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42. TRK-Wert für chlorierte Dibenzodioixne und -furane
(BArbBl. 9/93 S. 71)
50 pg TE/m3(erfaßt nach der Gesamtstaubdefinition) 1, 2
2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-dioxin (2,3,7,8-TCDD) ist im Verzeichnis der krebserzeugenden Gefahrstoffe bei Massengehalten> 0,000001 % in Gruppe II (stark gefährdend) und bei Massengehalten < 0,000001 - 0,0000002 in Gruppe III (gefährdend) eingestuft. Weitere sieben chlorierte Dibenzodioxine und -furane sind in den Anhang III der Gefahrstoffverordnung aufgenommen. Unter den Geltungsbereich des o.g. TRK-Wertes fallen sämtliche in der Dioxinverordnung genannten chlorierten Dibenzodioxine und -furane auf der Basis des Berechnungsmodells "Internationale Toxizitätsäquivalentfaktoren" [1] (=>. TRGS 557 Anlage 1; ChemVerbotsV Nr. 4)
Arbeitsmedizinische Erfahrungen
Nach Vergiftungen im Rahmen von Störfällen in der Industrie traten akute Reizerscheinungen an den Schleimhäuten von Auge und oberen Luftwegen, Schwindel, Übelkeit und Erbrechen auf. Später kam es zu Chlorakne und Hyperpigmentation vor allem im Bereich der belichteten Haut, ferner zu Leberparenchymschäden, peripheren Neuropathien, Störungen des Fettstoffwechsels und Symptomen ähnlich einer Porphyria cutanea tarda.
Bei der Beurteilung von Dioxin durch die IARC [2] 1986 wurde die Humankanzerogenität von 2,3,7,8-TCDD im Sinne einer unzureichenden Beweislage beurteilt. Inzwischen wurden einige neue epidemiologische Studien veröffentlicht.
Das entscheidende Problem aller vorgenannten Studien ist der unzureichende Nachweis der tatsächlichen Intensität und Dauer der Einwirkung von 2,3,7,8-TCDD. In einigen Studien ist zumindest in Einzelfällen der Versuch einer nachträglichen Konzentrationsbestimmung von 2,3,7,8-TCDD mit extrapolierenden Rückrechnungen durch entsprechende Untersuchungen von Serum oder Fettgewebe vorgenommen worden [3, 4, 5,11]. Eine Dosis-Wirkungs-Beziehung kann aufgrund der vorliegenden Daten jedoch bisher nicht aufgestellt werden. Andererseits ist es arbeitsmedizinisch als entscheidend mit zu berücksichtigen. daß die Beschäftigten stets auch einer Vielzahl begleitender Gefahrstoffe ausgesetzt waren, so daß von synergistischen Effekten ausgegangen werden muß, und es zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich ist, die erhöhten Tumorinzidenzen auf 2,3,7,8-TCDD zurückzuführen.
Toxikologische Erfahrungen
Von den 75 polychlorierten Dibenzodioxinen (PCDD) und 135 polychlorierten Dibenzofuranen (PCDF) sind bisher nur wenige toxikologisch untersucht worden. Soweit bisher bekannt, scheint das 2,3,7,8-Tetrachlorodibenzo-p-dioxin (2,3,7,8-TCDD) die toxischste Substanz dieser Gruppe zu sein. Von großer toxikologischer und ökotoxikologischer Relevanz sind aus dieser Gruppe insgesamt 49 Tetra- bis Octachlordibenzodioxine und 87 Tetra- bis Octachlordibenzofurane, insbesondere alle 2,3,7,8-substituierten Kongenere.
In Überlebenszeitversuchen mit oraler Applikation von 2,3,7,8-TCDD an Ratten und Mäusen traten vermehrt Tumoren auf, insbesondere der Leber, doch auch des harten Gaumens und der Nasenschleimhaut sowie der Lunge und der Schilddrüse. Bei der Bewertung dieser Ergebnisse ist festzuhalten, daß die Tumorinzidenzen im Vergleich zu den Kontrollen nur wenig erhöht waren und sich eine Kanzerogenität anhand von Leberkarzinomen und anderen Tumoren ab einer Dosierung von 0,1 µg/kg Körpergewicht/Tag nachweisen ließ. Diese Dosierung führte aber schon zu einer erhöhten Mortalität durch die Toxizität. Die ebenfalls noch im toxischen Bereich liegende Dosierung von 0,01 µg/kg Körpergewicht/Tag führte bei 18 von 50 weiblichen Ratten noch zu neoplastischen Leberknoten, während solche Knoten nur bei 8 von 86 weiblichen Kontrollratten beobachtet wurden. In dem gleichen Fütterungsversuch war in allen Behandlungsgruppen die Gesamtzahl der Tumoren wesentlich geringer als in der Kontrollgruppe. Eine Nachuntersuchung der Leberschnitte führte zu dem Ergebnis, daß auch in der Dosisgruppe 0,001 µg/kg/Tag histologisch noch eine geringe Lebertoxizität nachweisbar war. Insgesamt ergab sich eine eindeutige Korrelation zwischen einer deutlichen Lebertoxizität und dem Auftreten von Lebertumoren.
Die überragende Mehrzahl der Mutagenitäts-Untersuchungen ergab keinen Hinweis auf eine mutagene Wirkung von 2,3,7,8-TCDD. Da auch die Frage einer tumorpromovierenden Wirkung des 2,3,7,8-TCDD noch nicht eindeutig geklärt ist, kann über den Wirkungsmechanismus der Tumorinduktion durch 2,3,7,8-TCDD noch keine befriedigende Aussage gemacht werden. Am Anfang der 2,3,7,8-TCDD-Toxizität steht wohl die hohe Spezifität des Stoffes und verwandter Verbindungen zum Ah-Rezeptor. Da 2,3,7,8-TCDD die höchste Affinität zu diesem Rezeptor hat, wird ihm der Toxizitäts-Äquivalenzfaktor 1 gegeben, alle verwandten Stoffe werden dazu in Relation gesetzt.
Neuere epidemiologische Untersuchungen weisen darauf hin, daß 2,3,7,8-TCDD (und seine Kongenere) auch beim Menschen kanzerogen wirksam zu sein scheint.
Für eine arbeitsplatzbezogene Risiko-Betrachtung werden die Ergebnisse an der Ratte heranzogen. Bei lebenslanger (oraler) Verabreichung von täglich 1 ng 2,3,7,8-TCDD/kg Körpergewicht konnte eine geringe Lebertoxizität, aber keine Kanzerogenität nachgewiesen werden.
Bei einem TRK-Wert von 50 pg/m3würde ein Beschäftigter pro Arbeitstag 500 pg aufnehmen. Dem entsprächen 7 pg/kg Körpergewicht pro Tag. Eine solche Aufnahme läge 140mal niedriger als die im Lebenszeitversuch an der Ratte noch schwach-lebertoxische, aber nicht kanzerogene Tagesdosis. Die 50 pg/m3sind als 2,3,7,8-Toxizitätsäquivalente zu verstehen (s. unten).
Vom Bundesgesundheitsamt wurde 1987 eine lebenslange tägliche Aufnahme von 1-10 pg 2,3,7,8-TCDD/kg Körpergewicht als die menschliche Gesundheit nicht gefährdend angesehen. Nach der ersten Auswertung einer fachöffentlichen Anhörung zu Dioxinen und Furanen im Januar 1990 kam das Amt zu der Ansicht, daß die anstehenden Maßnahmen zur Emissionsbegrenzung jedenfalls dazu beitragen sollten, die Belastung auf unter 1 Pikogramm/kg Körpergewicht/Tag abzusenken.
Die lange Halbwertzeit des TCDD im menschlichen Organismus (sie wurde als bei 2120 Tagen liegend ermittelt) ist bei der Bewertung eines TRK-Wertes von 50 pg/m3 zu berücksichtigen. Das Bundesgesundheitsamt geht bei seinen Überlegungen von einer lebenslangen Belastung der Gesamtbevölkerung aus. Demgegenüber führt eine Exposition am Arbeitsplatz bei Konzentrationen unterhalb des TRK-Wertes zu einer zusätzlichen Belastung von < 7 pg/kg Körpergewicht/Arbeitstag. Daraus ergäbe sich für ein ganzes Arbeitsleben eine zusätzliche Belastung, die etwa dem Doppelten der Gesamtdosis entspräche, wenn man die vom BGa als anzustreben angesehene lebenslange Tagesdosis von < 1 pg/kg Körpergewicht zugrunde legt. Es wird aber vorausgesetzt, daß der TRK-Wert in zwei Jahren überprüft wird.
Eine Arbeitsgruppe des Länderausschusses für Immissionsschutz kam zu dem Ergebnis, daß für 2,3,7,8-TCDD das Fehlen einer Wirkungsschwelle unwahrscheinlich ist. Wegen bestehender Unsicherheiten wurde dennoch bei der Risiko-Analyse das Nichtvorhandensein einer Wirkungsschwelle angenommen. Unter dieser Voraussetzung ergab sich für eine lebenslange Exposition gegenüber 1 pg 2,3,7,8-TCDD/m3ein Tumorrisiko von 1,4 x 10-6.
Toxizitäts-Äquivalente: Expositionen erfolgen immer gegenüber einem Gemisch von Dioxinen und Furanen. Im Gegensatz zum 2,3,7,8-TCDD gibt es für andere PCDD und PCDF bis heute keine Untersuchungen, die für eine fundierte toxikologische Bewertung ausreichen. Viele Isomere scheinen aber qualitativ ähnlich zu wirken. Untersuchungen deuten aber darauf hin, daß sich die Wirkungen mehrere Isomere addieren. Dies wird bei der Konzeption der Äquivalenzfaktoren zugrundegelegt (ITEF = international abgestimmte "Toxizitäts-Äquivalenzfaktoren"). Dazu werden die auf biochemischer Ebene oder in Toxizitätsuntersuchungen erhaltenen unterschiedlichen Wirkungsstärken für einzelne Isomere auf der Basis grundsätzlicher Erwägungen in Relation zu der von 2,3,7,8-TCDD gesetzt (2,3,7,8-TCDD = 1) [3-5, 12-17].
Analytik
Zur Messung von chlorierten Dibenzodioxinen und -furanen in der Luft in Arbeitsbereichen stehen folgende Meßverfahren zur Verfügung:
Die Unterschiede der Verfahren liegen in den verwendeten Probenahmesystemen sowie den unterschiedlichen Sammelphasen. Alle o.g. Verfahren befinden sich noch in der Erprobung. Die Analyse erfolgt bei allen Verfahren mittels gaschromatischer Trennung und anschließender massenspektroskopischer Detektion. Die Nachweisgrenzen bzw. Bestimmungsgrenzen der Verfahren liegen bei 0,001 ng 2,3,7,8-TCDD (BIA-Arbeitsmappe) bzw. 0,01 ng 2,3,7,8-TCDD (ZH 1/120.47).
Vorkommen
Polychlorierte Dibenzodioxine und polychlorierten Dibenzofurane sind in der Umwelt ubiquitär verbreitet. Bei bestimmten Prozessen und Produkten der chemischen Industrie können PCDD/ PCDF als unerwünschte Nebenprodukte entstehen (wie z.B. bei der Herstellung von Chlorphenolen. Chlorbenzolen usw. sowie bei der Herstellung von Farbstoffen und Pigmenten, die über Chloranil als Zwischenprodukt hergestellt werden). Darüber hinaus können PCDD und PCDF bei der Zellstoff- und Papierherstellung, bei der Wiederaufarbeitung von Aktivkohle sowie bei der Wiederverwertung von Altölen gebildet werden. Dioxine/Furane können auch im Lösungsmittel von Chemisch-Reinigungen gefunden werden. Weitere Quellen sind auch die Verbrennung bzw. Pyrolyse von Müll, Holz, Kohle und verschiedener Chemikalien sowie die NE-Metallverhüttung und thermische Verfahren der Metallrückgewinnung. Auch im Abgas von Motoren und im Tabakrauch ließen sich PCDD und PCDF nachweisen.
Meßergebnisse
Nachfolgend werden Meßergebnisse aus den Bereichen Müllverbrennungsanlagen. Metall-Recycling sowie dem Arbeitsbereich Entleeren von Transformatoren aufgeführt. Aus diesen Bereichen liegen Meßergebnisse der Dioxin-Luftkonzentration vor, Hierbei handelt es sich jedoch um Einzelergebnisse. für die weitgehend noch abgeklärt werden muß, inwieweit sie repräsentativ sind.
Darüber hinaus ist davon auszugehen, daß in weiteren Arbeitsbereichen Dioxine und Furane auftreten, für die bisher jedoch noch keine Meßergebnisse vorliegen. Für einige Bereiche wurden aus Staubmessungen und Materialprobengehalten Dioxinkonzentrationswerte in der Luft errechnet. Danach dürften z.B. bei der Herstellung bestimmter Pigmente die Konzentrationswerte für Dioxine und Furane im Bereich 50 pg/m3TE und für Rückstandsverbrennungsanlagen um 40 pg/m3liegen.
Industriebereich: Müllverbrennungsanlage
Bereich: | Tätigkeitsmerkmale | Meßergebnisse (pg I-TE/m3) |
Kesselhaus | ||
Naßentschlackung | Wartung und Instandhaltung | 0,1-0,5 (4 Messungen) |
Aschenaustragstrichter | Wartung und Instandhaltung | 2,0 |
Müllauftragschieber (mittlere Ebene) |
Wartung und Instandhaltung | 45-55 (4 Messungen) |
im Kessel, Züge | Revision | 4,5 |
E-Filterstaubverladung | Kontrolle und Reinigung | 0,6-24,3 (5 Messungen) |
Müllannahme (Bunkerbereich) |
Kontrolle und Reinigung | 0,1-0,2 (3 Messungen) |
Industriebereich-Metall-Recycling
Bereich: | Tätigkeitsmerkmale | Meßwerte (pg I-TE/m3) |
Ofenbereich (z.B. Aluminium-Trommelofen) |
Chargierung | 11,2/38,5 |
(Stahl) | 2,0/5,0 | |
Ofenbereich Krätze-Ofen, Tiegelofen |
3,7/1,7 | |
Ofenhalle | 1,9-5 1,1 (4 Messungen) |
|
Sonstige: z.B. Bereiche wie Chargierung von Mühlen; Filterstaubabsackung |
4,8-6,1 (3 Messungen) |
Industriebereich: Sonstige
Bereich: | Tätigkeitsmerkmale | Meßwerte (pg I-TE/m3) |
Transformatorentechnik | Entleeren von Kondensatoren | 1,4/1,6 |
Anwendung des Grenzwertes
Das angewendete Meßverfahren und die Probenahmezeit sind so zu wählen, daß die Summe der nach den Toxizitätsäquivalenten gewichteten Bestimmungsgrenzen für die zu berücksichtigende
Kongenere eine Entscheidung über die Einhaltung des TRK-Wertes ermöglicht.
Liegt ein Teil der Konzentrationen der zu berücksichtigenden Kongenere unterhalb der jeweiligen Bestimmungsgrenzen, so sind die gewichteten halben Bestimmungsgrenzen für diese Kongenere bei der Ermittlung der Summenkonzentration zu berücksichtigen.
Die Erstermittlung zur Bestimmung der Dioxin/Furankonzentration erfolgt nach TRGS 402 über anerkannte Analysenverfahren (BIA-Arbeitsmappe, ZH1/120.47).
Bei Kontrollmessungen, die sich aus der Arbeitsbereichsanalyse nach TRGS 402 ergeben haben, kann unter Beachtung bestimmter Randbedingungen ein vereinfachtes Ermittlungsverfahren angewendet werden. Die Ermittlung kann über die "Leitkomponente Gesamtstaub" erfolgen. Hierbei unterstellt man
Nur wenn beide Bedingungen erfüllt sind, kann eine Berechnung unter Zugrundelegung von worst-case-Bedingungen nach folgender Formel erfolgen (s. Bild 1):
CD = CMatD x CGesamt | |
CD: | errechnete Dioxin/Furan-Konz. (pg/m3) |
CMatD: | Dioxin/Furan-Konz. im Material (pg/mg) |
CGesamt: | Gesamtstaubkonzentration (mg/m3) |
Bild 1: Abschätzung der Dioxinkonzentration in der Luft bei Kenntnis der Gesamtstaubkonzentration und des Dioxingehaltes in der Materialprobe
Hinweise
Eine zusätzliche Aufnahme durch die Haut muß durch entsprechende Schutzkleidung möglichst verhindert werden.
Literatur
1 Die Stoffgruppe kann partikel- und dampfförmig auftreten
2 Der TRK-Wert gilt nicht für Sanierungs- und Abbrucharbeiten sowie unfallartige Ereignisse
(Stand: 20.08.2018)
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