahme des Deutschen Bundesrates
Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 097/671EG über die Vollendung des Binnenmarktes für Postdienste nebst Begleitdokumenten2
Die Europäische Kommission dankt dem deutschen Bundesrat für seine Anmerkungen, die sie mit größter Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen hat.
Die Kommission begrüßt, dass der Bundesrat den Vorschlag zur Verbesserung des Verbraucherschutzes und zur Abschaffung der Exklusivrechte unter Beibehaltung des Universaldienstes unterstützt, und begrüßt auch seine Auffassungen zum transparenten und diskriminierungsfreien Zugang zur postalischen Infrastruktur und zu postalischen Diensten. Die Unterstützung des Bundesrates für die Möglichkeit kostenloser Postdienstleistungen für Blinde und Sehbehinderte ist ebenfalls zu begrüßen.
Die Kommission nimmt die Auffassung des Bundesrates zur Kenntnis, dass Artikel 19 Absatz 3 des Vorschlags für ene Dritte Postrichtlnie, wonach "die Mitgliedstaaten ... außerdem die Entwicklung unabhängiger außergerichtlicher Mechanismen zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Unternehmen, die Postdienste anbieten, und Verbrauchern fördern)" nicht als finanzielle Unterstützung definiert oder n diesem Sinne missverstanden werden darf. Die im Vorschlag gewählte Formulierung ("fördern außerdem die Entwicklung") lässt offen, wie die Mitgliedstaaten alternative Streitbeilegungsverfahren unterstützen sollen, und überlässt den Mitgliedstaaten die Entscheidung, welche Instrumente sie hierzu einsetzen wollen. Eine Berichtigung der deutschen Sprachfassung des Vorschlags könnte ins Auge gefasst werden, falls sich dies als notwendig erweisen sollte.
Die Kommission nimmt auch die Zweifel des Bundesrates hinsichtlich der Rechtsgrundlage und der Verhältnismäßigkeit der vorgeschlagenen Änderung von Artikel 22 Absatz 3 zur Kenntnis, in dem es heißt: "Bis zum Abschluss eines Beschwerdeverfahrens bleibt der Beschluss der nationalen Regulierungsbehörde in Kraft, sofern die Beschwerdeinstanz nicht anders entscheidet."
Begründet wird die fragliche Bestimmung in Erwägungsgrund 31 des Kommissionsvorschlags ("Bis zum Abschluss dieser [Beschwerde-]Verfahren ist für die einstweilige Geltung der Beschlüsse der nationalen Regulierungsbehörden zu sorgen, um Rechts- und Marktsicherheit zu gewährleisten") sowie in Abschnitt 3.3.6 der Vorschlagsbegründung, der auf die positiven Erfahrungen aus ähnlichen regulierten Bereichen und die Ergebnisse von Diskussionen im Europäischen Ausschuss für Regulierungsfragen im Postsektor (CERP) verweist.
Die Kommission möchte insbesondere darauf hinweisen, dass Formulierung, Rechtsgrundlage und Begründung des vorgeschlagenen neuen Absatzes 3 des Artikels 22 exakt der Richtlinie für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste entsprechen (Artikel 4 der Richtlinie 2001/21/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen3). Außerdem hat ein Projektteam des CERP in seinem Bericht vom Mai 2006 Folgendes festgestellt:
- "Soll die nationale Regulierungsbehörde die Ziele der Regulierungsvorschrift (der Postrichtlinie) wirksam umsetzen, so braucht sie wirksame Durchsetzungsinstrumente. Dies ist vor allem dann wichtig, wenn sich der Markt zu öffnen beginnt und die nationale Regulierungsbehörde in der Lage sein muss, auf Maßnahmen des Universaldienstanbieters oder anderer Akteure zu reagieren. (..).
Werden die Beschlüsse der nationalen Regulierungsbehörde systematisch angefochten oder wird die Möglichkeit des Rechtsbehelfs gegen Beschlüsse, der nationalen Regulierungsbehörde zu häufig in Anspruch genommen oder ausgenutzt so beeinträchtigt dies ebenfalls alle die Fähigkeit einer nationalen Regulierungsbehörde in ihrem Zuständigkeitsbereich umgehend mit Maßnahmen zu reagieren."
Zu bedenken ist, dass die Rechtsstreitigkeiten, mit denen die Regulierungsbehörden befasst werden dürften, zum Teil auf Märkten entstehen werden, die gerade erst dem Wettbewerb geöffnet wurden und auf denen Unternehmen mit begrenzten Mitteln und Möglichkeiten früheren Monopolisten gegenüberstehen. Die Wirksamkeit der Maßnahmen, die die nationalen Regulierungsbehörden im Interesse der Allgemeinheit ergreifen, könnte untergraben werden, wenn deren Beschlüsse systematisch angefochten würden, namentlich n Fällen, in denen der Wettbewerb nicht wiedergutzumachenden Schaden nehmen könnte.
Da zentrale Marktsegmente dem Wettbewerb geöffnet werden und die Verwaltungsbeschlüsse der nationalen Regulierungsbehörde zu einem erheblichen Teil, direkt oder indirekt mit der Niederlassungsfreiheit und der Freiheit der Dienstleistungserbringung durch Postdienstanbieter aus anderen Mitgliedstaaten bzw. mit der Verwirklichung lauteren Wettbewerbs auf den nationalen Märkten zusammenhängen, vertritt die Kommission die Auffassung, dass die fragliche Bestimmung wie schon im Bereich der elektronischen Kommunikation eine wesentliche Binnenmarktkomponente aufweist, die eine Zuständigkeit der Gemeinschaft beinhaltet und die Bestimmung im Lichte des Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzips rechtfertigt.
- * siehe Drucksache 753/06(B)
- 2 Bericht an den Rat und das Europäische Parlament "Prospektivstudie der Kommission über die Auswirkungen der Vollendung des Postbinnenmarktes im Jahr 2009 auf den Universaldienst" (KOM (2006) 596 endgültig) und Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen "Zusammenfassung der Folgenabschätzung" (SEK(2006) 1292 endgültig).
- 3 Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie), ABI. L 108 vom 24.4.2002.