umwelt-online: Gesetz über den Vollzug der Jugendstrafe - JStVollzG M-V - Jugendstrafvollzugsgesetz Mecklenburg-Vorpommern (2)

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§ 60 Hausgeld

(1) Die Gefangenen dürfen von ihren in diesem Gesetz geregelten Bezügen drei Siebtel monatlich (Hausgeld) und das Taschengeld (§ 59) für den Einkauf (§ 31 Abs. 2) oder anderweitig verwenden.

(2) Für Gefangene, die in einem freien Beschäftigungsverhältnis stehen oder denen gestattet ist, sich selbst zu beschäftigen (§ 37 Abs. 4), wird aus ihren Bezügen ein angemessenes Hausgeld festgesetzt.

(3) Für Gefangene, die über Eigengeld (§ 61) verfügen und unverschuldet keine Bezüge nach diesem Gesetz erhalten, gilt Absatz 2 entsprechend.

§ 61 Eigengeld

(1) Das Eigengeld besteht aus den Beträgen, die die Gefangener bei Strafantritt in die Anstalt mitbringen, Geldern, die ihnen während der Haftzeit zugehen und Bezügen, die nicht als Hausgeld ir Anspruch genommen werden.

(2) Die Gefangenen können über das Eigengeld verfügen. § 31 Abs. 3 und 4 und § 60 bleiben unberührt.

Abschnitt 9
Sicherheit und Ordnung

§ 62 Grundsatz

(1) Sicherheit und Ordnung der Anstalt bilden die Grundlage der auf die Erziehung und Förderung aller Gefangenen ausgerichteter Anstaltslebens und tragen dazu bei, dass in der Anstalt ein gewaltfreies Klima herrscht.

(2) Die Pflichten und Beschränkungen, die den Gefangenen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt auferlegt werden, sind so zu wählen, dass sie in einem angemessener Verhältnis zu ihrem Zweck stehen und die Gefangenen nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen.

§ 63 Verhaltensvorschriften

(1) Die Gefangenen sind für das geordnete Zusammenleben in der Anstalt mitverantwortlich und müssen mit ihrem Verhalten dazu beitragen. Ihr Bewusstsein hierfür ist zu entwickeln und zu stärken.

(2) Die Gefangenen haben sich nach der Tageseinteilung der Anstalt (Arbeitszeit, Freizeit, Ruhezeit) zu richten.

(3) Die Gefangenen haben die Anordnungen der Bediensteten zu befolgen, auch wenn sie sich durch diese beschwert fühlen. Einen ihnen zugewiesenen Bereich dürfen sie nicht ohne Erlaubnis verlassen.

(4) Die Gefangenen haben ihren Haftraum und die ihnen von der Anstalt überlassenen Sachen in Ordnung zu halten und schonend zu behandeln.

(5) Die Gefangenen haben Umstände, die eine Gefahr für das Leben oder eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit einer Person bedeuten, unverzüglich zu melden.

§ 64 Absuchung, Durchsuchung

(1) Die Gefangenen, ihre Sachen und die Hafträume dürfen mit technischen Mitteln abgesucht und durchsucht werden. Die Durchsuchung männlicher Gefangener darf nur von Männern, die Durchsuchung weiblicher Gefangener darf nur von Frauen vorgenommen werden. Das Schamgefühl ist zu schonen.

(2) Nur bei Gefahr im Verzug oder auf Anordnung des Anstaltsleiters im Einzelfall ist es zulässig, eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung vorzunehmen. Sie darf bei männlichen Gefangenen nur in Gegenwart von Männern, bei weiblichen Gefangenen nur in Gegenwart von Frauen erfolgen. Sie ist in einem geschlossenen Raum durchzuführen. Andere Gefangene dürfen nicht anwesend sein.

(3) Der Anstaltsleiter kann allgemein anordnen, dass Gefangene bei der Aufnahme, vor und nach Kontakten mit Besuchern sowie vor und nach jeder Abwesenheit von der Anstalt nach Absatz 2 zu durchsuchen sind.

§ 65 Sichere Unterbringung

(1) Gefangene können in eine Anstalt verlegt werden, die zu ihrer sicheren Unterbringung besser geeignet ist, wenn in erhöhtem Maße Fluchtgefahr gegeben ist oder sonst ihr Verhalten oder ihr Zustand eine Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt darstellt.

(2) § 12 Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.

§ 66 (aufgehoben) 20

§ 67 (aufgehoben) 20

§ 68 Maßnahmen zur Feststellung von Suchtmittelkonsum

(1) Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt kann der Anstaltsleiter allgemein oder im Einzelfall Maßnahmen anordnen, die geeignet sind, den Missbrauch von Suchtmitteln festzustellen. Diese Maßnahmen dürfen nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sein.

(2) Wird Suchtmittelmissbrauch festgestellt, können die Kosten der Maßnahmen den Gefangenen auferlegt werden.

§ 69 Festnahmerecht 20

Gefangene, die entwichen sind oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Anstalt aufhalten, können durch die Anstalt oder auf deren Veranlassung festgenommen und zurückgebracht werden.

§ 70 Besondere Sicherungsmaßnahmen 20

(1) Soweit in den nachfolgenden Absätzen und in § 72 Absatz 2 nicht abweichend geregelt, können gegen Gefangene besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn nach ihrem Verhalten oder aufgrund ihres seelischen Zustandes in erhöhtem Maße Fluchtgefahr oder die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen oder die Gefahr der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht.

(2) Als besondere Sicherungsmaßnahmen sind zulässig:

  1. der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen,
  2. die Beobachtung der Gefangenen, auch mit technischen Hilfsmitteln,
  3. die Trennung von allen anderen Gefangenen (Absonderung),
  4. die Beschränkung des Aufenthalts im Freien,
  5. die Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände und
  6. die Fesselung und die Fixierung.

(3) Maßnahmen nach Absatz 2 Nr. 1, 3 und 5 sind auch zulässig, wenn die Gefahr einer Befreiung oder eine erhebliche Störung der Hausordnung anders nicht vermieden oder behoben werden kann.

(4) Eine Absonderung von mehr als 24 Stunden Dauer ist nur zulässig, wenn sie zur Abwehr einer in der Person der Gefangenen liegenden Gefahr unerlässlich ist.

(5) Bei einer Ausführung, Vorführung oder beim Transport ist die Fesselung auch dann zulässig, wenn Fluchtgefahr besteht.

§ 71 Einzelhaft 20

Die unausgesetzte Absonderung von Gefangenen (Einzelhaft) ist nur zulässig, wenn dies aus Gründen, die in deren Person liegen, unerlässlich ist. Einzelhaft von mehr als zwei Monaten Gesamtdauer im Jahr bedarf der Zustimmung der Aufsichtsbehörde. Während des Vollzugs der Einzelhaft sind die Gefangenen in besonderem Maße zu betreuen.

§ 72 Fesselung und Fixierung 20

(1) In der Regel dürfen Fesseln nur an den Händen oder an den Füßen angelegt werden. Im Interesse der Gefangenen kann die Anstaltsleitung eine andere Art der Fesselung anordnen. Die Fesselung wird zeitweise gelockert, soweit dies notwendig ist.

(2) Eine Fesselung der Gefangenen, durch welche die Bewegungsfreiheit vollständig aufgehoben wird (Fixierung), ist nur zulässig, soweit und solange eine gegenwärtige erhebliche Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen, der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht und die Fixierung zur Abwehr dieser Gefahr unerlässlich ist.

§ 73 Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen, Verfahren 20

(1) Vorbehaltlich des Absatzes 3 Satz 1 ordnet die Anstaltsleitung besondere Sicherungsmaßnahmen an; dies gilt auch für kurzfristige Fixierungen, die absehbar die Dauer von einer halben Stunde unterschreiten. Bei Gefahr im Verzug können auch andere Bedienstete diese Maßnahmen vorläufig anordnen; die Entscheidung der Anstaltsleitung ist unverzüglich einzuholen.

(2) Werden die Gefangenen ärztlich behandelt oder beobachtet oder bildet ihr seelischer Zustand den Anlass der besonderen Sicherungsmaßnahme, ist vor der Anordnung einer besonderen Sicherungsmaßnahme nach Absatz 1 eine ärztliche Stellungnahme einzuholen. Ist dies wegen Gefahr im Verzug nicht möglich, wird die Stellungnahme unverzüglich nachträglich eingeholt.

(3) Eine nicht nur kurzfristige Fixierung, die absehbar die Dauer von einer halben Stunde überschreitet, bedarf grundsätzlich der vorherigen Anordnung durch das gemäß § 93 des Jugendgerichtsgesetzes zuständige Amtsgericht. Bei Gefahr im Verzug kann die Anordnung der Fixierung durch die Anstaltsleitung oder einen anderen zuständigen Bediensteten der Anstalt getroffen werden. Sofern nicht die in Satz 4 benannten Ausnahmen vorliegen, ist die gerichtliche Entscheidung unverzüglich nachträglich einzuholen. Eine richterliche Entscheidung ist nicht erforderlich, wenn bereits zu Beginn der Fixierung abzusehen ist, dass die Entscheidung erst nach Wegfall des Grundes für die Fixierung ergehen wird, oder die Fixierung vor Herbeiführung der Entscheidung tatsächlich beendet und auch keine zeitnahe Wiederholung zu erwarten ist. Ist eine richterliche Entscheidung beantragt und die Fixierung vor deren Erlangung beendet worden, ist dies dem Gericht unverzüglich mitzuteilen.

(4) Die Entscheidung über die Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen nach Absatz 1 oder Absatz 3 Satz 2 wird den Gefangenen mündlich eröffnet und mit einer kurzen Begründung schriftlich abgefasst. Bei einer Fixierung nach Absatz 1 oder Absatz 3 Satz 2 haben die Anstalten darüber hinaus die Anordnung und die dafür maßgeblichen Gründe zu dokumentieren.

(5) Im Übrigen haben die Anstalten bei allen Fixierungen den Verlauf, die Dauer, die Art der Überwachung und die Beendigung zu dokumentieren. Nach Beendigung einer Fixierung, die nicht gerichtlich angeordnet wurde, sind die Gefangenen auf ihr Recht hinzuweisen, die Zulässigkeit der durchgeführten Maßnahme bei dem für die Überprüfung vollzuglicher Maßnahmen zuständigen Gericht überprüfen zu lassen; auch dieser Hinweis ist aktenkundig zu machen.

(6) Die Anstalten haben besondere Sicherungsmaßnahmen in angemessenen Abständen daraufhin zu überprüfen, ob und in welchem Umfang sie aufrechterhalten werden müssen; dies gilt insbesondere bei Fixierungen.

(7) Besondere Sicherungsmaßnahmen nach § 70 Absatz 2 Nummer 3, 5 und 6 sind der Aufsichtsbehörde unverzüglich mitzuteilen, wenn sie länger als drei Tage aufrechterhalten werden. Absonderung und Unterbringung im besonders gesicherten Haftraum an mehr als 30 Tagen innerhalb von zwölf Monaten bedürfen der Zustimmung der Aufsichtsbehörde.

(8) Während der Absonderung oder der Unterbringung im besonders gesicherten Haftraum sowie während einer Fixierung sind die Gefangenen in besonderem Maße zu betreuen. Sind die Gefangenen fixiert oder sind sie während der Absonderung oder der Unterbringung im besonders gesicherten Haftraum in einer anderen Art gefesselt, sind sie durch Bedienstete ständig und in unmittelbarem Sicht- und Sprechkontakt zu beobachten. Für diese Aufgaben dürfen bei einer Fixierung nur Bedienstete eingesetzt werden, die in diese Aufgaben eingewiesen worden sind.

§ 74 Ärztliche Überwachung 20

(1) Sind die Gefangenen in einem besonders gesicherten Haftraum untergebracht oder gefesselt, sucht sie eine Ärztin oder ein Arzt alsbald und in der Folge möglichst täglich auf. Während einer Fixierung ist unverzüglich eine Ärztin oder ein Arzt herbeizuziehen. Satz 1 gilt nicht bei einer Fesselung während einer Ausführung, Vorführung oder eines Transportes sowie bei Bewegungen innerhalb der Anstalt.

(2) Eine Ärztin oder ein Arzt ist regelmäßig zu hören, solange die Gefangenen länger als 24 Stunden abgesondert sind.

§ 75 Ersatz von Aufwendungen

(1) Die Gefangenen sind verpflichtet, der Anstalt Aufwendungen zu ersetzen, die sie durch eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Selbstverletzung oder Verletzung anderer Gefangener verursach haben. Ansprüche aus sonstigen Rechtsvorschriften bleiben unberührt.

(2) Von der Aufrechnung oder Vollstreckung wegen der in Absatz 1 genannten Forderungen ist abzusehen, soweit hierdurch die Erziehung und Förderung der Gefangenen oder ihre Eingliederung behindert würde.

Abschnitt 10
Unmittelbarer Zwang

§ 76 Begriffsbestimmungen

(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel und durch Waffen.

(2) Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen.

(3) Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind insbesondere Fesseln und Reizstoffe.

(4) Waffen sind die dienstlich zugelassenen Hieb- und Schusswaffen.

§ 77 Allgemeine Voraussetzungen

(1) Die Bediensteten dürfen unmittelbaren Zwang anwenden, wenn sie Vollzugs- und Sicherungsmaßnahmen rechtmäßig durchführen und der damit verfolgte Zweck auf keine andere Weise erreicht werden kann.

(2) Gegen andere Personen als Gefangene darf unmittelbarer Zwang angewendet werden, wenn sie es unternehmen, Gefangene zu befreien oder widerrechtlich in die Anstalt einzudringen oder wenn sie sich unbefugt darin aufhalten.

(3) Das Recht zu unmittelbarem Zwang aufgrund anderer Regelungen bleibt unberührt.

§ 78 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

(1) Unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs sind diejenigen zu wählen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigen.

(2) Unmittelbarer Zwang unterbleibt, wenn ein durch ihn zu erwartender Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.

§ 79 Handeln auf Anordnung

(1) Wird unmittelbarer Zwang von einem Vorgesetzten oder einer sonst befugten Person angeordnet, sind die Bediensteten verpflichtet, ihn anzuwenden, es sei denn, die Anordnung verletzt die Menschenwürde oder ist nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt worden.

(2) Die Anordnung darf nicht befolgt werden, wenn dadurch eine Straftat begangen würde. Befolgen die Bediensteten sie trotzdem, trifft sie eine Schuld nur, wenn sie erkennen oder wenn es nach den ihnen bekannten Umständen offensichtlich ist, dass dadurch eine Straftat begangen wird.

(3) Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung haben Bedienstete dem Anordnenden gegenüber vorzubringen, soweit das nach den Umständen möglich ist. Abweichende Bestimmungen des allgemeinen Beamtenrechts über die Mitteilung solcher Bedenken an Vorgesetzte (§ 60 Abs. 2 und 3 des Landesbeamtengesetzes) sind nicht anzuwenden.

§ 80 Androhung

Unmittelbarer Zwang ist vorher anzudrohen. Die Androhung darf nur dann unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen oder unmittelbarer Zwang sofort angewendet werden muss, um eine rechtswidrige Tat, die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, zu verhindern oder eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden.

§ 81 Schusswaffengebrauch

(1) Der Gebrauch von Schusswaffen durch Bedienstete innerhalb der Anstalt ist verboten. Das Recht zum Schusswaffengebrauch aufgrund anderer Vorschriften durch Polizeivollzugsbedienstete bleibt hiervon unberührt.

(2) Außerhalb der Anstalt dürfen Schusswaffen durch Bedienstete nach Maßgabe der folgenden Absätze nur gebraucht werden, wenn andere Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs bereits erfolglos waren oder keinen Erfolg versprechen. Gegen Personen ist ihr Gebrauch nur zulässig, wenn der Zweck nicht durch Waffenwirkung gegen Sachen erreicht wird.

(3) Schusswaffen dürfen nur die dazu bestimmten Bediensteten gebrauchen und nur, um angriffs- oder fluchtunfähig zu machen. Ihr Gebrauch unterbleibt, wenn dadurch erkennbar Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet würden.

(4) Der Gebrauch von Schusswaffen ist vorher anzudrohen. Als Androhung gilt auch ein Warnschuss. Ohne Androhung dürfen Schusswaffen nur dann gebraucht werden, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.

(5) Gegen Gefangene dürfen Schusswaffen gebraucht werden,

  1. wenn sie eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug trotz wiederholter Aufforderung nicht ablegen,
  2. wenn sie eine Meuterei (§ 121 des Strafgesetzbuchs) unternehmen oder
  3. um ihre Flucht zu vereiteln oder um sie wiederzuergreifen.

Satz 1 Nr. 2 und 3 findet auf minderjährige Gefangene keine Anwendung.

(6) Gegen andere Personen dürfen Schusswaffen gebraucht werden, wenn sie es unternehmen, Gefangene gewaltsam zu befreien.

Abschnitt 11
Erzieherische Maßnahmen, Disziplinarmaßnahmen

§ 82 Erzieherische Maßnahmen

(1) Verstöße der Gefangenen gegen Pflichten, die ihnen durch oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegt sind, sind unverzüglich im erzieherischen Gespräch aufzuarbeiten. Daneben können Maßnahmen angeordnet werden, die geeignet sind, den Gefangenen ihr Fehlverhalten bewusst zu machen (erzieherische Maßnahmen). Als erzieherische Maßnahmen kommen namentlich in Betracht die Erteilung von Weisungen und Auflagen, die Beschränkung oder der Entzug einzelner Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung und der Ausschluss von gemeinsamer Freizeit oder von einzelnen Freizeitveranstaltungen bis zur Dauer einer Woche.

(2) Der Anstaltsleiter legt fest, welche Bediensteten befugt sind, erzieherische Maßnahmen anzuordnen.

(3) Es sollen solche erzieherischen Maßnahmen angeordnet werden, die mit der Verfehlung in Zusammenhang stehen.

§ 83 Disziplinarmaßnahmen

(1) Disziplinarmaßnahmen dürfen nur angeordnet werden, wenn erzieherische Maßnahmen nach § 82 nicht ausreichen, um den Gefangenen das Unrecht ihrer Handlung zu verdeutlichen. Zu berücksichtigen ist ferner eine aus demselben Anlass angeordnete besondere Sicherungsmaßnahme.

(2) Disziplinarmaßnahmen können angeordnet werden, wenn Gefangene rechtswidrig und schuldhaft

  1. gegen Strafgesetze verstoßen oder eine Ordnungswidrigkeit begehen,
  2. andere Personen verbal oder tätlich angreifen,
  3. Lebensmittel oder fremdes Eigentum zerstören oder beschädigen,
  4. sich zugewiesenen Aufgaben entziehen,
  5. verbotene Gegenstände in die Anstalt bringen,
  6. sich am Einschmuggeln verbotener Gegenstände beteiligen oder sie besitzen,
  7. entweichen oder zu entweichen versuchen oder
  8. in sonstiger Weise wiederholt oder schwerwiegend gegen die Hausordnung verstoßen oder das Zusammenleben in der Anstalt stören.

(3) Zulässige Disziplinarmaßnahmen sind

  1. die Beschränkung oder der Entzug des Rundfunkempfangs bis zu zwei Monaten,
  2. die Beschränkung oder der Entzug der Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung oder der Ausschluss von gemeinsamer Freizeit oder von einzelnen Freizeitveranstaltungen bis zu zwei Monaten,
  3. die Beschränkung des Einkaufs bis zu zwei Monaten und
  4. Arrest bis zu zwei Wochen.

(4) Disziplinarmaßnahmen sind auch zulässig, wenn wegen derselben Verfehlung ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet wird.

(5) Mehrere Disziplinarmaßnahmen können miteinander verbunden werden.

(6) Arrest darf nur wegen schwerer oder wiederholter Verfehlungen verhängt werden.

§ 84 Vollzug der Disziplinarmaßnahmen, Aussetzung zur Bewährung

(1) Disziplinarmaßnahmen werden in der Regel sofort vollstreckt.

(2) Disziplinarmaßnahmen können ganz oder teilweise bis zu sechs Monaten zur Bewährung ausgesetzt werden.

(3) Arrest wird in Einzelhaft vollzogen. Er ist erzieherisch auszugestalten. Die Gefangenen können in einem besonderen Arrestraum untergebracht werden, der den Anforderungen entsprechen muss, die an einen zum Aufenthalt bei Tag und Nacht bestimmten Haftraum gestellt werden. Soweit nichts anderes angeordnet wird, ruhen die Befugnisse der Gefangenen aus den §§ 29 und 30 Abs. 2, § 31 Abs. 2 und 3 sowie den §§ 37 und 40 bis 42.

§ 85 Disziplinarbefugnis

(1) Disziplinarmaßnahmen ordnet der Anstaltsleiter an. Bei einer Verfehlung auf dem Weg in eine andere Anstalt zum Zweck der Verlegung ist die aufnehmende Anstalt zuständig.

(2) Die Aufsichtsbehörde entscheidet, wenn sich die Verfehlung gegen den Anstaltsleiter richtet.

(3) Disziplinarmaßnahmen, die gegen die Gefangenen in einer anderen Anstalt oder während einer Untersuchungshaft angeordnet worden sind, werden auf Ersuchen vollstreckt. § 84 Abs. 2 bleibt unberührt.

§ 86 Verfahren

(1) Der Sachverhalt ist zu klären. Die betroffenen Gefangenen werden gehört. Sie sind darauf hinzuweisen, dass es ihnen freisteht sich zu äußern. Die Erhebungen werden in einer Niederschrift festgelegt; die Einlassung der Gefangenen wird vermerkt.

(2) Bei schweren Verfehlungen soll sich der Anstaltsleiter vor der Entscheidung mit Personen besprechen, die an der Erziehung der Gefangenen mitwirken.

(3) Vor der Anordnung von Disziplinarmaßnahmen gegen Gefangene, die sich in ärztlicher Behandlung befinden, oder gegen Schwangere oder stillende Mütter ist ein Arzt zu hören.

(4) Die Entscheidung wird den Gefangenen von dem Anstaltsleiter mündlich eröffnet und mit einer kurzen Begründung schriftlich abgefasst.

(5) Bevor Arrest vollzogen wird, ist ein Arzt zu hören. Während des Arrestes stehen die Gefangenen unter ärztlicher Aufsicht. Der Vollzug unterbleibt oder wird unterbrochen, wenn die Gesundheit der Gefangenen gefährdet würde.

Abschnitt 12
Beschwerde

§ 87 Beschwerderecht

(1) Die Gefangenen erhalten Gelegenheit, sich mit Wünschen, Anregungen und Beschwerden in Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, an den Anstaltsleiter zu wenden.

(2) Besichtigen Vertreter der Aufsichtsbehörde die Anstalt, so ist zu gewährleisten, dass die Gefangenen sich in Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, an diese wenden können.

(3) Die Möglichkeit der Dienstaufsichtsbeschwerde bleibt unberührt.

Abschnitt 13 20
(aufgehoben)

§ 88 (aufgehoben) 20

§ 89 (aufgehoben) 20

§ 90 (aufgehoben) 20

§ 91 (aufgehoben) 20

§ 92 (aufgehoben) 20

§ 93 (aufgehoben) 20

§ 94 (aufgehoben) 20

§ 95 (aufgehoben) 20

§ 96 (aufgehoben) 20

Abschnitt 14
Kriminologische Forschung

§ 97 Evaluation, kriminologische Forschung 20

(1) Behandlungsprogramme für die Gefangenen sind auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse zu konzipieren, zu standardisieren und auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen.

(2) Der Vollzug, insbesondere seine Aufgabenerfüllung und Gestaltung, die Umsetzung seiner Leitlinien sowie die Behandlungsprogramme und deren Wirkungen auf das Vollzugsziel, soll regelmäßig durch den kriminologischen Dienst, durch eine Hochschule oder durch eine andere Stelle wissenschaftlich begleitet und erforscht werden.

Abschnitt 15
Aufbau der Jugendstrafvollzugsanstalt

§ 98 Jugendstrafvollzugsanstalt

(1) Die Jugendstrafe wird in Jugendstrafvollzugsanstalten oder Teilanstalten (Anstalt) vollzogen.

(2) Räume für den Aufenthalt während der Ruhe- und Freizeit sowie Gemeinschafts- und Besuchsräume sind zweckentsprechend auszugestalten.

(3) Die Abteilungen der Anstalt sollen in Wohngruppen gegliedert sein, zu denen neben den Hafträumen weitere Räume zur gemeinsamen Nutzung gehören.

§ 99 Festsetzung der Belegungsfähigkeit, Verbot der Überbelegung

(1) Die Aufsichtsbehörde setzt die Belegungsfähigkeit der Anstalt so fest, dass eine angemessene Unterbringung während der Ruhezeit gewährleistet ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine ausreichende Anzahl von Plätzen für Aus- und Weiterbildung, Arbeit sowie von Räumen für Seelsorge, Freizeit, Sport, therapeutische Maßnahmen und Besuche zur Verfügung steht.

(2) Hafträume dürfen nicht mit mehr Gefangenen als zugelassen belegt werden. Ausnahmen von Satz 1 sind nur vorübergehend und nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde zulässig.

§ 100 Einrichtungen zur schulischen und beruflichen Bildung, Arbeitsbetriebe

(1) Einrichtungen zur schulischen und beruflichen Bildung, arbeitstherapeutischen Beschäftigung und Betriebe für die Arbeit sind vorzuhalten. Sie sind den Verhältnissen außerhalb der Anstalt anzugleichen.

(2) Bildung und Beschäftigung können auch in geeigneten privaten Einrichtungen und Betrieben erfolgen. Die technische und fachliche Leitung kann Angehörigen dieser Einrichtungen und Betriebe übertragen werden.

§ 101 Anstaltsleitung

(1) Der Anstaltsleiter trägt die Verantwortung für den gesamten Vollzug und vertritt die Anstalt nach außen. Er kann einzelne Aufgabenbereiche auf andere Bedienstete übertragen. Die Aufsichtsbehörde kann sich die Zustimmung zur Übertragung vorbehalten.

(2) Für jede Anstalt ist ein Beamter des höheren Dienstes zum hauptamtlichen Leiter zu bestellen. Aus besonderen Gründen kann eine Anstalt auch von einem Beamten des gehobenen Dienstes geleitet werden.

§ 102 Bedienstete

Die Anstalt wird mit dem für das Erreichen des Vollzugsziels erforderlichen Personal ausgestattet. Es muss für die erzieherische Gestaltung des Vollzugs geeignet und qualifiziert sein. Fortbildung sowie Praxisberatung und -begleitung für die Bediensteten sind zu gewährleisten.

§ 103 Seelsorger

(1) Die Seelsorger werden im Einvernehmen mit der jeweiligen Religionsgemeinschaft im Hauptamt bestellt oder vertraglich verpflichtet.

(2) Wenn die geringe Anzahl der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft eine Seelsorge nach Absatz 1 nicht rechtfertigt, ist die seelsorgerische Betreuung auf andere Weise zuzulassen.

(3) Mit Zustimmung des Anstaltsleiters darf der Anstaltsseelsorger sich freier Seelsorgehelfer bedienen und diese für Gottesdienste sowie für andere religiöse Veranstaltungen von außen zuziehen.

§ 104 Medizinische Versorgung

(1) Die ärztliche Versorgung ist sicherzustellen.

(2) Die Pflege der Kranken soll von Bediensteten ausgeübt werden, die eine Erlaubnis nach dem Krankenpflegegesetz besitzen. Solange diese nicht zur Verfügung stehen, können auch Bedienstete eingesetzt werden, die eine sonstige Ausbildung in der Krankenpflege erfahren haben.

§ 105 Sozialtherapeutische Abteilung

In der Anstalt ist eine sozialtherapeutische Abteilung einzurichten.

§ 106 Konferenzen

Zur Erstellung und Fortschreibung des Vollzugsplans und zur Vorbereitung anderer wichtiger Vollzugsentscheidungen führt der Anstaltsleiter Konferenzen mit an der Erziehung maßgeblich Beteiligten durch.

§ 107 Mitverantwortung der Gefangenen

Den Gefangenen soll ermöglicht werden, an der Verantwortung für Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse teilzunehmen, die sich ihrer Eigenart und der Aufgabe der Anstalt nach für ihre Mitwirkung eignen.

§ 108 Hausordnung

(1) Der Anstaltsleiter erlässt eine Hausordnung. Die Aufsichtsbehörde kann sich die Genehmigung vorbehalten.

(2) In die Hausordnung sind namentlich Anordnungen aufzunehmen über die

  1. Besuchszeiten, Häufigkeit und Dauer der Besuche,
  2. Arbeitszeit, Freizeit und Ruhezeit sowie
  3. Gelegenheit, Anträge und Beschwerden anzubringen oder sich an einen Vertreter der Aufsichtsbehörde zu wenden.

Abschnitt 16
Aufsicht , Beirat

§ 109 Aufsichtsbehörde

Das Justizministerium führt die Aufsicht über die Anstalt.

§ 110 Vollstreckungsplan 16

Die Aufsichtsbehörde regelt die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Anstalten in einem Vollstreckungsplan.

§ 111 Beirat

(1) Bei der Anstalt ist ein Beirat zu bilden. Bedienstete dürfen nicht Mitglieder des Beirats sein. Das Justizministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Verfahren der Bestellung des Beirats, seine Amtsdauer und die wesentlichen Punkte seiner Tätigkeit sowie die Anzahl und Entschädigung seiner Mitglieder zu regeln.

(2) Die Mitglieder des Beirats wirken bei der Gestaltung des Vollzugs und bei der Betreuung der Gefangenen mit. Sie unterstützen den Anstaltsleiter durch Anregungen und Verbesserungsvorschläge und helfen bei der Eingliederung der Gefangenen nach der Entlassung.

(3) Die Mitglieder des Beirats können namentlich Wünsche, Anregungen und Beanstandungen entgegennehmen. Sie können sich über die Unterbringung, Beschäftigung, berufliche Bildung, Verpflegung, ärztliche Versorgung und Behandlung unterrichten sowie die Anstalt besichtigen. Sie können die Gefangenen in ihren Räumen aufsuchen. Unterhaltung und Schriftwechsel werden nicht überwacht.

(4) Die Mitglieder des Beirats sind verpflichtet, außerhalb ihres Amtes über alle Angelegenheiten, die ihrer Natur nach vertraulich sind, besonders über Namen und Persönlichkeit der Gefangenen, Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt auch nach Beendigung ihres Amtes.

Abschnitt 17
Schlussbestimmungen

§ 112 Einschränkung von Grundrechten

Durch dieses Gesetz werden die Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 des Grundgesetzes) und auf Unverletzlichkeit des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 Abs. 1 des Grundgesetzes) eingeschränkt.

§ 113 Gleichstellungsbestimmung

Status- und Funktionsbezeichnungen in diesem Gesetz gelten jeweils in männlicher und weiblicher Form.

§ 114 Inkrafttreten

§ 57 Abs. 6 sowie die §§ 110 und 111 Abs. 1 Satz 3 treten am Tag nach der Verkündung in Kraft. Im Übrigen tritt dieses Gesetz am 1. Januar 2008 in Kraft.

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