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TRGS 910-73: N-Methyl-bis(2-chlorethyl)-amin

(BArbBl. 12/89 S. 73)


Krebserzeugender
Stoff

Gruppen

I
(sehr stark gefährdend)
II
(stark gefährdend)
III
(gefährdend)

Massengehalte im Gefahrstoff in v. H.

N-Methyl-bis(2-chlorethyl)-amin   > 0,1  < 0,1-0,01

Erläuterung:

N-Methyl-bis(2-chlorethyl)-amin (N-Lost) ist ein alkylierendes Agens, das schnell proliferierende Gewebe besonders schädigt. In Form der öligen Flüssigkeit und der Dämpfe wirkt es stark ätzend und blasenziehend auf Haut und Schleimhaut. Es dringt gut durch die Haut. Die Inhalation subletaler Dosen führt beim Menschen u. a. zu Augenschäden, toxischer Pneumonie, Leberschädigung, Urticaria und schwerer Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens auch durch Schädigung sämtlicher Enzyme. Der Stoff ist stark sensibilisierend. Im Tierversuch konnte eine teratogene Wirkung nachgewiesen werden. N-Methyl-bis(2-chlorethyl)-amin ist ein starkes Mutagen.

Zur Frage der kanzerogenen Wirkung von N-Metbyl-bis(2-chlor-ethyl)-amin wurden zahlreiche Versuche mit kutaner Applikation bzw. Injektion an der Maus durchgeführt (s. c., i. p. bzw. i. v.) und ein Versuch mit intravenöser Injektion an der Ratte. In allen Versuchen erwies sich die Substanz als krebserzeugend. Die Stärke der kanzerogenen Wirkung ist anhand dieser Versuche aber kaum zu beurteilen, da praktisch nur toxische Dosen appliziert wurden und mit einer Ausnahme nur Mäuse eingesetzt wurden. Dabei wurden nach kutaner bzw. subkutaner Applikation lokale Tumoren induziert, aber auch eine systemisch kanzerogene Wirkung ließ sich vornehmlich an einer Erhöhung der Lungentumor-Rate bei Mäusen erkennen.

Unter 37 gut dokumentierten Fallen von Sekundärtumoren nach kombinierter N-Lost-Therapie fanden sich 32 Leukämien, 2 Blasenkarzinome, 1 Glioblastom, 1 Mamma-Karzinom und 1 Hautkarzinom. Es wurde eine mittlere kanzerogene Dosis von 42 mg und eine mittlere Latenzzeit von 44 Monaten ermittelt. Allerdings handelt es sich mit Ausnahme von einem Fall einer akuten myeloischen Leukämie nach vorangegangener N-Lost-Therapie jeweils um Fälle von Sekundärtumoren, welche nach vorangegangener Kombinationstherapie mit anderen, z.T. ebenfalls beim Menschen krebserzeugenden Zytostatika wie Cyclophosphamid und Chlorambucil aufgetreten sind (Schmähl et al. 1982; Henne und Schmähl 1985).

Nach topischer Applikation von N-Lost an 202 Patienten mit Hauterkrankungen wurden bei 20 der behandelten an sonnenexponierten Hautstellen Geschwülste beobachtet. Bei 2 Patienten trat Krebs an nicht der Sonne exponierten Hautstellen auf (Henschler 1988).

In einer Kohortenstudie bei 402 deutschen Arbeitern, die zwischen 1935 und 1945 bei der Munitionsherstellung einer Exposition mit Schwefel-Lost-, Stickstoff-Lost und Lost-Gemischen ausgesetzt waren, wurde eine um den Faktor 2,2 erhöhte Lungenkrebssterblichkeit gefunden. 11 beobachteten Fällen standen 4,95 erwartete gegenüber. Informationen über die Expositionshöhe, -dauer und die Latenzzeit sind der Untersuchung nicht zu entnehmen. Die Arbeit ist nicht spezifisch für die Exposition mit Stickstoff-Lost (Weiß und Weiß 1975).

Die Beobachtungen beim Menschen gestatten keine Quantifizierung der krebserzeugenden Wirkung von N-Methyl-bis(2-chlorethyl)-amin. Die Sekundärtumoren nach zytostatischer N-Lost-Therapie sowie die Ergebnisse der beschriebenen Kohortenstudie bei beruflich mit N-Lost-exponierten Beschäftigten sind nicht spezifisch für diese Substanz, da gleichzeitig eine Exposition mit anderen potentiell krebserzeugenden Stoffen vorlag. N-Methylbis(2-chlorethyl)-amin wird wegen seiner starken mutagenen Wirkung und wegen seiner selbst in limitierten Tierversuchen leicht nachweisbaren krebserzeugenden Wirkung in die Gruppe II der stark gefährdenden Stoffe mit der vergleichsweise geringen Konzentration von 0,1 % eingestuft.

Literatur

1. Henne, T., Schmähl, D.: Occurrence of second primary malignancies in man - a second look, Cancer Treatment Reviews 12 (1985) 77-94

2. Henschler, D.: Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe - Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten, Verlag Chemie, Weinheim, 1988

3. Schmähl, D., Habs, M., Lorenz, M., Wagner, I.: Occurrence of second tumors in man after anticancer drug treatment, Cancer Treatment Reviews 9 (1982)167-194

4. Weiß, A., Weiß, B.: Karzinogenese durch Lost-Exposition beim Menschen, ein wichtiger Hinweis für die Alkylantien-Therapie, Deutsche Medizinische Wochenschrift 100 (1975) 919-923

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