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Teil B - Einstufung von anorganischen glasigen Faserstäuben aufgrund von Daten zur Biopersistenz in der Lunge

Ausgabe Mai 1988
(BArbBl. 5/88 S. 73)
(Stand: November 1997)



1 Einleitung und Problemstellung

In Teil a wird ausgeführt. daß unter Berücksichtigung der gesamten gegenwärtigen Datenlage die langgestreckte Gestalt von Staubteilchen ein krebserzeugendes Agens darstellt, sofern die Teilchen hinreichend lang, dünn und biobeständig sind. Außerdem wird darauf hingewiesen, daß die Verweildauer verschiedener Fasertypen in der Lunge von Versuchstieren mit der jeweiligen kanzerogenen Potenz assoziiert ist (1). Aufgrund der damaligen Datenlage war es jedoch nicht möglich zu entscheiden, welche Verweildauer zu welcher Einstufung in die Kategorien der krebserzeugenden Stoffe des Anhangs I der GefStoffV führt. Zwischenzeitlich sind weitere Untersuchungen zur Verweildauer (Biopersistenz) von anorganischen Fasern in der Lunge von Versuchstieren durchgeführt worden (2,3,4,5).

Bei diesen Biopersistenzuntersuchungen wird der Faserstaub den Versuchstieren inhalativ oder intratracheal verabreicht und nach serieller Sektion die in der Lunge verbliebenen Faserzahlen und ihre Größenverteilung bestimmt.

Insbesondere in den Versuchen mit intratrachealer Instillation zeigte sich, daß die Faserelimination näherungsweise einer Kinetik 1. Ordnung folgt. In diesem Fall ist es üblich, die Geschwindigkeit der Faserelimination durch Berechnung der Halbwertzeit zu charakterisieren, d.h. der Zeit, die erforderlich ist, um die anfängliche Lungenbelastung auf die Hälfte zu reduzieren. Bei den Inhalationsuntersuchungen ließen sich die erhaltenen Daten in vielen Fällen besser beschreiben, wenn eine schnelle und eine langsame Elimination zugrundegelegt wird, für die jeweils getrennt Halbwertzeiten berechnet werden können. Auch die Angabe einer gewichteten Halbwertzeit für den gesamten Eliminationsprozess ist möglich.

Grundsätzlich ist von drei Mechanismen der Faserelimination aus der Lunge auszugehen:

  1. Abtransport intakter Fasern durch mucociliäre und Makrophagen vermittelte Clearance (physikalische Elimination)
  2. Brechen und Zerfall von Fasern
  3. Auflösung von Fasern

Insbesondere bei der physikalischen Elimination bestehen beträchtliche Unterschiede zwischen der üblicherweise verwendeten Ratte (vergleichsweise schnell) und dem Menschen (vergleichsweise langsam) (6). Bei den übrigen Mechanismen ist dagegen von ähnlichen Geschwindigkeiten bei Mensch und Ratte auszugehen. Beachtet werden sollte jedoch, daß die Auflösungsgeschwindigkeit von Fasern in verschiedenen Kompartimenten der Lunge unterschiedlich sein kann (Schleimschicht der Bronchien, Wände der Bronchien und Bronchioli; Alveolarmakrophagen, Gewebe zwischen den Alveolen) und letztendlich unbekannt ist, welchem der Kompartimente bei der Tumorentstehung die größere Bedeutung beizumessen ist.

Diese Unterschiede sind bei der Bewertung von Biopersistenzdaten zu berücksichtigen.

Um aus Daten zur Biopersistenz einen Maßstab für die kanzerogene Wirkungsstärke zu entwickeln, muß ein Abgleich mit den Kanzerogenitätsdaten erfolgen.

2 Datenbasis zur Biopersistenz

Da die Auswertemethodik dazu führen kann, daß unterschiedliche Halbwertzeiten für den gleichen Fasertyp berechnet werden, wurden im Auftrag des European Chemicals Bureau (Ispra) publizierte und nicht publizierte Untersuchungen zur Biopersistence nach einer einheitlichen Methodik ausgewertet (7). Die in diesem Bericht berechneten Halbwertzeiten sind in Tabelle 1 und Tabelle 2 zusammengefaßt.

Wie aus der Tabelle 1 ersichtlich, konnten die nach intratrachealer Instillation erhaltenen Retentionsdaten in der Regel mit einer einphasigen Eliminationskinetik beschrieben werden, während nach inhalativer Verabreichung (Tabelle 2) in der Regel eine bessere Kurvenanpassung mit einer biphasigen Eliminationskinetik erreicht wurde. Außerdem waren nach Inhalation in der Regel kürzere Halbwertzeiten als nach intratrachealer Instillation zu verzeichnen und die Fraktion der WHO-Fasern wurde langsamer eliminiert als die Fraktion der Fasern länger als 20 µm.

Obwohl entsprechende Nachweise nicht vorliegen, könnten die versuchsabhängigen systematischen Unterschiede einen oder mehrere der folgenden Gründe haben:

Mit steigenden Dicken und Längen steigt auch der aerodynamische Durchmesser und somit die Depositionswahrscheinlichkeit im oberen Respirationstrakt, in dem die vergleichsweise schnelle mucociläre Clearance wirksam werden kann.

In Tabelle 3 sind die bekannten Dimensionen der jeweiligen Fasertypen, die inhalativ und intratracheal geprüft wurden, einander gegenübergestellt:

Tabelle 3: mittlere Länge und mittlerer Durchmesser von intratracheal und inhalativ geprüften Fasersuspensionen sowie zugehörige Halbwertzeiten.

t1, 2 [Tage]

 

Fasertyp

GMD [µm] GML [µm] WHO L >20 µm     
i.tr. inh. i.tr. inh. i.tr. inh. i.tr. inh.
B-01 0,7 0,5 8,2 11 18 71 5 36
X-607 1,5 0,5 21,8 10 45 125 36 94
MMVF-C 0,5 0,4 7,2 11 27 46 12 5
MMVF-22 0,8

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