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76. Luftgrenzwert für o-Phenylendiamin
(CAS. Nr.: 95-54-5)

(BArbBl. 4/97 S. 48)


0,1 mg/m3 G, Überschreitungsfaktor 4, H

o-Phenylendiamin (OPD) ist in der TRGS 905 (Verzeichnis der krebserzeugenden, erbgutverändernden oder fortpflanzungsgefährdenden Stoffe) als krebserzeugend Kategorie 3 und als erbgutverändernd Kategorie 3 - nach Anhang VI der Richtlinie 67/548/EWG - eingeordnet.

o-Phenylendiamin(OPD) in Form der freien base ist als Feststoff sowie vor allem in flüssiger oder in gelöster Form instabil. In Gegenwart von Sauerstoff oder anderen Oxidationsmitteln bilden sich besonders bei Lichteinwirkung braungefärbte Oxidationsprodukte. Das Dihydrochlorid (OPDHCI) ist als Feststoff stabil gegenüber Oxidantien.

Die Oxidation des OPD verläuft über die Bildung des reaktiven o-Chinondiimins, das mit einem weiteren OPD-Molekül zum 2,3-Diaminophenazin reagiert. Durch Folgereaktionen können auch längere Oligomere des Diaminophenazins gebildet werden.

Arbeitsmedizinische Erfahrungen

Es liegen keine Berichte über arbeitsmedizinische Erfahrungen mit o-Phenylendiamin vor.

Im Rahmen einer in vitro-Studie an menschlicher Abdominalhaut wurde festgestellt, daß die Hautpenetration von o-Phenylendiamin schlechter ist als die von m-Phenylendiamin [1].

Toxikologische Erfahrungen

Siehe TRGS 906 Teil II lfd. Nr. 18 [2].

Meßverfahren

Zur Messung der Konzentration von o-Phenylendiamin in der Luft in Arbeitsbereichen stehen drei Analysenverfahren zur Verfügung.

  1. Bei einem Hersteller und einem Verwender liegt jeweils eine validierte Methode (Nr. 1 und Nr. 2) vor.

    Bei beiden Proben erfolgt die Probenahme mit Pumpe durch Adsorption von o-Phenylendiamin an sauer imprägniertem Kieselgel, bei Methode Nr. 1 in Gegenwart eines Katalysators. Das o-Phenylendiamin wird hierbei als Hydrochlorid gebunden bzw. bei Methode Nr. 1 katalytisch oxidiert. Nach Elution wird die analytische Bestimmung der Reaktionsprodukte mit Flüssigchromatographie und UV-Detektion durchgeführt.

    Die Bestimmungsgrenze beträgt für beide Methoden 0,01 mg/m3 o-Phenylendiamin bei 100 l Probeluft. Die kombinierte Staub/Gas-Probenahme erfolgt mit einer Ansauggeschwindigkeit von 1,25 m/s, wobei die Erfassung der einatembaren Aerosolkonzentration den Anforderungen nach DIN EN 481 genügt.

  2. Eine dritte teilvalidierte Labormethode liegt zusätzlich bei dem Hersteller vor.

    Die Probenahme mit Pumpe erfolgt durch Sammlung von o-Phenylendiamin auf Glasfaserfilter im BIA-Staubsammelkopf. Nach Elution wird die analytische Bestimmung der entstandenen Schiffschen base mit Photometrie durchgeführt.

    Die Staub-Probenahme wird nach Gesamtstaubdefinition mit einer Ansauggeschwindigkeit von 1,25 m/s durchgeführt, wobei die Erfassung der einatembaren Aerosolkonzentration den Anforderungen nach DIN EN 481 genügt.

Herstellung und Verwendung

Herstellung

o-Phenylendiamin wird durch Reduktion von o-Nitroanilin in Toluol als Lösungsmittel in Gegenwart von Katalysator und Wasserstoff im diskontinuierlichen Verfahren hergestellt und durch Destillation gereinigt. Hydrierung und Destillation werden im geschlossenen System durchgeführt. Ein Kontakt mit o-Phenylendiamin ist nur bei Probenahmen und gelegentlichem Filterwechseln sowie Reinigungsarbeiten möglich.

Bei einem deutschen Hersteller wird das Reinprodukt ausschließlich zu Schuppen konfektioniert. Ein Kontakt mit o-Phenylendiamin ist nur beim Abfüllen und Reinigen möglich.

Bei diesen Tätigkeiten sind deshalb geeignete Atem- und Körperschutzmaßnahmen getroffen.

Das o-Phenylendiamin wird als Schmelze aus dem Produktionsbetrieb in fahrbare auf dem Gleis stehende und beheizbare V2A-Eurotainer (20 m3, gasgependelt) gefördert und von dort direkt aus dem Lagerbehälter über geschlossene Leitung auf ein gekapseltes Kühlband gegeben. Die Schmelze wird unter den Schmelzpunkt abgekühlt, abgeschabt und als Schuppen in Fässer abgefüllt.

Da o-Phenylendiamin einen hohen Schmelzpunkt von 101 °C hat, muß das Produkt im Eurotainer sowie in Befüll- und Entnahmeleitungen bei ca. 115 °C flüssig gehalten werden.

Die Schmelze im Eurotainer ist mit Stickstoff überlagert, um die Oxidation des o-Phenylendiamins zu verhindern.

Die auf dem Kühlband erstarrte Schmelze wird an der Umlenkung gebrochen und mit Schabemesser abgenommen. Die Schuppenware (Produkttemperatur ca. 30 °C) fällt über ein geschlossenes System in Fässer. Das Faß steht auf einem Drehteller, so daß der Einstellsack schnell verschlossen werden kann. Sowohl das Verschließen als auch der Wechsel der Fässer werden unter Absaugung durchgeführt.

Die Reinigung des Kühlbandes erfolgt diskontinuierlich am Ende der Produktionskampagne bzw. beim Produktwechsel unter EinwegoveraIl und Atemschutz.

Der Arbeitsbereich Kühlband mit Faßabfüllung für die Schuppenware ist überdacht und zweiseitig eingehaust. Das Kühlband mit einer verfahrensbedingten Länge von ca. 15 m wird an mehreren Stellen abgesaugt. Die Abluft aus den Bereichen Kühlband und Flüssigprodukt-Abfüllung wird einer Abgasreinigung zugeführt.

Verwendung

o-Phenylendiamin wird im diskontinuierlichen Verfahren zur Herstellung von Pflanzenschutzmitteln und zu Farbstoffsynthesen eingesetzt. Die Verwender übernehmen das o-Phenylendiamin in Fässern (Schuppen) bzw. in beheizbaren Containern.

Verwender, die in wenigen Produktionskampagnen pro Jahr o-Phenylendiamin in kleineren Mengen einsetzen, übernehmen typischerweise diesen Einsatzstoff aus Fässern. Das in Containern angelieferte o-Phenylendiamin wird aufgeschmolzen und mit Pumpen in Reaktionsbehälter mit vorgelegtem Lösemittel gepumpt.

Die chemischen Umsetzungen sind vollständig und erfolgen in geschlossenen Apparaturen. Die Reaktionskomponenten werden ebenfalls über geschlossene Leitung zugegeben.

Nach dem Chargieren werden die Fässer, die ggf. noch geringe Produktreste- an o-Phenylendiarnin enthalten können, in einer Faßreinigungsanlage gewaschen. Die Deckelfasser mit Spanruing werden von Hand geöffnet, die Faßreinigungsanlage beschickt und automatisch gereinigt.

Bei einem Verwender wird das Reinprodukt ausschließlich als Schmelze verwendet, die zur Weiterverarbeitung aus beheizbaren Containern in den Reaktor gepumpt wird.

Ergebnisse der Arbeitsbereichsmessungen

Insgesamt sind von einem Hersteller und vier Verwendern 49 Meßergebnisse als Schichtmittelwerte aus den Jahren 1990 bis 1995 für o-Phenylendiamin bekannt.

Herstellung

Bei der Hydrierung und der Destillation ist eine vergleichsweise geringe Exposition gegenüber o-Phenylendiamin zu erwarten. Aus diesem Bereich liegen sieben ortsbezogene Schichtmittelwerte vor:

< 0,01 (N=5); 0,022; 0,045 mg/m3.

Folgender Arbeitsbereich ist hingegen expositionsrelevant:

Die Faßabfüllung von o-Phenylendiamin als Schuppenware.

Bei einem Hersteller wurden insgesamt 24 orts- und personenbezogene Schichtmittelwerte gemessen:

- < 0,01 (N=7);

- 0,01 (N=5);

- 0,02; 0,03 (N=3);

- 0,05; 0,06; 0,07 (N=2);

- 0,08 (N=2);

- 0,14 (N=2) mg/m3.

Der Streubereich der Werte ist repräsentativ für den beschriebenen Arbeitsvorgang bei bestimmungsgemäßem Betrieb. Die höheren Schichtmittelwerte von 0,14 mg/m3 sowie die Differenz zu den niedrigeren Schichtmittelwerten von 0,08 mg/m3 werden dadurch erklärt, daß in diesem Arbeitsbereich der Stoff o-Phenylendiamin sowohl dampfförmig als auch in Partikelform in der Luft auftreten kann.

Verwendung

Bei der Verwendung von o-Phenylendiamin ist der Eintrag von o-Phenylendiamin als geschuppte Faßware in den Reaktionskessel die Tätigkeit mit der höchsten Exposition.

Die Fässer werden mit jeweils 100 kg o-Phenylendiamin als Schuppenware im PE-Einstellsack angeliefert. Nach Öffnen von Hand erfolgt der Eintrag in den Reaktor über ein abgesaugtes Kippsystem.

Anschließende chemische Umsetzungen erfolgen im geschlossenen System und sind daher nicht expositionsrelevant. Nach Abschluß der chemischen Umsetzungen sind die Reste an o-Phenylendiamin sehr gering bzw. anschließend nicht mehr nachweisbar.

Bei vier Verwendern wurden die folgenden 5 orts- und 13 personenbezogenen Schichtmittelwerte gemessen:

Eintrag aus Fässern:

- < 0,01 (N=3);

- 0,01 (N=2);

- 0,02 (N=3);

- 0,1; 0,18 mg/m3

An- und Abschließen von Containern:

- < 0,01 (N=4):

- < 0,01*);

- < 0,03*) mg/m3 mit geschmolzenem o-Phenylendiamin

*) 1- bzw. 2-h- Mittelwert

Faßreinigungsanlage:

< 0,01; 0,01mg/m3

Diese Werte sind repräsentativ für die beschriebenen Arbeitsvorgänge bei bestimmungsgemäßem Betrieb. Die höheren Schichtmittelwerte von 0,1 und 0,18 mg/m3 sowie die Differenz zu den niedrigeren Schichtmittelwerten von 0,02 mg/m3 werden dadurch erklärt, daß in diesem Arbeitsbereich der Stoff o-Phenylendiamin sowohl partikel- als auch dampfförmig in der Luft auftreten kann.

Schutzmaßnahmen

Neben der inhalativen Aufnahme kann o-Phenylendiamin auch über die Haut aufgenommen werden. Dem ist auch bei Ausschöpfung der technischen Möglichkeiten zusätzlich durch geeignete Körperschutzmaßnahmen Rechnung zu tragen (weitere Hinweise: siehe TRGS 150 "Unmittelbarer Hautkontakt mit Gefahrstoffen").

Für die Festlegung des technisch begründeten Luftgrenzwertes für o-Phenylendiamin beim Umgang mit Schuppenware wurden Meßergebnisse von 8-h-Messungen vorgelegt, d.h., Zeiten mit erhöhter Exposition sind in den Schichtmittelwert mit eingeflossen. Kuzzeitwerte wurden nicht bestimmt. Aus Vorsorgegründen ist bei Tätigkeiten mit Expositionsspitzen wie z.B. beim Ab- bzw. Einfüllen von o-Phenylendiamin als Schuppenware geeigneter Atemschutz zu tragen.

Literatur

[1] Greim, H. (Hrsg.): Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe. Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten: o-Phenylendiamin. VCH, Weinheim (1995).

[2] TRGS 906 "Begründungen zur Bewertung von Stoffen der TRGS 905" Teil II lfd. Nr. 18 "o-Phenylendiamin" BArbBl. Heft 4/1997

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