TRD 451 - Anlagen zur Lagerung von druckverflüssigtem Ammoniak für Dampfkesselanlagen (3)
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6 Spannungsarmglühen von Behältern aus ferritischen Stählen

6.1 Die Eignung der Wärmebehandlungseinrichtung im Hinblick auf die vorgegebenen Temperaturtoleranzen ist vor der Wärmbehandlung nachzuweisen.

6.2 Die Behälter sind nach der Fertigstellung, unter Erfassung aller Schweißnähte und kaltumgeformten Grundwerkstoffbereiche, einer Spannungsarmglühung bei 570 ± 20 °C zu unterziehen; Haltedauer 2 min/mm Wanddicke, mind. 30 min, jedoch nicht mehr als 90 min (mit Rücksicht auf mögliche Mehrfachglühungen). Die Meßstellen müssen in ausreichender Zahl (Abstimmung zwischen dem Besteller, Hersteller und Sachverständigen), über Umfang und Länge verteilt, am Behälter angebracht und überwacht werden. Für das Anwärmen des Behälters auf Glühtemperatur gilt eine maximale Wärmrate von 50 K/h und für das Abkühlen eine Kühlrate im Temperaturbereich 300 °C< ϑ< 570 °C von maximal 50 K/h. Die Abkühlung unter 300 °C erfolgt an ruhender Luft.

6.3 Die Behälter sind im Regelfall als Ganzes im Ofen einer Spannungsarmglühung zu unterziehen. Ein anderes Vorgehen bedarf der Zustimmung des Bestellers und des Sachverständigen.

6.4 Nach dem Spannungsarmglühen dürfen am Behälter keine Schweiß- oder Schleifarbeiten und keine Verformungsvorgänge, die Zugspannungen auf der Behälterinnenseite nach sich ziehen, ausgeführt werden. Kleinere Schleifarbeiten an der Behälteraußenseite sind zulässig. Abweichungen hiervon bedürfen der Zustimmung des Bestellers und des Sachverständigen.

7 Prüfungen vor Inbetriebnahme

7.1 Die Prüfungen richten sich nach den TRD der Reihe 500.

Die Einhaltung der Anforderungen an die Herstellung und Wärmebehandlung nach Abschnitt 5 und 6 wird stichprobenweise durch den Sachverständigen überprüft. Art, Umfang und Durchführung dieser Überprüfungen sind zwischen Betreiber, Hersteller und Sachverständigem zu vereinbaren.

7.2 Behälter aus ferritischen Stählen sind wie folgt zu prüfen:

Prüfung nach dem Spannungsarmglühen

Prüfumfang: siehe Tafel 3

Tafel 3. US-Volumenprüfung Prüfung mit magnetischem Streuflußverfahren3
Längs- und  Rundnähte ammoniakseitig 100 %1 Prüfklasse C 100 %
Behälteraußenseite - alle Stoßstellen auf eine Länge von rd. 400 mm
Stutzennähte beidseitig l00 %2in Anlehnung an Prüfklasse C 100 %
Anschweißteile ammoniakseitig 100 %2in Anlehnung an Prüfklasse C 100 %
Behälteraußenseite - 100 %
1) Diese Prüfung wird zweckmäßigerweise von der Außenseite aus durchgeführt.
2) Randbedingungen nach AD-HP 5/3 Tafel 1, Werkstoffgruppe 51, Spalte 22
3) Möglichst Magnetpulverprüfung mit fluoreszierender Eisenpulver-Suspension

7.3 Behälter aus Werkstoffen nach Abschnitt 2.2.9 sind nach AD-Merkblatt HP 5/3 Tafel 1 zu prüfen.

7.4 Der Sachverständige überzeugt sich von der einwandfreien Durchführung der Prüfungen. Mindestens 10 % der Nahtlänge sind durch Ultraschallprüfung bzw. Durchstrahlungsprüfung und mindestens 25 % der Nahtlänge sind durch Oberflächenrißprüfung vom Sachverständigen zu überprüfen.

7.5 Die Prüfergebnisse sind zu dokumentieren.

7.6 Die Wasserdruckprüfungen erfolgen nach TRD 503. Am höchsten Punkt des Behälters beträgt der Mindestprüfdruck

p´= 1,3 p,

wobei fürp der Berechnungsdruck nach Abschnitt 4.2 einzusetzen ist.

Beim Prüfdruckp' soll die zulässige Spannung 5

σ'zul = K' / S'

nicht überschritten werden.

Die Druckprüfung erfolgt in der Regel nach der letzten Bearbeitung und Wärmebehandlung.

8 Wiederkehrende Prüfungen

8.1 Die Prüfungen richten sich nach den TRD der Reihe 500.

8.2 Behälter aus ferristischen Stählen

Rund- und Längsnähte sind auf der ammoniakbeaufschlagten Seite zunächst im unteren Behälterbereich einer Magnetpulverprüfung mit fluoreszierender Eisenpulver-Suspension zu unterziehen. Falls nennenswerte Befunde festgestellt werden, ist die Prüfung auf alle Schweißnähte auszudehnen. Ebenso ist bei den Nähten der Stutzen und Anschweißteile auf der ammoniakbeaufschlagten Seite zu verfahren.

8.3 Behälter aus nichtrostenden austenitischen Stählen

Es gelten die Anforderungen des Abschnitts 8.2, wobei die Magnetpulverprüfung durch die Farbeindringprüfung ersetzt wird.

8.4 Die wiederkehrenden inneren Prüfungen dürfen durch zerstörungsfreie Prüfungen von außen ersetzt werden, wenn bei der erstmaligen Prüfung oder einer inneren Prüfung zerstörungsfreie Prüfungen in dem für den Ersatz der inneren Prüfung notwendigen Umfang durchgeführt worden sind.

8.5 Für die Prüffristen gilt folgende Regelung:

8.5.1 Die erste innere Prüfung des Behälters muß innerhalb des zweiten Betriebsjahres erfolgen. Weitere innere Prüfungen erfolgen in dreijährigen Fristen.

8.5.2 An den Behältern sind äußere Prüfungen in jährlichen Fristen durchzuführen.

9 Anhang

Betriebserfahrungen mit Ammoniak-Druckbehältern und daraus resultierende Maßnahmen

9.1 Betriebserfahrungen

In den USa sind seit Anfang der 50er Jahre und in Europa seit Ende der 60er Jahre Rißbildungen an Druckbehältern zur Lagerung von wasserfreiem flüssigen Ammoniak bekannt geworden (weiterführende Literatur siehe [1] bis [3]). Es handelt sich um Risse auf der Mediumseite in, oder in unmittelbarer Nähe von Schweißverbindungen. Dies weist bereits die Eigenspannungen als Hauptursache für die Rißentstehung auf mechanischer Seite aus. Die wenigen bekannt gewordenen Risse im Grundwerkstoff sind, ebenfalls im Zusammenhang mit Eigenspannungen, durch örtlich hohe Verformungen, z.B. an Tragpratzen und angeschweißten (oder im Bereich nachträglich beseitigter) Montagehilfen, entstanden. Die Anfälligkeit sowie die Häufigkeit der Risse werden mit zunehmender Streckgrenze der verwendeten Werkstoffe größer; insofern ist ein werkstoffseitiger Einfluß auf die Spannungsrißkorrosions-Anfälligkeit gegeben (s. Abschnitt 2.2.6.2).

Die metallografischen Untersuchungen haben erkennen lassen, daß es sich um Spannungsrißkorrosion mit inter- oder transkristallinem Rißverlauf handelt. Die Ursache ist neben hohen Eigenspannungen mediumseitig auf Verunreinigungen, vor allem an Luft (Sauerstoff), in wasserfreiem Ammoniak zurückzuführen [1] bis [4].

9.2 Maßnahmen

9.2.1 Die Abhilfemaßnahmen bestehen darin, die Membran- und Schweißeigenspannungen gering zu halten und Verunreinigungen im Ammoniak durch sorgfältig kontrollierten Luftabschluß im Lagerbehälter sowie bei der Entnahme und Füllung des Behälters oder den Luftzutritt durch sorgfältiges Inertisieren und Spülen der Verbindungsleitungen zu verhindern. Als eine weitere Maßnahme zur Vermeidung der Rißbildung kann die Inhibierung von Ammoniak durch gezielte Zugabe von Wasser in Abhängigkeit vom Sauerstoffgehalt empfohlen werden [1] bis [3]; jüngere Erfahrungen in der Praxis zeigen allerdings, daß durch Wasserzugabe die Spannungsrißkorrosion auch in der Dampfphase auftreten kann [4].

9.2.2 Bei Behältern ohne Wärmebehandlung ist durch eine Kugelstrahlbehandlung der Schweißnähte zumindest ein zeitlich begrenzter Schutz erreichbar [5]. Bei wärmebehandelten Behältern ist das Kugelstrahlen als ein Schutz anzusehen 6.

Die Kugelstrahlbehandlung ist unter parameterkontrollierten Bedingungen durchzuführen. Dabei wird vorausgesetzt, daß Prüfergebnisse über die sich beim Kugelstrahlen einstellenden DruckeigenspannungsTiefenverteilung vorliegen [7] (Bild 7). Die Kugelstrahlparameter bei diesen Versuchen (Art des Strahlmittels, Strahlmittelkorndurchmesser, Strahlmittelhärte, Auftreffgeschwindigkeit, Überdeckungsgrad) müssen auch am Bauteil zur Anwendung kommen.

9.2.3 Den durch Innendruck in Bauteilen mit idealer Form herrschenden Spannungen überlagern sich die herstellungsbedingten Eigenspannungen und die durch Abweichungen von der Idealform bedingten Zusatzspannungen. Die Summe dieser Spannungen kann an vielen Stellen in normalgefertigten Behältern die Höhe der Streckgrenze erreichen.

Die wichtigsten Verfahren zum Abbau der Zug-Eigenspannungen sind Spannungsarmglühen, die mechanischen Verfahren wie Hämmern, Kugelstrahlen, autogenes Entspannen, hohe Innendruckbelastungen bei den Wasserdruckprüfungen und die Wahl der Schweißfolge. Die durch Formabweichungen bedingten Zusatzspannungen können bei zylindrischen Bauteilen durch Einengung der Herstellungstoleranzen, z.B. für Ovalität, Aufdachungen, Abflachungen, Falten, Beulen, Einziehungen, Kantenversatz, bis zu einem gewissen Maß verringert werden. Aus technischen Gründen sind der Einengung der Toleranzen für zylindrische Bauteile relativ enge Grenzen gesetzt; für gewölbte Böden sind im allgemeinen keine Toleranzen festgelegt.

Für Formabweichungen von der kreisrunden Form kann bei Zylindern unter bestimmten Bedingungen ein Nachwalzen der einzelnen Schüsse (ohne Stutzen, Dome etc.) nach dem Längsnahtschweißen empfohlen werden. Für den fertiggestellten Gesamtbehälter bieten sich über die vorgenannten Verfahren hinaus Wasserdruckprüfungen mit ausreichend hohem Prüfdruck an [6]. Dabei sollte in den zylindrischen Schüssen eine möglichst hohe Umfangsspannung und in den gewölbten Böden eine möglichst hohe Meridianspannung erreicht werden. Durch diese Druckprüfungen soll die Form des gesamten Behälters verbessert und möglichst ein Spannungsabbau erzielt werden; weiterhin erfolgen Spannungsumlagerungen in Richtung Druckvorspannung an den Stellen mit hoher Zugbeanspruchung auf der Mediumseite.

Eine ideale Kombination wäre gegeben, wenn vor dem Spannungsarmglühen zur Verringerung der Eigenspannungen eine formende Druckprüfung mit maximalen Beanspruchungen (zur Verringerung der Zusatzspannungen) nahe der tatsächlichen Streckgrenze angewandt wird und nach dem Glühen der Behälter im eingebauten Zustand einer Druckprüfung mit der gleichen Druckhöhe (Verringerung der Zugspannungsspitzen beim Betriebsdruck, Aufbau von Druckvorspannungen) unterzogen wird; das Kugelstrahlen der Nahte (zum Aufbau von Oberflächen-Druckeigenspannungen) erfolgt nach dieser zweiten Druckprüfung.

Eine Glühbehandlung kann die durch den Betriebsdruck auftretenden Zugspannungsspitzen nicht herabsetzen. Im Hinblick auf die Tatsache, daß Spannungsrißkorrosion nur dann auftritt, wenn entsprechende Zugspannungen als Summe aus Strukturspannungen, zusätzlichen formabhängigen Spannungen und Eigenspannungen vorhanden sind, wird für diese Behälter mit besonderen Sicherheitsanforderungen die vorgenannte Kombination empfohlen.

Bei der Berechnung des Prüfdruckes kann in Abweichung von den TRD-Werten z.B. eine zulässige Spannung von

σzul = Kist / 1,1

(Kist= Mindestwert der Streckgrenze nach den Abnahmezeugnissen für die drucktragenden Bleche bzw. Böden) eingesetzt werden. Ein Korrosionszuschlag wird bei diesen Berechnungen nicht abgezogen. Die Mindesthöhe des Prüfdruckes sollte über dem 1,9fachen tatsächlichen maximalen Betriebsdruck liegen. Bei diesen Druckprüfungen sind pro Schuß mindestens eine Umfangsmessung und die Messungen des zugepumpten Wasservolumens vorzunehmen; weiterhin wird empfohlen, die Höhen der gewölbten Böden auf eventuelle Änderungen zu beobachten.

Bei diesen Druckprüfungen mit Nennspannungen in der Nahe der tatsächlichen Streckgrenzen, aber im genügenden Abstand zur Bruchfestigkeit, besteht keine Gefahr eines nennenswerten Weiterreißens von kleinen Rissen, da bei diesen relativ dünnwandigen Bauteilen ausreichende Rißzähigkeit bei der Druckprüfungstemperatur vorausgesetzt werden kann 6.

Gute Erfahrungen 7 mit Druckprüfungen an mehr als 1000 Bauteilen mit rechnerischen Beanspruchungen bis in die Nähe der Streckgrenze lagen schon vor 1939 vor, so daß die Zulässigkeit dieses Verfahrens in den "Bauvorschriften für Landdampfkessel" vom 21.06.1939 verankert wurde.

   

9.3 Schrifttum

[1] Gräfen, H., Hennecken, H., Horn, E.-M., Kamphusmann, H.-D., und Kuron, D.:
Spannungsrißkorrosion von unlegierten Stählen in flüssigem Ammoniak. Werkstoffe und Korrosion 36 (1985), S. 203-215.

[2] Müller, E.: Spannungsrißkorrosion in flüssigem Ammoniak. Vortrag anläßlich der 29. Sitzung des VGB-Fachausschusses "Werkstoffe und Schweißtechnik" am 29.04.1986 in Ludwigshafen.

[3] Fäßler, K.: Spannungsrißkorrosion an Lagerbehältern für flüssiges Ammoniak. VGB KRAFTWERKSTECHNIK 67 (1987), H. 8, S. 747-751.

[4] Lunde, L., und Nyborg, R.: The Effect of Oxygen and Water on Stress Corrosion Cracking of Mild Steel in Liquid and Vaporous Ammonia. Plant-Operations Progress 6 (1987), No. 1, S. 11-16.

[5] Spähn, H.: Stress Corrosion Cracking in Ammonia Storage Spheres. Plant-Operations Progress 2 (1983), No. 4, S. 247-259.

[6] Nach einer Zuschrift von K. E. Dechant, TÜV Bayern, München.

[7] Gayk, W., und Kautz, H. R.:
Rißbildung in Schweißnähten von Ammoniak-Lagerbehältern aus StE 355. VGB Kraftwerkstechnik 70 (1990) H. 2, S. 151-157.

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