Regelwerk |
EAStVollzG - Gesetz über elektronische Aufsicht im Vollzug der Freiheitsstrafe
- Baden-Württemberg -
Vom 30. Juli 2009
(GBl. Nr. 14 vom 07.08.2009 S. 360; 10.11.2009 S. 545 09 Inkrafttretenaufgehoben)
Der Landtag hat am 29. Juli 2009 das folgende Gesetz beschlossen:
Teil 1
Anwendungsbereich
(1) Dieses Gesetz regelt die elektronische Aufsicht im Vollzug der Freiheitsstrafe in Baden-Württemberg.
(2) Die § § 1 bis 93 des Dritten Buches Justizvollzugsgesetzbuch sind entsprechend anwendbar, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt.
Teil 2
Vollzugsgestaltung
Abschnitt 1
Hausarrest mit elektronischer Aufsicht
§ 2 Hausarrest
(1) Hausarrest im Sinne dieses Gesetzes ist die Anweisung an den Gefangenen, sich während des laufenden Strafvollzuges in einer bestimmten Wohnung aufzuhalten und sie zu bestimmten Zeiten nicht zu verlassen.
(2) Hausarrest mit elektronischer Aufsicht kann eingesetzt werden
(3) Zur Vorbereitung der Entlassung kann dem Gefangenen eine bis zu sechs Monate lange Entlassungsfreistellung gewährt werden. Soll sie länger als vier Wochen ununterbrochen andauern, ist die Zustimmung der Vollstreckungsbehörde erforderlich.
§ 3 Elektronische Aufsicht
(1) Die elektronische Aufsicht richtet sich nach der individuellen Flucht- und Rückfallgefahr des Gefangenen und nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
(2) Die elektronische Aufsicht erfolgt durch
(3) Die elektronische Aufsicht kann bis zu einem Drittel der Dauer des Hausarrestes durch Meldeauflagen oder das Platzgebot sichernde Weisungen ersetzt werden, wenn der Gefangene an der Erreichung des Vollzugszieles mitwirkt und nicht zu erwarten ist, dass er sich dem Vollzug entzieht oder den Hausarrest zu Straftaten missbraucht.
§ 4 Voraussetzungen, Widerruf
(1) Hausarrest mit elektronischer Aufsicht setzt voraus, dass
(2) Entfällt eine der Vorraussetzungen nach Absatz 1, so widerruft der Anstaltsleiter die Zulassung zum elektronisch beaufsichtigten Hausarrest.
§ 5 Bewilligungsverfahren
(1) Das Gesuch, die Strafe ganz oder teilweise im Hausarrest mit elektronischer Aufsicht zu verbüßen, ist nach der Ladung zum Strafantritt spätestens 14 Tage vor dem Strafantritt oder vor dem Übertritt in die elektronische Aufsicht schriftlich bei der Justizvollzugsanstalt einzureichen. Diese prüft die formellen Voraussetzungen und überweist das Gesuch zur Stellungnahme an die für die elektronische Aufsicht zuständige Stelle.
(2) Die für die elektronische Aufsicht zuständige Stelle legt in Zusammenarbeit mit dem Gefangenen das Vollzugsprogramm fest.
(3) Der Leiter der zuständigen Justizvollzugsanstalt kann den Hausarrest mit elektronischer Aufsicht bewilligen, wenn die Voraussetzungen vorliegen.
(4) Das Vollzugsprogramm kann neben Arbeit, Ausbildung, Freizeit und Sport die Teilnahme an Einzel- oder Gruppentherapien sowie besonderen Erziehungs- oder Schulungsprogrammen vorsehen. Insbesondere kann es Weisungen enthalten über Aufenthalt, ärztliche Betreuung, Verzicht auf alkoholische Getränke oder andere Drogen, Schadenswiedergutmachung und Einkommensverwaltung. Es kann festlegen, welche Bedingungen vor der Aufnahme in die elektronische Aufsicht zu erfüllen sind.
§ 6 Vollzugsprogramm
(1) Während der elektronischen Aufsicht wird der Gefangene in allen Vollzugsfragen durch einen Mitarbeiter der für die elektronische Aufsicht zuständigen Stelle betreut, soweit dies zur Erreichung des Vollzugsziels notwendig ist. An der psychosozialen Beratung und Betreuung können Dritte beteiligt werden. Die Aufgabe kann ganz oder teilweise auf Dritte übertragen werden.
(2) Während der gesamten Dauer der elektronischen Aufsicht ist den Anweisungen der Mitarbeiter der für die elektronische Aufsicht zuständigen Stelle Folge zu leisten.
(3) Kann der Gefangene das zugewiesene Programm nicht einhalten oder verändern sich die festgelegten Programmvorgaben, insbesondere betreffend Arbeitsort und -zeit, so hat er dies unverzüglich dem Mitarbeiter der für die elektronische Aufsicht zuständigen Stelle mitzuteilen.
(4) Die für die elektronische Aufsicht zuständige Stelle teilt Änderungen im Vollzugsprogramm dem Anstaltsleiter mit, damit die Bewilligung des elektronisch beaufsichtigten Hausarrestes geprüft werden kann.
§ 7 Arbeit und Freizeit
(1) Der Gefangene muss während der elektronischen Aufsicht einer Beschäftigung (Arbeit, Ausbildung, Kinderbetreuung) im Umfang von mindestens 20 Stunden pro Woche nachgehen.
(2) Es besteht kein Anspruch auf Freizeit außerhalb der Wohnung. Die Gewährung von Freizeit außerhalb der Wohnung bemisst sich nach der in der elektronischen Aufsicht durchlaufenen Zeit
(3) Geht der Gefangene an Samstagen oder Sonntagen einer Arbeit nach, kann die Freizeit außerhalb der Wohnung auf andere Wochentage gelegt werden.
§ 8 Verwarnung, Rückversetzung und Abbruch
(1) Bei Verstößen gegen die Bedingungen der elektronischen Aufsicht oder die Anordnungen der für die elektronische Aufsicht zuständigen Stelle bricht der Anstaltsleiter die elektronische Aufsicht ab und veranlasst die Überführung des Gefangenen in die Justizvollzugsanstalt durch Justizvollzugsbedienstete.
(2) Der Anstaltsleiter sieht vom Abbruch ab, wenn es ausreicht, den Gefangenen zu verwarnen, die Freizeit außerhalb der Wohnung zu kürzen oder zu streichen, eine Stufe nach § 7 Abs. 2 zu verlängern oder ihn in eine frühere Stufe zurückzuversetzen.
(3) Verzichtet der Gefangene auf die Weiterführung der elektronischen Aufsicht, überführt die für die elektronische Aufsicht zuständige Stelle den Gefangenen in die Justizvollzugsanstalt. Der Anstaltsleiter entscheidet über den weiteren Vollzug.
Abschnitt 2
Elektronische Aufsicht ohne Hausarrest
§ 9 Elektronische Überwachung hei vollzugsöffnenden Maßnahmen
(1) Zur Überwachung von vollzugsöffnenden Maßnahmen, insbesondere Freigang bis zu sechs Monaten, kann die elektronische Aufsicht angeordnet werden.
(2) Es gelten die § § 2 Abs. 3, 3 Abs. 1 und 2, 4 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 2, § § 5, 6, 8 Abs.1, 14.
Teil 3
Begleitende Regelungen
§ 10 Anwendung des Justizvollzugsgesetzbuches 09
Die § § 27 bis 55 des Ersten Buches Justizvollzugsgesetzbuch gelten für die elektronische Aufsicht im Vollzug der Freiheitsstrafe entsprechend, soweit in diesem Abschnitt nicht etwas anderes bestimmt ist.
§ 11 Erhebung von Daten
Zur elektronischen Aufsicht im Vollzug der Freiheitsstrafe kann die Justizvollzugsbehörde oder die für die elektronische Aufsicht zuständige Stelle Daten über den Aufenthaltsort des Gefangenen und den Zeitpunkt der Datenerhebung mittels der nach § 3 zulässigen Technik durch Empfangsgeräte automatisiert erheben. Mit Einwilligung des Gefangenen kann ein Sender zur automatisierten Identifikation und Lokalisierung mit dem Körper verbunden werden, sodass eine ordnungsgemäße Trennung nur durch die Justizvollzugsbehörde erfolgen kann. Mit Einwilligung des Gefangenen können vorhandene technische Geräte in der Wohnung zur elektronischen Aufsicht im Vollzug der Freiheitsstrafe benutzt werden.
§ 12 Übermittlung, Nutzung, Veränderung und Speicherung von Daten
(1) Die Justizvollzugsbehörde oder die für die elektronische Aufsicht zuständige Stelle kann die nach § 11 erhobenen Daten übermitteln, nutzen, verändern und speichern, soweit dies für die elektronische Aufsicht im Vollzug der Freiheitsstrafe erforderlich ist. Die Daten können elektronisch in Dateien gespeichert sowie zu den Gefangenenpersonalakten genommen werden.
(2) Die Übermittlung, Nutzung, Veränderung und Speicherung der nach § 11 erhobenen Daten durch die Justizvollzugsbehörde ist ferner zulässig, soweit sie der Wahrnehmung von Aufsichts- und Kontrollbefugnissen oder gerichtlichen Verfahren im Zusammenhang mit dem Vollzug der Freiheitsstrafe dient.
(3) Die Justizvollzugsbehörde darf die nach § 11 erhobenen Daten auch übermitteln, nutzen, verändern und speichern, soweit dies
erforderlich ist.
(4) Die Justizvollzugsbehörde darf den für die Eingabe von Daten in das polizeiliche Informations- und Auskunftssystem zuständigen Polizeidienststellen den Beginn und das Ende der elektronischen Aufsicht im Vollzug der Freiheitsstrafe anlassunabhängig übermitteln.
§ 13 Löschung von Daten
Die nach § 11 erhobenen Daten sind spätestens eine Woche nach ihrer Erhebung zu löschen, soweit nicht ihre Speicherung oder Aufbewahrung im Einzelfall zur Aufklärung oder Verfolgung von dokumentierten Vorkommnissen erforderlich ist. Sie sind unverzüglich zu löschen, wenn überwiegende schutzwürdige Interessen des Gefangenen einer weiteren Speicherung entgegenstehen.
§ 14 Wissenschaftliche Begleitung
Die Anwendung dieses Gesetzes sowie die Wirkungen der elektronischen Aufsicht auf die Gefangenen und die Allgemeinheit sollen wissenschaftlich untersucht werden. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung sollen bei der Fortentwicklung der elektronischen Aufsicht im Vollzug der Freiheitsstrafe berücksichtigt werden.
Teil 4
Schlussvorschriften
§ 15 Einschränkung von Grundrechten
Durch dieses Gesetz werden die Grundrechte aus Artikel 2 Abs. 1 (freie Entfaltung der Persönlichkeit), Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 (körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person) und Artikel 10 (Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis) des Grundgesetzes eingeschränkt.
§ 16 Inkrafttreten, Außerkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag seiner Verkündung in Kraft und mit Ablauf von vier Jahren nach seiner Verkündung außer Kraft.
Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt und ist zu verkünden.
ENDE |
(Stand: 28.08.2023)
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