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79. Luftgrenzwert für 2-Nitrotoluol
(CAS-Nr. 88-72-2)
(BArbBl. 11/97 S. 40)
0,5 mg/m3, Überschreitungsfaktor 4;
2-Nitrotoluol ist in der TRGS 905 (Verzeichnis krebserzeugender, erbgutverändernder oder fortpflanzungsgefährdender Stoffe) als krebserzeugend in die Kategorie 2 - nach Anhang 1 der GefStoffV - eingeordnet. In der Bekanntmachung nach § 5 GefStoffV ist 2-Nitrotoluol als giftig legal eingestuft. Die von der EU-Einstufung abweichende nationale Bewertung (K 2) erfolgt zum Schutz der Beschäftigten am Arbeitsplatz, so daß der Arbeitgeber die erforderlichen Maßnahmen treffen kann. Zubereitungen sind als krebserzeugend im Sinne des § 35 Abs. 1 GefStoffV anzusehen, sofern der Massengehalt an 2-Nitrotoluol> 0,1 % beträgt.
Arbeitsmedizinische Erfahrungen
Nach einer 60minütigen Exposition gegenüber 1140 mg/m3 ist über starke toxische Effekte berichtet worden. Eine kurzzeitige Exposition gegenüber 228 mg/m3 ruft Krankheitssymptome hervor, wobei nähere Angaben zu diesen akuttoxischen Wirkungen von 2-Nitrotoluol fehlen. Es sind noch weitere Vergiftungsfälle beschrieben worden, wobei es sich jedoch um Expositionen gegenüber Substanzgemischen handelt, die auch 2-Nitrotoluol enthalten haben. Die Geruchsschwelle für 3-Nitrotoluol liegt bei 0,029 mg/m3 [1, 2].
Epidemiologische Untersuchungen zur Humankanzerogenität von 2-Nitrotoluol sind nicht publiziert.
Toxikologische Erfahrungen
Das Begründungspapier zur Einstufung von 2-Nitrotoluol als krebserzeugend Kategorie 2 wird in der TRGS 906 veröffentlicht werden. Siehe auch [2-6].
Meßverfahren
Für die Bestimmung von 2-Nitrotoluol in der Luft in Arbeitsbereichen steht seit Juni 1995 ein anerkanntes Verfahren (ZH 1/120.58) zur Verfügung.
Die Probenahme erfolgt durch Adsorption an Silicagel, das adsorbierte 2-Nitrotoluol wird mit Methanol desorbiert und gaschromatographisch bestimmt. Die Bestimmungsgrenze ist mit 0,025 mg/m3 bei 120l Probeluft angegeben.
Herstellung und Verwendung
Nitrotoluole (Isomerengemisch) werden durch Nitrierung von Toluol mit Nitriersäure (Schwefelsäure/Salpetersäure) kontinuierlich hergestellt. Das Isomerengemisch besteht aus ca. 63 % 2-Nitrotoluol, 3 - 4 % 3-Nitrotoluol und 33 - 34 % 4-Nitrotoluol. Ein Teil des Isomerengemisches wird von dem anorganischen Säuregemisch abgetrennt, säurefrei gewaschen und getrocknet. In einer Destillationsanlage wird das Isomerengemisch im Vakuum kontinuierlich in die Isomeren aufgetrennt. 2-Nitrotoluol wird über Rohrleitung zur Weiterverarbeitung abgegeben bzw. in Container und Fässer abgefüllt. Expositionsmöglichkeiten bestehen bei Probenahmen, Abfüll-/Umfüllarbeiten und Reinigungsarbeiten.
Die Handhabung von konzentrierten und verdünnten Schwefelsäure/Salpetersäure-Gemischen führt zu erheblichen Korrosionsproblemen und Undichtigkeiten an Apparaten und Rohrleitungen. Expositionserhöhend wirkt sich aus, daß Apparate - wie Separatoren und Nitrierer - im eigentlichen Nitrierbereich nicht mit Wasser gespült werden können. Somit verbleiben als Reinigungsmöglichkeiten vor dem Ausbau der Apparate nur Entleeren und Ausblasen, wobei anhaftende Produktreste unvermeidbar sind.
Ein Teil des Nitrotoluol-Isomerengemisches wird direkt zu Dinitrotoluol nitriert. Isomerenreines 2-Nitrotoluol wird als Ausgangsprodukt für o-Toluidin, Nitrotoluolsulfonsäure usw. verwendet. Dazu wird die Substanz aus Transportbehältern über Zwischenlagertanks in Hydrier- oder Sulfieranlagen gepumpt. Nach den Umsetzungen liegt der Gehalt an o-Nitrotoluol unter 0,1%. Expositionsmöglichkeiten bestehen bei Probenahmen und Abfüll-/Umfüllarbeiten.
Herstellung und Weiterverarbeitung erfolgen in weitgehend geschlossenen Apparaturen, teilweise in Freianlagen. Die Anzahl der Proben wurde, soweit möglich, minimiert. Probenahmestellen sind zum großen Teil auf geschlossene Systeme mit Absaugung umgerüstet. An der Faßabfüllstation ist eine Vorrichtung zur Spundlochabsaugung installiert. Atemschutz wird bei offenen Probenahmen, wie z.B. aus Bahnkesselwagen, aber auch vorsorglich bei sonstigen Probenahmen, bei An- und Abflanschen von Leitungen getragen.
Bei einem Verwender wird 2-Nitrotoluol eingesetzt zur Herstellung eines Isomerengemisches aus Chlornitrotolunlen, das destillativ aufgearbeitet wird. Das 2-Nitrotoluol wird im Bahnkesselwagen angeliefert und von der Gleisabfüllstelle gasgependelt über geschlossene Rohrleitung in das Tanklager übergeführt und vom Verwenderbetrieb ebenfalls über geschlossene Rohrleitung übernommen (Anschluß an Abluftreinigung vorhanden).
Etwa 500 Personen haben regelmäßig oder gelegentlich Umgang mit der Substanz.
Ergebnisse von Arbeitsbereichsmessungen
1993 wurde 2-Nitrotoluol durch die Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe in die Gruppe III a 2 eingestuft. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde der MAK-Wert von 30 mg/m3 dauerhaft sicher eingehalten.
36 Meßergebnisse (Schichtmittelwerte, personenbezogen) aus den Jahren 1993 bis 1996 liegen zwischen 0,03 mg/m3 und 3 mg/m3. Aus der Summenhäufigkeitskurve ergeben sich folgende Werte: 50 % Perzentil 0,19 mg/m3 (Median), 90 % Perzentil 0,8 mg/m3, 95 % Perzentil 1,48 mg/m3.
Die vorliegenden Meßergebnisse aus drei Betrieben sind repräsentativ für die beschriebenen Arbeitsvorgänge bei bestimmungsgemäßem Betrieb und weisen die betriebs- und witterungsbedingte Schwankungsbreite auf. Die höheren Meßergebnisse wurden in der Regel bei den oben beschriebenen Abfüll- und Umfüllarbeiten sowie Reinigungsarbeiten ermittelt. Eine Überprüfung der Werte ergab, daß diese als repräsentativ zu bewerten sind und keine Besonderheiten im Arbeitsablauf widerspiegeln.
Bei einem Luftgrenzwert von 0,5 mg/m3 liegen ca. 15 % der Meßergebnisse oberhalb des Luftgrenzwertes. Dies führt dazu, daß in unregelmäßigen Abständen für die Bereiche erneut eine Arbeitsbereichsanalyse * durchgeführt werden muß und weitere Verbesserungen insbesondere in Form technischer Maßnahmen geprüft werden.
Schutzmaßnahmen
Um die Beschäftigten soweit wie möglich vor einer Exposition durch 2-Nitrotoluol zu schützen, ist beim Öffnen von Apparaten, Behältern und Rohrleitungen vorsorglich stets das Tragen von Atemschutz vorgeschrieben. Dies ist in der Regel der Fall bei Reinigungs-, Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten, bei Abfüllarbeiten in Tankwagen und Containern sowie bei Probenahmen.
Neben der inhalativen Aufnahme kann 2-Nitrotoluol auch über die Haut aufgenommen werden und zur inneren Exposition der Beschäftigten beitragen. Dem ist auch bei Ausschöpfung der technischen Möglichkeiten durch geeignete Körperschutzmaßnahmen Rechnung zu tragen (weitere Hinweise: siehe TRGS 150 "Unmittelbarer Hautkontakt mit Gefahrstoffen, die durch die Haut resorbiert werden können -Hautresorbierbare Gefahrstoffe").
Literatur
[1] TRGS 906 "Begründungen zur Bewertung von Stoffen der TRGS 905" Ausgabe März 1997 (BArbBl. Heft 3/1997 S. 57-76 zuletzt geändert BArbBl. Heft 4/1997 S. 64-69
[2] Greim, H. (Hrsg.): Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe. Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten: 2-Nitro-toluol. Verlag Chemie, Weinheim (1993)
[3] Beratergremium für umweltrelevante Altstoffe (BUA) (Hrsg.):
BUA-Stoffbericht Nr. 41 Nitrotoluole. VCH Verlag, Weinheim (1989)
[4] Dunnick, J. K.; Elwell, M. R. u. Bucher, J. R.: Comparative toxicities of o-, m-, and p-nitrotoluene in 13-week feed studies in F344 rats and B6C3F1 mice. Fundam. Appl. Toxicol. 22, 411 - 421 (1994)
[5] Henschler, D. (Hrsg.): Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe. Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten: o-Toluidin, -Hydrochlorid. Verlag Chemie, Weinheim (1986)
[6] National Cancer Institute (NCI): Bioassay of o-toluidine hydrochloride for possible carcinogenicitiy. Technical Report Series Nr. 153 (1979)
* Anmerkung: Eine Arbeitsbereichsanalyse kann bei einem Grenzwert von 0,5 mg/m3 mit dem Befund "Einhaltung des Grenzwertes unter Zugrundelegung des streng formalen Verfahrens nach Anhang I der TRGS 402 abgeschlossen werden, wenn 1 Meßergebnis kleiner oder gleich 0,05 mg/m3 ist oder bei Vorliegen von mindestens 3 Meßergebnissen aus verschiedenen Schichten, wenn der geometrische Mittelwert der Meßergebnisse kleiner oder gleich 0,25 mg/m3
(Stand: 20.08.2018)
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