67/548/EWG Anhang 6: Allgemeine Anforderungen für die Einstufung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe und Zubereitungen (2)
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3. Einstufung aufgrund toxischer Eigenschaften
3.1. Einleitung
3.1.1. Die Einstufung umfasst akute und Langzeitwirkungen der Stoffe und Zubereitungen, unabhängig davon, ob diese Wirkungen auf eine einzige oder auf wiederholte oder längere Expositionen zurückzuführen sind. Kann aufgrund epidemiologischer Studien, wissenschaftlich validierter Fallstudien gemäß diesem Anhang oder durch statistisch gestützte Erfahrungen wie der Auswertung von Daten von Giftinformationszentren oder von Daten über Berufskrankheiten nachgewiesen werden, dass toxische Wirkungen auf den Menschen sich von der Wirkung unterscheiden, die anhand der Methoden in Absatz 1.6 dieses Anhangs ermittelt wurden, wird der Stoff oder die Zubereitung auf Grund ihrer Wirkungen auf den Menschen eingestuft. Am Menschen sollten jedoch keine Versuche vorgenommen werden; solche Versuche dürfen in der Regel nicht als Gegenbeweis zu positiven Daten aus Tierversuchen herangezogen werden.
Die Richtlinie 86/609/EWG hat den Schutz der für Versuchs- und andere wissenschaftliche Zwecke eingesetzten Tiere zum Ziel. Für mehrere Endpunkte sind validierte In-vitro-Prüfmethoden der Verordnung der Kommission über Versuchsmethoden gemäß Artikel 13 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 angegeben; diese sollten so weit wie möglich angewandt werden.
3.1.2. Stoffe werden auf der Grundlage der verfügbaren experimentellen Daten entsprechend den folgenden Kriterien unter Berücksichtigung der Wirkungsstärke eingestuft:
3.1.3. Bei Zubereitungen erfolgt die Einstufung nach den Gefahren für die Gesundheit
für die einzelnen Stoffe festgelegten Konzentrationsgrenzen;
Unabhängig davon, welches Verfahren zur Bewertung der Gefahr, die von einer Zubereitung ausgeht, herangezogen wird, müssen alle gesundheitsgefährdenden Wirkungen gemäß Anhang II, Teil B, der Richtlinie 1999/45/EG berücksichtigt werden.
3.1.4. Wenn die Einstufung aufgrund der Ergebnisse von Tierversuchen vorgenommen wird, so sollten in erster Linie die Ergebnisse solcher Versuche verwendet werden, die die Gefährdung des Menschen in entsprechender Weise widerspiegeln.
3.1.5. Die akute orale Toxizität eines in den Verkehr gebrachten Stoffes oder einer solchen Zubereitung kann entweder durch Bestimmung des LD50-Wertes oder durch Bestimmung der kritischen Dosis (Festdosis-Methode) oder durch Bestimmung des Expositionsbereichs, innerhalb dessen eine letale Wirkung erwartet wird (Methode der akuten toxischen Klasse), ermittelt werden.
3.1.5.1. Die höchste nichtletale Dosis ist die Dosis, die eine evidente Toxizität, jedoch keine Mortalität bewirkt, und muss einem der in der Verordnung der Kommission über Versuchsmethoden gemäß Artikel 13 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 ) aufgeführten Dosiswerte (5, 50, 500 oder 2000 mg je kg Körpergewicht) entsprechen.
Mit dem Begriff der "evidente Toxizität" werden toxische Wirkungen nach Verabreichung der Prüfsubstanz bezeichnet, die so schwerwiegend sind, dass die Verabreichung der nächsthöheren festgelegten Dosis wahrscheinlich zur Mortalität führen würde.
Bei Anwendung der Festdosis-Methode können sich bei einer bestimmten Dosis folgende Prüfergebnisse ergeben:
Bei den in den Abschnitten 3.2.1, 3.2.2 und 3.2.3 angegebenen Kriterien wird nur das endgültige Prüfergebnis angegeben. Die Dosis 2000 mg/kg sollte in erster Linie verwendet werden, um Informationen über die toxischen Wirkungen von Stoffen mit geringer akuter Toxizität zu erhalten, die nicht aufgrund ihrer akuten Toxizität eingestuft wurden.
Die Festdosis-Methode erfordert in einigen Fällen eine Prüfung mit höheren oder niedrigeren Dosen, wenn nicht bereits mit der entsprechenden Dosis geprüft wurde; siehe auch die Bewertungstabelle der Prüfmethode B 1 bis (Anm: B1bis in 2004 geändert).
3.1.5.2. Der Expositionsbereich, in dem eine letale Wirkung zu erwarten ist, wird aufgrund des Auftretens oder Nichtauftretens stoffbedingter Mortalität, die nach der Methode der akuten toxischen Klasse ermittelt wird, festgelegt. Die anfängliche Prüfung erfolgt aufgrund einer der drei festgelegten Ausgangsdosen (25, 200 oder 2000 mg/kg Körpergewicht).
Die Methode der akuten toxischen Klasse erfordert in einigen Fällen eine Prüfung mit höheren oder niedrigeren Dosen, wenn nicht bereits mit der entsprechenden Dosis geprüft wurde; siehe auch die Bewertungstabelle der Prüfmethode B I ter in der Verordnung der Kommission über Versuchsmethoden gemäß Artikel 13 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006.
3.2. Einstufungskriterien und Auswahl der Gefahrensymbole, Gefahrenbezeichnungen sowie der Bezeichnungen der besonderen Gefahren
3.2.1. Sehr giftig
Stoffe und Zubereitungen werden als sehr giftig eingestuft und mit dem Gefahrensymbol "T+" und der Gefahrenbezeichnung - "sehr giftig" gemäß den nachstehend genannten Kriterien gekennzeichnet.
R-Sätze sind gemäß folgenden Kriterien zuzuordnen:
R 28 Sehr giftig beim Verschlucken
Akute Toxizität:
R 27 Sehr giftig bei Berührung mit der Haut
Akute Toxizität:
R 26 Sehr giftig beim Einatmen
Akute Toxizität:
R 39 Ernste Gefahr irreversiblen Schadens
Zur Angabe des Aufnahmeweges/der Art der Verabreichung ist eine der folgenden Kombinationen zu verwenden: R39/26, R39/27, R39/28, R39/26/27, R39/26/28, R39/27/28, R39/26/27/28.
3.2.2. Giftig
Stoffe und Zubereitungen werden als giftig eingestuft und mit dem Gefahrensymbol "T" und der Gefahrenbezeichnung "giftig" gemäß den nachstehend genannten Kriterien gekennzeichnet.
Die R-Sätze werden nach den folgenden Kriterien ausgewählt:
R 25 Giftig beim Verschlucken
Akute Toxizität:
R 24 Giftig bei Berührung mit der Haut
Akute Toxizität:
R 23 Giftig beim Einatmen
Akute Toxizität:
R 39 Ernste Gefahr irreversiblen Schadens
Zur Angabe des Aufnahmeweges/Art der Verabreichung ist eine der folgenden Kombinationen zu verwenden: R39/23, R39/24, R39/25, R39/23/24, R39/23/25, R39/24/25, R39/23/24/25.
R 48 Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition
Stoffe und Zubereitungen werden mindestens als giftig eingestuft, wenn diese Schäden durch deutlich niedrigere Dosen (z.B. zehnmal niedriger) als die für R48 in Abschnitt 3.2.3 genannten verursacht werden.
Zur Angabe des Aufnahmeweges/Art der Verabreichung ist eine der folgenden Kombinationen zu verwenden: R48/23, R48/24, R48/25, R48/23/24, R48/23/25, R48/24/25, R48/23/24/25.
3.2.3. Gesundheitsschädlich
Stoffe und Zubereitungen werden gemäß den folgenden Kriterien als gesundheitsschädlich eingestuft und mit dem Symbol "Xn" sowie dem Hinweis "gesundheitsschädlich" versehen. R-Sätze sind gemäß folgenden Kriterien zuzuordnen:
R 22 Gesundheitsschädlich beim Verschlucken
Akute Toxizität:
R 21 Gesundheitsschädlich bei Berührung mit der Haut
Akute Toxizität:
R 20 Gesundheitsschädlich beim Einatmen
Akute Toxizität:
R 65 Gesundheitsschädlich: Kann beim Verschlucken Lungenschäden verursachen
flüssige Stoffe und Zubereitungen, die aufgrund ihrer niedrigen Viskosität eine Aspirationsgefahr für den Menschen darstellen:
Stoffe und Zubereitungen, die diesen Kriterien entsprechen, müssen nicht entsprechend eingestuft werden, wenn ihre mit Nuoy-Tensiometer oder den in Anhang V Teil A.5 festgelegten Messmethoden gemessene mittlere Oberflächenspannung bei 25 °C > 33 mN/m beträgt.
R 68 Irreversibler Schaden möglich
Zur Angabe des Aufnahmeweges/Art der Verabreichung ist eine der folgenden Kombinationen anzuwenden: R68/20, R68/21, R68/22, R68/20/21, R68/20/22, R/68/21/22, R68/20/21/22.
R 48 Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition
Stoffe und Zubereitungen werden mindestens als gesundheidsschädlich eingestuft, wenn diese Schäden durch Dosen in der Größenordnung von:
Diese Richtwerte können unmittelbar gelten, wenn schwere Schäden bei einer subchronischen Toxizitätsstudie (90 Tage) beobachtet wurden. Werden die Ergebnisse einer subakuten Toxizitätsstudie (28 Tage) bewertet, sind die Werte etwa um das Dreifache zu erhöhen. Liegt eine chronische Toxizitätsstudie (2 Jahre) vor, sollte eine fallweise Bewertung vorgenommen werden. Stehen Ergebnisse von Studien mit unterschiedlichen Untersuchungszeiträumen zur Verfügung, sollten in der Regel die Ergebnisse der Studie mit dem längsten Untersuchungszeitraum verwendet werden.
Zur Angabe des Aufnahmeweges/der Art der Verabreichung ist eine der folgenden Kombinationen zu verwenden: R48/20, R48/21, R48/22, R48/20/21, R48/20/22, R48/21/22, R48/20/21/22.
3.2.3.1. Anmerkungen zu flüchtigen Stoffen
Für bestimmte Stoffe mit hoher Sättigungsdampfkonzentration können Nachweise für Wirkungen vorliegen, die zu Besorgnis Anlass geben. Solche Stoffe können nicht nach den in diesem Leitfaden angegebenen Kriterien für Auswirkungen auf die Gesundheit ( 3.2.3) oder nach den in 3.2.8 angegebenen Kriterien eingestuft werden. Liegen jedoch geeignete Nachweise dafür vor, dass solche Stoffe bei gebräuchlicher Handhabung eine Gefahr darstellen können, kann eine Einstufung in Anhang I von Fall zu Fall erforderlich sein.
3.2.4. Anmerkungen zur Anwendung von R48
Die Anwendung dieser Bezeichnung der besonderen Gefahren bezieht sich auf den besonderen Bereich biologischer Wirkungen, wie sie nachfolgend beschrieben werden. Bei der Anwendung dieser Bezeichnung der besonderen Gefahren schließt ein schwerer Gesundheitsschaden auch den Tod, eindeutige funktionelle Störungen oder morphologische Veränderungen von toxikologischer Bedeutung ein, insbesondere dann, wenn diese Veränderungen irreversibel sind. Darüber hinaus sind nicht nur spezifische schwere Veränderungen an einem einzigen Organ oder einem biologischen System, sondern auch weniger schwere allgemeine Veränderungen mehrerer Organe oder schwere Veränderungen des Allgemeinzustandes zu berücksichtigen.
Bei der Bewertung, ob es Anhaltspunkte für diese Art von Schäden gibt, sollten die folgenden Leitlinien herangezogen werden:
1. Anhaltspunkte für die Anwendung von R48:
Die oben dargestellten Anhaltspunkte werden in den meisten Fällen aus Tierexperimenten gewonnen. Werden Erfahrungen aus der Praxis herangezogen, sollte die Höhe der Exposition besonders beachtet werden.
2. Anhaltspunkte, bei denen R48 nicht angewendet werden sollte:
Die Verwendung dieser Bezeichnung der besonderen Gefahren ist auf "ernste Gesundheitsschäden bei längerer Exposition" beschränkt. Sowohl beim Menschen als auch beim Tier können zahlreiche stoffbedingte Wirkungen beobachtet werden, die die Verwendung von R48 nicht rechtfertigen. Diese Wirkungen sind aber von Bedeutung, wenn für einen chemischen Stoff die Dosis ohne Wirkung (NOEL) bestimmt werden soll. Im Folgenden werden einige Beispiele für gut dokumentierte Veränderungen genannt, die, unabhängig von ihrer statistischen Bedeutung, in der Regel keine Einstufung in R48 rechtfertigen würden:
3.2.5. Ätzend
Stoffe und Zubereitungen werden als ätzend eingestuft und mit dem Gefahrensymbol "C" und der Gefahrenbezeichnung "ätzend" gemäß den nachstehenden Kriterien gekennzeichnet:
R-Sätze sind gemäß folgenden Kriterien zuzuordnen:
R 35 Verursacht schwere Verätzungen
R 34 Verursacht Verätzungen
Beruht die Einstufung ausschließlich auf einem extremen pH-Wert, so ist R35 anzuwenden.
3.2.6. Reizend
Stoffe und Zubereitungen werden als reizend eingestuft und mit dem Gefahrensymbol "Xi" sowie der Gefahrenbezeichnung "reizend" gemäß den nachstehend genannten Kriterien gekennzeichnet.
3.2.6.1. Entzündung der Haut
Folgender R-Satz ist gemäß den genannten Kriterien zuzuordnen:
R 38 Reizt die Haut
Eine deutliche Entzündung liegt dann vor,
In beiden Fällen sollten bei der Berechnung der jeweiligen Mittelwerte alle Ergebnisse zu jedem Ablesezeitpunkt (nach 24, 48 und 72 Stunden) herangezogen werden.
Eine deutliche Entzündung liegt auch dann vor, wenn die Entzündung bei mindestens zwei Versuchstieren am Ende der Beobachtungszeit noch vorhanden ist. Dabei sollten auch besondere Wirkungen wie z.B. Hyperplasie, Schuppenbildung, Verfärbung, Risse, Schorf und Haarausfall berücksichtigt werden.
Relevante Daten könnten auch mit Tierversuchen über nichtakute Wirkungen zugänglich sein (siehe Bemerkungen zu R48, Abschnitt 2 Buchstabe d)). Diese Wirkungen werden als deutlich betrachtet, wenn die festgestellten Wirkungen mit den oben beschriebenen vergleichbar sind.
Paresthesie:
Paresthesie beim Menschen infolge von Hautkontakt mit Pyrethroid-Pestiziden wird nicht als Reizwirkung betrachtet, die eine Einstufung als Xi; R38 rechtfertigt. Bei Stoffen, die diese Wirkung hervorrufen, ist jedoch der S-Satz S24 anzuwenden.
3.2.6.2. Schädigung der Augen
Folgende R-Sätze sind gemäß den genannten Kriterien zuzuordnen:
R 36 Reizt die Augen
Deutliche Augenschäden liegen vor, wenn bei dem in der Verordnung der Kommission über Versuchsmethoden gemäß Artikel 13 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 genannten Test einer der folgenden Mittelwerte erreicht wird:
oder, falls der Test nach der Verordnung der Kommission über Versuchsmethoden gemäß Artikel 13 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 mit 3 Versuchstieren durchgeführt wurde, wenn bei mindestens 2 Versuchstieren einer der oben genannten Werte erreicht wird, mit Ausnahme der Werte für Regenbogenhautentzündung, die größer oder gleich 1 aber kleiner als 2 sein müssen und Bindehautrötung, die größer oder gleich 2,5 sein müssen.
In beiden Fällen sollten alle Ergebnisse zu jedem Ablesezeitpunkt (nach 24, 48 und 72 Stunden) zur Berechnung der jeweiligen Mittelwerte herangezogen werden.
R 41 Gefahr ernster Augenschäden
Schwere Augenschäden liegen vor, wenn bei dem in der Verordnung der Kommission über Versuchsmethoden gemäß Artikel 13 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 genannten Test einer der folgenden Mittelwerte erreicht wird:
In beiden Fällen sollten alle Ergebnisse zu jedem Ablesezeitpunkt (nach 24, 48 und 72 Stunden) zur Berechnung der jeweiligen Mittelwerte herangezogen werden.
Augenschäden sind auch dann schwere Augenschäden, wenn sie am Ende der Beobachtungszeit noch vorhanden sind.
Eine schwere Schädigung der Augen liegt auch vor, wenn der Stoff oder die Zubereitung zu einer irreversiblen Verfärbung der Augen führt.
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(Stand: 04.08.2022)
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