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61. TRK-Wert für p-Kresidin
(2-Methoxy-5-methylanilin)
(BArbBl. 10/94 S. 134)
0,5 mg/m3 G
p-Kresidin ist in der TRGS 905 "Verzeichnis krebserzeugender, erbgutverändernder oder fortplanzungsgefährdender Stoffe" als krebserzeugend - Kategorie 2 nach Anhang I der GefStoffV - eingestuft. Zubereitungen sind als krebserzeugend im Sinne des § 35 Abs. 1 GefStoffV anzusehen, sofern der Massengehalt an p-Kresidin> 0,01 % beträgt.
Arbeitsmedizinische Erfahrungen
Bei Chemie-Arbeitern, die mit der Produktion und Verarbeitung von p-Kresidin beschäftigt waren, wurden keine expositionsbedingten Gesundheitsschäden festgestellt [1].
Toxikologische Erfahrungen
Im Ames-Test wirkt p-Kresidin sowohl mit als auch ohne Zusatz von S9-Mix mutagen. Aus UDS-Testen in vitro an Rattenhepatozyten ergeben sich keine Hinweise auf eine DNA-schädigende Wirkung. An mit Rauscher-Leukämievirus infizierten Ratten-Embryozellen wirkt p-Kresidin ohne Zusatz von S9-Mix transformierend [1].
In verschiedenen in vivo-Testsystemen an Ratte und Maus (Mikronucleus-Test, DNA-Einzelstrangbrüche/Alkalische Elutionsmethode) zeigt p-Kresidin jedoch keine gentoxische Wirkung [2].
Es liegt eine Kanzerogenesestudie mit p-Kresidin (98,9 % rein mit 3 nicht identifizierten Verunreinigungen) an Fischer 344-Ratten und B6C3F1-Mäusen vor. Die Substanz wurde mit dem Futter verabreicht [1].
Bei den Ratten führte die 104-wöchige Fütterung mit 5000 bzw. 10000 mg/kg Futter (ca. 333 bzw. 667 mg/kg KGW/Tag) zu deutlich erhöhten Inzidenzen von Harnblasentumoren, olfaktoriellen Neuroblastomen und Lebertumoren (siehe Tabelle 1).
Tabelle 1: Tumorinzidenzen bei der Ratte nach Gabe von p-Kresidin im Futter über 104 Wochen [1]
Tumortyp | Kontrolle | 5000 mg/kg | 10000 mg/kg | |||
im Futter | ||||||
M | W | M | W | M | W | |
Blasenkarzinom | 0/48 | 0/47 | 16/48 | 31/49 | 41/47 | 41/46 |
Blasenpapillom | 0/48 | 0/47 | 14/48 | 6/49 | 3/47 | 2/46 |
olf. Neuroblastom | 0/48 | 0/50 | 1/50 | 0/50 | 21/47 | 11/49 |
Lebertumoren | 0/48 | 0/50 | 13149 | 4/48 | 2/46 | 0/48 |
Bei den Mäusen hatte die 21-wöchige Fütterung mit 5000 bzw. 10000 mg/kg Futter, gefolgt von 83-wöchiger Gabe von 1500 bzw. 3000 mg/ kg Futter (durchschnittlich 2200 bzw. 4600 mg/kg Futter entsprechend ca. 314 bzw. 657 mg/kg KGW/Tag), ebenfalls eine deutlich erhöhte Inzidenz an Harnblasentumoren zur Folge. Bei einigen Tieren traten auch Nasenhöhlentumoren auf und nur bei den Weibchen war die Lebertumorinzidenz erhöht (siehe Tabelle 2).
Tabelle 2: Tumoriazidenzen bei der Maus nach Gabe von p-Kresidin im Futter über 104 Wochen [1]
Tumortyp | Kontrolle | 2200 mg/kg | 4600 mg/kg | |||
im Futter | ||||||
M | W | M | W | M | W | |
Blasenkarzinom | 0/50 | 0/45 | 40/42 | 41/46 | 31/31 | 44/46 |
Nasenhöhlentumor | 0/50 | 0/47 | 2/47 | 0/47 | 1/41 | 1/48 |
Leberkarzinom | 10/50 | 0/45 | 11/41 | 14/44 | 3/32 | 6/40 |
In einem Lungentumor-Induktions-Test an Strain A-Mäusen war Kresidin nach 8-wöchiger Verabreichung von i.p.-Injektionen von je 25 - 600 mg/kg KGW (dreimal wöchentlich) inaktiv [1].
Damit hat sich p-Kresidin als deutlich kanzerogen bei Ratte und Maus nach chronischer Verabreichung hoher Konzentrationen im Futter erwiesen. Die negativen Ergebnisse aus Mikronucleus-Testen und Testen auf DNA-Schädigung weisen darauf hin, daß p-Kresidin unter in vivo-Bedingungen kein nennenswertes gentoxisches Potential besitzt.
Analytik
Zur Messung der Konzentration von p-Kresidin in der Luft in Arbeitsbereichen steht ein von den Berufsgenossenschaften anerkanntes Analysenverfahren ZH 1/120.53 zur Verfügung.
Die Probenahme mit Pumpe erfolgt durch Absorption von p-Kresidin an sauer imprägniertem Kieselgel. Nach der Elution wird die analytische Bestimmung mittels Flüssigchromatographie und UV-Detektion durchgeführt. Die Bestimmungsgrenze beträgt 0,0075 mg/m3 an p-Kresidin bei 120 1 Probeluft und einer Ansauggeschwindigkeit von 1,25 m/s +10 %.
Herstellung, Konfektionierung und Verwendung
p-Kresidin wird durch katalytische Hydrierung von 3-Nitro-4-methoxytoluol diskontinuierlich hergestellt und durch Destillation gereinigt (ca. 300 - 400 t/Jahr). Das Endprodukt wird flüssig in Fässer und Tankbehälter abgefüllt, teils auf einer Schuppenwalze zur Kristallisation gebracht (Schmelzpunkt: 51,5 °C). und mit Hilfe einer abgesaugten Abfüllanlage in Trommeln abgefüllt.
p-Kresidin wird als Ausgangsprodukt für Azofarbstoffe als Kupplungskomponente eingesetzt.
Ergebnisse von Arbeitsbereichsmessungen
Herstellung
Bei der Hydrierung unter hohem Druck und der Destillation im Vakuum sind nur geringe Expositionen zu erwarten.
Aus diesem Bereich liegen 10 personenbezogene Meßergebnisse im Bereich kleiner Bestimmungsgrenze bis 0,065 mg/m3 vor.
Konfektionierung
Für die Exposition relevant sind die Abfüllung von geschmolzenem heißem p-Kresdidin in Fässern und die Kristallisation mittels Schuppenwalze, Abschuppung und Abfüllung in Trommeln.
Bei der Faßabfüllung wurden 5 Meßwerte von 0,13; 0,34; 0,4: 0,56 und 0,8 mg/m3 für Abfüllzeiten bis zu 2 Stunden gemessen. Eine Umrechnung auf die Schichtlänge von 8 Stunden (TRGS 402, Pkt. 3.10) ist an diesem Arbeitsplatz (Faßabfüllung) nicht sinnvoll, da in der übrigen Arbeitszeit Abfüllungen von geschmolzenen aromatischen Aminen wie z.B. 2,4-Diaminotoluol, p-Toluidin, Phenyldiaminen bzw. von bei Raumtemperatur flüssigem o-Toluidin, o-Chloranilin sowie nicht eingestufter Amine durchgeführt werden und damit die TRGS 403 anzuwenden ist.
Während der Überwachung der Schuppenwalze und der Feststoffabfüllung wurden p-Kresidin-Konzentrationen (6 Schichtmittelwerte) von 0,01 bis 0,17 mg/m3 ermittelt.
Verwendung
Für die Exposition ebenfalls bedeutsam ist der Einsatz vom festem p-Kresidin aus Trommeln.
Hier wurde das Kippen von p-Kresidin-Schuppen in 2 Arbeitsbereichen gemessen. Dabei wird der Inhalt der geöffneten Trommeln mit Hilfe eines Gabelstaplers über einen Trichter in abgesaugte Reaktionskessel gekippt. Es liegen 9 personenbezogene Meßergebnisse bei Probennahmedauer von 0,1 - 4 Stunden von 0,06 - 1,8 mg/m3 (im Mittel 0,54 mg/m3) und 2 ortsfeste Meßwerte von 0,36 und 0,47 mg/m3 vor.
Hinweis
Neben der inhalativen Aufnahme kann p-Kresidin auch über die Haut aufgenommen werden. Dem ist auch bei Ausschöpfung der technischen Möglichkeiten zusätzlich durch geeignete Körperschutzmaßnahmen Rechnung zu tragen (weitere Hinweise: siehe TRGS 150 "Unmittelbarer Hautkontakt mit Gefahrstoffen").
Literatur
[1] Henschler, D.: Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe. Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten: p-Kresidin. Kommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Verlag Chemie, Weinheim (1991)
[2] Ashby, J. , Lefevre, P.A., Tinwell, H., Brunborg, G., Schmezer, P., Pool-Zobel, B., Shanu-Wilson, R., Holme, J.A., Soderlund, E.J., Gulati, D. u. Wojciechowski, J.P.: The nongenotoxicity to rodents of the potent rodent carcinogens o-anisidine and p-cresidine. Mutat. Res. 250, 115-133 (1991)
(Stand: 22.08.2018)
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