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Regelwerk Arbeitsschutz; Arbeits- und Sozialrecht

Merkblatt zur Berufskrankheit Nr. 2109
Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule durch langjähriges Tragenschwerer Lasten auf der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlichwaren oder sein können"

Stand März 1993
(BArbBl. 3/93 S. 53)



Zur Übersicht in der Anlage 1 der BKV
Wissenschaftliche Stellungnahme (12/2016)

I. Gefahrenquellen

Unter den beruflichen Faktoren, die bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule (HWS) verursachen oder verschlimmern können, steht fortgesetztes Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, einhergehend mit einer statischen Belastung der zervikalen Bewegungssegmente und außergewöhnlicher Zwangshaltung der HWS im Vordergrund. Eine derartige kombinierte Belastung der HWS wird z.B. bei Fleischträgern beobachtet, die Tierhälften oder -viertel auf dem Kopf bzw. dem Schultergürtel tragen. Die nach vorn und seitwärts erzwungene Kopfbeugehaltung und das gleichzeitige maximale Anspannen der Nackenmuskulatur führen zu einer Hyperlordosierung und auch zu einer Verdrehung der HWS.

Tätigkeiten mit vergleichbarem Belastungsprofil sind ebenfalls in Betracht zu ziehen.

II. Pathophysiologie

Wie im Bereich der Lendenwirbelsäule sind die blutgefäßlosen Bandscheiben der HWS hinsichtlich ihrer Ernährung besonders von den Diffusionswegen abhängig. Symmetrische und asymmetrische Kompressionsbelastung verbunden mit Haltungskonstanz reduziert die druckabhängigen Flüssigkeitsverschiebungen und beeinträchtigt damit den Stoffwechsel im Bandscheibengewebe.

Durch Laktatakkumulation und pH-Verschiebung zu sauren Werten wird ein Milieu mit Aktivierung der enzymatischen Zytolyse erzeugt. Damit werden die degenerativen Veränderungen eingeleitet oder beschleunigt. In diesem Milieu werden die restitutiven Prozesse gehemmt.

Die Bewegungssegmente der HWS weisen gegenüber den anderen Wirbelsäulenabschnitten anatomische und biomechanische Besonderheiten auf, die sie für belastungsbedingten vorzeitigen Verschleiß besonders anfällig machen. Von degenerativen Bandscheibenveränderungen ausgehende knöcherne Ausziehungen im Bereich der Processus uncinati liegen in unmittelbarer Nachbarschaft zum Spinalnerv und zur Arteria vertebralis. Die als physiologisch zu bezeichnenden gelenkähnlichen Horizontalspalten verbessern einerseits die zervikale Beweglichkeit, andererseits stellen sie mit ihrer Tendenz, sich nach medial und lateral zu erweitern, unter biomechanischen Aspekten ein Gefährdungspotential dar. Damit kann eine Lockerung und Instabilität im Bewegungssegment eintreten. Laterale Erweiterungen der Horizontalspalten zerstören die Integrität des osmotischen Systems der Bandscheibe; es kommt zu einem Absinken des intradiskalen onkotischen Druckes, zum Flüssigkeitsverlust und damit zur Höhenabnahme der Bandscheibe.

Hervorzuheben ist ferner die enge topographische Beziehung der Bandscheibe und der anderen Anteile des Bewegungssegmentes zur Arteria vertebralis und zum Halsstrang des Sympathikus.

Mit der Bandscheibendegeneration vergrößert sich der knöcherne Kontakt an den Processus uncinati sowie an den Wirbelgelenken. Es kommt zu osteophytären Reaktionen im Bereich der Processus uncinati, die zusammen mit dem verminderten Zwischenwirbelabschnitt die Foramina intervertebralia einengen. Osteophytäre Reaktionen an den Wirbelgelenkfacetten, die vorzugsweise im Bereich der oberen und mittleren Halswirbel auftreten, verengen insbesondere den oberen Teil des Foramen intervertrebrale.

Experimentelle Untersuchungen belegen, daß bei Haltungskonstanz und asymmetrischer Kompression der Bandscheiben mit intradiskalen Massenverschiebungen zu rechnen ist. Letztere spielen in der Entstehung von Zervikalsyndromen eine wesentliche Rolle.

Bei langjährig wiederkehrender Belastung der HWS durch das Tragen von schweren Lasten unter außergewöhnlicher Haltung des Kopfes sind nicht nur die unteren Bewegungssegmente gefährdet. Zug- und Kompressionskräfte im Bereich der Wirbelgelenkfacetten in Verbindung mit Seitverbiegung und Verdrehung tragen dazu bei, daß insbesondere oberhalb von C5/C6 bis zu C2/C3 degenerative Veränderungen beobachtet wurden, die in der Allgemeinbevölkerung weniger häufig anzutreffen sind.

III. Krankheitsbild und Diagnose

Folgende bandscheibenbedingte Erkrankungen der HWS können unter bestimmten Bedingungen durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf dem Kopf oder auf der Schulter verursacht werden:

Direkt oder indirekt von degenerativen Veränderungen der Halsbandscheiben ausgehende Krankheitszustände können zu einem Zervikalsyndrom führen. Dazu zählen vielfältige Beschwerdebilder wie schmerzhafte Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule, segmentale Nervenwurzelsymptome im Arm, Kopfschmerzen, Schwindelanfälle und Rückenmarksymptome. Eine systematische Einteilung der Zervikalsyndrome hat orientierenden Charakter. Es ist zu berücksichtigen, daß häufig viele Symptome gleichzeitig vorkommen.

Folgende bandscheibenbedingte Erkrankungen können unter den Regelungsbereich dieser Berufskrankheit fallen:

  1. Lokales Zervikalsyndrom:
    Auf die Halsregion beschränkte chronisch-rezidivierende Beschwerden, die durch positionsabhängige Nacken- und Schulterschmerzen, Muskelverspannungen und Bewegungseinschränkungen der HWS charakterisiert sind.

    Pathomechanismus: Mechanische Irritation des hinteren Längsbandes, der Wirbelgelenkkapseln und des Wirbelperiosts durch degenerative Veränderungen im Bewegungssegment. Vorwiegend betroffen sind die sensiblen Fasern der Rami meningei und dorsales.

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