Regelwerk, Gefahrenabwehr

Berücksichtigung des Abstandsgebots aus Art. 12 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 96/82/EG des Rates vom 9. Dezember 1996 zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen (Seveso-II-Richtlinie) durch die Immissionsschutzbehörde
- Hessen -

Vom 22. September 2014
(StAnz. He vom 06.10.2014 S. 852)



hier: Konsequenzen aus den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs vom 15. September 2011 (Rechtssache C-53/10) und des Bundesverwaltungsgerichts 20. Dezember 2012 (Verwaltungsstreitsache 4 C 11.11) in der Sache Mücksch ./. Land Hessen

Die oben genannten Urteile des Europäischen Gerichtshof und des Bundesverwaltungsgerichts in der Sache Mücksch j. Land Hessen haben in der Praxis viele Fragen aufgeworfen, über die die Fachausschüsse der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) sowie die Kommission für Anlagensicherheit (KAS) intensiv beraten haben. Im Ergebnis ist für die immissionsschutzbehördliche Praxis in Hessen Folgendes festzuhalten:

  1. Im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren bitte ich, in allen Fällen, in denen das Abstandsgebot aus Art. 12 Abs. 1 Unterabs. 2 der Seveso-II-Richtlinie zu berücksichtigen ist, die in der Anlage beschriebene, von der Mehrheit der Mitglieder Kommission für Anlagensicherheit befürwortete Verfahrensweise anzuwenden.
  2. Wird die Immissionsschutzbehörde in baurechtlichen Genehmigungsverfahren, in denen das Abstandsgebot aus Art. 12 Abs. 1 Unterabs. 2 der Seveso-II-Richtlinie zu berücksichtigen ist, beteiligt, bitte ich entsprechend dem folgenden Beschluss des LAI-Ausschusses für Rechtsfragen, Umsetzung und Vollzug zu verfahren:

Regelmäßig wird die Bauaufsichtsbehörde nicht über Detailkenntnisse des zu beurteilenden Störfallbetriebes verfügen. Sie ist daher auf die Unterstützung der Immissionsschutzbehörde angewiesen, die über die entsprechenden Informationen hinsichtlich des jeweils zu beurteilenden Störfallbetriebs verfügt, u.a. aufgrund des ihr vorliegenden Sicherheitsberichtes. Die Immissionsschutzbehörde kann erforderlichenfalls die für ein Gutachten benötigten anlagenbezogenen Informationen zur Verfügung stellen. Insbesondere kann die Immissionsschutzbehörde für die Prüfung des Achtungsabstands den Stoff im Betriebsbereich identifizieren, der den größten Achtungsabstand in Bezug auf das Schutzobjekt generiert. Sofern der Achtungsabstand unterschritten werden soll, kann die Immissionsschutzbehörde zu einem nach KAS-18 einzuholenden anlagenbezogenen Gutachten weitere störfallanlagenbezogene Informationen im Sinne des technischen Teils des KAS-18-Leitfadens geben (zum Beispiel Stoffidentifikation, Identifikation der Leckage, Wirksamkeit von auswirkungsbegrenzenden Maßnahmen, Toleranzwerte für ernste Gefahr, wie zum Beispiel ERPG 2 etc.). Nicht möglich sind den Immissionsschutzbehörden Einschätzungen zu sensiblen Objekten und zu sonstigen - zum Beispiel vom Gutachter - vorgeschlagenen Toleranzen oder anderen Maßnahmen außerhalb des Betriebsbereichs; auch wird sich die Immissionsschutzbehörde nicht an einer Abwägung beteiligen.

Wiesbaden, den 22. September 2014

Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz II 3c 053a 10.06

Arbeitshilfe
Berücksichtigung des Art. 12 Seveso-II-Richtlinie im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren (§§ 4 und 16 BImSchG)

Vorwort

Die nachfolgend beschriebene Vorgehensweise soll den zuständigen Behörden eine Hilfestellung geben, wie der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 15. September 2011 in immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren innerhalb von Betriebsbereichen Rechnung getragen werden kann. Dabei ist Folgendes zu beachten:

  1. Die Arbeitshilfe wird zunächst zur Anwendung empfohlen, bis die schriftliche Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts auf Grundlage der EuGH-Entscheidung vorliegt. Sobald die Begründung bekannt ist, wird die Arbeitshilfe überprüft und ggf. fortgeschrieben werden.
  2. Sollte für eine Neugenehmigung oder eine Änderungsgenehmigung lediglich eine Baugenehmigung erforderlich sein, wird diese Arbeitshilfe zur analogen Anwendung empfohlen.
  3. Die Seveso-III-Richtlinie weist hinsichtlich des derzeitigen Art. 12 Änderungen auf. Das bedeutet, dass diese Arbeitshilfe mit Inkrafttreten der Anforderungen der Seveso-III-Richtlinie in Deutschland am 1. Juni 2015 zumindest einer redaktionellen Überarbeitung bedarf.

Wortlaut des Art. 12 (1)

Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass in ihren Politiken der Flächenausweisung oder Flächennutzung und/oder anderen einschlägigen Politiken das Ziel, schwere Unfälle zu verhüten und ihre Folgen zu begrenzen, Berücksichtigung findet. Dazu überwachen sie

  1. die Ansiedlung neuer Betriebe,
  2. Änderungen bestehender Betriebe im Sinne des Art. 10,
  3. neue Entwicklungen in der Nachbarschaft bestehender Betriebe wie beispielsweise Verkehrswege, Örtlichkeiten mit Publikumsverkehr, Wohngebiete, wenn diese Ansiedlungen oder Maßnahmen das Risiko eines schweren Unfalls vergrößern und die Folgen eines solchen Unfalls verschlimmern können.

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