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MVollzG - Maßregelvollzugsgesetz
Landesgesetz über den Vollzug freiheitsentziehender Maßregeln

Vom 23. September 1986
(GVBl 223;..; 10.04.2003 S. 55; 22.12.2004 S. 571; 20.12.2011 S. 427 11; 27.05.2014 S. 69 14 aufgehoben)
Gl.-Nr: 3216-4



zur aktuellen Fassung

Erster Abschnitt
Zweck und Organisation

§ 1 Grundsätze und Ziele des Maßregelvollzugs

(1) Dieses Gesetz regelt den Vollzug freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung (Maßregelvollzug) in einem psychiatrischen Krankenhaus und einer Entziehungsanstalt (Einrichtungen).

(2) Der Maßregelvollzug soll den untergebrachten Patienten durch Behandlung und Betreuung befähigen, ein in die Gemeinschaft eingegliedertes Leben zu führen, und die Allgemeinheit vor weiteren rechtswidrigen Taten schützen. Seine Bereitschaft zur Mitwirkung bei der Behandlung ist zu wecken und zu fördern.

(3) Die Einrichtungen sollen mit Behörden, Stellen und Personen zusammenarbeiten, die das Ziel der Unterbringung fördern können. In Zusammenarbeit mit den Einrichtungen der Forschung und Lehre sollen insbesondere die Behandlungsmethoden wissenschaftlich fortentwickelt und die Ergebnisse für die Zwecke einer verbesserten Gestaltung des Maßregelvollzugs nutzbar gemacht werden.

§ 2 Einrichtungen und Zuständigkeiten im Maßregelvollzug, Aufsichtsbehörden

(1) Der Maßregelvollzug erfolgt in Einrichtungen des Landes und des Bezirksverbands Pfalz. Das fachlich zuständige Ministerium kann den Maßregelvollzug auch anderen Trägern geeigneter Einrichtungen widerruflich mit deren Zustimmung übertragen. Auf Grund besonderer Verwaltungsvereinbarungen können die Maßregeln auch in Einrichtungen außerhalb des Landes vollzogen werden.

(2) Das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung ist zuständig für die Durchführung des Maßregelvollzugs und führt die Aufsicht über den Maßregelvollzug in den Einrichtungen nach Absatz 1 Satz 1 und 2. Oberste Aufsichtsbehörde ist das fachlich zuständige Ministerium.

(3) Für die Maßnahmen im Maßregelvollzug ist die Einrichtung zuständig.

§ 3 Vollstreckungsplan

(1) Das fachlich zuständige Ministerium regelt im Einvernehmen mit dem für das Strafvollzugsrecht zuständigen Ministerium die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Einrichtungen in einem als Verwaltungsvorschrift zu erlassenden Vollstreckungsplan.

(2) Der untergebrachte Patient kann abweichend vom Vollstreckungsplan in eine andere für den Vollzug der jeweiligen Maßregel vorgesehene Einrichtung eingewiesen oder verlegt werden, wenn

  1. hierdurch die Behandlung des untergebrachten Patienten oder seine Eingliederung gefördert wird oder
  2. dies aus Gründen der Vollzugsorganisation oder aus anderen wichtigen Gründen, insbesondere der Sicherheit, erforderlich ist.

Die Entscheidung trifft die Aufsichtsbehörde im Einvernehmen mit der Vollstreckungsbehörde.

Zweiter Abschnitt
Behandlungsgrundsätze

§ 4 Aufnahme, Behandlungs- und Eingliederungsplan

(1) Der untergebrachte Patient ist nach seiner Aufnahme unverzüglich ärztlich zu untersuchen. Die Untersuchung und ihr Ergebnis sind ihm zu erläutern.

(2) Der untergebrachte Patient ist unverzüglich nach dem Beginn seiner Unterbringung über seine Rechte und Pflichten zu unterrichten. Hat er einen gesetzlichen Vertreter, so ist diesem Gelegenheit zu geben, an der Unterrichtung teilzunehmen.

(3) Auf der Grundlage der Aufnahmeuntersuchung und unter Berücksichtigung der Persönlichkeit, des Alters, des Entwicklungsstands, sowie der Lebensverhältnisse des untergebrachten Patienten ist unverzüglich ein Behandlungs- und Eingliederungsplan aufzustellen. Er soll Angaben enthalten über

  1. die medizinische, psychotherapeutische, pädagogische und arbeits- oder beschäftigungstherapeutische Behandlung,
  2. die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen sowie
  3. medizinische, soziale und berufliche Eingliederungsmaßnahmen.

Der Behandlungs- und Eingliederungsplan ist im Abstand von längstens sechs Monaten der Entwicklung des untergebrachten Patienten anzupassen. Dabei sollen Möglichkeiten der Vollzugslockerung und Beurlaubung berücksichtigt werden.

(4) Der Behandlungs- und Eingliederungsplan soll mit dem untergebrachten Patienten erörtert werden. Hat der untergebrachte Patient einen gesetzlichen Vertreter, so ist diesem Gelegenheit zu geben, an der Erörterung teilzunehmen.

(5) Ein untergebrachter Patient soll in den offenen Vollzug eingewiesen oder verlegt werden, wenn zu erwarten ist, daß dadurch das Ziel der Unterbringung gefördert wird und nicht zu befürchten ist, daß er sich dem Maßregelvollzug entziehen oder die Möglichkeiten des offenen Vollzugs mißbrauchen wird. Vor der Verlegung in den offenen Vollzug ist die Vollstreckungsbehörde zu hören.

(6) Die Einrichtung unterstützt den untergebrachten Patienten bei der Regelung seiner Angelegenheiten außerhalb der Einrichtung. Die Unterstützung soll sich bei Bedarf auch auf Hilfen zur Bewältigung der persönlichen und familiären Belange sowie auf die Schaffung, Erhaltung und Festigung beruflicher Beziehungen erstrecken.

§ 5 Behandlung

(1) Der untergebrachte Patient erhält eine umfassende, auf das Vollzugsziel ausgerichtete Behandlung. Über diese Behandlung hinaus hat der untergebrachte Patient Anspruch auf weitere gesundheitliche Betreuung nach Maßgabe der Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes über die Gesundheitsfürsorge und über die Mutterschaftshilfe.

(2) Die Behandlung ist dem untergebrachten Patienten zu erläutern. Ist er in der Lage, den Grund, die Art, den Umfang und die Tragweite der Behandlung einzusehen, so soll die Erläuterung darauf gerichtet sein, seine Zustimmung zur Behandlung zu erreichen.

(3) Kann eine Behandlung nicht in der Einrichtung durchgeführt werden, so ist der untergebrachte Patient in eine andere, hierzu geeignete Einrichtung des Maßregelvollzugs oder in ein geeignetes Krankenhaus außerhalb der Einrichtung zu verlegen. Der Schutz der Allgemeinheit ist durch geeignete und angemessene Maßnahmen sicherzustellen.

(4) Während eines Urlaubs hat der untergebrachte Patient nur Anspruch auf Behandlung und Pflege nach dem Behandlungs- und Eingliederungsplan in der für ihn zuständigen Einrichtung. Behandlungskosten infolge einer Weisung nach § 10 Abs. 1 und für eine sonst notwendige Behandlung werden nur übernommen, soweit nicht vorrangige Ansprüche gegen einen Sozialleistungsträger bestehen.

§ 6 Zulässigkeit von Maßnahmen 14

(1) Sowohl die Behandlung der Erkrankung, die zur Unterbringung geführt hat (Anlasserkrankung), als auch die Behandlung einer sonstigen Erkrankung bedürfen der Einwilligung des untergebrachten Patienten; eine erteilte Einwilligung kann jederzeit widerrufen werden. Die im einwilligungsfähigen Zustand erklärte oder die als natürlicher Wille geäußerte Ablehnung der Behandlung sowie eine wirksame Patientenverfügung (§ 1901a Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) sind zu beachten. Die Bestimmungen der Absätze 2 bis 5 bleiben unberührt.

(2) Eine Behandlung der Anlasserkrankung ist ohne Einwilligung des untergebrachten Patienten und erforderlichenfalls auch gegen seinen natürlichen Willen unter Anwendung von Zwang zulässig, wenn

  1. er aufgrund der Anlasserkrankung zur Einsicht in die Behandlungsbedürftigkeit und zu einer darauf gründenden Entscheidung über die Einwilligung in die Behandlung nicht fähig ist,
  2. die Behandlung ausschließlich zum Ziel hat, die tatsächlichen Voraussetzungen der Ausübung freier Selbstbestimmung des untergebrachten Patienten zu schaffen oder wiederherzustellen, um seine Entlassung aus der Einrichtung zu ermöglichen und
  3. der Einrichtung keine wirksame, die Behandlung untersagende Patientenverfügung des untergebrachten Patienten vorliegt.

(3) Eine nach Absatz 2 zulässige Behandlung der Anlasserkrankung darf nur unter Einhaltung der folgenden Maßgaben durchgeführt werden:

  1. Die Behandlung darf nur als letztes Mittel eingesetzt werden, wenn weniger eingreifende Behandlungen nicht vorgenommen werden können oder sich als aussichtslos erwiesen haben.
  2. Ein ausführliches ärztliches Aufklärungsgespräch, in dem die vorgesehene Behandlung, deren Erforderlichkeit und mögliche damit verbundene Risiken in einer den Verständnismöglichkeiten des untergebrachten Patienten entsprechenden Weise erläutert wurden, ist erfolgt. Dabei ist der ernsthafte mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung von Druck unternommene Versuch, eine auf Vertrauen gegründete Zustimmung zur Behandlung zu erreichen, erfolglos geblieben.
  3. Die vorgesehene Behandlung muss Erfolg versprechend sein; ihr Nutzen muss deutlich feststellbar die mit ihr einhergehenden Belastungen überwiegen.
  4. Die Anordnung hat durch einen Arzt zu erfolgen, der auch die Art und die Intensität der ärztlichen und pflegerischen Überwachung festlegt und die Durchführung der angeordneten Behandlung kontrolliert.
  5. Die anzuwendenden Behandlungsmaßnahmen sind hinsichtlich ihrer Art festzulegen und hinsichtlich ihrer Dauer zeitlich zu begrenzen. Eine vorgesehene Medikation und die durchzuführenden Kontrollen sind genau zu bestimmen.
  6. Die beabsichtigte Vornahme der Behandlung ist dem untergebrachten Patienten so rechtzeitig schriftlich anzukündigen, dass ihm die Möglichkeit bleibt, dagegen Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu stellen; er ist über die bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten zu informieren.
  7. Vor der Durchführung der Behandlung hat die Einrichtung die Zustimmung eines von der Aufsichtsbehörde allgemein oder im Einzelfall bestimmten, von der Einrichtung unabhängigen fachlich geeigneten Arztes einzuholen. Hat der untergebrachte Patient einen gesetzlichen Vertreter, ist auch dessen Einwilligung zur Behandlung einzuholen. Die Einrichtung hat den Arzt und den gesetzlichen Vertreter über den Anlass, die Erforderlichkeit, die Art und die voraussichtliche Dauer der vorgesehenen Behandlungsmaßnahmen und über mögliche damit verbundene Risiken zu unterrichten. Der Arzt hat persönlichen Kontakt zu dem untergebrachten Patienten aufzunehmen und ihn mit seiner Einwilligung zu untersuchen. Der gesetzliche Vertreter hat das Recht, persönlichen Kontakt zu dem untergebrachten Patienten aufzunehmen.
  8. Die Behandlung ist unter Angabe ihrer maßgeblichen Gründe, der Art und Weise der Durchführung, der vorgenommenen Kontrollen und der Überwachung ihrer Wirkung ausführlich zu dokumentieren.

(4) In Notfällen darf eine Behandlung der Anlasserkrankung oder einer sonstigen Erkrankung ohne Einwilligung des untergebrachten Patienten und erforderlichenfalls auch gegen seinen natürlichen Willen unter Anwendung von Zwang durchgeführt werden, wenn

  1. der untergebrachte Patient zur Einsicht in die Behandlungsbedürftigkeit und zu einer darauf gründenden Entscheidung über die Einwilligung in die Behandlung nicht fähig ist und die Behandlung dazu dient, eine Lebensgefahr oder eine gegenwärtige schwerwiegende Gefahr für die Gesundheit des untergebrachten Patienten abzuwenden und der Einrichtung keine wirksame, die Behandlung untersagende Patientenverfügung des untergebrachten Patienten vorliegt oder
  2. die Maßnahme dazu dient, eine Lebensgefahr oder eine gegenwärtige schwerwiegende Gefahr für die Gesundheit einer anderen Person abzuwenden.

Absatz 3 Nr. 1, 3 bis 5 und 8 gilt entsprechend; ist ein Arzt nicht rechtzeitig erreichbar, so ist die Leistung Erster Hilfe durch andere Personen auch ohne ärztliche Anordnung zulässig, wenn mit einem Aufschub eine Lebensgefahr für den untergebrachten Patienten verbunden wäre.

(5) Die Einrichtung soll dem untergebrachten Patienten nahestehende oder andere für seine Behandlung als förderlich anzusehende Bezugspersonen über eine ohne Einwilligung des untergebrachten Patienten erfolgende Durchführung von Behandlungsmaßnahmen unterrichten und ihnen die Möglichkeit der persönlichen Kontaktaufnahme zu dem untergebrachten Patienten geben, soweit nicht überwiegende schutzwürdige Interessen des untergebrachten Patienten oder erhebliche Gesundheits- oder Sicherheitsbedenken dem entgegenstehen.

§ 7 Pädagogische Förderung, berufliche Eingliederung, Freizeitgestaltung

(1) Dem untergebrachten Patienten ist nach Möglichkeit im Rahmen seiner Fähigkeiten und berechtigten Neigungen

  1. eine Schulausbildung, Berufsausbildung, Berufsförderung und Berufsausübung zu ermöglichen,
  2. Beschäftigungs- und Arbeitstherapie sowie heilpädagogische Förderung anzubieten oder
  3. wirtschaftlich ergiebige Arbeit zuzuweisen.

Aus einem Zeugnis oder einer Bescheinigung darf die Unterbringung in einer Einrichtung des Maßregelvollzugs nicht erkennbar sein.

(2) Die Einrichtung gibt Anregungen zur Gestaltung der Freizeit. Der untergebrachte Patient erhält insbesondere Gelegenheit zu Sport und Spiel, zum Lesen sowie zum Empfang von Fernseh- und Rundfunkprogrammen. Eigene Fernseh- und Rundfunkgeräte können im Einzelfall zugelassen werden.

(3) Arbeitet ein untergebrachter Patient nicht im Freien, so wird ihm täglich mindestens eine Stunde Aufenthalt im Freien ermöglicht.

§ 8 Ausübung religiöser und weltanschaulicher Bekenntnisse

(1) Dem untergebrachten Patienten ist religiöse Betreuung durch einen Seelsorger einer Religionsgemeinschaft und ungestörte Religionsausübung in der Einrichtung zu gestatten. Aus zwingenden Gründen der Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung kann die Teilnahme am Gottesdienst oder anderen religiösen Veranstaltungen eingeschränkt werden; der Seelsorger soll hierzu vorher gehört werden.

(2) Absatz 1 gilt für Angehörige weltanschaulicher Bekenntnisse entsprechend.

§ 9 Lockerung des Vollzugs, Urlaub

(1) Dem untergebrachten Patienten sollen Lockerungen des Vollzugs oder Urlaub gewährt werden, wenn zu erwarten ist, daß dadurch das Ziel der Unterbringung gefördert wird. Sie können auch zur Erledigung persönlicher Angelegenheiten oder aus anderen wichtigen Gründen gewährt werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, wenn zu befürchten ist, daß der untergebrachte Patient die eingeräumten Möglichkeiten mißbrauchen, insbesondere sich oder die Allgemeinheit gefährden oder sich der weiteren Vollstreckung der Maßregel entziehen wird.

(2) Als Lockerung des Vollzugs kann insbesondere zugelassen werden, daß der untergebrachte Patient

  1. außerhalb der Einrichtung regelmäßig einer Beschäftigung unter Aufsicht (Außenbeschäftigung) oder ohne Aufsicht (Freigang) nachgehen oder
  2. für einen bestimmten Zeitraum eines Tages die Einrichtung unter Aufsicht (Ausführung) oder ohne Aufsicht (Ausgang) verlassen

darf. Die Aufsicht wird durch Bedienstete der Einrichtung wahrgenommen. Vor der Gewährung von Freigang oder Ausgang ist die Vollstreckungsbehörde zu hören.

(3) Urlaub nach Absatz 1 gewährt die Einrichtung dem untergebrachten Patienten im Einvernehmen mit der Vollstreckungsbehörde. Aus wichtigen Gründen kann mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde Urlaub von mehr als einem Monat im Kalenderjahr gewährt werden. Durch den Urlaub wird der Vollzug nicht unterbrochen.

(4) Der untergebrachte Patient hat seine Aufwendungen bei Lockerungen des Vollzugs und Urlaub zur Erledigung persönlicher Angelegenheiten selbst zu tragen; Ausnahmen sind aus Gründen der Behandlung oder Eingliederung zulässig.

§ 10 Weisungen, Widerruf und Rücknahme von Vollzugslockerungen und Urlaub

(1) Für Lockerungen des Vollzugs oder Urlaub können dem untergebrachten Patienten Weisungen erteilt werden. Ihm kann insbesondere auferlegt werden,

  1. sich einer Behandlung zu unterziehen,
  2. sich der Aufsicht einer bestimmten Stelle oder Person zu unterstellen,
  3. Anordnungen zu befolgen, die sich auf den Aufenthalt oder ein bestimmtes Verhalten außerhalb der Einrichtung beziehen oder
  4. in bestimmten Abständen für kurze Zeit in die Einrichtung zurückzukehren.

(2) Lockerungen des Vollzugs und Urlaub können widerrufen werden, wenn

  1. nachträglich Umstände eintreten, die die Versagung der Maßnahme gerechtfertigt hätten,
  2. der untergebrachte Patient die Maßnahme mißbraucht oder
  3. der untergebrachte Patient Weisungen nicht nachkommt.

Lockerungen des Vollzugs und Urlaub können mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen werden, wenn die Voraussetzungen für ihre Gewährung nicht vorgelegen haben.

Dritter Abschnitt
Entgelte, Zuwendungen, Vergütungen und Entlassungsvorbereitungen

§ 11 Gewährung von Entgelt, Zuwendungen und Vergütungen bei Eingliederungsmaßnahmen

(1) Der untergebrachte Patient erhält für die Leistung wirtschaftlich ergiebiger Arbeit ein angemessenes Entgelt. Dem untergebrachten Patienten kann für die Leistung sonstiger Arbeit und für die Teilnahme an Unterricht, heilpädagogischer Förderung oder anderen beruflichen Eingliederungsmaßnahmen zum Ausgleich ebenfalls eine finanzielle Zuwendung gewährt werden.

(2) Leistungen, die denen eines nicht im Freiheitsentzug befindlichen Arbeitnehmers entsprechen, sind zu vergüten. Der untergebrachte Patient ist insoweit dem Gefangenen im Vollzug der Freiheitsstrafe gleichzustellen.

(3) Das fachlich zuständige Ministerium wird ermächtigt, Art und Umfang des Entgelts, der Zuwendungen und Vergütungen durch Rechtsverordnung zu regeln.

§ 12 Taschengeld, Hausgeld, Eigengeld

(1) Der untergebrachte Patient erhält ein Taschengeld, dessen Höhe das fachlich zuständige Ministerium unter Berücksichtigung der allgemeinen Einkommensentwicklung durch Rechtsverordnung festsetzt. Hinsichtlich des Einsatzes von Einkommen und Vermögen finden die für die Hilfe zum Lebensunterhalt geltenden Bestimmungen des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch entsprechend Anwendung.

(2) Der untergebrachte Patient kann über einen monatlichen Mindestbetrag aus den in § 11 bezeichneten Entgelten, Zuwendungen und Vergütungen (Hausgeld) sowie über das Taschengeld frei verfügen, soweit dadurch der Zweck der Unterbringung nicht gefährdet wird. Das fachlich zuständige Ministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Höhe des Hausgelds unter Berücksichtigung der allgemeinen Einkommensentwicklung festzusetzen.

(3) Soweit der untergebrachte Patient über das Hausgeld, oder das Taschengeld keine Verfügung trifft, sind ihm diese Beträge, soweit sie nicht als Unterhaltsbeitrag in Anspruch genommen werden, als Eigengeld gutzuschreiben; gleiches gilt für anderes Geld, insbesondere eingebrachtes Geld und laufende Bezüge des untergebrachten Patienten. Eigengeld kann mit Genehmigung des Leiters der Einrichtung ganz oder teilweise wie Hausgeld verwendet werden, sofern die Bildung des Überbrückungsgelds gemäß § 13 Abs. 1 gesichert ist.

§ 13 Überbrückungsgeld

(1) Um dem untergebrachten Patienten die Eingliederung in allgemeine Lebensverhältnisse zu erleichtern, ist in geeigneten Fällen aus dem Eigengeld ein Überbrückungsgeld bis zur Höhe desjenigen Betrags zu bilden, der dem untergebrachten Patienten und seinen Unterhaltsberechtigten den notwendigen Lebensunterhalt (drittes Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch) für den ersten Monat nach der Entlassung sichern soll. Das Überbrückungsgeld ist wie Mündelgeld anzulegen.

(2) Das Überbrückungsgeld wird dem untergebrachten Patienten oder seinem gesetzlichen Vertreter bei der Entlassung ausgezahlt. Der gesetzliche Vertreter kann mit Zustimmung des untergebrachten Patienten das Geld ganz oder teilweise einem Dritten überlassen, der es für die Eingliederung des untergebrachten Patienten zu verwenden hat; der gesetzliche Vertreter und der Dritte haben das Geld von ihrem Vermögen gesondert zu halten. Mit Zustimmung des untergebrachten Patienten kann das Überbrückungsgeld ganz oder teilweise auch an Unterhaltsberechtigte ausgezahlt werden.

(3) Überbrückungsgeld kann auch bei Gewährung von Urlaub ausgezahlt werden, soweit der notwendige Lebensunterhalt des untergebrachten Patienten nicht auf andere Weise gesichert ist. Sofern für den untergebrachten Patienten kein ausreichendes Überbrückungsgeld gebildet werden konnte, können im Falle der Gewährung von Urlaub auch Leistungen gemäß § 14 Abs. 2 erbracht werden.

§ 14 Entlassungsvorbereitungen, Überbrückungshilfen

(1) Die Einrichtung unterstützt den untergebrachten Patienten bei der Beschaffung von Arbeit und Unterkunft. Sie hilft ihm beim Aufbau persönlicher Beziehungen und gibt sozialen Diensten, der Führungsaufsichtsstelle und dem Bewährungshelfer frühzeitig Gelegenheit, Vorbereitungen für eine Betreuung nach der Entlassung zu treffen.

(2) Der untergebrachte Patient erhält, soweit seine eigenen Mittel nicht ausreichen, von der Einrichtung eine Beihilfe zu den Reisekosten, eine Überbrückungsbeihilfe und erforderlichenfalls ausreichende Kleidung (Überbrückungshilfen). Für die Auszahlung der Beihilfe zu den Reisekosten und der Überbrückungsbeihilfe gilt § 13 Abs. 2 entsprechend. Die Überbrückungsbeihilfe ist ausschließlich zur Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts (§ 13 Abs. 1 Satz 1) zu verwenden. Das fachlich zuständige Ministerium wird ermächtigt, Art und Umfang der Überbrückungshilfen durch Rechtsverordnung zu regeln.

Vierter Abschnitt
Rechte und Einschränkungen

§ 15 Besitz, Aufbewahrung und Erwerb von Gegenständen, Kleidung

(1) Der untergebrachte Patient darf Gegenstände in Besitz behalten, soweit dadurch das Vollzugsziel, das geordnete Zusammenleben in der Einrichtung oder die öffentliche Sicherheit oder Ordnung nicht gefährdet wird.

(2) Andere Gegenstände werden auf Kosten des untergebrachten Patienten aus der Einrichtung entfernt, soweit eine Aufbewahrung nach Art oder Umfang nicht möglich ist. Verderbliche Gegenstände sowie Aufzeichnungen und andere Gegenstände, die Kenntnisse über Sicherungsvorkehrungen der Einrichtungen vermitteln, dürfen von der Einrichtung vernichtet oder unbrauchbar gemacht werden. Die berechtigten Interessen des untergebrachten Patienten sind zu berücksichtigen.

(3) Wenn die Behandlung, das geordnete Zusammenleben in der Einrichtung oder die öffentliche Sicherheit oder Ordnung es erfordern, kann der Erwerb von Gegenständen allgemein oder im Einzelfall eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.

(4) Der Erwerb oder Besitz sowie die Weitergabe von Tonträgern kann von einer Überprüfung abhängig gemacht werden.

(5) Dem untergebrachten Patienten kann auferlegt werden, von der Einrichtung zur Verfügung gestellte Kleidung zu tragen.

§ 16 Besuche

(1) Der untergebrachte Patient darf regelmäßig Besuch empfangen. Die Besuchszeit beträgt mindestens eine Stunde in der Woche. Die Einzelheiten regelt die Hausordnung. Aus Gründen der Behandlung, des geordneten Zusammenlebens in der Einrichtung oder der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dürfen Besuche überwacht, eingeschränkt, abgebrochen oder untersagt werden. Sie können aus Gründen der Sicherheit von einer Durchsuchung des Besuchers abhängig gemacht werden. Für eine Durchsuchung gilt § 20 Satz 2 bis 4 entsprechend.

(2) Besuche von gesetzlichen Vertretern, Verteidigern sowie von Rechtsanwälten und Notaren in einer den untergebrachten Patienten betreffenden Rechtsangelegenheit sowie des für die Einrichtung zuständigen Patientenfürsprechers sind zu gestatten. Absatz 1 Satz 4 findet keine Anwendung auf Besuche von Verteidigern. Bei einer Durchsuchung von Verteidigern ist eine inhaltliche Überprüfung der von diesen mitgeführten Schriftstücke und sonstigen Unterlagen nicht zulässig.

§ 17 Schriftwechsel, Telegramme, Telefongespräche

(1) Der untergebrachte Patient hat das Recht, Schreiben und Telegramme abzusenden und zu empfangen; ihm kann gestattet werden, Telefongespräche zu führen.

(2) Aus Gründen der Behandlung, der Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung oder der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dürfen Schreiben, Telegramme und Telefongespräche überwacht werden. Schreiben und Telegramme dürfen angehalten werden, wenn

  1. ihre Weitergabe das Ziel der Unterbringung eines untergebrachten Patienten oder die Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung gefährden würde,
  2. die Weitergabe in Kenntnis ihres Inhalts einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklichen würde,
  3. sie grob unrichtige oder erheblich entstellende Darstellungen von Verhältnissen in der Einrichtung enthalten,
  4. sie grobe Beleidigungen enthalten,
  5. ihre Weitergabe die Eingliederung eines untergebrachten Patienten nach dessen Entlassung gefährden würde oder
  6. sie in Geheimschrift, unlesbar, unverständlich oder ohne zwingenden Grund in einer fremden Sprache abgefaßt sind.

Ausgehenden Schreiben, die unrichtige Darstellungen enthalten, kann ein Begleitschreiben beigefügt werden, wenn der untergebrachte Patient auf der Absendung besteht. Satz 2 gilt für das Abbrechen von Telefongesprächen entsprechend.

(3) Ist ein Schreiben oder Telegramm angehalten worden, wird dies dem untergebrachten Patienten mitgeteilt. Angehaltene Schreiben und Telegramme werden mit einer Begründung für das Anhalten an den Absender zurückgegeben; sofern dies unmöglich oder aus besonderen Gründen, insbesondere aus Gründen der Behandlung, der Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung oder der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung, untunlich ist, werden sie von der Einrichtung verwahrt.

(4) Nicht überwacht werden der Schriftwechsel, die Telegramme und die Telefongespräche zwischen dem untergebrachten Patienten und seinen Verteidigern sowie Schreiben des untergebrachten Patienten an Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie an deren Mitglieder, soweit die Schreiben an die Anschriften dieser Volksvertretungen gerichtet sind und den Absender zutreffend angeben, an den Bürgerbeauftragten, an den Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, an den Träger der Einrichtung, an die Aufsichtsbehörden, an die Besuchskommission, an den Patientenfürsprecher der Einrichtung, an die Europäische Kommission für Menschenrechte sowie bei Ausländern an die konsularischen Vertretungen und an die Botschaft ihres Heimatlandes.

(5) Liegt dem Maßregelvollzug eine Straftat nach § 129a des Strafgesetzbuchs zugrunde, gelten § 148 Abs. 2 und § 148a der Strafprozeßordnung entsprechend. Dies gilt auch, wenn gegen den untergebrachten Patienten im Anschluß an die dem Maßregelvollzug zugrunde liegende Verurteilung eine Freiheitsstrafe oder Unterbringung wegen einer Straftat nach § 129a des Strafgesetzbuchs zu vollstrecken ist.

(6) Für Ton- und andere Übermittlungsträger sowie für Pakete und sonstige Sendungen gelten die Absätze 1 bis 3 und 5 sowie § 15 Abs. 2 und 3 entsprechend.

(7) Der untergebrachte Patient darf Zeitungen und Zeitschriften in angemessenem Umfang durch Vermittlung der Einrichtung beziehen. Ausgeschlossen sind Zeitungen und Zeitschriften, deren Verbreitung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist. Einzelne Ausgaben oder Teile von Zeitungen oder Zeitschriften können dem untergebrachten Patienten vorenthalten werden, wenn das Vollzugsziel oder die Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung erheblich gefährdet würde.

§ 18 Verwertung von Kenntnissen, Datenschutz

(1) Kenntnisse aus der Überwachung der Besuche sowie aus Überwachungsmaßnahmen nach § 17 sind vertraulich zu behandeln. Sie dürfen nur verwertet werden, soweit dies

  1. aus Gründen der Behandlung geboten ist,
  2. notwendig ist, um die Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung zu wahren sowie Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten zu verhüten, zu unterbinden oder zu verfolgen;

in den Fällen der Nummer 1 soll der untergebrachte Patient gehört werden, wenn nicht Gründe der Behandlung entgegenstehen.

(2) Die Kenntnisse dürfen nur den für den Maßregelvollzug zuständigen Bediensteten sowie den zuständigen Gerichten und den Behörden mitgeteilt werden, die zuständig sind, Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten zu verhüten, zu unterbinden oder zu verfolgen.

(3) Die §§ 32 bis 36 des Landesgesetzes für psychisch kranke Personen gelten für den Maßregelvollzug entsprechend.

Fünfter Abschnitt
Ordnungsbestimmungen

§ 19 Hausordnung, Sicherheit und Ordnung

(1) Der untergebrachte Patient soll sich so verhalten, daß das Ziel der Unterbringung auch für die anderen untergebrachten Patienten nicht gefährdet und das geordnete Zusammenleben in der Einrichtung nicht gestört wird. Er hat die Anordnungen des Leiters der Einrichtung und ihrer Bediensteten zu befolgen.

(2) Der Leiter der Einrichtung erläßt eine Hausordnung, die der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedarf. In die Hausordnung sind insbesondere Bestimmungen aufzunehmen über

  1. Besuchszeiten,
  2. Beschäftigungszeiten, Freizeit und Ruhezeit,
  3. die zur Gewährleistung des geordneten Zusammenlebens in der Einrichtung und der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zulässigen Maßnahmen und
  4. einzelne Rechte und Pflichten der untergebrachten Patienten.

(3) Die Hausordnung ist durch ständigen Aushang in der Einrichtung allgemein bekanntzumachen.

(4) Die Pflichten und Beschränkungen, die dem untergebrachten Patienten aus Gründen des geordneten Zusammenlebens in der Einrichtung oder der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung auferlegt werden, müssen in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit ihnen verfolgten Zweck stehen und dürfen den untergebrachten Patienten nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen.

§ 20 Durchsuchung

Der untergebrachte Patient, seine Sachen und die Unterbringungsräume dürfen bei Verdacht der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung, bei Gefahr einer erheblichen Störung der Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung sowie bei einer Gefährdung des Vollzugsziels durchsucht werden; § 17 Abs. 4 bleibt unberührt. Eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung ist nur bei Gefahr im Verzug oder auf Anordnung des Leiters der Einrichtung im Einzelfall zulässig. Sie muß in einem geschlossenen Raum durchgeführt werden; andere Patienten dürfen nicht anwesend sein. Das Schamgefühl des untergebrachten Patienten ist zu schonen. Über die Durchsuchung ist ein Protokoll zu fertigen, das dem untergebrachten Patienten zur Kenntnis zu geben ist. Der Leiter der Einrichtung kann Durchsuchungen nach Satz 2 für bestimmte Fälle allgemein anordnen.

§ 21 Besondere Sicherungsmaßnahmen, Festnahme 14

(1) Bei Fluchtgefahr, Gefahr für Leib und Leben des untergebrachten Patienten oder einer anderen Person oder einer erheblichen Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung oder die öffentliche Sicherheit oder Ordnung können, soweit und solange ihr Zweck dies erfordert, besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden. Besondere Sicherungsmaßnahmen sind:

  1. der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthalts im Freien,
  2. der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen,
  3. die Absonderung und Beobachtung des untergebrachten Patienten,
  4. die Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum und
  5. die vorübergehende Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch Hilfsmittel der körperlichen Gewalt, insbesondere Fesseln.

(2) Die in Absatz 1 genannten besonderen Sicherungsmaßnahmen sind ärztlich zu überwachen. Eine mehr als einen Monat dauernde Absonderung bedarf der Zustimmung der Aufsichtsbehörde. Die Zustimmung darf für jeweils höchstens zwei Monate erteilt werden.

(3) Hält sich der untergebrachte Patient ohne Erlaubnis außerhalb der Einrichtung auf, so kann er durch die Einrichtung oder auf deren Veranlassung hin festgenommen und in die Einrichtung zurückgebracht werden. Die Vollstreckungsbehörde ist unverzüglich zu benachrichtigen.

§ 22 Unmittelbarer Zwang

(1) Das ärztliche, therapeutische, pflegerische und sonstige mit der Aufsicht betraute Personal der Einrichtung darf unmittelbaren Zwang anwenden, wenn dies erforderlich ist, um die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder die Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung bei einer erheblichen Gefährdung aufrechtzuerhalten.

(2) Gegen andere Personen als untergebrachte Patienten darf unmittelbarer Zwang angewendet werden, wenn sie es unternehmen, untergebrachte Patienten zu befreien oder in den Bereich der Einrichtung widerrechtlich einzudringen oder wenn sie sich trotz Abmahnung darin unbefugt aufhalten.

(3) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt und ihre Hilfsmittel.

(4) Unmittelbarer Zwang ist vorher anzudrohen. Die Androhung darf nur dann unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen, insbesondere unmittelbarer Zwang sofort angewendet werden muß, um eine Gefahr abzuwenden.

(5) Unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs sind diejenigen zu wählen, die den einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigen. Unmittelbarer Zwang hat zu unterbleiben, wenn ein durch ihn zu erwartender Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.

Sechster Abschnitt
Besuchskommission

§ 23

(1) Es wird eine unabhängige Besuchskommission gebildet, deren Aufgabe es ist, die Einrichtungen in Abständen von längstens zwei Jahren zu besichtigen, um zu prüfen, ob die Rechte der untergebrachten Patienten nach diesem Gesetz und den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen gewahrt werden. Der Besuchskommission ist ungehinderter Zugang zu den Einrichtungen zu gewähren. Bei den Besichtigungen ist den untergebrachten Patienten Gelegenheit zu geben, Wünsche und Beschwerden vorzutragen. Die Einrichtungen sollen die Besuchskommission bei ihrer Tätigkeit unterstützen.

(2) Der Besuchskommission gehören an:

  1. ein Richter oder ein Beamter mit der Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst, der die Geschäfte der Kommission führt,
  2. ein Arzt für Psychiatrie,
  3. ein in der psychiatrischen Laienhilfe ehrenamtlich tätiger Bürger,
  4. ein Sozialarbeiter oder eine therapeutische Fachkraft mit Erfahrungen in der Psychiatrie,
  5. eine Krankenpflegekraft mit Erfahrungen in der Psychiatrie und
  6. ein Mitglied der Landesarbeitsgemeinschaft der Angehörigen psychisch Kranker.

Die Mitglieder der Besuchskommission werden vom fachlich zuständigen Ministerium für die Dauer von fünf Jahren bestellt. Für einzelne Besichtigungen kann das fachlich zuständige Ministerium weitere Mitglieder berufen. Für jedes Mitglied nach Satz 1 ist ein Stellvertreter zu bestellen.

(3) Die Mitglieder oder ihre Stellvertreter dürfen an Überprüfungen der Besuchskommission nicht mitwirken, die sich auf Einrichtungen beziehen, in denen sie beschäftigt sind.

(4) Die Besuchskommission legt der zuständigen Aufsichtsbehörde nach jeder Besichtigung einen Bericht mit dem Ergebnis der Überprüfung vor.

(5) Die Mitglieder der Besuchskommission oder ihre Stellvertreter erhalten für ihre Tätigkeit Entschädigung für Zeitversäumnis und Aufwand sowie Ersatz der Fahrtkosten nach den §§ 1 bis 5 und §§ 9 bis 11 des Gesetzes über die Entschädigung der ehrenamtlichen Richter in der Fassung vom 1. Oktober 1969 (BGBl. I S. 1753) in der jeweils geltenden Fassung. Die Festsetzung und Auszahlung der Entschädigung und des Fahrtkostenersatzes erfolgt durch die Aufsichtsbehörde.

Siebenter Abschnitt
Schlußbestimmungen

§ 24 Einschränkung von Grundrechten

Durch dieses Gesetz werden die Grundrechte aus Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 (körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person) und Artikel 10 Abs. 1 (Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis) des Grundgesetzes eingeschränkt.

§ 25 Kosten

(1) Die Kosten einer Unterbringung nach diesem Gesetz trägt das Land, soweit nicht ein Sozialleistungsträger oder der untergebrachte Patient zu den Kosten beizutragen hat.

(2) Die Kosten der Besuchskommission trägt das Land.

§ 26 Verwaltungsvorschriften

Die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlichen Verwaltungsvorschriften erläßt das fachlich zuständige Ministerium.

§ 27 Änderungsbestimmungen

Nicht enthalten

§ 28 Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt mit Ausnahme von § 11 Abs. 3, § 12 Abs. 2 Satz 2, § 14 Abs. 2 Satz 4 und § 26 am 1. Januar 1987 in Kraft. § 11 Abs. 3, § 12 Abs. 2 Satz 2, § 14 Abs. 2 Satz 4 und § 26 treten am Tage nach der Verkündung in Kraft.

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