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Wissenschaftliche Begründung für eine neu in die Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung aufzunehmende Berufskrankheit
"Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden und des lymphatischen Systems durch Benzol"
Vom 1. September 2007
(GMBl. Nr. 49-51 vom 12.11.2007 S. 974)
Siehe Fn. *
Zur Übersicht in Anlage 1 der BKV siehe = >
Zum Merkblatt 1303 siehe = >
Angesichts der Heterogenität der bisher unter der Nummer 1303 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung "Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder Styrol" zusammengefassten Krankheitsbilder und der sie verursachenden Chemikalien ist es erforderlich, die durch Benzol verursachten Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden und des lymphatischen Systems aus dieser Nummer auszugliedern und als eigene Berufskrankheit zu umreißen.
Die Berufskrankheit umfasst sowohl toxische Schädigungen (aplastische Anämie, Leukopenien, Thrombozytopenien und ihre Kombinationen) als auch maligne Erkrankungen (Leukämien, Non-Hodgkin-Lymphome, myelodysplastische Syndrome und myeloproliferative Erkrankungen).
Der Morbus Hodgkin ist nicht Gegenstand dieser wissenschaftlichen Begründung.
In der Begutachtungspraxis und bei den Rechtsanwendern herrschte und herrscht Konsens, dass "infolge seines pathophysiologischen Schädigungsmusters mit einer Alteration des hämatopoetischen Stammzellpooles Benzol alle malignen hämolymphatischen Systemerkrankungen, deren Zeltreihen sich von der omnipotenten Stammzelle ableiten, verursachen kann: Expositionsbedingungen mit langjähriger, chronischer beruflicher Benzolbelastung müssen vorliegen" (Schönberger et al. 1998, 2003). In 2001 erschienen in der deutschsprachigen arbeitsmedizinischen Literatur Artikel (Hoffmann et al. 2001, Tannapfel et al. 2001), die demgegenüber in Frage stellten, ob Benzol in reifen Lymphozyten eine ausreichende kanzerogene Wirkung entfalten kann, um periphere Non-Hodgkin-Lymphome zu verursachen; diesen folgte eine Entgegnung durch Woitowitz et al. (2003). Der Ärztliche Sachverständigenbeirat, Sektion Berufskrankheiten, hat diese Wissenschaftliche Begründung zum Anlass einer Überprüfung und Klarstellung genommen. Die Non-Hodgkin-Lymphome wurden daher im vorliegenden Text mit besonderer Ausführlichkeit behandelt.
Die Empfehlung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats wird wie folgt begründet:
1. Aktueller Erkenntnisstand
1.1 Chemischphysikalische Charakteristik der ursächlich schädigenden Einwirkung
Strukturformel von Benzol
Benzol ist der einfachste aromatische Kohlenwasserstoff. Es ist in praktisch allen fossilen Brennstoffen enthalten und fällt u. a. bei der Destillation von Kohle und Erdöl sowie bei der Pyrolyse von organischem Material an.
1.2 Vorkommen und Gefahrenquellen
Benzol wurde in großem Umfang als Löse- und Reinigungsmittel in u. a. Druckereien, Waffenfabriken, metallverarbeitenden und anderen Betrieben sowie als Verdünner von flüssigen Klebern - insbesondere für die Herstellung von Schuhen - verwendet. Wegen seiner krebserregenden Wirkungen ist der Gebrauch inzwischen stark eingeschränkt. Allerdings gehen noch viele organische Synthesen von Benzol aus. Als erdölbedingter Begleitstoff ist Benzol praktisch immer in Autokraftstoffen als Antiklopfmittel enthalten. Wegen seiner geringeren Flüchtigkeit reichert es sich in "Reinigungsbenzin" an (Henschler 1992). Mit Benzolexposition ist daher u. a. in der erdölverarbeitenden Industrie, bei der Herstellung und dem Vertrieb von Kraftstoffen sowie beim Betrieb, der Wartung und der Reparatur von Verbrennungsmotoren zu rechnen.
Benzol als Handelsprodukt ist fast immer ein Gemisch. Häufig enthalten die im technischen Bereich verwendeten Homologe des Benzols zudem reines Benzol. Obwohl heute am Arbeitsplatz nur noch Zubereitungen verwendet werden dürfen, die weniger als 0,1 % Massengehalt Benzol enthalten und auch der Benzolgehalt in Kraftstoffen auf unter 1 % beschränkt ist, muss man im Hinblick auf Berufskrankheiten-Fragestellungen bedenken, dass in früheren Jahrzehnten der Benzolgehalt von technischen Benzingemischen auch ohne entsprechende Kennzeichnung bis zu 30 % oder höher betragen konnte.
Im Rahmen von retrospektiven Expositionsabschätzungen ist daher der Benzolgehalt der verwendeten Benzin- und Lösemittelgemische von großer Bedeutung.
Einen Überblick zu den wichtigsten benzolhaltigen Produkten, Beschichtungsstoffen, Oberflächenbehandlungsmitteln und zur Verwendung von Benzol in zahlreichen Industrie- und Gewerbebereichen bieten die "Anwendungshinweise zur retrospektiven Beurteilung der Benzolexposition" in der jeweils aktuellen Fassung des BGIA-Ringbuchs unter der Nr. 9105 (BGIa 2006), wobei in der derzeitigen Fassung für die retrospektive Schätzung bei besonders intensivem Hautkontakt mit Benzol kein ausreichender Hinweis gegeben werden kann.
1.3 Kenntnisse zur Wirkung am Menschen
(Stand: 24.11.2023)
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