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Regelwerk

Interpretationspapier zum Thema "Wesentliche Veränderung von Maschinen"
zum Produktsicherheitsgesetz/9. ProdSV - Maschinenverordnung

Vom 9. April 2015
(GMBl. Nr. 10 vom 09.04.2015 S. 183)



zur vorherigen Regelung

- Bek. des BMAS vom 09.04.2015 - IIIb5-39607-3 -

Dieses Interpretationspapier ist die überarbeitete, an das neue Produktsicherheitsgesetz 1 (ProdSG) und die neuesten Erkenntnisse der Risikobeurteilung angepasste Fassung des Interpretationspapiers des BMA und der Länder zum Thema "Wesentliche Veränderung von Maschinen", Bekanntmachung des BMA vom 7. September 2000 - IIIc3-39607-3 - Bundesarbeitsblatt 11/2000 S. 35.

Das neue Papier ist von einer Arbeitsgruppe unter der Federführung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) erarbeitet worden, mit Beteiligung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Landes Baden-Württemberg als Richtlinienvertreter der Länder für die EG-Maschinenrichtlinie 2006/42/EG 2 (MRL) in Abstimmung mit den Marktüberwachungsbehörden der Länder, der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), einzelner Unfallversicherungsträger, des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) sowie des VGB Power Tech e. V. als Fachverband für die Strom- und Wärmeerzeugung. Es tritt an die Stelle des o. a. alten Interpretationspapiers.

Das ProdSG regelt die Bereitstellung von Produkten auf dem Markt. Zu diesen Produkten zählen auch Maschinen. Welche Anforderungen Maschinen erfüllen müssen, wenn sie auf dem Markt bereitgestellt werden, ergibt sich aus dem ProdSG in Verbindung mit der Neunten Verordnung zum ProdSG (Maschinenverordnung - 9. ProdSV). Mit der 9. ProdSV und dem ProdSG ist die einschlägige europäische Rechtsvorschrift für Maschinen, die MRL, in nationales Recht umgesetzt.

Nach § 2 Nummer 4 ProdSG ist "Bereitstellung auf dem Markt" im Sinne dieses Gesetzes "jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe eines Produkts zum Vertrieb, Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Markt der Europäischen Union im Rahmen einer Geschäftstätigkeit". Diese Begriffsbestimmung ist wortgleich aus der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 3 in das ProdSG übernommen worden. Die "Bereitstellung auf dem Markt" tritt an die Stelle des bisherigen Begriffs "Inverkehrbringen" im durch das ProdSG abgelösten Geräte- und Produktsicherheitsgesetzes (GPSG). Dort war "Inverkehrbringen" definiert als "jedes Überlassen eines Produkts an einen anderen, unabhängig davon, ob das Produkt neu, gebraucht, wieder aufgearbeitet oder wesentlich verändert worden ist [...]."

Das ProdSG enthält jetzt - entsprechend der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 - den Begriff "Bereitstellung auf dem Markt" und den Begriff "Inverkehrbringen". Unter der Begriffsbestimmung "Inverkehrbringen" ist jetzt neu im ProdSG in Übereinstimmung mit der EG-Verordnung Nr. 765/2008 nur noch die erstmalige Bereitstellung eines Produkts auf dem Markt zu verstehen (§ 2 Nummer 15).

Mit der Übernahme der Begriffsbestimmungen "Bereitstellung auf dem Markt" und "Inverkehrbringen" aus der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 ist der Terminus des "wesentlich veränderten Produkts" weggefallen. Damit hat sich jedoch der zugrundeliegende Sachverhalt nicht verändert: Wie im bisherigen GPSG ist auch im neuen ProdSG ein gebrauchtes Produkt, das gegenüber seinem ursprünglichen Zustand wesentlich verändert wird, als neues Produkt anzusehen. Dies ergibt sich aus der geltenden europäischen Interpretation in Nr. 2.1 des "Blue Guide" 4:

"Ein Produkt, an dem nach seiner Inbetriebnahme erhebliche Veränderungen oder Überarbeitungen mit dem Ziel der Modifizierung seiner ursprünglichen Leistung, Verwendung oder Bauart vorgenommen worden sind, die sich wesentlich auf die Einhaltung der Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union auswirken, kann als neues Produkt angesehen werden. Dies ist von Fall zu Fall und insbesondere vor dem Hintergrund des Ziels der Rechtsvorschriften und der Art der Produkte im Anwendungsbereich der betreffenden Rechtsvorschrift zu entscheiden."

In Bezug auf Maschinen ist auch der Leitfaden 5 der Europäischen Kommission für die MRL hinzuzuziehen. Dieser enthält folgende Erläuterung unter § 72:

"Die MRL gilt auch für Maschinen, die auf gebrauchten Maschinen basieren, welche so wesentlich verändert worden sind, dass sie als neue Maschinen angesehen werden können. Es stellt sich damit die Frage, ab wann ein Umbau einer Maschine als Bau einer neuen Maschine gilt, welche der Maschinenrichtlinie unterliegt. Es ist nicht möglich, präzise Kriterien zu formulieren, mit denen diese Frage in jedem Einzelfall beantwortet wird."

Dieses Interpretationspapier gibt eine Hilfestellung bei der Beantwortung dieser Frage und beschreibt anhand eines Ablaufschemas die Vorgehensweise für die Entscheidung, ob es sich im Einzelfall um eine "wesentliche Veränderung" handelt.

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Interpretation zum Thema "wesentliche Veränderung" in Bezug auf Maschinen

Vom 9. April 2015

Anlage

Jede Veränderung an einer Maschine, unabhängig ob gebraucht oder neu, die den Schutz der Rechtsgüter des ProdSG beeinträchtigen kann, z.B. durch Leistungserhöhungen, Funktionsänderungen, Änderung der bestimmungsgemäßen Verwendung (wie durch Änderung der Hilfs-, Betriebs- und Einsatzstoffe, Umbau oder Änderungen der Sicherheitstechnik), ist zunächst im Hinblick auf ihre sicherheitsrelevante Auswirkung zu untersuchen 6. Dies bedeutet, es ist in jedem Einzelfall zu ermitteln, ob sich durch die Veränderung der (gebrauchten) Maschine neue Gefährdungen 7 ergeben haben oder ob sich ein bereits vorhandenes Risiko 8 erhöht hat. Hier kann man drei Fallgestaltungen unterscheiden:

  1. Es liegt keine neue Gefährdung bzw. keine Erhöhung eines vorhandenen Risikos vor, so dass die Maschine nach wie vor als sicher angesehen werden kann.
  2. Es liegt zwar eine neue Gefährdung bzw. eine Erhöhung eines vorhandenen Risikos vor, die vorhandenen Schutzmaßnahmen der Maschine vor der Veränderung sind aber hierfür weiterhin ausreichend, so dass die Maschine nach wie vor als sicher angesehen werden kann.
  3. Es liegt eine neue Gefährdung bzw. eine Erhöhung eines vorhandenen Risikos vor und die vorhandenen Schutzmaßnahmen sind hierfür nicht ausreichend oder geeignet.

Bei veränderten Maschinen nach Fallgestaltung 1 oder 2 sind zusätzliche Schutzmaßnahmen nicht erforderlich. Veränderte Maschinen nach Fallgestaltung 3 sind dagegen durch eine Risikobeurteilung systematisch hinsichtlich der Frage, ob eine wesentliche Veränderung vorliegt, weiter zu untersuchen.

Dabei ist festzustellen, ob es möglich ist, die veränderte Maschine mit einfachen Schutzeinrichtungen wieder in einen sicheren Zustand zu bringen, wobei überprüft wird, ob die einfache Schutzeinrichtung das Risiko eliminiert oder zumindest hinreichend minimiert. Ist dies der Fall, kann die Veränderung in der Regel als nicht wesentlich angesehen werden.

Unter einer einfachen Schutzeinrichtung im vorgen. Sinne kann z.B. eine feststehende trennende Schutzeinrichtung verstanden werden. Als einfache Schutzeinrichtungen gelten auch bewegliche trennende Schutzeinrichtungen und nicht trennende Schutzeinrichtungen, die nicht erheblich in die bestehende sicherheitstechnische Steuerung der Maschine eingreifen. Das bedeutet, dass durch diese Schutzeinrichtungen lediglich Signale verknüpft werden, auf dessen Verarbeitung die vorhandene Sicherheitssteuerung bereits ausgelegt ist oder dass unabhängig von der vorhandenen Sicherheitssteuerung ausschließlich das sichere Stillsetzen der gefahrbringenden Maschinenfunktion bewirkt wird.

Der Austausch von Bauteilen der Maschine durch identische Bauteile oder Bauteile mit identischer Funktion und identischem Sicherheitsniveau sowie der Einbau von Schutzeinrichtungen, die zu einer Erhöhung des Sicherheitsniveaus der Maschine führen und die darüber hinaus keine zusätzlichen Funktionen ermöglichen, werden nicht als wesentliche Veränderung angesehen.

Hinweis:

Unabhängig davon kann sich aber aus anderen Rechtsvorschriften für den Arbeitgeber, der die Maschine seinen Beschäftigten als Arbeitsmittel zur Verfügung stellt, die Pflicht zur Festlegung zusätzlicher Schutzmaßnahmen ergeben.

Grundsätzlich muss nach allen Änderungen an Maschinen - nicht nur nach wesentlichen Veränderungen - eine Gefährdungsbeurteilung nach § 3 der Betriebssicherheitsverordnung 9 (BetrSichV) durchgeführt werden. Diese zählt zu den betrieblichen Arbeitsschutzpflichten des Verwenders einer Maschine bzw. Anlage als Arbeitsmittel. Aufgrund der Gefährdungsbeurteilung können Maßnahmen, insbesondere technische Maßnahmen, notwendig werden, um den Beschäftigten ein sicheres Arbeitsmittel zur Verfügung zu stellen.

Es ist zu prüfen, ob eine Anpassung der Informationen zum sicheren Betrieb der Maschinen, wie z.B. Betriebsanweisung, erforderlich ist (vgl. § 12 BetrSichV).

Schlussfolgerung:

Veränderungen an einer Maschine/Gesamtheit von Maschinen 10 können folgende Auswirkungen haben:

  1. Die Maschine ist auch nach der Veränderung ohne zusätzliche Schutzmaßnahmen sicher.
    - > Es liegt keine wesentliche Veränderung vor.
  2. Die Maschine ist nach der Veränderung ohne zusätzliche Schutzmaßnahmen nicht mehr sicher. Die neue Gefährdung oder das erhöhte Risiko können durch einfache Schutzeinrichtungen beseitigt oder zumindest hinreichend minimiert werden.
    - > Es liegt keine wesentliche Veränderung vor.
  3. Die Maschine ist nach der Veränderung ohne zusätzliche Schutzmaßnahmen nicht mehr sicher und eine ausreichende Risikominderung kann nicht durch einfache Schutzeinrichtungen erreicht werden
    - > Es liegt eine wesentliche Veränderung vor.

Für die Entscheidung, ob eine wesentliche Veränderung vorliegt, leistet das nachfolgende Schaubild (Abb. 1) Hilfestellung.

Abb. 1: Entscheidungsschritte - wesentliche Veränderung von Maschinen

Wesentlich veränderte Maschinen

Die wesentlich veränderte Maschine wird wie eine neue Maschine behandelt. Die Bestimmungen des ProdSG und der 9. ProdSV sind in Gänze anzuwenden. Das bedeutet, dass die Person, die für die wesentliche Veränderung verantwortlich ist, zum Hersteller wird und damit die Herstellerpflichten gemäß ProdSG und 9. ProdSV zu erfüllen hat. Danach hat der Hersteller sicherzustellen, dass die wesentlich veränderte Maschine den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen gemäß Anhang I der MRL entspricht. Er führt für die wesentlich veränderte Maschine das entsprechende Konformitätsbewertungsverfahren durch und erstellt insbesondere die vorgeschriebenen technischen Unterlagen, mit denen er die Durchführung des Konformitätsbewertungsverfahrens nachweisen kann. Weiterhin stellt der Hersteller die Betriebsanleitung zur Verfügung und versieht erforderlichenfalls die wesentlich veränderte Maschine mit Warnhinweisen für die Restrisiken, die aufgrund des Standes der Technik mit technischen Schutzmaßnahmen nicht weiter minimiert werden können. Abschließend stellt der Hersteller die EG-Konformitätserklärung aus, fügt diese bei und bringt die CE-Kennzeichnung an der wesentlich veränderten Maschine an.

Gesamtheit von Maschinen

Für die Veränderung einer Gesamtheit von Maschinen gelten die o. a. Grundsätze.

Betrifft die Veränderung bei einer Gesamtheit von Maschinen (z.B. komplexe Produktionsanlage oder integriertes Fertigungssystem) nur einen Teilbereich, so ist zu prüfen, inwieweit dies Auswirkungen auf die Gesamtheit (Anlage als Ganzes) hat. Ist diese Veränderung selbst und sind deren Auswirkungen auf die Gesamtheit als wesentlich zu beurteilen, liegt eine wesentliche Veränderung der Gesamtheit von Maschinen vor.

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1) Gesetz über die Bereitstellung von Produkten auf dem Markt (Produktsicherheitsgesetz - ProdSG) vom 8. November 2011

2) Richtlinie 2006/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Maschinen und zur Änderung der Richtlinie 95/16/EG (Neufassung)

3) Verordnung (EG) Nr. 765/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 über die Vorschriften für die Akkreditierung und Marktüberwachung im Zusammenhang mit der Vermarktung von Produkten und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 339/93 des Rates

4) "Blue Guide" - Leitfaden für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU - 2014; http://ec.europa.eu/DocsRoom/documents/4942/attachments/1/translations/de/renditions/native

5) Leitfaden für die Anwendung der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG - 2. Auflage Juni 2010; http://www.bmas.de/Shared Docs/Downloads/ DE/PDF-Meldungen/leitfaden-maschinenrichtlinie.html

6) Diese Untersuchung kann z.B. unter Anwendung der Verfahren der EN ISO 12100 "Sicherheit von Maschinen - Allgemeine Gestaltungsleitsätze - Risikobeurteilung und Risikominderung" durchgeführt werden.

7) MRL Anhang I Nr. 1.1.1 a): "Gefährdung" eine potenzielle Quelle von Verletzungen oder Gesundheitsschäden

8) MRL Anhang I Nr. 1.1.1 e): "Risiko" die Kombination aus der Wahrscheinlichkeit und der Schwere einer Verletzung oder eines Gesundheitsschadens, die in einer Gefährdungssituation eintreten können

9) Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln (Betriebssicherheitsverordnung - BetrSichV)

10) Interpretationspapier zum Thema "Gesamtheit von Maschinen" - Bek. d. BMAS v. 5.5.2011, IIIb5-39607-3 - GMBl 2011, S. 233

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