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Regelwerk, Allgemeines, Rechtspflege
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SächsPVDG - Sächsisches Polizeivollzugsdienstgesetz
Gesetz über die Aufgaben, Befugnisse, Datenverarbeitung und Organisation des Polizeivollzugsdienstes im Freistaat Sachsen

- Sachsen -

Vom 11. Mai 2019
(SächsGVBl. Nr. 9 vom 08.06.2019 S. 358; 05.07.2024 S. 595 24)



Zur vorherigen Regelung SächsPolG

Siehe Fn. 1

Teil 1
Allgemeines

§ 1 Anwendungsbereich

Die Vorschriften dieses Gesetzes finden Anwendung für die Erfüllung von Aufgaben des Polizeivollzugsdienstes nach § 2 im Freistaat Sachsen. Polizei im Sinne dieses Gesetzes ist der Polizeivollzugsdienst mit den Bediensteten, die Aufgaben des Polizeivollzugs wahrnehmen.

§ 2 Aufgaben der Polizei 24

(1) Die Polizei hat die Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren (Gefahrenabwehr). Sie schützt die freiheitliche demokratische Grundordnung und gewährleistet die ungehinderte Ausübung der Grundrechte und der staatsbürgerlichen Rechte. Die Polizei hat im Rahmen dieser Aufgabe auch zu erwartende Straftaten zu verhindern und vorbeugend zu bekämpfen. Die Polizei hat ferner Vorbereitungen zu treffen, um künftige Gefahren abwehren zu können.

(2) Der Schutz privater Rechte obliegt der Polizei nach diesem Gesetz nur auf Antrag der berechtigten Person, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne polizeiliche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert würde.

(3) Die Polizei wird in Erfüllung der Aufgabe der Gefahrenabwehr außer in den Fällen des Absatzes 1 Satz 3 nur tätig, soweit die Gefahrenabwehr durch die Polizeibehörden gemäß § 1 Absatz 1 des Sächsischen Polizeibehördengesetzes vom 11. Mai 2019 (SächsGVBl. S. 358, 389), in der jeweils geltenden Fassung, nicht oder nicht rechtzeitig möglich erscheint.

(4) Die Polizei leistet anderen Behörden und Gerichten Vollzugshilfe.

(5) Die Polizei hat ferner die ihr durch andere Rechtsvorschriften zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen.

§ 3 Tätigwerden für andere Stellen

Ist zur Wahrnehmung einer polizeilichen Aufgabe im Sinne des § 2 Absatz 1 nach gesetzlicher Vorschrift eine andere Stelle zuständig und erscheint deren rechtzeitiges Tätigwerden bei Gefahr im Verzug nicht erreichbar, hat die Polizei die notwendigen vorläufigen Maßnahmen zu treffen. Die zuständige Stelle ist unverzüglich zu unterrichten.

§ 4 Begriffsbestimmungen 24

Im Sinne der nachfolgenden Vorschriften bedeutet:

  1. öffentliche Sicherheit: die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, der subjektiven Rechte und Rechtsgüter einzelner Personen sowie des Bestandes, der Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates oder sonstiger Träger der Hoheitsgewalt;
  2. öffentliche Ordnung: die Gesamtheit der im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung liegenden ungeschriebenen Regeln für das Verhalten von Personen in der Öffentlichkeit, deren Beachtung nach den jeweils herrschenden Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten Zusammenlebens betrachtet wird;
    1. Gefahr: eine Sachlage, bei der im Einzelfall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird;
    2. gegenwärtige Gefahr: eine Sachlage, bei der das schädigende Ereignis bereits begonnen hat oder unmittelbar oder in allernächster Zeit mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bevorsteht;
    3. erhebliche Gefahr: eine Sachlage, bei der im Einzelfall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für ein bedeutsames Rechtsgut, wie Bestand oder Sicherheit des Bundes oder eines Landes, Leben, Gesundheit, Freiheit einer Person oder bedeutende Sach- und Vermögenswerte, eintritt;
    4. dringende Gefahr: eine im Hinblick auf das Ausmaß des zu erwartenden Schadens und die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts erhöhte Gefahr;
    5. Gefahr für die Gesundheit: eine Sachlage, bei der die Herbeiführung beziehungsweise die Steigerung eines pathologischen Zustandes droht;
    6. Gefahr für Leib oder Leben: eine Sachlage, bei der eine nicht nur leichte Körperverletzung oder der Tod einzutreten droht;
    7. Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit: eine Sachlage, bei der im Einzelfall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit eine schwere Körperverletzung (s 226 des Strafgesetzbuches) einzutreten droht;
    8. abstrakte Gefahr: eine Sachlage, bei der nach allgemeiner Lebenserfahrung oder den Erkenntnissen fachkundiger Stellen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit typischerweise Gefahren für ein polizeiliches Schutzgut entstehen;
    9. Abwehr einer Gefahr: auch die Beseitigung einer Störung, wenn der Eintritt weiteren Schadens für ein polizeiliches Schutzgut droht;
  3. Straftat von erheblicher Bedeutung:
    1. Verbrechen und
    2. Vergehen, die im Einzelfall nach Art und Schwere geeignet sind, den Rechtsfrieden besonders zu stören, soweit sie
      aa) sich gegen Leib, Leben oder Freiheit einer Person richten,
      bb) auf den Gebieten des unerlaubten Waffen- oder Betäubungsmittelverkehrs, der Geld- und Wertzeichenfälschung (§§ 146 bis 152b des Strafgesetzbuches), der Vorteilsannahme oder Vorteilsgewährung und der Bestechlichkeit oder Bestechung (§§ 331 bis 335 des Strafgesetzbuches) oder des Staatsschutzes (§§ 74a und 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 [BGBl. I S. 1077], das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 12. Juli 2018 [BGBl. I S. 1151] geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung) begangen werden oder
      cc) gewerbs-, gewohnheits-, serien- oder bandenmäßig oder sonst organisiert begangen werden;
  4. terroristische Straftat:
    1. eine Straftat nach § 129a des Strafgesetzbuches,
    2. eine Straftat nach § 129b des Strafgesetzbuches, soweit sich dieser auf § 129a des Strafgesetzbuches bezieht, und
    3. die in § 129a Absatz 1 und 2 Nummer 2 bis 5 des Strafgesetzbuches bezeichneten Straftaten, sofern die Begehung der Straftat dazu bestimmt ist,
      aa) die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern,
      bb) eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder
      cc) die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates, eines Landes oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen;

die Straftat muss durch die Art ihrer Begehung oder durch ihre Auswirkungen einen Staat, ein Land oder eine internationale Organisation erheblich schädigen können;

  1. Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung: Ordnungswidrigkeiten, bei deren Begehung ein Schaden für ein bedeutsames Rechtsgut, wie Bestand oder Sicherheit des Bundes oder eines Landes, Leben, Gesundheit, Freiheit einer Person oder bedeutende Sach- und Vermögenswerte, zu befürchten ist oder wenn die Vorschrift ein sonst bedeutsames Interesse der Allgemeinheit schützt;
  2. Informationssystem: ein Verarbeitungssystem, in dem die Polizei zur Erfüllung von Aufgaben personenbezogene Daten ganz oder teilweise automatisiert verarbeitet oder nichtautomatisiert verarbeitet, soweit die Daten in einem Dateisystem gespeichert sind;
  3. Kontakt- und Begleitperson: eine Person, die mit einer anderen Person, bei der Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wird, nicht nur flüchtig oder in zufälligem Kontakt steht und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass
    1. sie von der Vorbereitung einer solchen Straftat Kenntnis hat,
    2. sie aus der Tat Vorteile zieht oder
    3. die andere Person sich ihrer zur Begehung der Straftat bedienen könnte.

§ 5 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

(1) Die zu treffende Maßnahme muss geeignet sein. Die Maßnahme ist geeignet, wenn anzunehmen ist, dass sie den erstrebten Erfolg herbeiführt oder zumindest fördert.

(2) Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen hat die Polizei diejenige zu treffen, die die einzelne Person und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt.

(3) Die Maßnahme muss angemessen sein. Sie darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem angestrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht.

(4) Die Maßnahme ist nur solange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, dass er nicht erreicht werden kann.

(5) Soweit das Erfordernis besteht, mehrere Maßnahmen gegen eine Person zu treffen, müssen die Maßnahmen auch in ihrer Gesamtwirkung verhältnismäßig im Sinne der Absätze 1 bis 4 sein.

§ 6 Verantwortlichkeit für eigenes oder fremdes Verhalten 24

(1) Verursacht eine Person eine Gefahr, sind die Maßnahmen gegen sie zu richten.

(2) Ist die Person noch nicht 14 Jahre alt, können Maßnahmen auch gegen die aufsichtspflichtige Person gerichtet werden. Ist für die Person eine Betreuerin oder ein Betreuer bestellt, kann die Polizei ihre Maßnahme auch gegenüber der Betreuerin oder dem Betreuer im Rahmen des Aufgabenkreises, für den die Bestellung besteht, treffen.

(3) Verursacht eine Person, die zu einer Verrichtung bestellt ist, die Gefahr in Ausführung der Verrichtung, können Maßnahmen auch gegen die Person gerichtet werden, die zu der Verrichtung bestellt hat.

§ 7 Verantwortlichkeit für Tiere und den Zustand von Sachen 24

(1) Geht von einem Tier oder einer Sache eine Gefahr aus, sind die Maßnahmen gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt zu richten. Die nachfolgenden für Sachen geltenden Vorschriften sind auch auf Tiere anzuwenden.

(2) Maßnahmen können auch gegen den Eigentümer ode andere Berechtigtege richtet werden. Dies gilt nicht, wenn der Inhaber der tatsächlichen Gewalt diese ohne den Willen des Eigentümers oder anderer berechtigter Personen ausübt.

(3) Geht die Gefahr von einer herrenlosen Sache aus, können Maßnahmen gegen denjenigen gerichtet werden, der das Eigentum an der Sache aufgegeben hat.

§ 8 Unmittelbare Ausführung einer Maßnahme 24

(1) Die Polizei kann eine Maßnahme selbst oder durch einen beauftragten Dritten unmittelbar ausführen, wenn der Zweck der Maßnahme durch Inanspruchnahme der Verantwortlichen nach § 6 oder § 7 nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann. Die von der Maßnahme betroffene Person ist unverzüglich zu unterrichten.

(2) Für die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme nach Absatz 1 erhebt die Polizei von den Verantwortlichen nach den §§ 6 und 7 Kosten (Gebühren und Auslagen).

§ 9 Inanspruchnahme nicht verantwortlicher Personen

(1) Die Polizei kann Maßnahmen gegen andere Personen als die Verantwortlichen nach § 6 oder § 7 richten, wenn

  1. eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren ist,
  2. Maßnahmen gegen die Verantwortlichen nach § 6 oder § 7 nicht oder nicht rechtzeitig möglich sind oder keinen Erfolg versprechen,
  3. die Polizei die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig selbst oder durch beauftragte Dritte abwehren kann und
  4. die Personen ohne erhebliche eigene Gefährdung und ohne Verletzung höherwertiger Pflichten in Anspruch genommen werden können.

(2) Die Maßnahmen dürfen nur aufrechterhalten werden, solange die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen.

§ 10 Einschränkung von Grundrechten

Auf Grund dieses Gesetzes können die Grundrechte auf

  1. Leben und körperliche Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 16 Absatz 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen),
  2. Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 16 Absatz 1 Satz 2 der Verfassung des Freistaates Sachsen),
  3. Wahrung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 Absatz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 27 Absatz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen),
  4. Freizügigkeit (Artikel 11 Absatz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland),
  5. Versammlungsfreiheit (Artikel 8 Absatz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 23 Absatz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen),
  6. Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 30 Absatz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen) und
  7. informationelle Selbstbestimmung (Artikel 33 der Verfassung des Freistaates Sachsen) eingeschränkt werden.

§ 11 Ausweispflicht 24

Auf Verlangen der betroffenen Person haben sich Polizeibedienstete bei der Ausübung ihrer Tätigkeit auszuweisen. Dies gilt nicht, wenn die Umstände es nicht zulassen oder dadurch der Zweck der Maßnahme gefährdet wird.

Teil 2
Allgemeine Befugnisse, Entschädigung

Abschnitt 1
Maßnahmen

§ 12 Allgemeine Befugnisse

(1) Die Polizei kann die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren, soweit die Befugnisse nicht besonders geregelt sind.

(2) Zur Erfüllung von nach anderen Rechtsvorschriften zugewiesenen Aufgaben hat die Polizei die dort vorgesehenen Befugnisse. Soweit diese Rechtsvorschriften keine Befugnisse regeln oder keine abschließenden Regelungen der Befugnisse enthalten, trifft die Polizei die notwendigen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr nach diesem Gesetz.

§ 13 Befragung, Auskunftspflicht 24

(1) Die Polizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person sachdienliche Angaben, die zur Erfüllung einer bestimmten polizeilichen Aufgabe erforderlich sind, machen kann. Für die Dauer der Befragung kann die Person angehalten werden.

(2) Eine Person, deren Befragung nach Absatz 1 Satz 1 zulässig ist, ist verpflichtet, auf Verlangen ihren Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben.

(3) Eine über Absatz 2 hinausgehende Auskunftspflicht besteht, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr erforderlich ist. In entsprechender Anwendung der §§ 52 bis 53a und 55 Absatz 1 der Strafprozessordnung ist die betroffene Person zur Verweigerung der Auskunft mit Ausnahme der Angaben nach Absatz 2 berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leben oder Freiheit einer Person oder einer erheblichen Gesundheitsgefahr zwingend erforderlich ist. Geistliche sind auch in diesem Fall nicht verpflichtet, Auskunft über Tatsachen zu geben, die ihnen in ihrer seelsorgerischen Eigenschaft anvertraut wurden oder bekannt geworden sind. Die weitere Verarbeitung von nach Satz 3 erhobenen Daten ist nur zu dem Zweck zulässig, zu dem die Daten erhoben wurden. Die betroffene Person ist vor der Befragung über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.

(4) Soweit eine Auskunftspflicht besteht, dürfen zur Herbeiführung einer Aussage nur die Zwangsmittel Zwangsgeld und Zwangshaft angewendet werden. Die §§ 68a und 136a der Strafprozessordnung gelten entsprechend.

§ 14 Vorladung 24

(1) Die Polizei kann eine Person schriftlich oder mündlich vorladen, wenn dies für ihre Befragung oder zur Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen erforderlich ist. Bei der Vorladung ist deren Grund anzugeben. Bei der Festsetzung des Zeitpunktes soll auf die beruflichen Verpflichtungen und die sonstigen Lebensverhältnisse der betroffenen Person Rücksicht genommen werden.

(2) Leistet die betroffene Person der Vorladung ohne hinreichenden Grund keine Folge, kann sie zwangsweise durchgesetzt werden, wenn

  1. die Angaben zur Abwehr einer erheblichen Gefahr erforderlich sind oder
  2. dies zur Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen erforderlich ist.

(3) Für die Entschädigung und Vergütung von Personen, die als Zeuginnen, Zeugen oder als Sachverständige herangezogen werden, gilt das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718, 776), das zuletzt durch Artikel 5 Absatz 2 des Gesetzes vom 11. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2222) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, entsprechend.

§ 15 Identitätsfeststellung, Prüfung von Berechtigungsscheinen 24

(1) Die Polizei kann die Identität einer Person feststellen:

  1. zur Abwehr einer Gefahr,
  2. wenn sie sich an einem Ort aufhält, von dem auf Grund von Tatsachen anzunehmen ist, dass dort regelmäßig Personen Straftaten verabreden, vorbereiten oder verüben, sich unter Verstoß gegen Aufenthaltsanordnungen oder Kontaktverbote treffen oder sich dort Straftäter verbergen; dies gilt auch für Orte, an denen Personen der Prostitution nachgehen und durch gegen sie gerichtete Straftaten gefährdet sind,
  3. wenn sie sich in einer Verkehrs- oder Versorgungsanlage oder -einrichtung, einem öffentlichen Verkehrsmittel, einem Amtsgebäude oder einem besonders gefährdeten Objekt oder in unmittelbarer Nähe hiervon aufhält und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass in oder an Objekten dieser Art Straftaten begangen werden sollen,
  4. stichprobenhaft zum Zweck der vorbeugenden Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität im Grenzgebiet zur Republik Polen und zur Tschechischen Republik bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern, darüber hinaus in öffentlichen Anlagen, Einrichtungen oder Verkehrsmitteln des internationalen Verkehrs oder in unmittelbarer Nähe hiervon, auf Bundesfernstraßen und auf anderen Straßen, soweit deren erhebliche Bedeutung für die grenzüberschreitende Kriminalität durch die Polizei vor der Durchführung der Maßnahme durch dokumentierte Erkenntnisse dargelegt und die Umsetzung in einem dienststellenübergreifenden Kontrollkonzept geregelt ist,
  5. wenn sie an einer Kontrollstelle angetroffen wird, die von der Polizei eingerichtet worden ist, um Straftaten von erheblicher Bedeutung oder gemäß § 28 des Sächsischen Versammlungsgesetzes vom 25. Januar 2012 (SächsGVBl. S. 54), das zuletzt durch Artikel 7 des Gesetzes vom 11. Mai 2019 (SächsGVBl. S. 358) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, zu verhindern,
  6. wenn sie sich innerhalb eines Kontrollbereichs aufhält, der von der Polizei bestimmt worden ist, um Straftaten im Sinne des § 100a der Strafprozessordnung oder nach § 28 des Sächsischen Versammlungsgesetzes zu verhindern, da Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dann dort Straftaten dieser Art bevorstehen; die Bestimmung eines Kontrollbereichs darf längstens für sieben Tage erfolgen, bedarf der Zustimmung des Staatsministeriums des Innern und der öffentlichen Bekanntgabe durch die anordnende Dienststelle; die öffentliche Bekanntgabe kann unterbleiben, wenn der Kontrollbereich nicht für länger als 48 Stunden bestimmt wird, sonst die Wahrnehmung der polizeilichen Aufgabe gefährdet wäre und besondere gebietsbezogene Maßnahmen zu dessen Abgrenzung vorgenommen werden,
  7. wenn sie sich an Orten aufhält, für die durch Rechtsverordnung nach § 42 des Waffengesetzes vom 11. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3970, 4592; 2003 I S. 1957), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 30. Juni 2017 (BGBl. I S. 2133) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, das Führen von Waffen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Waffengesetzes verboten oder beschränkt worden ist oder
  8. zum Schutz privater Rechte.

Der betroffenen Person ist im Fall des Satzes 1 Nummer 2 auf Verlangen unverzüglich eine Bescheinigung über die Identitätsfeststellung und ihren Grund auszustellen.

(2) Zur Feststellung der Identität kann die Polizei die erforderlichen Maßnahmen treffen. Sie kann

  1. die betroffene Person anhalten,
  2. die betroffene Person nach seinen Personalien befragen,
  3. verlangen, dass der Betroffene mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung aushändigt,
  4. die betroffene Person und von ihr mitgeführte Sachen nach Gegenständen durchsuchen, die zur Identitätsfeststellung dienen können,
  5. die betroffene Person festhalten,
  6. die betroffene Person zur Dienststelle bringen und
  7. unter den Voraussetzungen des § 16 Absatz 2 Nummer 1 erkennungsdienstliche Maßnahmen durchführen.

Maßnahmen nach Satz 2 Nummer 4 bis 6 dürfen nur getroffen werden, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Angaben unrichtig sind.

(3) Die Polizei kann verlangen, dass ein Berechtigungsschein vorgezeigt und zur Prüfung ausgehändigt wird, wenn die betroffene Person auf Grund einer Rechtsvorschrift verpflichtet ist, diesen Berechtigungsschein mitzuführen.

§ 16 Erkennungsdienstliche Maßnahmen 24

(1) Erkennungsdienstliche Maßnahmen sind insbesondere

  1. die Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken,
  2. die Aufnahme von Lichtbildern,
  3. die Feststellung äußerlicher körperlicher Merkmale sowie
  4. Messungen und ähnliche Maßnahmen.

(2) Die Polizei kann erkennungsdienstliche Maßnahmen ohne Einwilligung der betroffenen Person vornehmen, wenn

  1. eine nach § 15 Absatz 1 Satz 1 zulässige Identitätsfeststellung auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten zuverlässig durchgeführt werden kann oder
  2. dies zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist, weil die betroffene Person verdächtig ist, eine Tat begangen zu haben, die mit Strafe bedroht ist und wegen der Art und Ausführung der Tat die Gefahr der Wiederholung besteht.

(3) Ist die Identität festgestellt oder der Verdacht entfallen und ist die weitere Aufbewahrung der erkennungsdienstlichen Unterlagen nicht nach anderen Rechtsvorschriften zulässig, sind diese zu vernichten. Sind die Unterlagen an andere Stellen übermittelt worden, sind diese über die erfolgte Vernichtung zu unterrichten.

§ 17 Medizinische und molekulargenetische Untersuchungen

(1) Zur Feststellung der Identität von unbekannten Toten oder von Personen, deren körperliche oder geistige Verfassung nicht nur vorübergehend beeinträchtigt ist und die deshalb nicht identifiziert werden können (unbekannte hilflose Personen), können

  1. unbekannten Toten oder unbekannten hilflosen Personen Körperzellen entnommen werden und
  2. Proben von Spurenmaterial von vermissten Personen genommen werden

und zum Zweck des Abgleichs molekulargenetische Untersuchungen erfolgen, soweit die Identitätsfeststellung auf andere Weise nicht möglich ist. § 81f Absatz 2 der Strafprozessordnung gilt entsprechend.

(2) Die molekulargenetischen Untersuchungen sind auf die Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters und des Geschlechts zu beschränken. Entnommene Körperzellen sind unverzüglich zu vernichten, wenn sie für die Untersuchung nicht mehr benötigt werden. Die DNA-Identifizierungsmuster können zum Zweck des Abgleichs gespeichert werden. Sie sind unverzüglich zu löschen, wenn sie zur Identitätsfeststellung nicht mehr benötigt werden.

(3) Medizinische und molekulargenetische Untersuchungen bedürfen einer richterlichen Anordnung auf Antrag der Polizei.

§ 18 Platzverweisung

Die Polizei kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten (Platzverweisung). Dies gilt insbesondere für Personen, die den Einsatz der Feuerwehr oder der Hilfs- und Rettungsdienste behindern.

§ 19 Wohnungsverweisung und Kontaktverbot

(1) Die Polizei kann eine Person für die Dauer von höchstens 14 Tagen aus ihrer Wohnung, einschließlich dem unmittelbar angrenzenden Bereich, verweisen (Wohnungsverweisung), ihr die Rückkehr in diesen Bereich untersagen und ein Kontaktverbot zur gefährdeten Person erteilen, wenn dies zur Abwehr einer von der zu verweisenden Person ausgehenden gegenwärtigen Gefahr für Leben, Gesundheit oder Freiheit für eine in derselben Wohnung lebende Person erforderlich ist.

(2) Die Polizei unterrichtet die gefährdete Person unverzüglich über die Dauer und den Umfang einer Maßnahme nach Absatz 1 sowie über Beratungsangebote und die Möglichkeit, Schutz nach dem Gewaltschutzgesetz vom 11. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3513), das durch Artikel 4 des Gesetzes vom 1. März 2017 (BGBl. I S. 386) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, zu beantragen.

(3) Stellt die gefährdete Person während der Dauer der Maßnahme nach Absatz 1 einen Antrag nach dem Gewaltschutzgesetz, verlängert die Polizei auf Mitteilung der gefährdeten Person die Dauer der Maßnahme nach Absatz 1 um zehn Tage. Absatz 2 gilt entsprechend. Die Anordnung nach Absatz 1 wird mit dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung oder des gerichtlichen Vergleichs unwirksam.

§ 20 Meldeauflage

(1) Die Polizei kann gegenüber einer Person zum Zweck der Verhütung von Straftaten anordnen, sich an bestimmten Tagen zu bestimmten Zeiten bei näher zu bestimmenden Dienststellen zu melden (Meldeauflage), wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie im Zusammenhang mit einem zeitlich oder örtlich begrenzten Geschehen innerhalb absehbarer Zeit eine ihrer Art nach konkretisierte Straftat begehen wird. Soweit nicht die Erfüllung der polizeilichen Aufgabe erheblich erschwert oder gefährdet wird, sind die schutzwürdigen Belange Dritter und der betroffenen Person bei der Anordnung der Meldeauflage zu berücksichtigen.

(2) Die Meldeauflage ist auf höchstens einen Monat zu befristen. Eine Verlängerung um jeweils nicht mehr als einen Monat ist zulässig, soweit die Anordnungsvoraussetzungen fortbestehen. Die Verlängerung darf nur durch das Amtsgericht angeordnet werden. Die Anordnung sowie deren Verlängerung sind sofort vollziehbar.

§ 21 Aufenthaltsanordnung und Kontaktverbot 24

(1) Die Polizei kann zum Zweck der Verhütung von Straftaten einer Person für höchstens drei Monate den Aufenthalt in einem Gemeindegebiet oder -gebietsteil untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person dort innerhalb absehbarer Zeit eine ihrer Art nach konkretisierte Straftat von erheblicher Bedeutung begehen wird.

(2) Für die Dauer von höchstens zwei Monaten kann einer Person zum Zweck der Verhütung von Straftaten untersagt werden, sich ohne Erlaubnis der zuständigen Polizeidienststelle von ihrem Wohn- oder Aufenthaltsort oder aus einem bestimmten Bereich zu entfernen (Aufenthaltsgebot) oder sich in bestimmten Bereichen aufzuhalten (Aufenthaltsverbot), wenn

  1. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die betroffene Person innerhalb absehbarer Zeit eine ihrer Art nach konkretisierte Straftat gegen den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes, Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person oder Sachen von bedeutendem Wert, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten ist, begehen wird, oder
  2. das Verhalten der betroffenen Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie in überschaubarer Zukunft eine terroristische Straftat begehen wird.

(3) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 Nummer 1 oder Nummer 2 kann zum Zweck der Verhütung von Straftaten einer Person für höchstens zwei Monate auch der Kontakt mit bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe untersagt werden, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese von der Vorbereitung der drohenden Straftat Kenntnis haben, diese aus der Tat Vorteile ziehen werden oder die Person sich ihrer zur Begehung bedienen wird (Kontaktverbot).

(4) Maßnahmen nach den Absätzen 2 und 3 bedürfen der Anordnung durch das Amtsgericht. Die Anordnung ist sofort vollziehbar. Bei Gefahr im Verzug kann die Anordnung durch die Präsidentin oder den Präsidenten des Landeskriminalamtes oder einer Polizeidirektion oder durch einen von diesen von diesen hierzu beauftragte Bedienstete getroffen werden. In diesem Fall ist die gerichtliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. Soweit die Anordnung nicht binnen drei Tagen durch das Gericht bestätigt wird, tritt sie außer Kraft. Die Maßnahme ist zu beenden, wenn die Bestätigung durch das Gericht abgelehnt wird.

(5) Im Antrag nach Absatz 4 Satz 1 sind anzugeben:

  1. die Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, mit Name und Anschrift,
  2. Art, Umfang und Dauer der Maßnahme, einschließlich
    1. im Fall des Aufenthaltsgebots nach Absatz 2 eine Bezeichnung der Bereiche, von denen sich die Person ohne Erlaubnis der zuständigen Polizeidienststelle nicht entfernen, oder im Fall des Aufenthaltsverbots nach Absatz 2 eine Bezeichnung der Bereiche, an denen sich die Person ohne Erlaubnis der zuständigen Polizeidienststelle nicht aufhalten darf, und
    2. im Fall des Kontaktverbots nach Absatz 3 eine Bezeichnung der Personen oder der Gruppe, mit denen oder mit der der betroffenen Person der Kontakt untersagt ist, soweit möglich mit Name und Anschrift,
  3. der Sachverhalt und
  4. die Begründung.

(6) Die Anordnung ergeht schriftlich. In ihr sind anzugeben:

  1. die Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, mit Name und Anschrift,
  2. Art, Umfang und Dauer der Maßnahme, einschließlich
    1. im Fall des Aufenthaltsgebots nach Absatz 2 eine Bezeichnung der Bereiche, von denen sich die Person ohne Erlaubnis der zuständigen Polizeidienststelle nicht entfernen, oder im Fall des Aufenthaltsverbots nach Absatz 2 eine Bezeichnung der Bereiche, an denen sich die Person ohne Erlaubnis der zuständigen Polizeidienststelle nicht aufhalten darf, und
    2. im Fall des Kontaktverbots nach Absatz 3 eine Bezeichnung der Personen oder der Gruppe, mit denen oder mit der der betroffenen Person der Kontakt untersagt ist, soweit möglich mit Name und Anschrift sowie
  3. die wesentlichen Gründe.

(7) Maßnahmen nach den Absätzen 1 bis 3 sind auf den zur Verhütung der Straftaten erforderlichen Umfang zu beschränken. Sie dürfen nicht den freien Zu- oder Abgang zur oder von der Wohnung der betroffenen Person oder die Wahrnehmung anderer berechtigter Interessen beschränken. Die Vorschriften des Versammlungsrechts bleiben unberührt. Die Maßnahmen sind zu befristen. Eine Verlängerung um jeweils nicht mehr als drei Monate ist möglich, soweit die Voraussetzungen fortbestehen. Liegen die Voraussetzungen nicht mehr vor, ist die Maßnahme unverzüglich zu beenden.

(8) Die Erforderlichkeit, die praktische Anwendung und die Auswirkungen der Maßnahmen nach den Absätzen 2 und 3 werden nach einem Erfahrungszeitraum von drei Jahren, spätestens jedoch zum 31. Dezember 2024, durch die Staatsregierung geprüft. Die Staatsregierung berichtet dem Landtag über das Ergebnis der Evaluierung.

§ 22 Gewahrsam

(1) Die Polizei kann eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn

  1. dies zum Schutz der Person gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist, insbesondere weil die Person sich erkennbar in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand oder sonst in hilfloser Lage befindet oder eine Selbsttötung droht,
  2. dies unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung zu verhindern,
  3. dies unerlässlich ist, um vollziehbare Platzverweisungen, Aufenthaltsanordnungen, Kontaktverbote oder Wohnungsverweisungen durchzusetzen, oder
  4. dies unerlässlich ist, um Maßnahmen der Identitätsfeststellung durchzuführen.

(2) Die Polizei kann Minderjährige, die sich der Obhut der Sorgeberechtigten entzogen haben, in Gewahrsam nehmen, um sie den Sorgeberechtigten oder dem Jugendamt zuzuführen. Gewahrsamsräume sind hierfür nicht zu nutzen.

(3) Die Polizei kann eine Person, die aus dem Vollzug von Gewahrsam, Festnahmen, angeordneter Haft, Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung entwichen ist oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb einer Vollzugsanstalt befindet, vorläufig in Gewahrsam nehmen.

§ 23 Richterliche Entscheidung zum Gewahrsam

(1) Nimmt die Polizei eine Person nach § 22 Absatz 1 oder Absatz 2 in Gewahrsam, hat sie unverzüglich eine richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer des Gewahrsams herbeizuführen. Der Herbeiführung der richterlichen Entscheidung bedarf es nicht, wenn anzunehmen ist, dass die Entscheidung erst nach Wegfall des Grundes des Gewahrsams ergehen würde.

(2) Für die Entscheidung ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Person in Gewahrsam gehalten wird. Für das Verfahren gelten die Vorschriften der Bücher 1 und 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586, 2587), das zuletzt durch Artikel 13 des Gesetzes vom 18. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2639) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, entsprechend.

§ 24 Behandlung festgehaltener oder in Gewahrsam genommener Personen 24

(1) Wird eine Person gemäß § 14 Absatz 2 oder § 15 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5, 6 oder 7 festgehalten oder nach § 22 in Gewahrsam genommen, sind ihr unverzüglich der Grund der Maßnahme und im Fall der Gewahrsamnahme der zulässige Rechtsbehelf bekanntzugeben sowie Gelegenheit zur Beiziehung eines Bevollmächtigten zu geben.

(2) Der in Gewahrsam genommenen Person ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Angehörige oder einen Angehörigen oder eine Person ihres Vertrauens zu benachrichtigen, soweit dadurch der Zweck des Gewahrsams nicht gefährdet wird. Die Polizei hat die Benachrichtigung zu übernehmen, wenn die in Gewahrsam genommene Person hierzu nicht in der Lage ist und die Benachrichtigung ihrem mutmaßlichen Willen nicht widerspricht. Ist die in Gewahrsam genommene Person minderjährig oder ist für sie eine Betreuerin oder ein Betreuer bestellt, ist in jedem Fall unverzüglich eine sorgeberechtigte Person oder die Betreuerin oder der Betreuer zu benachrichtigen, es sei denn, der Aufgabenkreis der Betreuerin oder des Betreuers wird durch die Ingewahrsamnahme nicht berührt. Ausländische Staatsangehörige sind darüber zu belehren, dass sie die Unterrichtung der konsularischen Vertretung ihres Heimatstaates verlangen und dieser Mitteilungen zukommen lassen können.

(3) Der in Gewahrsam genommenen Person dürfen nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die der Zweck des Gewahrsams oder die Sicherheit oder Ordnung im Gewahrsam erfordern. Sie ist getrennt von anderen in Gewahrsam genommenen Personen, insbesondere von Untersuchungs- und Strafgefangenen, unterzubringen, sofern die Umstände dies zulassen. Gibt ihr Gesundheitszustand Anlass zu Besorgnis, ist eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen.

§ 25 Datenerhebung durch den Einsatz technischer Mittel in polizeilichem Gewahrsam

(1) Die Polizei kann in ihren Gewahrsamseinrichtungen durch den offenen Einsatz technischer Mittel Bilder übertragen, soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dies zum Schutz der in Gewahrsam genommenen Personen oder des zur Durchführung des Gewahrsams eingesetzten Personals oder zur Verhütung von Straftaten in polizeilich genutzten Einrichtungen erforderlich ist. Aus Gewahrsamszellen ist im Einzelfall die Bildübertragung zulässig, soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dies zur Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Selbst- oder Fremdgefährdung erforderlich ist.

(2) Der Schutz der Intimsphäre der in Gewahrsam genommenen Person ist zu wahren. Bei der Bildübertragung aus Gewahrsamszellen soll die Überwachung nur durch Personen gleichen Geschlechts erfolgen; Abweichungen sind insbesondere zulässig, wenn die sofortige Überwachung nach den Umständen zum Schutz gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich erscheint. Die Datenerhebung ist durch ein optisches oder akustisches Signal anzuzeigen. Die für den Einsatz der Bildübertragung maßgeblichen Gründe sind zu dokumentieren.

§ 26 Beendigung der Freiheitsentziehung

Die in Gewahrsam genommene Person ist zu entlassen:

  1. sobald der Grund für die Maßnahme der Polizei entfallen ist,
  2. wenn die Fortdauer der Freiheitsentziehung durch richterliche Entscheidung für unzulässig erklärt wird oder
  3. spätestens bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen, wenn nicht vorher die Fortdauer der Freiheitsentziehung durch richterliche Entscheidung angeordnet wurde; in der richterlichen Entscheidung ist die höchstzulässige Dauer der Freiheitsentziehung zu bestimmen; sie darf im Fall von § 22 Absatz 1 Nummer 2 nicht mehr als 14 Tage und in den übrigen Fällen nicht mehr als drei Tage betragen.

§ 27 Durchsuchung und Untersuchung von Personen 24

(1) Die Polizei kann eine Person durchsuchen, wenn

  1. sie nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgehalten oder in Gewahrsam genommen werden kann,
  2. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Tiere oder Sachen mit sich führt, die nach § 31 sichergestellt werden dürfen,
  3. sie sich erkennbar in einem die freie Willensbildung ausschließendem Zustand oder sonst in hilfloser Lage befindet und dies zur Feststellung und zur Abwehr einer sie betreffenden Gefahr erforderlich ist,
  4. sie sich an einem Ort im Sinne des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 aufhält,
  5. sie sich in einem Objekt im Sinne des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 oder in dessen unmittelbarer Nähe aufhält und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass in oder an Objekten dieser Art Straftaten begangen werden sollen, oder
  6. sie zur gezielten Kontrolle ausgeschrieben ist und die Maßnahme zur Verhütung der Straftat erforderlich ist.

(2) Die Polizei kann eine Person, deren Identität nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgestellt werden soll, nach Waffen, Sprengmitteln und anderen gefährlichen Werkzeugen durchsuchen, wenn dies nach den Umständen zur Sicherung eines Polizeibediensteten oder zum Schutz Dritter gegen eine Gefahr für Leben oder Gesundheit erforderlich erscheint.

(3) Personen dürfen nur von Personen gleichen Geschlechts, einer Ärztin oder einem Arzt durchsucht werden; dies gilt nicht, wenn die sofortige Durchsuchung nach den Umständen zum Schutz gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich erscheint.

(4) Die Polizei kann eine Person körperlich untersuchen lassen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass von ihr eine Gefahr für Leib oder Leben einer anderen Person ausgegangen ist, weil es zu einer Übertragung besonders gefährlicher Krankheitserreger gekommen sein kann und die Kenntnis des Untersuchungsergebnisses zur Abwehr der Gefahr erforderlich ist. Zu diesem Zweck sind Entnahmen von Blutproben oder andere, von der Intensität her vergleichbare körperliche Eingriffe, die von einer Ärztin oder einem Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu Untersuchungszwecken vorgenommen werden, ohne Einwilligung der betroffenen Person zulässig, wenn kein Nachteil für deren Gesundheit zu befürchten ist. Besonders gefährliche Krankheitserreger sind insbesondere der Hepatitis B-, C- oder D-Virus, der Humane Immundefizienz-Virus (HIV), der Rabiesvirus (Tollwut), der Marburg-Virus, der Ebola-Virus oder der SARS-Erreger.

(5) Die körperliche Untersuchung bedarf der Anordnung durch das Amtsgericht. Die Anordnung ist sofort vollziehbar. Bei Gefahr im Verzug kann die Anordnung durch die Präsidentin oder den Präsidenten des Landeskriminalamtes oder einer Polizeidirektion oder durch von diesen hierzu beauftragte Bedienstete getroffen werden. In diesem Fall ist die gerichtliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. Die bei der Untersuchung gewonnenen Daten dürfen zu einem anderen Zweck nur zur Abwehr von schwerwiegenden Gesundheitsgefährdungen verwendet werden. Sind die durch die Maßnahme erlangten personenbezogenen Daten nicht mehr erforderlich, sind sie unverzüglich zu löschen.

§ 28 Durchsuchung von Sachen 24

Die Polizei kann eine Sache durchsuchen, wenn

  1. sie von einer Person mitgeführt wird, die nach § 27 durchsucht oder untersucht werden darf,
  2. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich in der Sache eine Person befindet, die
    1. in Gewahrsam genommen werden darf,
    2. widerrechtlich festgehalten wird oder
    3. sich in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand oder sonst in hilfloser Lage befindet und für die dadurch eine Gefahr für Leib oder Leben besteht,
  3. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich in ihr Sachen oder Tiere befinden, die nach § 31 sichergestellt werden dürfen,
  4. sie sich an einem Ort im Sinne des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 befindet,
  5. sie sich in einem Objekt im Sinne des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 oder in dessen unmittelbarer Nähe befindet und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass in oder an Objekten dieser Art Straftaten begangen werden sollen,
  6. es sich um ein Land-, Wasser- oder Luftfahrzeug handelt, in dem sich eine Person befindet, deren Identität nach § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4, 5 oder Nummer 6 festgestellt werden darf oder die zur gezielten Kontrolle ausgeschrieben ist; die Durchsuchung kann sich auch auf die in diesem Fahrzeug enthaltenen oder mit dem Fahrzeug verbundenen Sachen erstrecken, oder
  7. sie von einer Person mitgeführt wird, deren Identität nach § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4, 5 oder Nummer 6 festgestellt werden darf.

§ 29 Betreten und Durchsuchung von Wohnungen

(1) Die Polizei kann eine Wohnung ohne Einwilligung des Inhabers betreten und durchsuchen,

  1. wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich in ihr eine Person befindet, die nach § 14 Absatz 2 vorgeführt oder nach § 22 in Gewahrsam genommen werden darf,
  2. wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für bedeutende Sach- oder Vermögenswerte erforderlich ist,
  3. um eine mutmaßlich widerrechtlich festgehaltene Person aufzufinden, wenn ein Wohnungsinhaber wegen einer Straftat gegen Leib oder Leben, die Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung verurteilt wurde, soweit wegen der Straftat noch eine Eintragung im Bundeszentralregister vorhanden ist, und wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass ein über die räumliche Nähe zum Wohnort hinausgehender Bezug zwischen der Verurteilung des Wohnungsinhabers und dem Verschwinden der betreffenden Person besteht; das Gleiche gilt, wenn der Wohnungsinhaber wegen einer solchen Straftat nur deshalb nicht verurteilt worden ist, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen war, oder
  4. wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich in ihr Sachen oder Tiere befinden, die nach § 31 sichergestellt werden dürfen.

Die Wohnung umfasst die Wohn- und Nebenräume, Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume, auch während der Geschäftszeiten, sowie anderes umfriedetes Besitztum.

(2) Rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass sich in einem Gebäude oder einer Gebäudegruppe eine Person befindet, die widerrechtlich festgehalten wird oder hilflos ist und für die dadurch eine Gefahr für Leib oder Leben besteht, kann die Polizei Wohnungen in diesem Gebäude oder dieser Gebäudegruppe ohne Einwilligung der Inhaber betreten und durchsuchen, wenn die Gefahr auf andere Weise nicht beseitigt werden kann. Durchsuchungen während der Nachtzeit sind nur zulässig, wenn sie zur Abwehr der Gefahren nach Satz 1 unumgänglich notwendig sind.

(3) Während der Nachtzeit darf eine Wohnung nur in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 und Absatz 4 betreten und durchsucht werden. Diese Einschränkung gilt nicht, wenn von der Wohnung eine erhebliche, die Gesundheit Dritter beeinträchtigende Störung ausgeht. Die Nachtzeit umfasst in dem Zeitraum vom 1. April bis 30. September die Stunden von 21.00 Uhr bis 4.00 Uhr und in dem Zeitraum vom 1. Oktober bis 31. März die Stunden von 21.00 Uhr bis 6.00 Uhr.

(4) Wohnungen dürfen zur Abwehr von dringenden Gefahren für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes, für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für bedeutende Sach- und Vermögenswerte jederzeit betreten werden, wenn auf Grund von Tatsachen anzunehmen ist, dass

  1. dort Personen Straftaten von erheblicher Bedeutung verabreden, vorbereiten oder verüben oder
  2. sich dort Straftäter verbergen

und die Abwehr der Gefahr nur dadurch ermöglicht wird.

(5) Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume sowie andere Räume und Grundstücke, die der Öffentlichkeit zugänglich sind oder zugänglich waren und den Anwesenden zum weiteren Aufenthalt zur Verfügung stehen, dürfen zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung während der Arbeits-, Geschäfts- oder Aufenthaltszeit und im Übrigen nach Maßgabe der Absätze 1 und 3 betreten werden.

§ 30 Verfahren bei der Durchsuchung von Wohnungen 24

(1) Wohnungen dürfen außer bei Gefahr im Verzug nur auf Grund richterlicher Anordnung des Amtsgerichts durchsucht werden, in dessen Bezirk die Wohnung liegt. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Buches 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. Die gerichtliche Entscheidung kann ohne vorherige Anhörung der betroffenen Person ergehen und bedarf zu ihrer Wirksamkeit nicht der Bekanntgabe an sie. Gegen die gerichtliche Entscheidung findet die Beschwerde statt. Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen; die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.

(2) Der Wohnungsinhaber hat das Recht bei der Durchsuchung der Wohnung anwesend zu sein. Ist er abwesend, ist, soweit möglich und soweit hierdurch keine schutzwürdigen Belange des Wohnungsinhabers verletzt werden, eine Person, die ihn vertritt, eine Zeugin oder ein Zeuge hinzuzuziehen.

(3) Dem Wohnungsinhaber oder der Person, die ihn vertritt, sind der Grund der Durchsuchung und der zulässige Rechtsbehelf unverzüglich bekannt zu geben.

(4) Über die Durchsuchung ist eine Niederschrift zu fertigen. Sie muss die verantwortliche Polizeidienststelle, den Grund, die Zeit, den Ort und das Ergebnis der Durchsuchung enthalten. Die Niederschrift ist von einer oder einem der durchsuchenden Bediensteten und dem Wohnungsinhaber oder der hinzugezogenen Person zu unterzeichnen. Wird die Unterschrift verweigert, ist hierüber ein Vermerk aufzunehmen. Dem Wohnungsinhaber oder der Person, die ihn vertritt, sist auf Verlangen eine Durchschrift der Niederschrift auszuhändigen.

(5) Ist die Anfertigung der Niederschrift oder die Aushändigung einer Durchschrift nach den besonderen Umständen des Falles nicht möglich oder würde sie den Zweck der Durchsuchung gefährden, sind dem Wohnungsinhaber oder der Person, die ihn vertritt, lediglich die Durchsuchung unter Angabe der verantwortlichen Polizeidienststelle sowie Zeit und Ort der Durchsuchung schriftlich zu bestätigen.

§ 31 Sicherstellung

(1) Die Polizei kann eine Sache sicherstellen,

  1. um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren,
  2. um den Eigentümer oder rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung der Sache zu schützen oder
  3. wenn sie von einer Person mitgeführt wird, die nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgehalten wird, und die Sache verwendet werden kann, um
    1. sich zu töten oder zu verletzen,
    2. Leben oder Gesundheit anderer zu schädigen,
    3. fremde Sachen zu beschädigen,
    4. fremdes Eigentum zu entwenden oder
    5. sich oder anderen die Flucht zu ermöglichen oder zu erleichtern.

(2) Für Tiere gilt Absatz 1 entsprechend.

§ 32 Verwahrung 24

(1) Sichergestellte Sachen sind in Verwahrung zu nehmen. Lässt die Beschaffenheit der Sache das nicht zu oder erscheint die Verwahrung bei der Polizei unzweckmäßig, ist die Sache auf andere geeignete Weise aufzubewahren oder zu sichern. In diesem Fall kann die Verwahrung auch Dritten übertragen werden. Wird eine sichergestellte Sache verwahrt, hat die Polizei nach Möglichkeit Wertminderungen vorzubeugen.

(2) Der betroffenen Person ist eine Bescheinigung auszustellen, die den Grund der Sicherstellung erkennen lässt und die sichergestellte Sache bezeichnet. Kann nach den Umständen des Falles eine Bescheinigung nicht ausgestellt werden, ist über die Sicherstellung eine Niederschrift aufzunehmen, die auch erkennen lässt, warum eine Bescheinigung nicht ausgestellt worden ist. Der Eigentümer oder eine sonstige berechtigte Person ist unverzüglich zu unterrichten.

(3) Für Tiere gelten die Absätze 1 bis 2 entsprechend.

§ 33 Verwertung, Unbrauchbarmachung und Vernichtung 24

(1) Die Verwertung einer sichergestellten Sache ist zulässig, wenn

  1. ihr Verderb oder eine wesentliche Minderung ihres Wertes droht,
  2. ihre Verwahrung, Pflege oder Erhaltung mit unverhältnismäßig hohen Kosten oder Schwierigkeiten verbunden ist,
  3. sie infolge ihrer Beschaffenheit nicht so verwahrt werden kann, dass weitere Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeschlossen sind,
  4. sie nach einer Frist von einem Jahr nicht an den Eigentümer oder eine sonst berechtigte Person herausgegeben werden könnte, ohne dass die Voraussetzungen der Sicherstellung erneut eintreten würden, oder
  5. die betroffene Person, der Eigentümer oder eine sonst berechtigte Person sie nicht innerhalb einer angemessenen Frist abholt, obwohl ihm eine Mitteilung über die Frist mit dem Hinweis zugestellt worden ist, dass die Sache verwertet wird, wenn sie nicht innerhalb der Frist abgeholt wird.

(2) Ist die betroffene Person, der Eigentümer oder eine sonst berechtigte Person bekannt und erreichbar, soll er vor der Verwertung gehört werden.

(3) Die Sache wird durch öffentliche Versteigerung (§ 383 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches) verwertet. Bleibt die Versteigerung erfolglos, erscheint sie von vornherein aussichtslos oder würden die Kosten der Versteigerung voraussichtlich den zu erwartenden Erlös übersteigen, kann die Sache freihändig verkauft werden. Der Erlös tritt an die Stelle der verwerteten Sache. Kann die Sache innerhalb angemessener Frist nicht verwertet werden, darf sie einem gemeinnützigen Zweck zugeführt werden.

(4) Sichergestellte Sachen können unbrauchbar gemacht oder vernichtet werden, wenn

  1. im Fall einer Verwertung die Gründe, die zu ihrer Sicherstellung berechtigen, fortbestehen oder Sicherstellungsgründe erneut entstehen würden, oder
  2. die Verwertung aus anderen Gründen nicht möglich ist. Absatz 2 gilt entsprechend.

(5) Für Tiere gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

§ 34 Herausgabe sichergestellter Sachen oder des Erlöses, Kosten 24

(1) Sobald die Voraussetzungen für die Sicherstellung weggefallen sind, ist die Sache an denjenigen herauszugeben, bei dem sie sichergestellt worden ist. Ist die Herausgabe an ihn nicht möglich, kann sie an einen anderen herausgegeben werden, der seine Berechtigung glaubhaft macht. Die Herausgabe ist ausgeschlossen, wenn dadurch erneut die Voraussetzungen für eine Sicherstellung eintreten würden. Im Fall des § 31 Absatz 1 Nummer 2 ist die Sache herauszugeben, wenn der Eigentümer oder der rechtmäßige Inhaber der tatsächlichen Gewalt dies verlangt oder wenn ein Schutz nicht mehr erforderlich ist, spätestens jedoch nach zwei Wochen. Soweit durch Rechtsvorschriften nichts anderes bestimmt wird, darf die Sicherstellung von leerstehendem Wohnraum zur Beseitigung oder Verhinderung von Obdachlosigkeit nicht länger als zwölf Monate aufrechterhalten werden. Für andere Sachen darf die Sicherstellung nicht länger als sechs Monate aufrechterhalten werden, es sei denn, es liegen die Voraussetzungen von Satz 3 vor.

(2) Ist die Sache verwertet worden, ist der Erlös herauszugeben. Ist eine sonst berechtigte Person nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln, ist der Erlös nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches zu hinterlegen. Der Anspruch auf Herausgabe des Erlöses erlischt drei Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Sache verwertet worden ist.

(3) Für die Sicherstellung, Verwahrung, Verwertung, Unbrauchbarmachung oder Vernichtung werden Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben, zu deren Ersatz der Eigentümer oder der rechtmäßige Inhaber der tatsächlichen Gewalt verpflichtet ist. Ist eine Sache verwertet worden, können die Kosten aus dem Erlös gedeckt werden.

(4) § 983 des Bürgerlichen Gesetzbuches bleibt unberührt.

§ 35 Zurückbehaltungsbefugnis, Ermächtigung Dritter zum Empfang von Zahlungen 24

(1) Die Polizei kann die Herausgabe von Sachen, deren Besitz sie auf Grund einer polizeilichen Maßnahme nach § 8 Absatz 1 Satz 1, § 31 oder § 39 Absatz 2 in Verbindung mit § 24 Absatz 1 Satz 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für den Freistaat Sachsen in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. September 2003 (SächsGVBl. S. 614, 913), das zuletzt durch das Gesetz vom 6. Oktober 2013 (SächsGVBl. S. 802) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, erlangt hat, von der Zahlung der entstandenen Kosten abhängig machen.

(2) Wurde die Verwahrung einer dritten Person übertragen, kann die Polizei diese schriftlich ermächtigen, Zahlungen auf die ihr entstandenen Kosten in Empfang zu nehmen. Die dritte Person hat die Zahlungen der Polizei unverzüglich mitzuteilen.

§ 36 Tarnpapiere 24

Zur Abwehr von Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit

  1. von Zeuginnen und Zeugen, bei denen
    1. Maßnahmen nach dem Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetz vom 11. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3510), das zuletzt durch Artikel 7 des Gesetzes vom 10. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2121) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, beendet wurden oder
    2. bei denen nach rechtskräftigem Verfahrensabschluss Schutzmaßnahmen erforderlich werden,
  2. oder der Angehörigen von Zeuginnen und Zeugen können geeignete Tarnpapiere verwendet werden.

Abschnitt 2
Vollzugshilfe

§ 37 Vollzugshilfe

(1) Die Polizei leistet anderen Behörden und Gerichten auf Ersuchen Vollzugshilfe, wenn unmittelbarer Zwang anzuwenden ist und die ersuchende Stelle nicht über die hierzu erforderlichen Dienstkräfte verfügt oder ihre Maßnahmen nicht auf andere Weise durchsetzen kann.

(2) Vollzugshilfeersuchen der Polizeibehörden gehen Vollzugshilfeersuchen anderer Behörden grundsätzlich vor.

(3) Die Polizei ist nur für die Art und Weise der Durchführung verantwortlich. Im Übrigen gelten die Grundsätze der Amtshilfe entsprechend.

(4) Die Verpflichtung zur Amtshilfe bleibt unberührt.

(5) Vollzugshilfeersuchen sind schriftlich zu stellen; Grund und Rechtsgrundlage der Maßnahme sind anzugeben. In Eilfällen kann das Ersuchen formlos gestellt werden; es ist auf Verlangen unverzüglich schriftlich zu bestätigen. Die ersuchende Behörde ist von der Ausführung des Ersuchens zu unterrichten.

§ 38 Vollzugshilfe bei Freiheitsentziehung

(1) Hat das Vollzugshilfeersuchen eine Freiheitsentziehung zum Inhalt, ist auch die richterliche Entscheidung über die Freiheitsentziehung vorzulegen oder in dem Ersuchen zu bezeichnen.

(2) Ist eine vorherige richterliche Entscheidung nicht ergangen, hat die Polizei die festgehaltene Person zu entlassen, wenn die ersuchende Stelle diese nicht übernimmt oder die richterliche Entscheidung nicht unverzüglich nachträglich beantragt.

(3) Die §§ 24 und 26 Nummer 3 gelten entsprechend.

Abschnitt 3
Zwang

§ 39 Allgemeines

(1) Die Polizei wendet unmittelbaren Zwang nach den Vorschriften dieses Gesetzes und die Zwangsmittel Zwangsgeld, Zwangshaft sowie Ersatzvornahme nach den Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für den Freistaat Sachsen an.

(2) Für die Anwendung unmittelbaren Zwangs zur Vollstreckung von Verwaltungsakten gelten im Übrigen die Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für den Freistaat Sachsen.

(3) Gesetzliche Notwehr- und Notstandsrechte bleiben unberührt.

§ 40 Begriff und Mittel des unmittelbaren Zwangs 24

(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder Waffengebrauch.

(2) Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen.

(3) Als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt können insbesondere Fesseln, Wasserwerfer, technische Sperren, Diensthunde, Dienstpferde, Dienstfahrzeuge, Reizstoffe und zum Sprengen von Sachen bestimmte explosive Stoffe (Sprengmittel) eingesetzt werden. Das Staatsministerium des Innern kann den Einsatz weiterer Hilfsmittel der körperlichen Gewalt zulassen.

(4) Als Waffen sind Schlagstock, Pistole, Revolver, Gewehr und Maschinenpistole zugelassen. Als Waffen von Spezialeinheiten können durch das Staatsministerium des Innern Vorrichtungen für den Abschuss besonderer Formen von Projektilen zugelassen werden, die darauf ausgerichtet sind, die betroffene Person zu überwältigen, ohne sie dabei tödlich zu verletzen. Für die Verwendung durch Spezialeinheiten sind Maschinengewehre und Handgranaten als besondere Waffen zugelassen.

§ 41 Voraussetzungen des unmittelbaren Zwangs, Androhung 24

(1) Unmittelbarer Zwang darf nur angewendet werden, wenn der polizeiliche Zweck auf andere Weise nicht erreichbar erscheint. Gegen Personen darf unmittelbarer Zwang nur angewendet werden, wenn der polizeiliche Zweck durch unmittelbaren Zwang gegen Sachen nicht erreichbar erscheint. Das angewendete Mittel muss insbesondere nach Art und Maß dem Verhalten, dem Alter und dem Zustand der betroffenen Person angemessen sein. Gegenüber einer Menschenmenge darf unmittelbarer Zwang nur angewendet werden, wenn seine Anwendung gegen einzelne Personen in der Menschenmenge offensichtlich keinen Erfolg verspricht.

(2) Unmittelbarer Zwang ist vor seiner Anwendung anzudrohen und die Maßnahme einschließlich die Androhung sind über ein körpernah getragenes Aufzeichnungsgerät im Sinne des § 57 Absatz 4 zu erfassen, soweit ein solches mitgeführt wird; § 57 Absatz 6 bis 8 gilt entsprechend. Von Androhung und Aufzeichnung kann abgesehen werden, wenn die Umstände diese Maßnahmen nicht zulassen, insbesondere wenn die sofortige Anwendung des Zwangsmittels zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist. Als Androhung des Schusswaffengebrauchs gilt auch die Abgabe eines Warnschusses.

(3) Schusswaffen dürfen nur dann ohne Androhung gebraucht werden, wenn das zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.

(4) Gegenüber einer Menschenmenge ist die Anwendung unmittelbaren Zwangs möglichst so rechtzeitig anzudrohen, dass sich Unbeteiligte noch entfernen können. Der Gebrauch der Schusswaffe gegen Personen in einer Menschenmenge ist stets anzudrohen. Die Androhung ist vor dem Gebrauch zu wiederholen.

(5) Bei Gebrauch von technischen Sperren und Dienstpferden kann von der Androhung abgesehen werden.

§ 42 Fesselung von Personen

Eine Person, die nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgehalten wird, darf gefesselt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie

  1. Polizeibedienstete oder Dritte angreift,
  2. Widerstand leisten oder Sachen beschädigen wird, fliehen wird oder befreit werden soll oder
  3. sich töten oder verletzen wird.

§ 43 Allgemeine Bestimmungen zum Schusswaffengebrauch 24

(1) Schusswaffen dürfen nur gebraucht werden, wenn andere Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs erfolglos angewendet wurden oder offensichtlich keinen Erfolg versprechen. Gegen Personen ist ihr Gebrauch nur zulässig, wenn der Zweck nicht durch Schusswaffengebrauch gegen Sachen erreicht werden kann.

(2) Schusswaffen dürfen gegen Personen nur gebraucht werden, um diese angriffs- oder fluchtunfähig zu machen. Ein Schuss, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tödlich wirken wird, ist nur zulässig, wenn er das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für das Leben oder eine schwerwiegende Verletzung der körperlichen Unversehrtheit ist.

(3) Gegen Personen, die dem äußeren Eindruck oder der Kenntnis nach noch nicht 14 Jahre alt sind, dürfen Schusswaffen nicht gebraucht werden. Dies gilt nicht, wenn der Schusswaffengebrauch das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben ist.

(4) Der Schusswaffengebrauch ist unzulässig, wenn für die Polizeibedienstete oder den Polizeibediensteten erkennbar Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet werden. Dies gilt nicht, wenn der Waffengebrauch das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für das Leben ist.

§ 44 Schusswaffengebrauch gegen Personen

(1) Schusswaffen dürfen gegen Personen nur gebraucht werden,

  1. um eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben abzuwehren,
  2. um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer rechtswidrigen Tat zu verhindern, die sich den Umständen nach als ein Verbrechen oder als ein Vergehen unter Anwendung oder Mitführung von Schusswaffen oder Explosivmitteln darstellt,
  3. um eine Person anzuhalten, die sich der Festnahme oder Identitätsfeststellung durch Flucht zu entziehen versucht, wenn sie
    1. eines Verbrechens dringend verdächtig ist oder
    2. eines Vergehens dringend verdächtig ist und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Schusswaffen oder Explosivmittel mit sich führt,
  4. um die Flucht einer Person zu vereiteln oder um die Ergreifung einer Person zu bewirken, wenn diese in amtlichem Gewahrsam zu halten oder amtlichem Gewahrsam zuzuführen ist:
    1. wegen eines Verbrechens oder auf Grund des dringenden Verdachts eines Verbrechens oder
    2. wegen eines Vergehens oder auf Grund des dringenden Verdachts eines Vergehens, sofern Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Schusswaffen oder Explosivmittel mit sich führt, oder
  5. um die gewaltsame Befreiung einer Person aus amtlichem Gewahrsam zu verhindern.

(2) Schusswaffen dürfen nach Absatz 1 Nummer 4 nicht gebraucht werden, wenn es sich um den Vollzug eines Jugendarrestes oder eines Strafarrestes handelt oder wenn die Flucht aus einer offenen Anstalt verhindert werden soll.

(3) Das Recht zum Gebrauch von Schusswaffen auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften bleibt unberührt.

§ 45 Schusswaffengebrauch gegen Personen in einer Menschenmenge 24

(1) Der Schusswaffengebrauch gegen Personen in einer Menschenmenge ist unzulässig, wenn für die Polizeibedienstete oder den Polizeibediensteten erkennbar ist, dass Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet werden. Dies gilt nicht, wenn der Schusswaffengebrauch das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für das Leben ist.

(2) Unbeteiligte sind nicht Personen in einer Menschenmenge, die Gewalttaten begehen oder durch Handlungen erkennbar billigen oder unterstützen, wenn diese Personen sich aus der Menschenmenge trotz wiederholter Androhung nach § 41 Absatz 4 nicht entfernen.

§ 46 Besondere Waffen

(1) Besondere Waffen dürfen gegen Personen nur in den Fällen des § 44 Absatz 1 Nummer 1, 2 und 5 und nur nach Freigabe der Landespolizeipräsidentin, des Landespolizeipräsidenten oder der Person, die sie oder ihn im Amt vertritt, gebraucht werden, wenn

  1. der Einsatz dieser Waffen erforderlich ist, um eine von den Personen ausgehende Gefahr für das Leben der eingesetzten Polizeibediensteten oder unbeteiligter Dritter abzuwehren oder
  2. diese Personen von Schusswaffen oder Explosivmitteln Gebrauch gemacht haben und der vorherige Gebrauch anderer Schusswaffen erfolglos geblieben ist oder ungeeignet erscheint.

(2) Besondere Waffen dürfen nur gebraucht werden, um einen Angriff abzuwehren. Sie dürfen gegen Personen in einer Menschenmenge nicht angewendet werden.

(3) Die Vorschriften über Schusswaffen gelten auch für Maschinengewehre direkt und für Handgranaten entsprechend.

Abschnitt 4
Entschädigung

§ 47 Zur Entschädigung verpflichtende Maßnahmen

(1) Ein Schaden, den jemand durch Maßnahmen der Polizei erleidet, ist zu ersetzen, wenn er

  1. in Folge einer rechtmäßigen Inanspruchnahme nach § 9 oder
  2. durch rechtswidrige Maßnahmen entstanden ist.

(2) Der Ausgleich ist auch Personen zu gewähren, die mit Zustimmung der Polizei bei der Erfüllung der polizeilichen Aufgabe mitgewirkt oder Sachen zur Verfügung gestellt haben und dadurch einen Schaden erlitten haben.

(3) Im Fall des Absatzes 1 Nummer 1 besteht kein Ersatzanspruch, soweit die erforderliche Maßnahme zum Schutz der Person oder des Vermögens der geschädigten Person getroffen worden ist.

(4) Soweit die Entschädigungspflicht wegen rechtmäßiger Maßnahmen der Polizei in anderen gesetzlichen Vorschriften geregelt ist, finden diese Anwendung.

§ 48 Art, Inhalt und Umfang der Entschädigungsleistung 24

(1) Die Entschädigung nach § 47 wird grundsätzlich nur für Vermögensschäden gewährt. Für entgangenen Gewinn, der über den Ausfall des gewöhnlichen Verdienstes oder Nutzungsentgeltes hinausgeht, und für Nachteile, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der polizeilichen Maßnahme stehen, ist Entschädigung nur zu gewähren, wenn und soweit dies zur Abwendung einer unbilligen Härte geboten erscheint.

(2) Bei einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit oder bei einer Freiheitsentziehung ist auch der Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, angemessen auszugleichen; dieser Anspruch ist nicht übertragbar und nicht vererblich, es sei denn, dass er rechtshängig geworden oder durch Vertrag anerkannt worden ist.

(3) Die Entschädigung wird in Geld gewährt. Hat die zur Entschädigung verpflichtende Maßnahme die Aufhebung oder Minderung der Erwerbstätigkeit oder eine Vermehrung der Bedürfnisse oder den Verlust oder die Beeinträchtigung eines Rechts auf Unterhalt zur Folge, ist die Entschädigung durch Entrichtung einer Rente zu gewähren. § 760 des Bürgerlichen Gesetzbuches ist anzuwenden. Statt der Rente kann eine Kapitalabfindung verlangt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Der Anspruch wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine andere Person der geschädigten Person Unterhalt zu gewähren hat.

(4) Stehen der geschädigten Person Ansprüche gegen Dritte zu, ist, soweit diese Ansprüche nach Inhalt und Umfang dem Entschädigungsanspruch entsprechen, die Entschädigung nur gegen Abtretung dieser Ansprüche zu gewähren.

(5) Bei der Bemessung der Entschädigung sind alle Umstände zu berücksichtigen, insbesondere Art und Vorhersehbarkeit des Schadens und ob die geschädigte Person oder ihr Vermögen durch die Maßnahme der Polizei geschützt worden ist. Haben Umstände, die oder der Geschädigte zu vertreten hat, zur Entstehung oder Vergrößerung des Schadens beigetragen, hängen die Verpflichtung zur Entschädigung und der Umfang der Entschädigung insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend durch die Polizei oder Geschädigte verursacht worden ist.

§ 49 Ansprüche mittelbar Geschädigter 24

(1) Im Fall der Tötung sind die Kosten der Bestattung demjenigen zu ersetzen, dem die Verpflichtung obliegt, diese Kosten zu tragen. § 48 Absatz 5 gilt entsprechend.

(2) Stand die getötete Person zu einer dritten Person in einem Verhältnis, auf Grund dessen die getötete Person dieser gegenüber kraft Gesetzes unterhaltspflichtig war oder unterhaltspflichtig werden konnte, und ist der dritten Person infolge der Tötung das Recht auf Unterhalt entzogen, kann die dritte Person insoweit eine angemessene Entschädigung verlangen, als die getötete Person während der mutmaßlichen Dauer ihres Lebens zur Gewährung des Unterhalts verpflichtet gewesen wäre. § 48 Absatz 3 Satz 3 bis 5 und Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. Die Entschädigung kann auch dann verlangt werden, wenn die dritte Person zur Zeit der Verletzung gezeugt, aber noch nicht geboren war.

§ 50 Entschädigungspflichtiger

Entschädigungspflichtiger ist der Freistaat Sachsen.

§ 51 Rückgriff gegen verantwortliche Personen 24

(1) Der Freistaat Sachsen kann von den Verantwortlichen nach § 6 oder § 7 Ersatz der Aufwendungen verlangen, wenn er auf Grund des § 47 eine Entschädigung gewährt hat.

(2) Sind mehrere Personen nebeneinander verantwortlich, haften sie als Gesamtschuldner.

§ 52 Rechtsweg für Entschädigungsansprüche

Für die Ansprüche nach den §§ 47 bis 51 ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.

Teil 3
Befugnisse zur Datenverarbeitung

Abschnitt 1
Allgemeine Grundsätze

§ 53 Anwendbare Vorschriften

(1) Soweit die Polizei personenbezogene Daten zur Erfüllung von Aufgaben verarbeitet, die in den Anwendungsbereich von § 1 des Sächsischen Datenschutz-Umsetzungsgesetzes vom 11. Mai 2019 (SächsGVBl. S. 358, 398), in der jeweils geltenden Fassung, fallen, gilt das Sächsische Datenschutz-Umsetzungsgesetz, soweit dieses Gesetz keine abschließenden Regelungen enthält.

(2) Soweit die Polizei im Übrigen personenbezogene Daten zur Erfüllung ihrer Aufgaben verarbeitet, gelten die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (ABl. L 119 vom 04.05.2016 S. 1, L 314 vom 22.11.2016 S. 72, L 127 vom 23.05.2018 S. 2), das Sächsische Datenschutzdurchführungsgesetz vom 26. April 2018 (SächsGVBl. S. 198, 199), in der jeweils geltenden Fassung, sowie die §§ 95 und 96.

§ 54 Grundsätze der Datenverarbeitung

(1) Die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten (§ 2 Nummer 15 des Sächsischen Datenschutz-Umsetzungsgesetzes) ist zulässig, soweit dies zur Erfüllung von Aufgaben unbedingt erforderlich ist. Im Übrigen gilt § 4 Absatz 2 des Sächsischen Datenschutz-Umsetzungsgesetzes.

(2) Bei der Verarbeitung personenbezogener Daten ist soweit möglich zu unterscheiden:

  1. nach den in § 28 des Sächsischen Datenschutz-Umsetzungsgesetzes genannten Kategorien betroffener Personen und
  2. danach, ob die personenbezogenen Daten auf Tatsachen oder auf persönlicher Einschätzung beruhen; im Übrigen gilt § 29 des Sächsischen Datenschutz-Umsetzungsgesetzes.

Für die Verarbeitung personenbezogener Daten gelten im Übrigen die allgemeinen Grundsätze nach § 3 Absatz 2 des Sächsischen Datenschutz-Umsetzungsgesetzes.

Abschnitt 2
Allgemeine und besondere Befugnisse zur
Datenerhebung

Unterabschnitt 1
Allgemeine Befugnisse zur Datenerhebung

§ 55 Grundsätze der Datenerhebung 24

(1) Die Polizei darf personenbezogene Daten nur erheben, soweit dies durch dieses Gesetz oder andere Rechtsvorschriften zugelassen wird.

(2) Personenbezogene Daten sind grundsätzlich bei der betroffenen Person mit ihrer Kenntnis oder aus allgemein zugänglichen Quellen zu erheben. Bei Dritten können personenbezogene Daten nur erhoben werden, wenn

  1. eine Rechtsvorschrift dies vorsieht oder zwingend voraussetzt,
  2. ddie betroffene Person ihre Zustimmung erteilt hat,
  3. offensichtlich ist, dass dies im Interesse der betroffenen Person liegt, diese nicht erreichbar ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass diese ihre Zustimmung hierzu verweigern würde,
  4. die betroffene Person einer durch Rechtsvorschrift festgelegten Auskunftspflicht nicht nachgekommen ist und über die beabsichtigte Erhebung bei Dritten unterrichtet worden ist,
  5. Angaben dder betroffenen Person berprüft werden müssen, weil tatsächliche Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit bestehen,
  6. es zur Abwehr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechte einer anderen Person erforderlich ist,
  7. die Erhebung bei der betroffenen Person einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde und keine Anhaltspunkte vorliegen, dass überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person ntgegenstehen, oder
  8. die Erhebung bei der betroffenen Person die Erfüllung polizeilicher Aufgaben gefährden würde.

(3) Personenbezogene Daten sind grundsätzlich offen zu erheben. Die betroffene Person oder bei einer Datenerhebung außerhalb des öffentlichen Bereichs Dritte sind auf die Rechtsgrundlage der Datenerhebung und auf eine im Einzelfall bestehende gesetzliche Auskunftspflicht oder auf die Freiwilligkeit der Auskunft hinzuweisen. Der Hinweis nach Satz 2 kann im Einzelfall zunächst unterbleiben, wenn hierdurch die Erfüllung polizeilicher Aufgaben oder schutzwürdige Interessen Dritter beeinträchtigt werden würden. Der Hinweis nach Satz 2 kann im Fall der Datenerhebung außerhalb des öffentlichen Bereichs darüber hinaus unterbleiben, wenn dies schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigen würde. Über die Folgen der Verweigerung von Angaben sind die betroffene Person oder die Dritten aufzuklären.

(4) Eine Datenerhebung, die nicht als polizeiliche Maßnahme erkennbar sein soll (verdeckte Datenerhebung), ist nur in den durch dieses Gesetz bestimmten Fällen zulässig oder wenn sonst die Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben gefährdet oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich wäre oder wenn anzunehmen ist, dass dies den überwiegenden Interessen der betroffenen Person entspricht. Sind die Voraussetzungen für eine verdeckte Datenerhebung nach Satz 1 entfallen, ist die betroffene Person nach Maßgabe von § 12 des Sächsischen Datenschutz-Umsetzungsgesetzes zu benachrichtigen. Die Benachrichtigungspflichten nach § 74 bleiben hiervon unberührt.

(5) Die verdeckte Datenerhebung ist unzulässig, soweit eine Auskunftspflicht nach § 13 Absatz 3 Satz 4 nicht besteht. Ein Eingriff in andere geschützte Vertrauensverhältnisse ist nur zulässig, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leben oder Freiheit einer Person oder einer gegenwärtigen erheblichen Gesundheitsgefahr zwingend erforderlich ist. Die allgemeine Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit im öffentlichen Dienst begründet kein geschütztes Vertrauensverhältnis.

§ 56 Befugnis zur Datenerhebung

Die Polizei kann personenbezogene Daten über die in den §§ 6, 7 und 9 genannten Personen und über andere Personen erheben, wenn dies erforderlich ist:

  1. zur Gefahrenabwehr, insbesondere zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten (§ 2 Absatz 1),
  2. zum Schutz privater Rechte (§ 2 Absatz 2),
  3. zur Vollzugshilfe (§ 2 Absatz 4) oder
  4. zur Erfüllung von ihr durch andere Rechtsvorschriften zugewiesenen Aufgaben (§ 2 Absatz 5) und dieses Gesetz oder andere Rechtsvorschriften die Befugnisse zur Datenerhebung nicht besonders regeln.

§ 57 Offener Einsatz technischer Mittel zur Bild- und Tonaufnahme und -aufzeichnung 24

(1) Die Polizei kann bei abstrakten Gefahren im Zusammenhang mit öffentlichen Veranstaltungen oder Ansammlungen unter freiem Himmel, die nicht dem Sächsischen Versammlungsgesetz unterliegen, offen Übersichtsbildübertragungen anfertigen, wenn und soweit dies wegen der Größe der Veranstaltung oder Ansammlung oder der Unübersichtlichkeit der Lage zur Lenkung und Leitung eines Polizeieinsatzes im Einzelfall erforderlich ist. Eine Identifikation von Personen oder Aufzeichnung der Übertragung findet hierbei nicht statt.

(2) Die Polizei kann bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Veranstaltungen oder Ansammlungen unter freiem Himmel, die nicht dem Sächsischen Versammlungsgesetz unterliegen, personenbezogene Daten durch den offenen Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen von Personen erheben, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie innerhalb absehbarer Zeit eine ihrer Art nach konkretisierte Straftat begehen werden, durch die Personen, Sach- oder Vermögenswerte gefährdet werden, oder dass von ihnen sonstige erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen.

(3) Die Polizei kann

  1. an oder in den Objekten im Sinne des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 oder in deren unmittelbarer Nähe und
  2. auf öffentlichen Straßen, Wegen oder Plätzen, wenn nach polizeilich dokumentierten Tatsachen die Kriminalitätsbelastung dort gegenüber der des Gemeindegebiets deutlich erhöht ist (Kriminalitätsschwerpunkte),

personenbezogene Daten durch den offenen Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen von Personen erheben, soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort künftig Straftaten begangen werden, durch die Personen, Sach- oder Vermögenswerte gefährdet werden.

(4) Die Polizei kann in öffentlich zugänglichen Bereichen personenbezogene Daten durch den offenen Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bild- und Tonaufzeichnungen erheben und kurzzeitig in einem Zwischenspeicher für 60 Sekunden erfassen, soweit und solange mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass dies zur Eigensicherung gegen eine Gefahr für Leib oder Leben oder zum Schutz Dritter gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist. Diese Daten sind automatisiert nach höchstens 60 Sekunden spurlos zu löschen, es sei denn, die Voraussetzungen für eine Aufzeichnung nach Absatz 5 liegen vor.

(5) Die Polizei kann, soweit dies zur Eigensicherung gegen eine Gefahr für Leib oder Leben oder zum Schutz Dritter gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist, nach Absatz 4 erhobene Daten aufzeichnen.

(6) Der Einsatz des technischen Mittels nach den Absätzen 4 und 5 ist in geeigneter Weise besonders erkennbar zu machen und der Beginn der Aufzeichnung nach Absatz 5 der betroffenen Person mitzuteilen. Bei Gefahr im Verzug kann die Mitteilung unterbleiben. Der Einsatz des technischen Mittels und die Aufzeichnungen sind zum Zwecke einer nachträglichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit zu dokumentieren.

(7) Aufzeichnungen nach den Absätzen 4 und 5 durch körpernah getragene Geräte werden verschlüsselt sowie manipulationsgesichert gefertigt und aufbewahrt. Sie sind unzulässig in Bereichen, die der Ausübung von Tätigkeiten von Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträgern nach den §§ 53 und 53a der Strafprozessordnung dienen. Die angefertigten Bild- und Tonaufzeichnungen sind nach Ablauf von 30 Tagen zu löschen sowie daraus gefertigte Unterlagen zu vernichten, soweit sie nicht für Zwecke der Strafverfolgung oder für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer aufgezeichneten Maßnahme oder der Aufzeichnung selbst benötigt werden. Auf Antrag erhalten betroffene Personen Einsicht in die Aufzeichnung. Näheres zum Verfahren regelt das Staatsministerium des Innern durch Verwaltungsvorschrift.

(8) Die Maßnahmen nach den Absätzen 2 bis 5 dürfen auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.

(9) Die Maßnahmen nach den Absätzen 4 und 5, die praktische Anwendung und die Auswirkungen dieser Vorschrift werden nach einem Erfahrungszeitraum von drei Jahren, spätestens jedoch zum 31. Dezember 2024, durch die Staatsregierung geprüft. Die Staatsregierung berichtet dem Landtag über das Ergebnis der Evaluierung.

(10) Nach den Absätzen 2 und 3 erhobene Daten und daraus gefertigte Unterlagen sind spätestens nach einem Monat zu löschen oder zu vernichten, soweit sie nicht zur Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, zur Geltendmachung von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen oder nach Maßgabe des § 2 Absatz 2 zum Schutz privater Rechte, insbesondere zur Behebung einer bestehenden Beweisnot, erforderlich sind.

Unterabschnitt 2
Besondere Befugnisse zur Datenerhebung und besondere Maßnahmen

§ 58 Anlassbezogene automatisierte Kennzeichenerkennung 24

(1) Die Polizei kann durch den Einsatz technischer Mittel zur automatisierten Kennzeichenerkennung Kraftfahrzeugkennzeichen sowie Informationen über Ort, Zeit und Fahrtrichtung erfassen und die Kraftfahrzeugkennzeichen sofort und unmittelbar mit polizeilichen Datenbeständen aus folgenden Anlässen automatisiert abgleichen:

  1. zur Abwehr einer erheblichen Gefahr, soweit dokumentierte Erkenntnisse eine solche Gefahr begründen,
  2. zur Stichprobenkontrolle mit dem Ziel der Sicherstellung gestohlener oder sonst abhanden gekommener Kraftfahrzeuge oder Kraftfahrzeugkennzeichen,
  3. zur Stichprobenkontrolle mit dem Ziel der Verhinderung der Weiterfahrt von Kraftfahrzeugen ohne ausreichenden Pflichtversicherungsschutz,
  4. zur vorbeugenden Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität in den Räumen und unter den Voraussetzungen des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 oder
  5. zur Verhinderung von Straftaten an Kriminalitätsschwerpunkten im Sinne des § 57 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2.

(2) Der Einsatz technischer Mittel im Sinne des Absatzes 1 ist zeitlich und örtlich zu begrenzen. Durch technisch-organisatorische Maßnahmen ist sicherzustellen, dass der Einsatz solcher Mittel weder einzeln noch in der Kombination flächendeckend oder im Dauerbetrieb erfolgt. Die automatisierte Kennzeichenerkennung erfolgt offen, auf die Datenerhebung ist in geeigneter Weise hinzuweisen. In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 darf ein Abgleich nur mit den zu diesen Zwecken gespeicherten personenbezogenen Daten erfolgen. In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 2 bis 5 darf der Abgleich auch mit zu Zwecken der Sachfahndung im Informationssystem der Polizei und im Nationalen Schengener Informationssystem gespeicherten personenbezogenen Daten erfolgen, wobei die einzubeziehenden Fahndungsbestände auf solche beschränkt werden, die für den jeweiligen Zweck der Kennzeichenkontrolle Bedeutung haben können. In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 2 und 3 muss der Datenbestand auf Kennzeichendaten von Kraftfahrzeugen beschränkt werden, die zu den Zwecken nach Absatz 1 Nummer 2 und 3 gespeichert wurden. Liegt für das vollständig erfasste Kraftfahrzeugkennzeichen keine Datenübereinstimmung vor, sind die erfassten Daten sofort, technisch spurenlos und automatisiert zu löschen.

(3) Bei Datenübereinstimmung können das betreffende Kraftfahrzeug angehalten und die Identität der in diesem angetroffenen Personens festgestellt werden. § 15 Absatz 2 und 3 gilt entsprechend. Maßnahmen nach § 60 sind unzulässig. Die Zusammenführung von Daten zu Bewegungsbildern ist unzulässig. Sofern sie nicht bereits nach Absatz 2 gelöscht sind, sind Daten unverzüglich zu löschen, wenn sie nicht mehr für die Zweckerreichung im Sinne des Absatzes 1 oder zur Verfolgung von Straftaten von erheblicher Bedeutung erforderlich sind.

(4) Maßnahmen nach Absatz 1 dürfen nur durch die Präsidentin oder den Präsidenten des Landeskriminalamtes oder einer Polizeidirektion oder durch von diesen hierzu beauftragte Bedienstete angeordnet werden. Die Erkenntnisse, die der Maßnahme zugrunde liegen und die Fahndungsbestände, die zum Abgleich einbezogen werden, sind in der Anordnung zu dokumentieren.

(5) Die Erforderlichkeit, die praktische Anwendung und die Auswirkungen des stationären Technikeinsatzes werden nach einem Erfahrungszeitraum von drei Jahren, spätestens jedoch zum 31. Dezember 2024, durch die Staatsregierung geprüft. Die Staatsregierung berichtet dem Landtag über das Ergebnis der Evaluierung.

§ 59 (aufgehoben) * 24

§ 60 Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung und zur gezielten Kontrolle 24

(1) Die Polizei kann Personalien einer Person, das amtliche Kennzeichen eines von ihr benutzten oder eingesetzten Kraftfahrzeugs oder die Identifizierungsnummer oder äußere Kennzeichnung eines von ihr eingesetzten Wasserfahrzeugs, Luftfahrzeugs oder Containers in Fahndungssystemen zur polizeilichen Beobachtung oder gezielten Kontrolle ausschreiben, damit die Polizei, die Polizei des Bundes oder der anderen Länder und, soweit sie Aufgaben der Grenzkontrolle wahrnehmen, die Zollbehörden das Antreffen der Person oder des Fahrzeugs melden können, wenn dies bei Gelegenheit einer Überprüfung aus anderem Anlass festgestellt wird.

(2) Eine Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung darf erfolgen bei:

  1. einer Person, bei der Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in absehbarer Zeit eine zumindest der Art nach konkretisierte Straftat von erheblicher Bedeutung begehen wird,
  2. einer Person, bei der das Verhalten die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie in überschaubarer Zukunft eine terroristische Straftat begehen wird, oder
  3. einer Kontakt- und Begleitperson der Person nach den Nummern 1 und 2

und soweit die Maßnahme zur Verhütung der Straftat erforderlich ist.

(3) Die Ausschreibung zur gezielten Kontrolle darf erfolgen bei:

  1. einer Person, bei der Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in absehbarer Zeit eine zumindest der Art nach konkretisierte Straftat nach § 100a Absatz 2 der Strafprozessordnung begehen wird,
  2. einer Person, bei der das Verhalten die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie in überschaubarer Zukunft eine terroristische Straftat begehen wird, oder
  3. einer Kontakt- und Begleitperson einer Person nach den Nummern 1 und 2

und soweit die Maßnahme zur Verhütung der Straftat erforderlich ist.

(4) Beim Antreffen einer zur polizeilichen Beobachtung ausgeschriebenen Person oder der ausgeschriebenen Sache können erlangte Erkenntnisse über Ort und Zeit des Antreffens der Person, Anlass der Überprüfung, Reiseweg und Reiseziel, gemeinsam mit der ausgeschriebenen Person angetroffene Personen oder Insassen des Fahrzeugs und mitgeführte Sachen an die ausschreibende Polizeidienststelle übermittelt werden. Beim Antreffen einer zur gezielten Kontrolle ausgeschriebenen Person können zusätzlich zu den Erkenntnissen aus Satz 1 solche aus Maßnahmen nach den §§ 27 und 28 an die ausschreibende Polizeidienststelle übermittelt werden.

(5) Die Ausschreibung darf für höchstens ein Jahr angeordnet werden. Eine Verlängerung um nicht mehr als jeweils ein Jahr ist zulässig, soweit die Voraussetzungen weiterhin vorliegen. Spätestens nach Ablauf von jeweils sechs Monaten hat die ausschreibende Polizeidienststelle zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Ausschreibung noch vorliegen. Das Ergebnis der Prüfung ist zu dokumentieren. Liegen die Voraussetzungen für die Ausschreibung nicht mehr vor, ist der Zweck der Ausschreibung erreicht oder kann er nicht erreicht werden, ist die Ausschreibung unverzüglich zu löschen.

(6) Maßnahmen nach Absatz 1 dürfen nur durch die Präsidentin oder den Präsidenten des Landeskriminalamtes oder einer Polizeidirektion oder durch einen von diesen hierzu beauftragte Bedienstete angeordnet werden. In der schriftlichen Anordnung sind anzugeben:

  1. Angaben zur Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, soweit möglich mit Name und Anschrift,
  2. Art, Umfang und Dauer der Maßnahme,
  3. der Sachverhalt und
  4. die Begründung.

§ 61 Elektronische Aufenthaltsüberwachung 24

(1) Die Polizei kann eine Person dazu verpflichten, ein technisches Mittel, mit dem der Aufenthaltsort dieser Person elektronisch überwacht werden kann, ständig in betriebsbereitem Zustand am Körper bei sich zu führen und dessen Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen, wenn das Verhalten dieser Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie in überschaubarer Zukunft eine terroristische Straftat begehen wird, um diese Person durch die Überwachung und die Datenverwendung von der Begehung dieser Straftat abzuhalten.

(2) Die Verpflichtung kann auch erfolgen, wenn gegen die Person eine Maßnahme nach § 21 Absatz 2 oder Absatz 3 angeordnet wird und Tatsachen die Annahme begründen, dass die elektronische Aufenthaltsüberwachung erforderlich ist, um diese Person durch die Überwachung und die Datenverwendung von der Begehung der anlassgebenden Straftaten abzuhalten und Verstöße gegen Aufenthaltsanordnungen nach § 21 Absatz 2 oder Kontaktverbote zu verhüten.

(3) Die Polizei kann mit Hilfe des von der Person mitgeführten technischen Mittels automatisiert Daten über deren Aufenthaltsort sowie über etwaige Beeinträchtigungen der Datenerhebung erheben und speichern. Soweit dies zur Erfüllung des Überwachungszwecks nach Absatz 1 erforderlich ist, dürfen die erhobenen Daten zu einem Bewegungsbild verbunden werden. Es ist, soweit dies technisch möglich ist, sicherzustellen, dass innerhalb der Wohnung der betroffenen Person keine über den Umstand ihrer Anwesenheit hinausgehenden Aufenthaltsdaten erhoben werden; dennoch erhobene Daten dürfen nicht verwendet werden und sind unverzüglich zu löschen. Die Tatsache ihrer Löschung ist zu dokumentieren. Die Dokumentation darf ausschließlich zum Zweck der Datenschutzkontrolle verwendet werden. Sie ist nach Abschluss der Datenschutzkontrolle nach § 94 zu löschen. Daten nach den Sätzen 1 und 2 dürfen nur verarbeitet werden, wenn dies zu folgenden Zwecken erforderlich ist:

  1. zur Verhütung oder zur Verfolgung von terroristischen Straftaten sowie von Straftaten gegen Rechtsgüter im Sinne des § 21 Absatz 2 Nummer 1,
  2. zur Feststellung von Verstößen gegen Aufenthaltsanordnungen nach § 21 Absatz 2 und Kontaktverbote nach § 21 Absatz 3,
  3. zur Verfolgung einer Straftat nach § 106,
  4. zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder
  5. zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des technischen Mittels.

Zur Einhaltung der Zweckbindung nach Satz 7 hat die Verarbeitung der Standortdaten automatisiert zu erfolgen. Die Daten sind gegen unbefugte Kenntnisnahme und Verarbeitung besonders zu sichern. Die in Satz 1 genannten Daten sind spätestens zwei Monate nach Beendigung der Maßnahme zu löschen, soweit sie nicht zu Zwecken nach Satz 7 weiterverarbeitet werden. Jeder Abruf der Daten ist gemäß § 32 des Sächsischen Datenschutz-Umsetzungsgesetzes zu protokollieren. Die Protokolldaten sind nach Abschluss der Datenschutzkontrolle nach § 94 zu löschen.

(4) Bei Durchführung der Maßnahme hat die zuständige Polizeidienststelle

  1. Daten des Aufenthaltsortes der betroffenen Person an die zuständigen Polizeidienststellen oder die Strafverfolgungsbehörden weiterzugeben, wenn dies zur Verhütung oder zur Verfolgung einer Straftat im Sinne des Absatzes 3 Satz 7 Nummer 1 erforderlich ist,
  2. Daten des Aufenthaltsortes der betroffenen Person an andere Polizeidienststellen weiterzugeben, sofern dies zur Durchsetzung von Maßnahmen nach § 21 Absatz 2 und 3 erforderlich ist,
  3. Daten des Aufenthaltsortes der betroffenen Person an die zuständige Strafverfolgungsbehörde zur Verfolgung einer Straftat nach § 106 weiterzugeben,
  4. Daten des Aufenthaltsortes der betroffenen Person an andere Polizeidienststellen weiterzugeben, sofern dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr im Sinne des Absatzes 3 Satz 7 Nummer 4 erforderlich ist,
  5. eingehende Systemmeldungen über Verstöße nach Absatz 3 Satz 7 Nummer 2 entgegenzunehmen und zu bewerten,
  6. die Ursache einer Meldung zu ermitteln; hierzu kann die zuständige Polizeidienststelle Kontakt mit der betroffenen Person aufnehmen, sie befragen, sie auf den Verstoß hinweisen und ihr mitteilen, wie sie dessen Beendigung bewirken kann,
  7. eine Überprüfung der bei der Person vorhandenen technischen Geräte auf ihre Funktionsfähigkeit oder Manipulation und die zur Behebung einer Funktionsbeeinträchtigung erforderlichen Maßnahmen, insbesondere den Austausch der technischen Mittel oder von Teilen davon, vorzunehmen oder einzuleiten und
  8. Anfragen der betroffenen Person zum Umgang mit den technischen Mitteln zu beantworten.

(5) Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 bedürfen einer richterlichen Anordnung auf Antrag der Polizei. Bei Gefahr im Verzug kann die Anordnung durch die Präsidentin oder den Präsidenten des Landeskriminalamtes oder einer Polizeidirektion oder durch von diesen hierzu beauftragte Bedienstete getroffen werden. In diesem Fall ist eine gerichtliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. Soweit die Anordnung nicht innerhalb von drei Tagen durch das Gericht bestätigt wird, tritt sie außer Kraft. Die Maßnahme ist zu beenden, wenn sie durch das Gericht abgelehnt wird.

(6) In dem Antrag sind anzugeben:

  1. die Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, mit Name und Anschrift,
  2. Art, Umfang und Dauer der Maßnahme, die Angabe, ob gegenüber der Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, eine Aufenthaltsanordnung oder ein Kontaktverbot besteht,
  3. der Sachverhalt und
  4. die Begründung.

(7) Die Anordnung ergeht schriftlich. In ihr sind anzugeben:

  1. die Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, mit Name und Anschrift,
  2. Art, Umfang und Dauer der Maßnahme sowie
  3. die wesentlichen Gründe.

Die Erstellung eines Bewegungsbildes ist nur zulässig, wenn dies richterlich in der Anordnung besonders gestattet wird.

(8) Die Anordnung ist sofort vollziehbar. Sie ist auf höchstens zwei Monate zu befristen; eine Verlängerung um jeweils nicht mehr als zwei Monate ist zulässig, sofern die Voraussetzungen für die Anordnung noch vorliegen. Die Maßnahme ist unverzüglich zu beenden, wenn die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.

(9) Die Erforderlichkeit, die praktische Anwendung und die Auswirkungen dieser Vorschrift werden nach einem Erfahrungszeitraum von drei Jahren, spätestens jedoch zum 31. Dezember 2024, durch die Staatsregierung geprüft. Die Staatsregierung berichtet dem Landtag über das Ergebnis der Evaluierung.

§ 62 Rasterfahndung

(1) Die Polizei kann von öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen die Übermittlung von personenbezogenen Da ten bestimmter Personengruppen zum Zweck des automatisierten Abgleichs mit anderen Datenbeständen verlangen, soweit dies zur Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist; eine solche Gefahr liegt in der Regel auch dann vor, wenn konkrete Vorbereitungshandlungen für sich oder zusammen mit weiteren Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine terroristische Straftat begangen werden soll.

(2) Maßnahmen nach Absatz 1 bedürfen einer richterlichen Anordnung auf Antrag der Polizei.

(3) Das Übermittlungsersuchen ist auf Namen, Anschrift, Tag und Ort der Geburt sowie auf andere im Einzelfall festzulegende Merkmale zu beschränken; es darf sich nicht auf personenbezogene Daten erstrecken, die einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegen. Von Übermittlungsersuchen nicht erfasste personenbezogene Daten dürfen übermittelt werden, wenn wegen erheblicher technischer Schwierigkeiten oder wegen eines unangemessenen Zeit- oder Kostenaufwands eine Beschränkung auf die angeforderten Daten nicht möglich ist; diese Daten dürfen nicht verwendet werden.

§ 63 Längerfristige Observation und Einsatz besonderer technischer Mittel 24

(1) Die Polizei kann personenbezogene Daten erheben durch:

  1. eine voraussichtlich innerhalb eines Monats länger als 24 Stunden dauernde oder über den Zeitraum eines Monats hinaus stattfindende Observation (längerfristige Observation),
  2. den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen oder -aufzeichnungen außerhalb von Wohnungen und zum Abhören oder Aufzeichnen des außerhalb von Wohnungen nichtöffentlich gesprochenen Wortes und
  3. sonstige für Observationen bestimmte besondere technische Mittel, um Rückschlüsse auf den Aufenthaltsort oder die Bewegung einer Person nach Absatz 2 zu erlangen.

(2) Personenbezogene Daten dürfen durch Maßnahmen nach Absatz 1 nur erhoben werden über:

  1. die für eine Gefahr Verantwortlichen nach § 6 oder § 7 oder unter den Voraussetzungen des § 9 über Personen, die für die Gefahr nicht verantwortlich sind, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes, für Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person oder für Sachen von bedeutendem Wert, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten ist, erforderlich ist,
  2. Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in absehbarer Zeit eine zumindest ihrer Art nach konkretisierte Straftat von erheblicher Bedeutung begehen werden,
  3. Personen, bei denen das Verhalten die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie in überschaubarer Zukunft eine terroristische Straftat begehen werden, oder
  4. Kontakt- und Begleitpersonen der Personen nach den Nummern 2 und 3.

Die Maßnahmen dürfen auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.

(3) Maßnahmen nach Absatz 1 Nummer 1 und 2 sowie Maßnahmen nach Absatz 1 Nummer 3, bei denen die dort genannten, zu Observationszwecken bestimmten technischen Mittel durchgehend länger als 24 Stunden oder an mehr als zwei Tagen zum Einsatz kommen, bedürfen einer richterlichen Anordnung auf Antrag der Polizei. Im Antrag sind anzugeben:

  1. Angaben zur Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, soweit möglich mit Name und Anschrift,
  2. Art, Umfang und Dauer der Maßnahme,
  3. der Sachverhalt und
  4. die Begründung.

(4) Maßnahmen nach Absatz 1 Nummer 3, die keiner richterlichen Anordnung nach Absatz 3 bedürfen, sind durch die Präsidentin oder den Präsidenten des Landeskriminalamtes oder einer Polizeidirektion oder durch von diesen hierzu beauftragte Bedienstete anzuordnen.

(5) Werden technische Mittel nach Absatz 1 Nummer 2 ausschließlich zum Schutz der bei einem Einsatz tätigen Personen eingesetzt, kann die Maßnahme durch die Präsidentin oder den Präsidenten des Landeskriminalamtes oder einer Polizeidirektion oder durch von diesen hierzu beauftragte Bedienstete angeordnet werden. Eine Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse zu anderen Zwecken ist unter den Voraussetzungen des § 79 Absatz 2 zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt wurde; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. Andernfalls sind die Daten nach Beendigung des Einsatzes unverzüglich zu löschen. Die Löschungen sind zu dokumentieren.

(6) Soweit der Einsatz technischer Mittel nach Absatz 1 Nummer 2 richterlich angeordnet wurde, können Gegenstände, insbesondere Fahrzeuge, zur Durchführung der Maßnahme vorübergehend in polizeiliche Obhut genommen, verändert oder an einen anderen Ort verbracht werden. § 32 Absatz 1 gilt entsprechend.

§ 64 Einsatz Verdeckter Ermittlerinnen, Verdeckter Ermittler und von V-Personen 24

(1) Die Polizei kann unter den Voraussetzungen des § 63 Absatz 2 Satz 1 personenbezogene Daten erheben durch den Einsatz:

  1. von Polizeibediensteten, die unter einer ihnen verliehenen, auf Dauer angelegten, veränderten Identität (Legende) ermitteln (Verdeckte Ermittlerin, Verdeckter Ermittler), oder
  2. von Personen, deren Zusammenarbeit mit der Polizei Dritten nicht bekannt ist (V-Personen).

(2) Soweit es für den Aufbau und zur Aufrechterhaltung der Legende von Verdeckten Ermittlerinnen und Ermittlern unerlässlich ist, dürfen entsprechende Urkunden hergestellt, verändert und gebraucht werden. Verdeckte Ermittlerinnen und Ermittler dürfen unter ihrer Legende zur Erfüllung ihres Auftrages am Rechtsverkehr teilnehmen.

(3) Verdeckte Ermittlerinnen und Ermittler dürfen unter Verwendung ihrer Legende eine Wohnung mit dem Einverständnis der berechtigten Person betreten. Das Einverständnis darf nicht durch ein über die Benutzung der Legende hinausgehendes Vortäuschen eines Zutrittsrechts herbeigeführt werden. Im Übrigen richten sich die Befugnisse von Verdeckten Ermittlerinnen und Ermittlern nach diesem Gesetz.

(4) Ergeben sich bei der Durchführung einer Maßnahme nach Absatz 1 tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Kernbereich privater Lebensgestaltung betroffen ist, gilt § 76 mit der Maßgabe, dass die Maßnahme zu unterbrechen ist, sobald dies ohne Gefährdung der eingesetzten Person möglich ist.

(5) Als V-Person darf nicht eingesetzt werden, wer

  1. minderjährig ist oder unter Betreuung steht (§ 1896 des Bürgerlichen Gesetzbuches) oder
  2. nach § 53 oder § 53a der Strafprozessordnung zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt ist, soweit Sachverhalte betroffen sind, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht bezieht.

(6) Die Zusammenarbeit mit einer V-Person ist zu beenden, wenn

  1. der Einsatz nicht mehr erforderlich ist,
  2. die Person sich als ungeeignet erweist,
  3. die Person eine Straftat von erheblicher Bedeutung begeht oder
  4. nachträglich ein Ausschlussgrund im Sinne des Absatzes 5 Nummer 2 eintritt.

(7) Maßnahmen nach Absatz 1 bedürfen einer richterlichen Anordnung auf Antrag der Polizei. Im Antrag sind anzugeben:

  1. Angaben zur Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, soweit möglich mit Name und Anschrift,
  2. Art, Umfang und Dauer der Maßnahme,
  3. der Sachverhalt und
  4. die Begründung.

Die Anordnung ist auf höchstens sechs Monate zu befristen.

§ 65 Einsatz technischer Mittel zur Datenerhebung in oder aus Wohnungen

(1) Die Polizei kann zur Abwehr einer dringenden Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes, für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für solche Güter der Allgemeinheit, deren Bedrohung die Existenz der Menschen berührt, und wenn die Abwehr der Gefahr auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre, durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel in oder aus Wohnungen das nichtöffentlich gesprochene Wort einer Person abhören und aufzeichnen sowie Lichtbilder und Bildaufzeichnungen über eine Person herstellen, die nach § 6 oder § 7 für die Gefahr verantwortlich ist. Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.

(2) Die Maßnahme darf in der Wohnung der Personen nach Absatz 1 Satz 1 durchgeführt werden. In Wohnungen anderer Personen ist die Maßnahme nur zulässig, wenn auf Grund von Tatsachen anzunehmen ist, dass

  1. sich eine Person nach Absatz 1 Satz 1 dort aufhält,
  2. sie dort für die Erforschung des Sachverhaltes relevante Gespräche führt und
  3. die Maßnahme in der Wohnung der Person nach Nummer 1 allein nicht zur Gefahrenabwehr geeignet ist. Sofern erforderlich, dürfen Wohnungen betreten werden, um die technischen Voraussetzungen für die Durchführung der Maßnahme zu schaffen.

(3) Werden technische Mittel nach Absatz 1 ausschließlich zum Schutz der bei einem polizeilichen Einsatz in Wohnungen tätigen Personen eingesetzt, kann die Maßnahme durch den Präsidenten des Landeskriminalamtes oder einer Polizeidirektion angeordnet werden. Eine Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse zu anderen Zwecken ist unter den Voraussetzungen des § 79 Absatz 2 und 3 Satz 1 und nur dann zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt wurde; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. Andernfalls sind die Daten nach Beendigung des Einsatzes unverzüglich zu löschen. Die Löschungen sind zu dokumentieren.

(4) Maßnahmen nach Absatz 1 bedürfen einer richterlichen Anordnung auf Antrag der Polizei. Im Antrag sind anzugeben:

  1. Angaben zur Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, soweit möglich mit Name und Anschrift,
  2. die zu überwachende Wohnung oder die zu überwachenden Wohnräume,
  3. Art, Umfang und Dauer der Maßnahme,
  4. der Sachverhalt und
  5. die Begründung.

Die Anordnung ist auf höchstens einen Monat zu befristen. Eine Verlängerung um jeweils nicht mehr als einen Monat ist zulässig, soweit die in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Voraussetzungen unter Berücksichtigung der gewonnenen Erkenntnisse fortbestehen. Liegen die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor, sind die auf Grund der Anordnung ergriffenen Maßnahmen unverzüglich zu beenden.

§ 66 Überwachung der Telekommunikation

(1) Die Polizei kann ohne Wissen der betroffenen Person deren Telekommunikation überwachen und aufzeichnen sowie deren noch innerhalb des Telekommunikationsnetzes in Datenspeichern abgelegten Inhalte erheben. Die Maßnahme kann sich richten gegen eine Person:

  1. die nach § 6 oder § 7 verantwortlich ist und wenn die Maßnahme zur Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes, für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für Sachen von bedeutendem Wert, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten ist, erforderlich ist,
  2. bei der Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in absehbarer Zeit eine zumindest ihrer Art nach konkretisierte Straftat im Sinne des § 100a Absatz 2 der Strafprozessordnung, die sich gegen die Rechtsgüter nach Nummer 1 richtet, begehen wird,
  3. deren Verhalten die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie in überschaubarer Zukunft eine terroristische Straftat begehen wird,
  4. bei der Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Person nach den Nummern 1 bis 3 deren Telekommunikationsanschluss oder Endgerät benutzt, oder
  5. bei der Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie für eine Person nach den Nummern 1 bis 3 bestimmte oder von dieser herrührende Mitteilungen entgegennimmt oder weitergibt.

Die Datenerhebung ist nur zulässig, wenn die Abwehr der Gefahr oder die Verhütung der Straftat auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.

(2) Maßnahmen nach Absatz 1 bedürfen einer richterlichen Anordnung auf Antrag der Polizei. Im Antrag sind anzugeben:

  1. Angaben zur Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, soweit möglich mit Name und Anschrift,
  2. die Rufnummer oder eine andere spezifische Kennung des zu überwachenden Telekommunikationsanschlusses oder des Endgerätes, sofern sich nicht aus Tatsachen ergibt, dass diese zugleich einem anderen Endgerät zuzuordnen ist,
  3. Art, Umfang und Dauer der Maßnahme,
  4. der Sachverhalt und
  5. die Begründung.

§ 67 Erhebung von Verkehrs- und Nutzungsdaten

(1) Die Polizei kann unter den Voraussetzungen des § 66 Absatz 1 Satz 2 ohne Wissen der betroffenen Person Verkehrsdaten (§ 96 des Telekommunikationsgesetzes vom 22. Juni 2004 [BGBl. I S. 1190], das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 29. November 2018 [BGBl. I S. 2230] geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung) erheben. Die Erhebung von Verkehrsdaten kann auch auf Zeiträume vor deren Anordnung und auf künftig entstehende Verkehrsdaten erstreckt werden. Sofern andernfalls die Erreichung des Zwecks der Maßnahme aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre, genügt eine räumlich und zeitlich hinreichende Bezeichnung der Telekommunikation.

(2) Unter denselben Voraussetzungen kann die Polizei ohne Wissen des Betroffenen Nutzungsdaten (§ 15 Absatz 1 des Telemediengesetzes vom 26. Februar 2007 [BGBl. I S. 179], das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 28. September 2017 [BGBl. I S. 3530] geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung) erheben. Die Datenerhebung kann auch auf künftig entstehende Nutzungsdaten erstreckt werden. Der Diensteanbieter hat die Daten der Polizei unverzüglich auf dem von der Polizei bestimmten Weg zu übermitteln.

(3) Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn unbeteiligte Dritte unvermeidbar betroffen werden.

(4) Die Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 bedürfen einer richterlichen Anordnung auf Antrag der Polizei. Im Antrag sind anzugeben:

  1. Angaben zur Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, soweit möglich mit Name und Anschrift,
  2. die Rufnummer oder eine andere spezifische Kennung des zu ermittelnden Telekommunikationsanschlusses oder des Endgerätes; im Fall des Absatzes 1 Satz 2 genügt eine räumlich und zeitlich hinreichende Bezeichnung der Telekommunikation,
  3. Art, Umfang und Dauer der Maßnahme,
  4. der Sachverhalt und
  5. die Begründung.

§ 68 Identifizierung und Lokalisierung von Telekommunikationsendgeräten

(1) Die Polizei kann unter den Voraussetzungen des § 66 Absatz 1 Satz 2 durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel

  1. spezifische Kennungen, insbesondere die Geräte- und Kartennummer von zur Telekommunikation nutzbaren Endgeräten oder
  2. den Standort eines zur Telekommunikation nutzbaren Endgerätes ermitteln.

(2) Personenbezogene Daten Dritter dürfen anlässlich einer Maßnahme nach Absatz 1 nur erhoben werden, wenn dies aus technischen Gründen unvermeidbar ist. Über den Datenabgleich zur Ermittlung der spezifischen Kennung oder des Standorts des zur Telekommunikation nutzbaren Endgerätes hinaus dürfen sie nicht verwendet werden. Nach Beendigung der Maßnahme sind diese unverzüglich zu löschen.

(3) Die Maßnahmen nach Absatz 1 bedürfen einer richterlichen Anordnung auf Antrag der Polizei. Im Antrag sind anzugeben:

  1. Angaben zur Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, soweit möglich mit Name und Anschrift,
  2. soweit bekannt, die Rufnummer oder eine andere Kennung des zu ermittelnden Anschlusses oder des Endgerätes,
  3. Art, Umfang und Dauer der Maßnahme,
  4. der Sachverhalt und
  5. die Begründung.

§ 69 Unterbrechung oder Verhinderung der Telekommunikation

(1) Die Polizei kann unter den Voraussetzungen des § 66 Absatz 1 Satz 2 Telekommunikationsverbindungen der dort genannten Personen durch den Einsatz technischer Mittel unterbrechen oder verhindern, sofern dies zur Erreichung des Zwecks der Maßnahme erforderlich ist und die Gefahr durch andere Mittel nicht abgewehrt werden kann.

(2) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 kann die Polizei von jedem Diensteanbieter verlangen, Telekommunikationsverbindungen zu unterbrechen oder zu verhindern. Die Unterbrechung oder Verhinderung der Telekommunikation ist unverzüglich herbeizuführen und für die Dauer der Anordnung aufrechtzuerhalten.

(3) Telekommunikationsverbindungen Dritter dürfen nur unterbrochen oder verhindert werden, wenn dies aus technischen Gründen zur Durchführung der Maßnahme unvermeidbar ist und zum Zweck der Maßnahme nicht außer Verhältnis steht.

(4) Zur Abwehr einer unmittelbar bevorstehenden erheblichen Gefahr für Leib oder Leben einer Person oder für solche Güter der Allgemeinheit, deren Bedrohung die Grundlagen oder den Bestand des Staates oder die Grundlagen der Existenz der Menschen berührt, kann die Telekommunikationsverbindung auch ohne Kenntnis der Rufnummer oder einer anderen Kennung des betreffenden Anschlusses oder des Endgeräts unterbrochen oder verhindert werden, indem ein bestimmter räumlicher Bereich technisch blockiert wird.

(5) Über Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 4 sind die betroffenen Diensteanbieter zu informieren.

(6) Maßnahmen nach dieser Vorschrift bedürfen einer richterlichen Anordnung auf Antrag der Polizei. Im Antrag sind anzugeben:

  1. Angaben zur Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, soweit möglich mit Name und Anschrift,
  2. soweit bekannt, die Rufnummer oder eine andere Kennung des zu blockierenden Anschlusses oder des Endgerätes,
  3. im Fall des Absatzes 4 die Bezeichnung der Funkzelle oder des räumlichen Bereichs, in dem sich das zu blockierende Endgerät befinden soll,
  4. Art, Umfang und Dauer der Maßnahme,
  5. der Sachverhalt und
  6. die Begründung.

Die Anordnung ist auf höchstens drei Tage zu befristen.

§ 70 Erhebung von Bestandsdaten 24

(1) Die Polizei kann von einem Diensteanbieter im Sinne des § 3 Nummer 6 des Telekommunikationsgesetzes oder § 2 Satz 1 Nummer 1 des Telemediengesetzes Auskunft über Daten gemäß

  1. den §§ 95 und 111 des Telekommunikationsgesetzes sowie
  2. § 14 des Telemediengesetzes

verlangen, sofern dies zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist. Bezieht sich das Auskunftsverlangen nach Satz 1 auf Daten, mittels derer der Zugriff auf Endgeräte oder Speichereinrichtungen, die in diesen Endgeräten oder hiervon räumlich getrennt eingesetzt werden, geschützt wird, darf die Auskunft nur verlangt werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen zur Datenerhebung für die anschließende Nutzung dieser Daten vorliegen.

(2) Die Auskunft nach Absatz 1 darf im Fall einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit auch anhand einer zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesenen Internetprotokoll-Adresse verlangt werden (§ 113 Absatz 1 Satz 3 des Telekommunikationsgesetzes).

(3) Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 bedürfen einer richterlichen Anordnung auf Antrag der Polizei. Einer richterlichen Anordnung bedarf es nicht, soweit die betroffene Person von dem Auskunftsverlangen bereits Kenntnis hat oder haben muss und im Fall des Absatzes 1 Satz 2 die Nutzung der Daten bereits durch eine richterliche Anordnung gestattet wird oder ohne richterliche Anordnung erfolgen kann; das Vorliegen der Voraussetzungen hierfür ist zu dokumentieren.

§ 71 Standortermittlung von gefährdeten Personen 24

(1) Die Polizei kann zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben einer vermissten, hilflosen oder suizidgefährdeten Person oder einer Person, die einen Notruf auslöst (gefährdete Person) technische Mittel zur Standortermittlung eines ihr zuzuordnenden Endgerätes einsetzen, wenn die Ermittlung des Aufenthaltsortes auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.

(2) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 kann die Polizei von jedem Diensteanbieter jederzeit Auskunft über die für die Ermittlung des Standortes des Endgerätes erforderlichen Daten sowie dessen netzseitige Teilnehmerkennung und Gerätenummer verlangen.

(3) Personenbezogene Daten Dritter dürfen anlässlich einer Maßnahme nach Absatz 1 nur erhoben werden, wenn dies aus technischen Gründen unvermeidbar ist. Über den Datenabgleich zur Ermittlung des Standorts des Endgerätes hinaus dürfen sie nicht verwendet werden. Nach Beendigung der Maßnahme sind diese unverzüglich zu löschen.

(4) Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ordnen die Präsidentin oder der Präsident des Landeskriminalamtes oder einer Polizeidirektion oder von diesen hierzu beauftragte Bedienstete an. Die Maßnahme ist schriftlich anzuordnen und zu begründen. In der Anordnung sind insbesondere, soweit möglich, die Identifizierung der gefährdeten Person und die Rufnummer oder eine andere spezifische Kennung des zu ortenden Endgerätes anzugeben.

Unterabschnitt 3
Besondere Bestimmungen

§ 72 Verpflichtung der Diensteanbieter

(1) Auf Grund einer Anordnung gemäß § 66 hat jeder, der ganz oder teilweise geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt (Diensteanbieter), der Polizei unverzüglich die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation nach Maßgabe der Regelungen des Telekommunikationsgesetzes und der TelekommunikationsÜberwachungsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Juli 2017 (BGBl. I S. 2316), die zuletzt durch Artikel 16 des Gesetzes vom 17. August 2017 (BGBl. I S. 3202) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, zu ermöglichen und die erforderlichen Auskünfte zu erteilen.

(2) Auf Grund einer Anordnung gemäß den §§ 67, 70 und 71 hat jeder Diensteanbieter der Polizei im angeordneten Umfang Auskunft über

  1. Verkehrsdaten nach § 96 des Telekommunikationsgesetzes,
  2. Nutzungsdaten nach § 15 Absatz 1 des Telemediengesetzes,
  3. Bestandsdaten nach den §§ 95 und 111 des Telekommunikationsgesetzes und § 14 des Telemediengesetzes sowie
  4. die spezifischen Kennungen, insbesondere die netzseitige Teilnehmerkennung und Gerätenummer, und den Standort eines Endgerätes

zu erteilen. Die Diensteanbieter haben die nach Satz 1 angeforderten Daten unverzüglich und vollständig zu übermitteln.

(3) Auf Grund einer Anordnung nach § 69 Absatz 2 oder Absatz 4 ist jeder Diensteanbieter verpflichtet, unverzüglich

  1. bestehende Telekommunikationsverbindungen bekannter, zur Telekommunikation nutzbarer Endgeräte zu unterbrechen oder diese von Beginn an zu verhindern oder
  2. jede Telekommunikationsverbindung in einem bestimmten räumlichen Bereich technisch zu blockieren.

(4) Für die Entschädigung der Diensteanbieter in den Fällen der §§ 66, 67, 69 bis 71 ist § 23 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes entsprechend anzuwenden, soweit nicht eine Entschädigung auf Grund des Telekommunikationsgesetzes oder des Telemediengesetzes zu gewähren ist.

§ 73 Anordnung, gerichtliche Zuständigkeit 24

(1) Für gerichtliche Entscheidungen nach diesem Gesetz gilt, soweit nichts anderes bestimmt ist:

  1. Zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk die zuständige Polizeidienststelle ihren Sitz hat. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Buches 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend.
  2. Anordnungen zu den Befugnissen nach den §§ 62 bis 69 ergehen schriftlich und müssen den zugrunde liegenden Sachverhalt und die wesentlichen Gründe enthalten. Sie haben die von der Maßnahme betroffenen Personen oder Gegenstände sowie Art, Dauer und Umfang der Maßnahme zu bestimmen. Die Maßnahmen sind auf höchstens drei Monate zu befristen; eine Verlängerung durch das zuständige Gericht um jeweils nicht mehr als den Anordnungszeitraum ist zulässig, sofern die Voraussetzungen für die Maßnahme noch vorliegen.

(2) Anordnungen nach Absatz 1 Nummer 2 können bei Gefahr im Verzug durch die Präsidentin oder den Präsidenten des Landeskriminalamtes oder einer Polizeidirektion getroffen werden; mit Ausnahme der Befugnis nach § 65 Absatz 4 auch durch von diesen hierzu beauftragte Bedienstete. Im Fall einer solchen Anordnung ist die richterliche Bestätigung unverzüglich nachzuholen. Die Maßnahme ist zu beenden, wenn die Bestätigung durch durch das Gericht abgelehnt wird oder nicht innerhalb von drei Tagen erfolgt.

(3) Für polizeiliche Anordnungen nach den §§ 62 bis 69 gilt Absatz 1 Nummer 2 entsprechend.

§ 74 Benachrichtigungspflichten 24

(1) Über eine Maßnahme sind nach deren Abschluss unverzüglich zu benachrichtigen:

  1. im Fall des § 58 die Personen, deren Daten im Rahmen der anlassbezogenen automatisierten Kennzeichenerkennung gemäß § 58 Absatz 3 Satz 5 verarbeitet wurden,
  2. im Fall des § 59 die Personen, deren Daten zum Abgleich herangezogen wurden,
  3. im Fall des § 60
    1. die zur polizeilichen Beobachtung und zur gezielten Kontrolle ausgeschriebenen Personen und
    2. die Personen, deren personenbezogene Daten infolge einer auf der Ausschreibung beruhenden Maßnahme gemeldet wurden,
  4. im Fall des § 62 die Personen, gegen die nach Auswertung der durch die Rasterfahndung erlangten Daten weitere Maßnahmen getroffen wurden,
  5. im Fall des § 63
    1. die Zielperson und
    2. die erheblich mitbetroffenen Personen,
  6. im Fall des § 64
    1. die Zielperson,
    2. die erheblich mitbetroffenen Personen und
    3. die Personen, deren nicht allgemein zugängliche Wohnung die Verdeckte Ermittlerin, der Verdeckte Ermittler oder die V-Person betreten hat,
  7. im Fall des § 65
    1. die Zielperson,
    2. die erheblich mitbetroffenen Personen und
    3. die Inhaber und Bewohner der überwachten Wohnung,
  8. im Fall des § 66 die Beteiligten der überwachten Telekommunikation,
  9. im Fall des § 67 Absatz 1 die Beteiligten der betroffenen Telekommunikation,
  10. im Fall des § 67 Absatz 2 die Nutzerin oder der Nutzer
  11. im Fall des § 68 die Zielperson,
  12. im Fall des § 69 die Zielperson,
  13. im Fall des § 70 die Zielperson in den Fällen einer richterlichen Anordnung der Bestandsdatenerhebung nach § 70 Absatz 3 und
  14. im Fall des § 71 die Zielperson, soweit sie nicht von der Maßnahme Kenntnis erlangt hat.

Die Benachrichtigung hat die Angaben nach § 12 Absatz 1 des Sächsischen Datenschutz-Umsetzungsgesetzes zu enthalten.

(2) Die Benachrichtigung einer Person nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 8 oder Nummer 9, gegen die sich die Maßnahme nicht gerichtet hat, unterbleibt, wenn diese von der Maßnahme nur unerheblich betroffen ist und anzunehmen ist, dass sie kein Interesse an einer Benachrichtigung hat. Eine Benachrichtigung unterbleibt, wenn die Feststellung der Identität aus den Gründen des § 75 Absatz 3 Satz 1 unterblieben ist.

(3) Die Benachrichtigung wird zurückgestellt, sofern

  1. ihr eine Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes, für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für Sachen von bedeutendem Wert, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten ist, entgegensteht,
  2. der Zweck der Maßnahme durch sie gefährdet wird oder
  3. dadurch die Möglichkeit einer konkret absehbaren weiteren Verwendung der Verdeckten Ermittlerin, des Verdeckten Ermittlers oder der V-Person gewahrt bleibt.

Nach Wegfall des Hinderungsgrundes ist die Benachrichtigung nachzuholen. Wurde wegen desselben Sachverhalts ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die betroffene Person eingeleitet, entscheidet die Strafverfolgungsbehörde entsprechend den Vorschriften der Strafprozessordnung, ob die Benachrichtigung zurückgestellt wird. Die Entscheidung hierüber und über die Zurückstellung gemäß Satz 1 ist mit Begründung zu dokumentieren.

(4) Erfolgt die nach Absatz 3 zurückgestellte Benachrichtigung nicht innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung der Maßnahme, bedarf die weitere Zurückstellung der gerichtlichen Zustimmung. Über die Zurückstellung und ihre Dauer entscheidet das Gericht, das für die Anordnung der Maßnahme zuständig gewesen ist oder wäre, in den übrigen Fällen das Gericht am Sitz der zuständigen Polizeidienststelle. Im Falle des § 65 darf die Dauer der Zurückstellung sechs Monate nicht überschreiten.

(5) Eine Benachrichtigung der betroffenen Person kann mit richterlicher Zustimmung für eine längere Dauer zurückgestellt werden oder endgültig unterbleiben, wenn die Maßnahme

  1. für diese keine weiteren Folgen hatte, insbesondere weil keine personenbezogenen Daten aufgezeichnet wurden und die Unterrichtung den Grundrechtseingriff weiter vertiefen würde,
  2. die betroffene Person nur unerheblich betroffen hat und anzunehmen ist, dass diese kein Interesse an einer Benachrichtigung hat, oder
  3. sich gegen die betroffene Person nicht gerichtet hat und
    1. überwiegende Interessen einer anderen betroffenen Person entgegenstehen oder
    2. deren Identität oder Aufenthaltsort nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand ermittelt werden kann.

§ 75 Besondere Protokollierungspflichten 24

(1) Bei der Erhebung von Daten nach den §§ 58 bis 60, 62 bis 69, 70 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 sowie § 71 sind zu protokollieren:

  1. der Zeitpunkt des Einsatzes (Beginn und Ende sowie Zeiten der Unterbrechung),
  2. die Bezeichnung des zur Datenerhebung eingesetzten Mittels,
  3. die Angaben, die die Feststellung der erhobenen Daten ermöglichen, und
  4. die Organisationseinheit, welche die Maßnahme durchführt.

(2) Zu protokollieren sind auch:

  1. bei Maßnahmen des § 58 die Personen, deren Daten im Rahmen der anlassbezogenen automatisierten Kennzeichenerkennung gemäß § 58Absatz 3 Satz 5 verarbeitet wurden,
  2. bei Maßnahmen des § 59 die Personen, deren Daten zum Abgleich herangezogen wurden,
  3. bei Maßnahmen nach § 60 die ausgeschriebenen Personen und die Personen, deren personenbezogene Daten infolge einer auf der Ausschreibung beruhenden Maßnahme gemeldet wurden,
  4. bei Maßnahmen nach § 62
    1. die im Übermittlungsersuchen nach § 62 Absatz 3 enthaltenen Merkmale und
    2. die Personen, gegen die nach Auswertung der durch die Rasterfahndung erlangten Daten weitere Maßnahmen getroffen wurden,
  5. bei Maßnahmen nach § 63
    1. die Zielpersonen und
    2. die erheblich mitbetroffenen Personen,
  6. bei Maßnahmen nach § 64
    1. die Zielperson,
    2. die erheblich mitbetroffenen Personen und
    3. die Person, deren nicht allgemein zugängliche Wohnung die Verdeckte Ermittlerin, der Verdeckte Ermittler oder die V-Person betreten hat,
  7. bei Maßnahmen nach § 65
    1. die Zielperson,
    2. sonstige erheblich mitbetroffene Personen,
    3. Personen, die die überwachte Wohnung zur Zeit der Durchführung der Maßnahme innehatten oder bewohnten, und
    4. die Bezeichnung der überwachten Wohnung,
  8. bei Maßnahmen nach § 66 die Beteiligten der überwachten Telekommunikation,
  9. bei Maßnahmen nach § 67 Absatz 1 die Beteiligten der betroffenen Telekommunikation,
  10. bei Maßnahmen nach § 67 Absatz 2 die Nutzerin oder der Nutzer,
  11. bei Maßnahmen nach § 68 die Zielperson,
  12. bei Maßnahmen nach § 69 die Zielperson,
  13. bei Maßnahmen nach § 69 Absatz 4 die Zielperson und der räumliche Umfang der Maßnahme,
  14. bei Maßnahmen nach § 70 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 die Zielperson und
  15. bei Maßnahmen nach § 71 die Zielperson.

(3) Nachforschungen zur Feststellung der Identität einer Person nach Absatz 2 sind nur vorzunehmen, wenn dies unter Berücksichtigung der Eingriffsintensität der Maßnahme gegenüber dieser Person, des Aufwands für die Feststellung ihrer Identität und der daraus für diese oder andere Personen folgenden Beeinträchtigungen geboten ist. Die Zahl der Personen, deren Dokumentation unterblieben ist, ist im Protokoll anzugeben.

(4) Die Protokolldaten dürfen nur verwendet werden, um die betroffene Person nach § 74 Absatz 1 zu benachrichtigen und ihr oder einer dazu befugten öffentlichen Stelle die Prüfung zu ermöglichen, ob die Maßnahmen rechtmäßig durchgeführt worden sind. Sie sind sechs Monate nach der Benachrichtigung nach § 74 oder sechs Monate nach Erteilung der gerichtlichen Zustimmung über das endgültige Absehen von der Benachrichtigung zu löschen. Ist die Datenschutzkontrolle nach § 94 noch nicht beendet, ist die Dokumentation bis zu ihrem Abschluss aufzubewahren.

§ 76 Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung 24

(1) Die Erhebung personenbezogener Daten, die allein dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, ist unzulässig. Soweit technisch möglich, ist sicherzustellen, dass solche Daten nicht erhoben werden.

(2) Ergeben sich bei Durchführung einer Maßnahme tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass Daten, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, erfasst wurden, ist die Erhebung unverzüglich zu unterbrechen. Die Erhebung darf fortgesetzt werden, sofern die Gründe, die zur Unterbrechung geführt haben, nicht mehr vorliegen. § 61 Absatz 3 Satz 3 bis 6 und § 64 Absatz 4 bleiben unberührt.

(3) Bestehen Zweifel, ob bei der Durchführung der Maßnahmen nach § 63 Absatz 1 Nummer 2, § 65 oder § 66 die Daten innerhalb einer höchstpersönlichen Vertrauensbeziehung erhoben wurden oder liegen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass neben höchstpersönlichen Inhalten auch Inhalte mit einem unmittelbaren Bezug zur anlassgebenden Gefahr Gegenstand sind, darf nur eine automatisierte Aufzeichnung fortgesetzt werden, bis die Gründe nicht mehr vorliegen.

(4) Automatisierte Aufzeichnungen nach Absatz 3 und im Fall von Maßnahmen der Wohnraumüberwachung nach § 65 Absatz 1 sämtliche durch eine solche Maßnahme erlangten Erkenntnisse sind unverzüglich und vollständig dem anordnenden Gericht zur Prüfung vorzulegen. Das Gericht entscheidet unverzüglich über die weitere Verwendung oder Löschung der Daten. Bei Gefahr im Verzug entscheidet die Präsidentin oder der der Präsident der Polizeidienststelle, in dessen Zuständigkeit die zugrundeliegende Maßnahme erfolgt, anstelle des Gerichts über die weitere Verwendung der Daten; die gerichtliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

(5) Wurden Daten erfasst, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, dürfen diese nicht weiter verarbeitet werden. Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu löschen und unterliegen nicht der Anbietungspflicht nach § 5 Absatz 1 des Archivgesetzes für den Freistaat Sachsen vom 17. Mai 1993 (SächsGVBl. S. 449), das zuletzt durch Artikel 25 des Gesetzes vom 26. April 2018 (SächsGVBl. S. 198) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung. Die Tatsache der Erlangung, die Aufzeichnung und die Löschung der Daten sind zu dokumentieren. Die Dokumentation darf ausschließlich zum Zweck der Datenschutzkontrolle nach § 94 oder des Rechtsschutzes verwendet werden. Sie ist sechs Monate nach der Benachrichtigung nach § 74 oder sechs Monate nach Erteilung der Zustimmung über das endgültige Absehen von der Benachrichtigung zu löschen. Ist die Datenschutzkontrolle nach § 94 noch nicht beendet, ist die Dokumentation bis zu ihrem Abschluss aufzuheben.

§ 77 Schutz von zeugnisverweigerungsberechtigten Personen 24

(1) Maßnahmen zur Erhebung personenbezogener Daten, die sich gegen eine in § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 oder Nummer 4 der Strafprozessordnung genannte Person oder gegen eine Rechtsanwältin, einen Rechtsanwalt oder einen Kammerrechtsbeistand gemäß § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 der Strafprozessordnung richten und voraussichtlich Erkenntnisse erbringen würden, über die die Berufsgeheimnisträgerin oder der Berufsgeheimnisträger das Zeugnis verweigern dürfte, sind unzulässig. Dennoch erlangte Daten dürfen nicht verwendet werden und sind unverzüglich zu löschen. Die Tatsache der Datenerhebung und der Löschung ist zu dokumentieren. § 76 Absatz 5 Satz 4 bis 6 gilt entsprechend. Sofern durch eine Maßnahme, die sich nicht gegen eine in Satz 1 genannte Person richtet, von dieser Person Erkenntnisse erlangt werden, über die diese das Zeugnis verweigern dürfte, gelten die Sätze 2 bis 4 entsprechend.

(2) Soweit durch eine Maßnahme eine Berufsgeheimnisträgerin oder ein Berufsgeheimnisträger gemäß § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3, 3a und 3b oder Nummer 5 der Strafprozessordnung mit Ausnahme der Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälte oder Kammerbeistände betroffen wäre und voraussichtlich Erkenntnisse erlangt würden, über die diese Person das Zeugnis verweigern dürfte, ist dies im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit unter Würdigung des öffentlichen Interesses an den von dieser Person wahrgenommenen Aufgaben und des Interesses an der Geheimhaltung der dieser Person anvertrauten oder bekannt gewordenen Tatsachen besonders zu berücksichtigen. Von einem Überwiegen des Interesses an der Datenerhebung ist in der Regel nicht auszugehen, wenn die Maßnahme nicht der Abwehr einer erheblichen Gefahr dient. Soweit hiernach geboten, ist die Maßnahme zu unterlassen oder, soweit dies nach der Art der Maßnahme möglich ist, zu beschränken.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, soweit die in § 53a der Strafprozessordnung genannten Personen das Zeugnis verweigern dürften.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht, sofern Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die zeugnisverweigerungsberechtigte Person für die Gefahr verantwortlich ist.

§ 78 Löschung von durch besondere Maßnahmen erlangten personenbezogenen Daten

(1) Sind die nach den §§ 59, 62 bis 71 erlangten personenbezogenen Daten, die nicht dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzuordnen sind, zur Erfüllung des der Maßnahme zugrundeliegenden Zwecks und für eine etwaige gerichtliche Überprüfung der Maßnahme nicht mehr erforderlich, sind sie unverzüglich zu löschen, soweit keine Weiterverarbeitung der Daten nach den Vorschriften des Abschnitts 3 erfolgt. Die Tatsache der Löschung ist zu dokumentieren. Unterlagen, deren Offenbarung gegen das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung oder gegen das Brief-, Post- oder Fernmeldegeheimnis verstoßen würde, unterliegen nicht der Anbietungspflicht nach § 5 Absatz 1 des Archivgesetzes für den Freistaat Sachsen. Im Übrigen bleibt § 5 Absatz 1 und 2 des Archivgesetzes für den Freistaat Sachsen unberührt.

(2) Die Dokumentation nach Absatz 1 Satz 2 darf ausschließlich zum Zweck der Datenschutzkontrolle verwendet werden. Sie ist sechs Monate nach der Benachrichtigung nach § 74 oder sechs Monate nach Erteilung der gerichtlichen Zustimmung über das endgültige Absehen von der Benachrichtigung zu löschen. Ist die Datenschutzkontrolle nach § 94 noch nicht beendet, ist die Dokumentation bis zu ihrem Abschluss aufzubewahren.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für personenbezogene Daten, die

  1. der Polizei übermittelt worden sind und
  2. durch Maßnahmen erlangt wurden, die den Maßnahmen nach den §§ 62 bis 71 entsprechen.

Abschnitt 3
Befugnisse und Pflichten
bei der weiteren Datenverarbeitung

Unterabschnitt 1
Befugnisse zur weiteren Datenverarbeitung,
Kennzeichnung

§ 79 Zweckbindung, Zweckänderung, Grundsatz der hypothetischen Datenneuerhebung

(1) Die Polizei kann personenbezogene Daten, die sie erhoben hat,

  1. zur Erfüllung derselben Aufgabe und
  2. zum Schutz derselben Rechtsgüter oder zur Verhütung oder Verfolgung derselben Straftaten

weiterverarbeiten. Satz 1 gilt entsprechend für personenbezogene Daten, denen keine Erhebung vorausgegangen ist, mit der Maßgabe, dass für die Weiterverarbeitung der Zweck der Speicherung zu berücksichtigen ist. Für die weitere Verarbeitung von personenbezogenen Daten, die aus Maßnahmen nach § 65 Absatz 1 und 2 erlangt wurden, muss im Einzelfall eine Gefahrenlage im Sinne des § 65 Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 2 Satz 2 vorliegen.

(2) Die Polizei kann zur Erfüllung ihrer Aufgaben personenbezogene Daten zu anderen Zwecken, als denjenigen, zu denen sie erhoben worden sind, weiterverarbeiten, wenn unter Berücksichtigung der jeweiligen Datenerhebungsvorschrift

  1. mindestens
    1. vergleichbar schwer wiegende Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten verhütet oder verfolgt werden sollen oder
    2. vergleichbar bedeutsame Rechtsgüter geschützt werden sollen und
  2. sich im Einzelfall konkrete Ermittlungsansätze
    1. zur Verhütung oder Verfolgung solcher Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten ergeben oder
    2. zur Abwehr von in absehbarer Zeit drohenden Gefahren für mindestens vergleichbar bedeutsame Rechtsgüter erkennen lassen.

§ 80 Absatz 6 und 7 bleibt unberührt.

(3) Für die Weiterverarbeitung von personenbezogenen Daten, die durch eine Maßnahme nach § 65 Absatz 1 und 2 erlangt wurden, gilt Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe b mit der Maßgabe, dass im Einzelfall eine Gefahrenlage im Sinne des § 65 Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 2 Satz 2 vorliegen muss. Personenbezogene Daten, die durch Herstellung von Lichtbildern oder Bildaufzeichnungen über eine Person im Wege eines verdeckten Einsatzes technischer Mittel in oder aus Wohnungen erlangt wurden, dürfen nicht zu Strafverfolgungszwecken weiterverarbeitet werden. Für die weitere Verarbeitung erlangter personenbezogener Daten, die durch einen Eingriff in informationstechnische Systeme durch die Polizei eines anderen Landes oder des Bundes erhoben wurden, muss im Einzelfall eine Gefahrenlage im Sinne des § 49 Absatz 1 des Bundeskriminalamtgesetzes vom 1. Juni 2017 (BGBl. I S. 1354; 2019 I S. 400), in der jeweils geltenden Fassung, vorliegen.

(4) Abweichend von Absatz 2 kann die Polizei die der Identifizierung einer Person dienenden Daten wie insbesondere Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Geburtsort, Staatsangehörigkeit und Anschrift (Grunddaten) auch weiterverarbeiten, um diese Person zu identifizieren.

(5) Bei der Weiterverarbeitung von personenbezogenen Daten ist durch organisatorische und technische Vorkehrungen sicherzustellen, dass die Bestimmungen der Absätze 1 bis 3 beachtet werden.

§ 80 Befugnis zur Datenweiterverarbeitung 24

(1) Die Polizei kann personenbezogene Daten nach Maßgabe des § 79 in polizeilichen Informationssystemen weiterverarbeiten, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist und dieses Gesetz oder andere Rechtsvorschriften keine zusätzlichen besonderen Voraussetzungen vorsehen.

(2) Die Polizei kann im Rahmen der Verfolgung von Straftaten gewonnene personenbezogene Daten zum Zweck der Gefahrenabwehr weiterverarbeiten von:

  1. Verurteilten,
  2. Beschuldigten,
  3. Personen, die einer Straftat verdächtig sind, sofern die Weiterverarbeitung der Daten erforderlich ist, weil wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit der betroffenen Person oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass zukünftig Strafverfahren gegen sie zu führen sind, und
  4. Personen, bei denen Anlass zur Weiterverarbeitung besteht, weil tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass sie in naher Zukunft Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen werden.

(3) Soweit dies zur Verhütung oder zur Vorsorge für die künftige Verfolgung einer Straftat mit erheblicher Bedeutung erforderlich ist, kann die Polizei personenbezogene Daten von Personen weiterverarbeiten, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass

  1. sie bei einer künftigen Strafverfolgung als Zeugen in Betracht kommen,
  2. sie als Opfer einer künftigen Straftat in Betracht kommen,
  3. es sich um Hinweisgeber und sonstige Auskunftspersonen handelt oder
  4. es sich um Kontakt- und Begleitpersonen der Personen nach Absatz 2 Nummern 1 bis 3 handelt.

Personenbezogene Daten über Personen nach Satz 1 Nummern 1 bis 3 dürfen nur mit Einwilligung der betroffenen Person gespeichert werden. Die Einwilligung ist nicht erforderlich, wenn das Bekanntwerden der Speicherungsabsicht den mit der Speicherung verfolgten Zweck gefährden würde.

(4) Wird eine Beschuldigte oder ein Beschuldigter rechtskräftig freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens sie oder ihn unanfechtbar abgelehnt oder das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt, ist die Weiterverarbeitung unzulässig, wenn sich aus den Gründen der Entscheidung ergibt, dass die betroffene Person die Tat nicht oder nicht rechtswidrig begangen hat.

(5) Die Polizei kann personenbezogene Daten gemäß § 32 Absatz 1 des Sächsischen Datenschutz-Umsetzungsgesetzes nach Anordnung der Präsidentin oder des Präsidenten des Landeskriminalamtes oder durch von diesen hierzu beauftragte Bedienstete auch zum Zweck der Abwehr von Gefahren für Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person oder für bedeutende Sach- oder Vermögenswerte sowie zur Verhütung von Straftaten von erheblicher Bedeutung verwenden. Die oder der Sächsische Datenschutz- und Transparenzbeauftragte ist unverzüglich zu unterrichten.

(6) Die Polizei und die Hochschule der Sächsischen Polizei (FH) können gespeicherte personenbezogene Daten zur polizeilichen Aus- und Fortbildung oder zu statistischen Zwecken weiterverarbeiten, soweit eine Weiterverarbeitung anonymisierter Daten zu diesem Zweck nicht möglich ist und jeweils die berechtigten Interessen der betroffenen Person an der Geheimhaltung der Daten nicht überwiegen.

(7) Die Polizei kann personenbezogene Daten zur Vorgangsverwaltung oder zur zeitlich befristeten Dokumentation behördlichen Handelns speichern und ausschließlich zu diesem Zweck weiterverarbeiten.

(Gültig bis 31.12.2025 siehe =>)
§ 81 Kennzeichnung

(1) Bei der Speicherung in polizeilichen Informationssystemen sind personenbezogene Daten wie folgt zu kennzeichnen:

  1. Angabe des Mittels der Erhebung der Daten einschließlich der Angabe, ob die Daten offen oder verdeckt erhoben wurden,
  2. Angabe der Kategorie betroffener Personen, in Bezug auf solche Personen, zu denen Grunddaten angelegt wurden,
  3. Angabe der
    1. Rechtsgüter, deren Schutz die Erhebung dient, oder
    2. Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, deren Verhütung die Erhebung dient, und
  4. Angabe der Stelle, die die Daten erhoben hat.

Die Kennzeichnung nach Satz 1 Nummer 1 kann auch durch Angabe der Rechtsgrundlage des jeweiligen Mittels der Datenerhebung ergänzt werden. Personenbezogene Daten, denen keine Erhebung vorausgegangen ist, sind, soweit möglich, nach Satz 1 zu kennzeichnen; darüber hinaus ist die Stelle anzugeben, die die Daten als erste verarbeitet hat, und, soweit möglich, die Stelle, von der die Daten erlangt wurden.

(2) Personenbezogene Daten, die nicht entsprechend den Anforderungen des Absatzes 1 gekennzeichnet sind, dürfen solange nicht weiterverarbeitet und übermittelt werden, bis eine Kennzeichnung entsprechend den Anforderungen des Absatzes 1 erfolgt ist.

(3) Nach einer Übermittlung an eine andere Stelle ist die Kennzeichnung nach Absatz 1 durch diese Stelle aufrechtzuerhalten.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht, soweit eine Kennzeichnung nicht möglich ist. Die Absätze 1 bis 3 gelten ebenfalls nicht, solange eine Kennzeichnung technisch nicht möglich ist oder einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde.

Unterabschnitt 2
Datenübermittlung, sonstige Datenverarbeitung

§ 82 Allgemeine Regelungen der Datenübermittlung

(1) Die übermittelnde Polizeidienststelle hat die Zulässigkeit der Datenübermittlung zu prüfen. Erfolgt die Datenübermittlung auf Grund eines Ersuchens der empfangenden Stelle, hat die übermittelnde Polizeidienststelle zu prüfen, ob das Übermittlungsersuchen im Rahmen der Aufgaben der empfangenden Stelle liegt. Die Zulässigkeit der Übermittlung im Übrigen ist nur zu prüfen, wenn besonderer Anlass besteht. Bei der Übermittlung personenbezogener Daten ist ein Nachweis zu führen, aus dem die empfangende Stelle, der Tag und der wesentliche Inhalt der Übermittlung hervorgehen. Dies gilt nicht für die Datenübermittlung durch automatisierten Abruf (§ 85).

(2) Die empfangende Stelle darf die übermittelten personenbezogenen Daten, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck verarbeiten, zu dem sie übermittelt worden sind. Bei Übermittlungen nach § 84 Absatz 3 und § 90 hat die übermittelnde Polizeidienststelle die empfangende Stelle bei der Datenübermittlung darauf hinzuweisen.

§ 83 Übermittlungsverbote und Verweigerungsgründe

(1) Übermittlungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes haben zu unterbleiben, wenn

  1. für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, dass unter Berücksichtigung der Art der Daten und ihrer Erhebung die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Person das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegen, oder
  2. besondere Verwendungsregelungen entgegenstehen; die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt unberührt.

(2) Die Datenübermittlung nach den §§ 89 und 90 unterbleibt darüber hinaus,

  1. wenn hierdurch wesentliche Sicherheitsinteressen des Bundes oder der Länder beeinträchtigt würden,
  2. wenn hierdurch der Erfolg laufender Ermittlungen oder Leib, Leben oder Freiheit einer Person gefährdet würde,
  3. soweit Grund zu der Annahme besteht, dass durch sie gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen würde, oder
  4. wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Übermittlung der Daten zu den in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union enthaltenen Grundsätzen, insbesondere dadurch, dass durch die Nutzung der übermittelten Daten im Empfängerstaat Verletzungen von elementaren rechtsstaatlichen Grundsätzen oder Menschenrechtsverletzungen drohen, in Widerspruch stehen; die verantwortliche Polizeidienststelle hat die Entscheidung auf der Grundlage der vom Bundeskriminalamt gemäß § 28 Absatz 3 des Bundeskriminalamtgesetzes zu führenden Aufstellung über die Einhaltung der elementaren rechtsstaatlichen Grundsätze und Menschenrechtsstandards sowie das Datenschutzniveau in Drittstaaten zu treffen.

§ 84 Datenübermittlung im innerstaatlichen Bereich 24

(1) Die Polizei kann unter Beachtung des § 79 Absatz 2 bis 4 an die Polizeidienststellen anderer Länder oder des Bundes personenbezogene Daten übermitteln, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben oder zur Erfüllung der Aufgaben des Empfängers erforderlich ist.

(2) Die Polizei kann an andere als die Behörden nach Absatz 1 und sonstige öffentliche Stellen personenbezogene Daten, die sie in Erfüllung ihrer Aufgaben erlangt hat, übermitteln, soweit dies

  1. in anderen Rechtsvorschriften vorgesehen ist oder
  2. unter Beachtung des § 79 Absatz 2 bis 4 zulässig und erforderlich ist:
    1. zur Erfüllung ihrer Aufgaben,
    2. zur Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, zur Strafvollstreckung oder zum Strafvollzug,
    3. zum Zweck der Gefahrenabwehr an für die Gefahrenabwehr zuständige öffentliche Stellen oder
    4. zur Abwehr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechte Einzelner.

(3) Die Polizei kann von sich aus personenbezogene Daten an nichtöffentliche Stellen übermitteln, soweit dies unter Beachtung des § 79 Absatz 2 bis 4 erforderlich ist zur:

  1. Erfüllung ihrer Aufgaben,
  2. Verhütung oder Beseitigung erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder
  3. Wahrung schutzwürdiger Interessen einzelner, soweit kein Grund zu der Annahme besteht, dass die betroffene Person ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung hat.

(4) Auf Ersuchen einer nichtöffentlichen Stelle können personenbezogene Daten übermittelt werden, soweit diese

  1. ein rechtliches Interesse an der Kenntnisnahme der zu übermittelnden Daten glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass schutzwürdige Interessen der betroffenen Person überwiegen, oder
  2. ein berechtigtes Interesse geltend macht und offensichtlich ist, dass die Datenübermittlung im Interesse der betroffenen Person liegt und diese in Kenntnis der Sachlage ihre Einwilligung hierzu erteilen würde.

(5) Die empfangende Stelle darf die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verarbeiten, zu dessen Erfüllung sie ihr übermittelt worden sind. Bei Übermittlungen an nichtöffentliche Stellen hat die Polizei die empfangende Stelle darauf hinzuweisen. In den Fällen der Absätze 1 und 2 ist eine Verarbeitung zu anderen Zwecken unter Beachtung des § 79 Absatz 2 bis 4 zulässig. In den Fällen der Absätze 3 und 4 ist eine Verarbeitung zu anderen Zwecken nur zulässig, soweit eine Übermittlung nach Absatz 3 oder Absatz 4 zulässig gewesen wäre und nur, soweit die Polizeidienststelle zugestimmt hat.

(6) Die Verantwortung für die Zulässigkeit der Übermittlung trägt die übermittelnde Stelle. Erfolgt die Übermittlung auf Ersuchen der empfangenden Stelle, trägt diese die Verantwortung.

§ 85 Automatisiertes Abrufverfahren

(1) Die Einrichtung eines automatisierten Verfahrens, das die automatisierte Übermittlung von personenbezogenen Daten durch Abruf ermöglicht, ist zulässig, soweit dies zur Erfüllung von Aufgaben erforderlich und unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der betroffenen Personen angemessen ist. Zum Abruf können zugelassen werden:

  1. Polizeidienststellen und
  2. Polizeibehörden und -dienststellen des Bundes und anderer Länder.

Für die Protokollierung der Verarbeitungsvorgänge gilt § 32 des Sächsischen Datenschutz-Umsetzungsgesetzes.

(2) Die Einrichtung eines automatisierten Abrufverfahrens bedarf der Zustimmung des Staatsministeriums des Innern.

§ 86 Aufzeichnung von Notrufen und Anrufen

Die Polizei zeichnet Notrufe über die nationale Notrufnummer auf. Im Übrigen kann eine Audioaufzeichnung sonstiger Anrufe erfolgen, die über öffentlich bekanntgegebene Rufnummern eingehen, welche der Entgegennahme sachdienlicher Hinweise im Zusammenhang mit der Erfüllung der Aufgaben dienen; auf diese Aufzeichnung soll hingewiesen werden, soweit dadurch die Aufgabenerfüllung nicht gefährdet wird. Die Audioaufzeichnungen sind spätestens nach drei Monaten zu löschen, wenn sie nicht zur Abwehr einer Gefahr oder zur Verfolgung einer Straftat erforderlich sind.

§ 87 Datenabgleich

(1) Die Polizei kann personenbezogene Daten von Personen nach den §§ 6 und 7 mit dem Inhalt polizeilicher Dateien abgleichen. Personenbezogene Daten anderer Personen kann die Polizei nur abgleichen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dies zur Wahrnehmung einer bestimmten polizeilichen Aufgabe erforderlich ist. Die Polizei kann ferner die im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung erlangten personenbezogenen Daten mit dem Fahndungsbestand abgleichen. Die betroffene Person kann für die Dauer des Datenabgleichs angehalten werden.

(2) Besondere Vorschriften über den Datenabgleich bleiben unberührt.

§ 88 Datenübermittlung zum Zweck einer Zuverlässigkeitsüberprüfung zum Schutz besonders gefährdeter Veranstaltungen 24

(1) Die Polizei kann zum Zweck der Gefahrenabwehr bei besonders gefährdeten Veranstaltungen personenbezogene Daten an öffentliche und nichtöffentliche Stellen übermitteln, wenn die Übermittlung

  1. zu dem Zweck einer Zuverlässigkeitsüberprüfung erforderlich ist,
  2. mit schriftlicher Einwilligung der betroffenen Person erfolgt und
  3. im Hinblick auf den Anlass dieser Überprüfung, insbesondere den Zugang der betroffenen Person zu der Veranstaltung, mit Rücksicht auf ein berechtigtes Sicherheitsinteresse der empfangenden Stelle sowie wegen der Art und des Umfangs der Erkenntnisse über die betroffene Person angemessen ist.

Die Übermittlung an eine nichtöffentliche Stelle beschränkt sich auf die Auskunft zum Vorliegen der Zuverlässigkeitsbedenken. Die betroffene Person ist über den Inhalt der Übermittlung zu informieren, soweit dies nicht bereits auf andere Weise sichergestellt ist.

(2) Die empfangende Stelle darf die übermittelten Daten nur zu dem Zweck der Zuverlässigkeitsüberprüfung verarbeiten. Die Polizei hat die empfangende Stelle schriftlich zu verpflichten, diese Zweckbestimmung einzuhalten.

(3) Die oder der Sächsische Datenschutz- und Transparenzbeauftragte ist zu unterrichten, wenn eine Datenübermittlung wegen einer besonders gefährdeten Veranstaltung beabsichtigt ist.

§ 89 Datenübermittlung an Mitgliedstaaten der Europäischen Union

(1) Für die Übermittlung von personenbezogenen Daten an

  1. öffentliche und nichtöffentliche Stellen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union und
  2. zwischen- und überstaatliche Stellen der Europäischen

Union oder deren Mitgliedstaaten, die mit Aufgaben der Verhütung und Verfolgung von Straftaten befasst sind, gilt § 84 entsprechend. Die Verantwortung für die Zulässigkeit der Datenübermittlung trägt die übermittelnde Stelle.

(2) Absatz 1 findet auch Anwendung auf die Übermittlung von personenbezogenen Daten an Polizeibehörden oder sonstige für die Verhütung und Verfolgung von Straftaten zuständige öffentliche Stellen von Staaten, welche die Vorschriften des Schengen-Besitzstandes auf Grund eines Assoziierungsübereinkommens mit der Europäischen Union über die Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstandes anwenden. Die Zulässigkeit der Übermittlung personenbezogener Daten durch die Polizei an eine Polizeibehörde oder eine sonstige für die Verhütung und Verfolgung von Straftaten zuständige öffentliche Stelle eines Mitgliedstaates der Europäischen Union auf der Grundlage besonderer völkerrechtlicher Vereinbarungen bleibt unberührt.

§ 90 Datenübermittlung im internationalen Bereich

(1) Die Polizei kann unter Beachtung des § 79 Absatz 2 bis 4 und unter Beachtung der §§ 42 bis 45 des Sächsischen Datenschutz-Umsetzungsgesetzes an Polizeibehörden, an sonstige für die Verhütung von Straftaten zuständige öffentliche Stellen in anderen als den in § 89 Absatz 1 genannten Staaten und an andere als die in § 89 Absatz 1 genannten zwischen- und überstaatlichen Stellen, die mit Aufgaben der Verhütung von Straftaten befasst sind, personenbezogene Daten übermitteln, soweit dies erforderlich ist:

  1. zur Erfüllung der Aufgaben oder
  2. zur Abwehr einer im Einzelfall bestehenden erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit.

(2) Die Verantwortung für die Zulässigkeit der Übermittlung trägt die Polizei. Die Polizei hat die Übermittlung und ihren Anlass zu dokumentieren. Die empfangende Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die personenbezogenen Daten nur zu dem Zweck genutzt werden dürfen, zu dem sie übermittelt worden sind. Der empfangenden Stelle ist ferner der vorgesehene Zeitpunkt der Löschung der Daten mitzuteilen.

(3) Die Polizei kann unter den Voraussetzungen des § 45 des Sächsischen Datenschutz-Umsetzungsgesetzes und unter Beachtung des § 79 Absatz 2 bis 4 Daten an die Stellen nach § 45 des Sächsischen Datenschutz-Umsetzungsgesetzes übermitteln. Zusätzlich kann sie unter den Voraussetzungen des Satzes 1 an andere als die in Absatz 1 genannten zwischen- und überstaatlichen Stellen personenbezogene Daten übermitteln, soweit dies erforderlich ist:

  1. zur Erfüllung einer ihr obliegenden Aufgabe oder
  2. zur Abwehr einer im Einzelfall bestehenden erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit.

Unterabschnitt 3 24
Datenschutzpflichten der verantwortlichen Stellen, Kontrolle

§ 91 Berichtigung, Löschung und Einschränkung der Verarbeitung 24

(1) Personenbezogene Daten sind nach Maßgabe der §§ 14 und 31 des Sächsischen Datenschutz-Umsetzungsgesetzes zu berichtigen, zu löschen oder in der Verarbeitung einzuschränken, soweit durch Vorschriften dieses Gesetzes keine abweichenden Regelungen getroffen werden.

(2) Unbeschadet von sonstigen durch dieses Gesetz bestimmten Höchstspeicher- oder Löschfristen oder Löschungsverpflichtungen hat der Verantwortliche personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, wenn er aus Anlass einer Einzelfallbearbeitung oder bei einer nach festgesetzten Fristen vorzunehmenden Prüfung feststellt, dass die Kenntnis der Daten zur Erfüllung der Aufgaben nicht mehr erforderlich ist.

(3) Die Dauer der Speicherung ist auf das erforderliche Maß zu beschränken. Es sind Fristen festzulegen, zu denen spätestens zu prüfen ist, ob die Speicherung personenbezogener Daten für die Erfüllung der Aufgaben noch erforderlich ist (Aussonderungsprüffristen). Die Beachtung der Aussonderungsprüffristen ist durch geeignete technische oder organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen. Die Aussonderungsprüffristen dürfen in den Fällen des § 80 Absatz 2 bei Erwachsenen zehn Jahre, bei Jugendlichen fünf Jahre und bei Kindern zwei Jahre nicht überschreiten, wobei nach Zweck der Speicherung sowie Art und Schwere des Sachverhalts zu unterscheiden ist. In den Fällen des § 80 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 4 dürfen die Aussonderungsprüffristen bei Erwachsenen fünf Jahre und bei Jugendlichen drei Jahre nicht überschreiten. Personenbezogene Daten der Personen nach § 80 Absatz 3 Satz 1 können ohne Zustimmung der betroffenen Person nur für die Dauer eines Jahres gespeichert werden. Die Speicherung für jeweils ein weiteres Jahr ist zulässig, soweit die Voraussetzungen von § 80 Absatz 3 Satz 1 weiterhin vorliegen. Die maßgeblichen Gründe für die Aufrechterhaltung der Speicherung nach Satz 6 sind aktenkundig zu machen. Die Speicherung nach Satz 6 darf jedoch insgesamt drei Jahre nicht überschreiten. Die Fristen beginnen an dem Tag, an dem das letzte Ereignis eingetreten ist, das zu der Speicherung der Daten geführt hat, jedoch nicht vor Entlassung der betroffenen Person aus einer Justizvollzugsanstalt oder der Beendigung einer mit der Freiheitsentziehung verbundenen Maßregel der Besserung und Sicherung.

(4) Sind personenbezogene Daten in Akten gespeichert und wird deren Unrichtigkeit festgestellt, ist die Berichtigungspflicht nach § 31 Absatz 1 des Sächsischen Datenschutz-Umsetzungsgesetzes dadurch zu erfüllen, dass dies in der Akte vermerkt wird. Bestreitet die betroffene Person die Richtigkeit sie betreffender personenbezogener Daten und lässt sich weder die Richtigkeit noch die Unrichtigkeit feststellen, sind die Daten zu kennzeichnen, um eine Einschränkung der Verarbeitung gemäß § 14 Absatz 1 Satz 3 des Sächsischen Datenschutz-Umsetzungsgesetzes zu ermöglichen. Die Verarbeitung personenbezogener Daten in Akten ist einzuschränken, wenn Daten

  1. nach Absatz 2,
  2. auf Grund von sonstigen durch dieses Gesetz bestimmten Löschungsverpflichtungen oder
  3. nach § 14 Absatz 2 des Sächsischen Datenschutz-Umsetzungsgesetzes

zu löschen sind. Die Unterlagen sind mit einem entsprechenden Einschränkungsvermerk zu versehen. Die gesamte Akte ist zu vernichten, wenn sie insgesamt zur Erfüllung der Aufgaben nicht mehr erforderlich ist.

(5) § 5 Absatz 1 und 2 des Archivgesetzes für den Freistaat Sachsen bleibt unberührt.

§ 92 Allgemeine Information zu Datenverarbeitungen, Auskunft

(1) Für die Pflicht der Polizei, betroffenen Personen allgemeine Informationen zu Datenverarbeitungen zur Verfügung zu stellen, gilt § 11 des Sächsischen Datenschutz-Umsetzungsgesetzes.

(2) Für die Pflicht der Polizei, betroffenen Personen auf Antrag Auskunft über die sie betreffende Verarbeitung personenbezogener Daten zu erteilen, gilt § 13 des Sächsischen Datenschutz-Umsetzungsgesetzes.

§ 93 Errichtungsanordnung 24

(1) Für den erstmaligen Einsatz von automatisierten Verfahren, mit denen personenbezogene Daten verarbeitet werden, ist in einer Errichtungsanordnung, die der Zustimmung des Staatsministeriums des Innern bedarf, festzulegen:

  1. die Bezeichnung und die Anschrift der datenverarbeitenden Stelle,
  2. die Bezeichnung und der Zweck der Datei,
  3. die Aufgabe, zu deren Erfüllung personenbezogene Daten verarbeitet werden, und die Rechtsgrundlage der Verarbeitung,
  4. die Art der zu verarbeitenden Daten,
  5. der betroffene Personenkreis,
  6. die Art der zu übermittelnden Daten und die Empfänger der Daten,
  7. die Aussonderungsprüffristen und die Regelfristen für die Löschung der Daten,
  8. die Eingabe- und Zugangsberechtigungen,
  9. Protokollierungen von Verarbeitungsvorgängen nach § 32 Absatz 1 des Sächsischen Datenschutz-Umsetzungsgesetzes,
  10. die personellen, technischen und organisatorischen Maßnahmen gemäß § 27 des Sächsischen Datenschutz-Umsetzungsgesetzes,
  11. Maßnahmen, die sicherstellen, dass die Anforderungen des § 79 eingehalten werden, und
  12. Angaben gemäß § 23 Absatz 4 des Sächsischen Datenschutz-Umsetzungsgesetzes.

(2) Vor dem erstmaligen Einsatz von automatisierten Verfahren ist die oder der Sächsische Datenschutz- und Transparenzbeauftragte zu unterrichten.

§ 94 Kontrolle durch die Sächsische Datenschutz- und Transparenzbeauftragte oder den Sächsischen Datenschutz- und Transparenzbeauftragte 24

Die oder der Sächsische Datenschutz- und Transparenzbeauftragte führt neben den Aufgaben nach § 39 des Sächsischen Datenschutz-Umsetzungsgesetzes mindestens alle zwei Jahre Kontrollen in Bezug auf

  1. die Datenverarbeitung bei Maßnahmen nach den §§ 59 bis 69 auch im Hinblick auf die Datenverarbeitung in polizeilichen Informationssystemen und
  2. die Übermittlungen nach § 90 durch.

Abschnitt 4
Datenverarbeitung zur Erfüllung von Aufgaben, die der Verordnung (EU) 2016/679 unterfallen

§ 95 Befugnis zur Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten

Die Polizei kann zur Erfüllung einer Aufgabe, die nicht dem Anwendungsbereich von § 1 des Sächsischen Datenschutz-Umsetzungsgesetzes unterfällt, besondere Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 verarbeiten, wenn dies zur Abwehr erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist. Bei der Verarbeitung von Daten im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 sind angemessene und spezifische Maßnahmen zur Wahrung der Interessen der betroffenen Person vorzusehen.

§ 96 Beschränkung der Informationspflicht bei der Erhebung personenbezogener Daten bei der betroffenen Person

Bei der Erhebung personenbezogener Daten kann die Polizei von einer Information der betroffenen Person nach Artikel 13 Absatz 1 und 2 der Verordnung (EU) 2016/679 soweit und solange absehen, wie andernfalls die Erteilung der Information die Voraussetzungen des § 8 Absatz 1 des Sächsischen Datenschutzdurchführungsgesetzes erfüllen würde.

Teil 4
Organisation der Polizei

§ 97 Polizeidienststellen und Einrichtungen für den Polizeivollzugsdienst

(1) Der Freistaat Sachsen unterhält für den Polizeivollzugsdienst folgende Polizeidienststellen:

  1. das Landespolizeipräsidium im Staatsministerium des Innern,
  2. das Landeskriminalamt,
  3. das Polizeiverwaltungsamt,
  4. das Präsidium der Bereitschaftspolizei und
  5. die Polizeidirektionen.

(2) Der Freistaat Sachsen unterhält für den Polizeivollzugsdienst die erforderlichen Ausbildungs- und Fortbildungseinrichtungen.

§ 98 Unabhängige Vertrauens- und Beschwerdestelle 24

(1) Der Freistaat Sachsen unterhält in der Staatskanzlei eine unabhängige, zentrale Vertrauens- und Beschwerdestelle für die Polizei. Die Stelle hat die Aufgabe, das partnerschaftliche Verhältnis zwischen Bürgerinnen und Bürgern und Polizei zu stärken. Sie unterstützt die Bürgerinnen und Bürger im Dialog mit der Polizei und wirkt darauf hin, dass begründeten Beschwerden abgeholfen wird. Ihr obliegt auch die Befassung mit Vorgängen aus dem innerpolizeilichen Bereich.

(2) Der Stelle ist die für die Erfüllung ihrer Aufgaben notwendige Personal- und Sachausstattung zur Verfügung zu stellen. Die Staatsregierung trifft die Festlegung über die Anzahl sowie Besoldung und Eingruppierung der Bediensteten der Stelle. Sie werden durch die Staatsregierung zeitlich befristet berufen.

(3) Die Stelle ist in der Ausübung ihrer Tätigkeit unabhängig, weisungsfrei und nur dem Gesetz unterworfen. Sie gibt sich eine Geschäftsordnung. Die Bediensteten dürfen wegen ihrer Tätigkeit dienstlich nicht gemaßregelt, nicht benachteiligt und nicht bevorzugt werden. Die Dienstaufsicht über die Bediensteten obliegt während ihrer Tätigkeit in der Stelle weiterhin der bisherigen obersten Dienstbehörde. Auf sie finden Regelungen zum Verbot der Führung von Dienstgeschäften keine Anwendung.

(4) Die Stelle prüft und bearbeitet Mitteilungen von Bürgerinnen und Bürgern sowie Polizeibediensteten mit Vorgängen aus dem innerpolizeilichen Bereich, auch soweit es sich um Beschwerden handelt. Polizeibedienstete sind befugt, sich ohne Einhaltung des Dienstwegs an die Stelle zu wenden. Wegen der Wahrnehmung des Beschwerderechts darf für Beschwerdeführende kein dienstlich veranlasster Nachteil entstehen.

(5) Die Stelle ist befugt, personenbezogene Daten zu verarbeiten, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Ihre Bediensteten sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Die erhobenen und verarbeiteten Daten dürfen nicht zu anderen Zwecken weiterverarbeitet werden.

(6) Die Stelle kann Stellungnahmen vom Staatsministerium des Innern, dessen nachgeordneten Polizeidienststellen und den beschwerdebetroffenen Polizeibediensteten sowie Unterlagen und Sachakten, die im Sachzusammenhang stehen, anfordern und einsehen. Sie kann Polizeibedienstete anhören, soweit dies für die Prüfung darüber hinaus erforderlich ist. Die Stelle kann Personalakten der Bediensteten ohne deren Einwilligung anfordern und einsehen, wenn die Stelle die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderliche Kenntnis nicht durch Auskunft aus der Personalakte gewinnen kann. Jede Einsichtnahme nach Satz 3 ist aktenkundig zu machen. Die Stelle kann Empfehlungen an das Staatsministerium des Innern und dessen nachgeordnete Polizeidienststellen aussprechen.

(7) Die Stelle legt jährlich einen Bericht über ihre Arbeit und die Prüfergebnisse vor. Dieser wird veröffentlicht.

§ 99 Aufgaben des Staatsministeriums des Innern

(1) Das Staatsministerium des Innern ist oberste Dienstbehörde und Führungsstelle der Polizei.

(2) Das Staatsministerium des Innern kann sich oder einer anderen Polizeidienststelle nachgeordnete Polizeidienststellen vorübergehend unmittelbar unterstellen, wenn die Erfüllung der polizeilichen Aufgaben dies erfordert.

(3) Ist bei Gefahr im Verzug ein rechtzeitiges Tätigwerden des Staatsministeriums des Innern nicht zu erreichen, kann das Landeskriminalamt Maßnahmen nach Absatz 2 treffen. Das Staatsministerium des Innern ist unverzüglich zu unterrichten.

§ 100 Ermächtigung zur Regelung von Aufgaben und Gliederung der Polizeidienststellen

Die Gliederung der Polizei in Polizeidienststellen und die Verteilung der Aufgaben auf die Polizeidienststellen wird durch das Staatsministerium des Innern durch Rechtsverordnung bestimmt.

§ 101 Dienst- und Fachaufsicht

(1) Die Dienst- und Fachaufsicht über das Landeskriminalamt, das Präsidium der Bereitschaftspolizei, das Polizeiverwaltungsamt und die Polizeidirektionen übt das Staatsministerium des Innern aus.

(2) Die Fachaufsicht über die kriminalpolizeiliche Tätigkeit der Polizeidienststellen wird, unbeschadet der Regelung in Absatz 1, vom Landeskriminalamt ausgeübt.

(3) Im Übrigen kann das Staatsministerium des Innern durch Rechtsverordnung weitere Regelungen über die Dienst- und Fachaufsicht über die nachgeordneten Polizeidienststellen sowie die Ausbildungs- und Fortbildungseinrichtungen für die Polizei treffen.

(4) Die zur Dienstaufsicht oder zur Fachaufsicht zuständigen Stellen können den Polizeidienststellen im Rahmen ihrer Zuständigkeit Weisungen erteilen. Die Polizeidienststellen haben diesen Weisungen Folge zu leisten. Sie sind verpflichtet, die weisungsbefugten Stellen von allen sachdienlichen Wahrnehmungen zu unterrichten.

§ 102 Zusammenarbeit mit den Polizeibehörden

Die Polizeidienststellen haben mit den Polizeibehörden im Sinne von § 1 des Sächsischen Polizeibehördengesetzes zusammenzuarbeiten und diese unverzüglich über alle Vorgänge zu unterrichten, die für die Erfüllung ihrer polizeibehördlichen Aufgaben erforderlich sind. Unbeschadet der Zuständigkeit der Polizei zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten sollen die Polizei und die Polizeibehörden im Rahmen der Gefahrenabwehr zusammenwirken und zur Vermeidung strafbarer Verhaltensweisen (Kriminalprävention) beitragen.

§ 103 Örtliche Zuständigkeit

Die Polizeidienststellen sind im ganzen Landesgebiet zuständig; sie sollen in der Regel jedoch nur in ihrem Dienstbezirk tätig werden.

§ 104 Amtshandlungen anderer Länder, des Bundes und anderer Staaten im Freistaat Sachsen

(1) Polizeibedienstete eines anderen Landes können im Freistaat Sachsen Amtshandlungen vornehmen:

  1. auf Anforderung oder mit Zustimmung des Staatsministeriums des Innern,
  2. in den Fällen des Artikels 35 Absatz 2 und 3 sowie Artikel 91 Absatz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland,
  3. zur Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr, zur Verfolgung von Straftaten auf frischer Tat sowie zur Verfolgung und Wiederergreifung Entwichener, wenn die zuständige Stelle die erforderlichen Maßnahmen nicht treffen kann,
  4. zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben im Zusammenhang mit Transporten von Personen oder Sachen oder
  5. zur Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten und zur Gefahrenabwehr in den durch Verwaltungsabkommen mit anderen Ländern geregelten Fällen.

In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 und 4 ist die zuständige Polizeidienststelle unverzüglich zu unterrichten.

(2) Werden Polizeibedienstete eines anderen Landes nach Absatz 1 tätig, haben sie die gleichen Befugnisse wie die Polizeibediensteten des Freistaates Sachsen. Ihre Maßnahmen gelten als Maßnahmen derjenigen Polizeidienststellen, in deren örtlichem und sachlichem Zuständigkeitsbereich sie tätig geworden sind. Sie unterliegen insoweit deren Weisungen.

(3) Absatz 1 gilt entsprechend für

  1. Polizeibedienstete des Bundes und
  2. Vollzugsbedienstete der Zollverwaltung, denen der Gebrauch von Schusswaffen bei Anwendung unmittelbaren Zwangs nach dem Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 201-5, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 24. Mai 2016 (BGBl. I S. 1217) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, gestattet ist.

Absatz 2 gilt für Vollzugsbedienstete der Zollverwaltung entsprechend. Für Polizeibedienstete des Bundes gilt das Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes uneingeschränkt.

(4) Vollzugsbedienstete anderer Staaten mit polizeilichen Aufgaben können im Freistaat Sachsen polizeiliche Amtshandlungen vornehmen, soweit dies völkerrechtliche Vereinbarungen vorsehen oder das Staatsministerium des Innern Amtshandlungen ausländischer Polizeidienststellen allgemein oder im Einzelfall zustimmt.

§ 105 Amtshandlungen von Polizeibediensteten des Freistaates Sachsen außerhalb des Zuständigkeitsbereichs

(1) Die Polizeibediensteten des Freistaates Sachsen dürfen im Zuständigkeitsbereich des Bundes oder in einem anderen Land nur dann tätig werden, wenn dies durch Bundesrecht oder das jeweilige Landesrecht vorgesehen ist. Außerhalb der Bundesrepublik Deutschland dürfen die Polizeibediensteten nur tätig werden, soweit dies durch völkerrechtliche Vereinbarungen geregelt ist.

(2) Einer Anforderung von Polizeikräften durch den Bund oder ein anderes Land soll entsprochen werden, soweit nicht die Verwendung der Polizeikräfte im Freistaat Sachsen dringender ist, als die Unterstützung des Bundes oder des anderen Landes.

Teil 5
Sonstige Bestimmungen

§ 106 Strafvorschriften

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

  1. einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 21 Absatz 4 Satz 1 oder einer vollziehbaren Anordnung nach § 21 Absatz 4 Satz 2 zuwiderhandelt und dadurch den Zweck der Anordnung gefährdet oder
  2. einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 61 Absatz 5 Satz 1 oder einer vollziehbaren Anordnung nach § 61 Absatz 5 Satz 2 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch die Polizei verhindert.

(2) Die Tat wird nur auf Antrag der Polizeidienststelle verfolgt, die die Maßnahme angeordnet oder beantragt hat.

§ 107 Berichtspflichten gegenüber dem Landtag

Das Staatsministerium des Innern unterrichtet die Öffentlichkeit, den Landtag und seine Abgeordneten jährlich in Form eines Berichtes über abgeschlossene Maßnahmen nach § 21 Absatz 2 und 3, § 57 Absatz 4 und 5, §§ 58 bis 69 und über Übermittlungen nach § 90. Der Bericht hat statistische Angaben über Anlass, Zweck, Dauer und Ergebnis solcher Maßnahmen sowie über die Benachrichtigung der Betroffenen und die Löschung der personenbezogenen Daten zu enthalten. Die Staatsregierung unterrichtet in Berichtsform weiter über die Anzahl rechtskräftig abgeschlossener Verfahren nach § 106.

§ 108 Außerkrafttreten

(1) § 59 tritt am 31. Dezember 2023

§ 59 Einsatz technischer Mittel zur Verhütung schwerer grenzüberschreitender Kriminalität

(1) Die Polizei kann zur Verhütung grenzüberschreitender Kriminalität durch die Begehung von Straftaten im Sinne des § 100a Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe j, l und n, Nummer 2 Buchstabe b, Nummer 7 Buchstabe a und b der Strafprozessordnung sowie durch die Begehung von Straftaten nach den §§ 232, 232a und 249 des Strafgesetzbuches personenbezogene Daten durch den offenen Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufzeichnungen des

Verkehrs auf öffentlichen Straßen erheben sowie Informationen über Ort, Zeit und Verkehrsrichtung der Nutzung erfassen, um diese automatisiert mit anderen personenbezogenen Daten abzugleichen. Dies gilt an Straßenabschnitten im Grenzgebiet zur Republik Polen und zur Tschechischen Republik bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern, soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der betreffende Straßenabschnitt von herausgehobener Bedeutung für die grenzüberschreitende Kriminalität ist, weil er regelmäßig als Begehungsort der Straftaten im Sinne des Satzes 1 oder für die Verbringung von Sach- oder Vermögenswerten aus diesen Straftaten genutzt wird. Die herausgehobene Bedeutung für die grenzüberschreitende Kriminalität muss sich aus polizeilich dokumentierten Tatsachen erschließen. Durch technisch-organisatorische Maßnahmen ist sicherzustellen, dass der Einsatz solcher Mittel weder einzeln noch in der Kombination flächendeckend oder im Dauerbetrieb erfolgt.

(2) Personenbezogene Daten nach Absatz 1 dürfen nur dahingehend weiterverarbeitet werden, dass sie mit personenbezogenen Daten konkret bestimmter Personen automatisiert abgeglichen werden, die zur Verhütung von Straftaten im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 zur polizeilichen Beobachtung ausgeschrieben sind. Die erhobenen Daten sind spätestens nach 96 Stunden automatisiert zu löschen, soweit sich nicht bei dem automatisierten Abgleich eine Übereinstimmung ergab und die Daten zur Verhütung oder Verfolgung von Straftaten im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 erforderlich sind.

(3) Maßnahmen nach Absatz 1 einschließlich der Bestimmung jener Personen, deren zur Identifizierung unbedingt erforderliche Daten zum automatisierten Abgleich heranzuziehen sind, dürfen nur durch die Präsidentin oder den Präsidenten des Landeskriminalamtes oder einer Polizeidirektion oder durch einen von diesen hierzu beauftragte Bedienstete angeordnet werden. Spätestens nach Ablauf von jeweils sechs Monaten hat die anordnende Polizeidienststelle zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Anordnung noch bestehen. Das Ergebnis der Prüfung ist zu dokumentieren. Die Entscheidungsgrundlagen einschließlich der Lageerkenntnisse nach Absatz 1 Satz 3, die zu dem jeweiligen Einsatz geführt haben, sind für jede Maßnahme zu dokumentieren.

(4) Die Erforderlichkeit, die praktische Anwendung und die Auswirkungen der Regelungen der Absätze 1 bis 3 sind durch die Staatsregierung zu prüfen. Die Staatsregierung berichtet dem Landtag drei Jahre nach Inkrafttreten dieses Gesetzes über das Ergebnis der Evaluierung.

außer Kraft.

(2) § 81 Absatz 4 Satz 2 tritt am 31. Dezember 2025 außer Kraft.

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1) Dieses Gesetz dient der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates (ABl. L 119 vom 04.05.2016 S. 89, L 127 vom 23.05.2018 S. 9).

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