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Regelwerk

Änderungstext

Sechstes Landesgesetz
zur Änderung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes

Vom 25. Juli 2005
(GVBl. Nr. 16 vom 25.07.2005 S. 320)


Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes

Das Polizei- und Ordnungsbehördengesetz in der Fassung vom 10. November 1993 (GVBl. S. 595), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 2. März 2004 (GVBl. S. 202), BS 2012-1, wird wie folgt geändert:

1. § 29 erhält folgende Fassung:

" § 29 Datenerhebung durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel in oder aus Wohnungen

(1) Die Polizei kann personenbezogene Daten durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Datenerhebung nach § 28 Abs. 2 Nr. 2 in oder aus Wohnungen des Betroffenen zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, erheben über

  1. die nach den §§ 4 und 5 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 7 über die dort genannten Personen und
  2. Kontakt- und Begleitpersonen (§ 26 Abs. 3 Satz 2), soweit die Datenerhebung zur Verhinderung von besonders schweren Straftaten nach Absatz 2 erforderlich ist.

Die Datenerhebung darf auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.

(2) Besonders schwere Straftaten im Sinne dieses Gesetzes sind:

  1. aus dem Strafgesetzbuch:
    1. Straftaten des Friedensverrats, des Hochverrats und der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates oder des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit nach den §§ 80, 81, 82, nach den §§ 94, 95 Abs. 3 und § 96 Abs. 1, jeweils auch in Verbindung mit § 97 b, sowie nach den §§ 97 a, 98 Abs. 1 Satz 2, § 99 Abs. 2 und den §§ 100, 100 a Abs. 4,
    2. Bildung krimineller Vereinigungen nach § 129 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 4 Halbsatz 2 und Bildung terroristischer Vereinigungen nach § 129 a Abs. 1, 2, 4, 5 Satz 1 Alternative 1, jeweils auch in Verbindung mit § 129 b Abs. 1,
    3. Geldfälschung und Wertpapierfälschung in den Fällen der §§ 146, 151, jeweils auch in Verbindung mit § 152, gewerbs- oder bandenmäßige Fälschung von Zahlungskarten, Schecks und Wechseln nach § 152 a Abs. 3 und Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion und Vordrucken für Euroschecks nach § 152 b Abs. 1 bis 4,
    4. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den Fällen des § 176 a Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3, § 177 Abs. 2 Nr. 2 oder § 179 Abs. 5 Nr. 2,
    5. Mord und Totschlag nach §§ 211, 212,
    6. Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen der §§ 234, 234 a Abs. 1, 2, §§ 239 a, 239 b und Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft nach § 232 Abs. 3, 4 oder Abs. 5, § 233 Abs. 3, jeweils soweit es sich um Verbrechen handelt,
    7. Bandendiebstahl nach § 244 Abs. 1 Nr. 2 und schwerer Bandendiebstahl nach § 244 a,
    8. schwerer Raub nach § 250 Abs. 1 oder Abs. 2,
    9. räuberische Erpressung nach § 255 und besonders schwerer Fall einer Erpressung nach § 253 unter den in § 253 Abs. 4 Satz 2 genannten Voraussetzungen,
    10. gewerbsmäßige Hehlerei, Bandenhehlerei und gewerbsmäßige Bandenhehlerei nach den §§ 260, 260 a,
    11. besonders schwerer Fall der Geldwäsche, Verschleierung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte nach § 261 unter den in § 261 Abs. 4 Satz 2 genannten Voraussetzungen,
    12. besonders schwerer Fall der Bestechlichkeit und Bestechung nach § 335 Abs. 1 unter den in § 335 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 genannten Voraussetzungen,
  2. aus dem Asylverfahrensgesetz:
    1. Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84 Abs. 3,
    2. gewerbs- und bandenmäßige Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84 a Abs. 1,
  3. aus dem Aufenthaltsgesetz:
    1. Einschleusen von Ausländern nach § 96 Abs. 2,
    2. gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen nach § 97,
  4. aus dem Betäubungsmittelgesetz:
    1. besonders schwerer Fall einer Straftat nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 in Verbindung mit § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1,
    2. eine Straftat nach §§ 29 a, 30 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4, § 30 a,
  5. aus dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen:
    1. eine Straftat nach § 19 Abs. 2 oder § 20 Abs. 1, jeweils auch in Verbindung mit § 21,
    2. besonders schwerer Fall einer Straftat nach § 22 a Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2,
  6. aus dem Völkerstrafgesetzbuch:
    1. Völkermord nach § 6,
    2. Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach § 7,
    3. Kriegsverbrechen nach den §§ 8 bis 12,
  7. aus dem Waffengesetz:
    1. besonders schwerer Fall einer Straftat nach § 51 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2,
    2. besonders schwerer Fall einer Straftat nach § 52 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 5.

(3) Die Datenerhebung nach Absatz 1 darf nur angeordnet werden, soweit nicht aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass durch die Überwachung Daten erfasst werden, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind. Abzustellen ist dabei insbesondere auf die Art der zu überwachenden Räumlichkeiten und das Verhältnis der dort anwesenden Personen zueinander.

(4) Das Abhören, die Beobachtung sowie die Auswertung der erhobenen Daten durch die Polizei sind unverzüglich zu unterbrechen, sofern sich tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Daten, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, erfasst werden. Unberührt bleibt die automatisierte Speicherung der Daten. Ist das Abhören und die Beobachtung nach Satz 1 unterbrochen worden, so dürfen diese Maßnahmen unter den in Absatz 3 Satz 1 genannten Voraussetzungen fortgeführt werden.

(5) Die Datenerhebung nach Absatz 1, die in den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung eingreift, ist unzulässig. Die erhobenen Daten sind unverzüglich zu löschen und Erkenntnisse über solche Daten dürfen nicht verwertet werden. Die Tatsache der Erfassung der Daten und ihrer Löschung sind zu dokumentieren.

(6) Die Datenerhebung nach Absatz 1 in ein durch ein Amts- oder Berufsgeheimnis geschütztes Vertrauensverhältnis im Sinne der §§ 53 und 53 a der Strafprozessordnung ist unzulässig. Absatz 5 Sätze 2 und 3 gelten entsprechend.

(7) Die Datenerhebung nach Absatz 1 bedarf der richterlichen Anordnung. In dieser schriftlichen Anordnung sind insbesondere

  1. Voraussetzungen und wesentliche Abwägungsgesichtspunkte,
  2. soweit bekannt Name und Anschrift des Betroffenen, gegen den sich die Maßnahme richtet,
  3. Art, Umfang und Dauer der Maßnahme,
  4. die Wohnung oder Räume, in oder aus denen die Daten erhoben werden sollen, und
  5. die Art der durch die Maßnahme zu erhebenden Daten zu bestimmen. Sie ist auf höchstens drei Monate zu befristen. Eine Verlängerung um jeweils nicht mehr als einen Monat ist zulässig, soweit die in den Absätzen 1 und 3 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen.

(8) Das anordnende Gericht ist fortlaufend über den Verlauf, die Ergebnisse und die darauf beruhenden Maßnahmen zu unterrichten. Sofern die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vorliegen, ordnet es die Aufhebung der Datenerhebung an. Polizeiliche Maßnahmen nach Absatz 4 können durch das anordnende Gericht jederzeit aufgehoben, geändert oder angeordnet werden. Soweit ein Verwertungsverbot nach Absatz 5 Satz 2 in Betracht kommt, hat die Polizei unverzüglich eine Entscheidung des anordnenden Gerichts über die Verwertbarkeit der erlangten Erkenntnisse herbeizuführen.

(9) Nach Absatz 1 erlangte personenbezogene Daten sind besonders zu kennzeichnen. Nach einer Übermittlung ist die Kennzeichnung durch die Empfänger aufrechtzuerhalten. Solche Daten dürfen für einen anderen Zweck verwendet werden, soweit dies zur

  1. Verfolgung von besonders schweren Straftaten, die nach der Strafprozessordnung die Wohnraumüberwachung rechtfertigen,
  2. Abwehr einer dringenden Gefahr im Sinne des Absatzes 1

erforderlich ist. Die Zweckänderung muss im Einzelfall festgestellt und dokumentiert werden.

(10) Zuständiges Gericht im Sinne dieser Vorschrift ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Polizeibehörde ihren Sitz hat. § 21 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend. Bei Gefahr im Verzug kann die Datenerhebung nach Absatz 1 durch die Behördenleitung oder einen von ihr besonders beauftragten Beamten des höheren Dienstes angeordnet werden; die richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

(11) Werden technische Mittel ausschließlich zum Schutz der bei einem polizeilichen Einsatz in Wohnungen tätigen Personen verwendet, kann die Datenerhebung nach Absatz 1 durch die Behördenleitung oder einen von ihr besonders beauftragten Beamten des höheren Dienstes angeordnet werden. Erkenntnisse aus einem solchen Einsatz dürfen für einen anderen Zweck zur Abwehr einer dringenden Gefahr oder zur Verfolgung von besonders schweren Straftaten, die nach der Strafprozessordnung die Wohnraumüberwachung rechtfertigen, verwendet werden, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme durch den Richter festgestellt wurde. Bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(12) Die Landesregierung unterrichtet den Landtag jährlich über den erfolgten Einsatz technischer Mittel nach Absatz 1 und 11, soweit dieser einer richterlichen Anordnung bedarf. Die Parlamentarische Kontrollkommission übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. § 20 Abs. 1 Satz 2, § 20 Abs. 2 bis 4 und § 21 Abs. 2 und 3 des Landesverfassungsschutzgesetzes gelten entsprechend."

2. § 31 Abs. 7 wird wie folgt geändert:

a) In Satz 1 wird die Verweisung " § 29 Abs. 5" durch die Verweisung " § 29 Abs. 9" ersetzt.

b) In Satz 2 wird die Verweisung " § 29 Abs. 7" durch die Verweisung " § 29 Abs. 12" ersetzt.

3. In § 33 Abs. 4 wird Satz 2 gestrichen.

4. § 39 Abs. 2 erhält folgende Fassung:

"(2) Personenbezogene Daten sind zu löschen, wenn

  1. der der Speicherung zu Grunde liegende Verdacht entfällt,
  2. die Speicherung unzulässig ist, bei der zu bestimmten Fristen und Terminen vorzunehmenden Überprüfung oder aus Anlass einer Einzelfallbearbeitung festgestellt wird, dass ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben nicht mehr erforderlich ist."

5. § 40 Abs. 5 erhält folgende Fassung:

"(5) Personen, gegen die sich eine verdeckte Datenerhebung richtet, sind nach Abschluss der Maßnahme hierüber zu unterrichten. Sonstige betroffene Personen sind nach Maßgabe des Satzes 1 zu unterrichten, soweit eine Datenerhebung nach § 29 erfolgt ist oder andere besonders schutzwürdige Interessen dies erfordern. Auf die Möglichkeit nachträglichen Rechtsschutzes ist hinzuweisen. Die Unterrichtung nach Satz 1 oder 2 unterbleibt, soweit Leib, Leben oder Freiheit einer Person, besondere Vermögenswerte oder der Zweck der Maßnahme gefährdet werden. Ist eine Unterrichtung auch 12 Monate nach Abschluss der Maßnahme aus den gesetzlichen Gründen nicht zulässig, bedarf die weitere Zurückstellung der Unterrichtung der richterlichen Zustimmung. Entsprechendes gilt nach Ablauf von jeweils 12 weiteren Monaten. Über die Zustimmung entscheidet das Gericht, das für die Anordnung der Maßnahme zuständig gewesen ist. Bedurfte die Maßnahme nicht der richterlichen Anordnung, ist für die Zustimmung das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Polizeibehörde ihren Sitz hat, zuständig."

Artikel 2
In-Kraft-Treten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.

ENDE