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Regelwerk

Expositionsgrenzwerte zum Schutz der Haut vor Verbrennungen durch Wärmestrahlung

Stand Januar 2011
(IFA-Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung)



Empfehlung des IFA

Ausgangslage

Bei der Einwirkung starker Wärmestrahlung auf den Menschen kann es zu Schädigungen der Haut und der Augen kommen. Daher muss die Höhe der Strahleneinwirkung begrenzt werden. In der EU-Richtlinie 2006/25/EG "Künstliche optische Strahlung"1 sind Grenzwerte zum Schutz vor Schädigungen durch die Einwirkung optischer Strahlung an Arbeitsplätzen festgelegt. Sie sind durch die Arbeitsschutzverordnung zu künstlicher optischer Strahlung - OStrV 2 in Deutschland rechtsverbindlich. Die Grenzwerte der EU-Richtlinie 2006/25/EG basieren auf Empfehlungen der Internationalen Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung ICNIRP 3 4 5. Diese Grenzwert-Empfehlungen weisen jedoch Lücken auf. So enthält die ICNIRP-Empfehlung zum Schutz der Haut vor Verbrennungen bei der Einwirkung sichtbarer und infraroter Strahlung 4 im Wellenlängenbereich von 380 bis 3000 nm keine Grenzwerte für Expositionen, die länger als 10 s dauern. Entsprechend fehlen solche Grenzwerte in der EU-Richtlinie und damit bei der praktischen Anwendung der OStrV an Arbeitsplätzen. Das Fehlen von Grenzwertempfehlungen für Einwirkungszeiten über 10 s begründet ICNIRP mit dem Argument, dass wegen der unwillkürlichen Abwendungsreaktion bei der Einwirkung starker Wärmestrahlung Expositionen über 10 s nicht vorkämen. Dies trifft jedoch in der Praxis nicht zu. Eine Vielzahl vom Untersuchungen und Messungen in Betrieben, die u. a. von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) 6 und vom IFA 7 durchgeführt wurden, zeigt, dass auch Wärmestrahlungsexpositionen von mehr als 10 s an Arbeitsplätzen auftreten. Häufig haben Beschäftigte dabei gar nicht die Möglichkeit, der Exposition auszuweichen. Um sie dennoch vor thermischen Schäden der Haut zu schützen, werden Expositionsgrenzwerte für Expositionen im sichtbaren und infraroten Wellenlängenbereich auch für Expositionszeiten von mehr als 10 s benötigt.

Ein neues Berechnungsmodell

Um die Lücke in den Grenzwerten zu schließen, wurde ein neues Berechnungsmodell entwickelt. Es lehnt sich einerseits an die EU-Grenzwerte an, lässt andererseits aber die Anwendung von Grenzwerten zum Schutz vor Hautverbrennungen auch über 10 s Einwirkungsdauer zu. Dazu wurden die EU-Grenzwerte mit Richtwerten kombiniert, die in der DIN 33403-3 8 zu finden sind. Im Bild 5 der DIN 33403-3 sind Werte der Bestrahlungsstärke dargestellt, die in Abhängigkeit von der Einwirkungsdauer zu einer Schmerzempfindung führen. In den meisten Fällen stellt sich bei der Einwirkung von Wärmestrahlung auf die Haut zunächst eine Schmerzempfindung ein, bevor eine Verbrennung auftritt. Wird die Schwelle zur Schmerzempfindung nicht überschritten, dann kann man davon ausgehen, dass auch keine Hautverbrennung auftritt. Insofern sind die zeitabhängigen Werte der Schmerzempfindung in der DIN 33403-3 auch als Grenzwerte zum Schutz vor Verbrennungen der Haut geeignet. Das IFA kombinierte daher die EU-Grenzwerte und die DIN 33403-3 derart, dass die IFA-Empfehlung zwischen 1 und 10 s der Formel der EU-Richtlinie folgt:

Eskin = 20.000 * t -0,75 W/m2. Hierbei wurde H durch E ersetzt und der Exponent für t entsprechend umgerechnet (siehe Anmerkung). Zwischen 10 und 1.000 s folgt die Empfehlung der Formel: Eskin = 7.700 * t -0,34 W/m2. Diese Kurve schließt an die Kurve der EU-Richtlinie an und nähert gleichzeitig die Werte der DIN 33403-3 zwischen 50 und 1000 s sehr gut an. Die IFA-Empfehlung ist im Bild zusammen mit den EU-Grenzwerten und den Werten der DIN 33403-3 dargestellt.

Anmerkung: Wegen der Beziehung Hskin = Eskin  *  t kann man die Grenzwertformel (Kennbuchstabe o.) der EU-Richtlinie Hskin = 20.000 * t 0,25 [J/m2] auch als Eskin * t = 20.000 t 0,25 [J/m2] schreiben. Teilt man beide Seiten der Gleichung durch t, dann verändert sich der Zusammenhang nicht und man erhält: Eskin = 20.000 * t -0,75 [W/m2]. Der Grenzwert der EU-Richtlinie wird damit als zeitabhängige Bestrahlungsstärke Eskin dargestellt. Diese Darstellung ist sachgerechter als die in der EU-Richtlinie verwendete Größe Hskin, da die Verbrennung der Haut von der einwirkenden Bestrahlungsstärke Eskin abhängt und nicht von der Bestrahlung Hskin. Hskin ist eine zeitintegrierte Größe und sagt nichts über die momentane Stärke der Strahleneinwirkung auf die Haut aus.

Neben dem Fehlen von Werten für längere Expositionen ist der von der EU-Richtlinie erfasste Wellenlängenbereich von 380 bis 3000 nm in vielen Fällen nicht ausreichend. Thermische Strahler, wie z.B. Metall- oder Glasschmelzen, können Temperaturen bis etwa 1500 °C aufweisen. Bei der Bearbeitung von Quarzglas kommen sogar Temperaturen über 2000 °C vor. Das bedeutet, dass diese Quellen Wärmestrahlung emittieren, die Wellenlängen über 3000 nm enthält. Der Strahlungsanteil bei Wellenlängen über 3000 nm kann so hoch sein, dass er wesentlich zu einer Verbrennung beiträgt, wenn die Strahlung auf die Haut trifft. Zum Schutz der Haut vor Verbrennungen sind bei solchen thermischen Strahlenquellen Wellenlängen bis zu 10000 nm (10 µm) und in einzelnen Fällen auch bis zu 20000 nm (20 µm) zu berücksichtigen. Mithilfe des Planckschen Strahlungsgesetzes ergibt sich, dass bei einer Strahlertemperatur von 1500 °C immerhin 33 % der IR-Bestrahlungsstärke im Wellenlängenbereich von 3 bis 20 µm liegen. Bei einer Strahlertemperatur von 1000 °C liegen sogar 55 % der Bestrahlungsstärke im Bereich von 3 bis 20 µm, sie werden vom EU-Grenzwert nicht berücksichtigt. Entsprechend dem ICNIRP-Statement über Expositionen durch ferne Infrarotstrahlung 5 kann in diesen Fällen der Anteil von Wellenlängen über 3000 nm (UV-C) in die Ermittlung der Expositionshöhe und in den Vergleich mit dem Grenzwert zum Schutz vor Hautverbrennungen 4 einbezogen werden. Das IFA empfiehlt daher bei Strahlenexpositionen durch thermische Strahlenquellen die Einbeziehung aller Strahlungsanteile bis 20 µm Wellenlänge, damit man bei der Beurteilung die Exposition nicht unterschätzt. Strahlung mit Wellenlängen kleiner als 380 nm braucht dagegen nicht berücksichtigt zu werden, da ihr Anteil an der Strahlenemission nur gering ist.

Bild: Die Kurven zeigen den zeitabhängigen Expositionsgrenzwert der EU-Richtlinie 2006/25/EG (untere rote Kurve zwischen 1 und 10 s, Wertepunkte als Quadrate dargestellt), die IFA-Empfehlung (untere rote Kurve zwischen 10 und 1000 s, Wertepunkte als Quadrate dargestellt) und die Kurve der Schmerzempfindung nach DIN 33403-3, Bild 5 (obere blaue Kurve zwischen 1,5 und 1000 s, Wertepunkte als Dreiecke dargestellt).

IFA-Grenzwertempfehlung

Das IFA empfiehlt, zusätzlich zu dem in der EU-Richtlinie 1 unter Kennbuchstabe o. festgelegten Grenzwert zum Schutz der Haut vor Verbrennungen für Expositionszeiten bis zu 10 s einen Grenzwert für Expositionszeiten zwischen 10 und 1000 s anzuwenden. Außerdem sollten zum Vergleich mit den Grenzwerten alle Strahlungsanteile im Wellenlängenbereich von 380 bis 20000 nm berücksichtigt werden. Damit ergeben sich die in der Tabelle 1 zusammengefassten Expositionsgrenzwerte und Grenzwertempfehlungen.

Tabelle 1: EU-Expositionsgrenzwert und IFA-Empfehlung zum Schutz der Haut vor Verbrennungen durch Wärmestrahlung

Wellenlänge
[nm]
ExpositionsgrenzwertEinheitKörperteil/ GefährdungQuelle
380 bis 20000

(Sichtbar und IR)

Eskin = 20.000 * t -0,75

bei t < 10 s

E: [W/m2]

t: [s]

Haut/ VerbrennungTabelle 1.1, Kennbuchstabe o. der EU-Richtlinie 2006/25/EG 1, umgerechnet in Eskin, ausgeweitet bis 20000 nm Wellenlänge
380 bis 20000

(Sichtbar und IR)

Eskin = 7.700 * t -0,34

bei 10 s 5 t < 1000 s

E: [W/m2]

t: [s]

Haut/ VerbrennungIFA-Empfehlung

Damit liegen Grenzwerte und Grenzwertempfehlungen durchgängig bis zu einer Einwirkungsdauer von 1000 s vor. Der anzuwendende Expositionsgrenzwert kann nach Tabelle 1 aus der Dauer der Wärmestrahlungsexposition berechnet werden. Bei mehreren hintereinander folgenden Wärmestrahlungsexpositionen muss zwischen den Einzeleinwirkungen eine ausreichend lange Abkühlungspause eingelegt werden. Die Abkühlpause soll mindestens 5 Minuten betragen, wenn die Exposition 25 % des Grenzwertes übersteigt. Wird keine ausreichende Abkühlpause eingelegt, dann sind hintereinander folgende Wärmestrahlungseinwirkungen wie eine einzige lange Exposition zu werten und der Grenzwert ist für die Dauer dieser langen Exposition zu berechnen.

Grenzwerte für Expositionen bis zu 1000 s reichen in der Praxis für die Beurteilung des Risikos von Hautverbrennungen bei der Einwirkung starker Wärmestrahlung aus. Für Expositionsdauern über 1000 s spielt die Verbrennung der Haut keine entscheidende Rolle mehr, da dann andere Gefährdungen überwiegen. Bei lang anhaltender Einwirkung von Wärmestrahlung kommt es zu einer thermischen Beanspruchung des gesamten Körpers, die zu einer Belastung des Herz-/Kreislaufsystems führt. Dazu tragen neben der Wärmestrahlung auch die Klimafaktoren Lufttemperatur und Luftfeuchte bei. Zur Vermeidung von Schädigungen können für diese Einwirkungen Grenz- und Richtwerte aus dem Bereich der Klimabewertung herangezogen werden, siehe z.B. 9.

Quellenverzeichnis

1) Richtlinie 2006/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2006 über Mindestvorschriften zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch physikalische Einwirkungen (künstliche optische Strahlung) (19. Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG). ABl. EU, L 114/38 vom 27.04.2006

2) Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 2006/25/EG zum Schutz der Arbeitnehmer vor Gefährdungen durch künstliche optische Strahlung und zur Änderung von Arbeitsschutzverordnungen vom 19. Juli 2010. BGBl. I (2010) Nr. 38 vom 26. Juli 2010

3) ICNIRP: Guidelines on limits of exposure to ultraviolet radiation of wavelengths between 180 nm and 400 nm (incoherent optical radiation). Health Physics Vol 87 (2004), No. 2, pp. 171-186

4) ICNIRP: Guidelines on limits of exposure to broadband incoherent optical radiation (0,38 pm to 3 Nm). Health Physics Vol. 73 (1997), No. 3, pp. 539-554

5) ICNIRP Statement on far infrared radiation exposure. Health Physics Vol. 91 (2006), No. 6, pp. 630-645

6) siehe z.B. Neuschulz, H.: Thermophysiologische Beanspruchung des menschlichen Organismus durch anisotrope Infrarotstrahlung. Schriftenreihe der BAuA, Sonderschrift S79. Hrsg.: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Dortmund/ Berlin/Dresden 2003

7) siehe z.B. Jahresberichte des IFA 2009, S. 36f. bzw. des BGIA 2008, S. 36f. und 2007, S. 35f.: www.dguv.de/ifa, Webcode d92887

8) DIN 33403-3: Klima am Arbeitsplatz und in der Arbeitsumgebung - Teil 3: Beurteilung des Klimas im Warm- und Hitzebereich auf der Grundlage ausgewählter Klimasummenmaße. Beuth, Berlin 2011

9) BGIA-Report 6/2008: Grenzwertliste 2008 - Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit. Hrsg.: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Berlin 2008 www.dguv.de/ifa, Webcode d34078

Autor: Dr. Harald Siekmann
Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA), Sankt Augustin

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