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L-BGG - Landes-Behindertengleichstellungsgesetz
Landesgesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen
- Baden-Württemberg -
Vom 17. Dezember 2014
(GBl. Nr. 25 vom 30.12.2014 S. 819; 18.12.2018 S. 1560 18; 25.07.2023 S. 270 23)
Archiv: 2005
Der Landtag hat am 17. Dezember 2014 das folgende Gesetz beschlossen:
Abschnitt 1
Allgemeine Bestimmungen
§ 1 Gesetzesziel
Ziel dieses Gesetzes ist es, in Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention) vom 13. Dezember 2006 (BGBl. 2008 II S. 1420) den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Rechte durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten. Bei der Verwirklichung der Rechte von Menschen mit Behinderungen sind insbesondere folgende in der UN-Behindertenrechtskonvention verankerte Prinzipien zu beachten:
Dieses Gesetz gilt für
Eine überwiegende Finanzierung durch öffentliche Stellen im Sinne von Nummer 1 wird angenommen, wenn sie mehr als 50 Prozent der Gesamtheit der Mittel finanzieren.
§ 3 Begriffsbestimmungen
(1) Menschen mit Behinderungen im Sinne dieses Gesetzes sind Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.
(2) Barrierefrei sind Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind. Eine besondere Erschwernis liegt auch dann vor, wenn Menschen mit Behinderungen die Mitnahme oder der Einsatz benötigter Hilfsmittel verweigert oder erschwert wird. Die Begriffsbestimmungen der Landesbauordnung für Baden-Württemberg bleiben unberührt.
(3) Eine Benachteiligung liegt vor, wenn Menschen mit und ohne Behinderungen ohne zwingenden Grund unterschiedlich behandelt werden und dadurch Menschen mit Behinderungen in der gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigt werden.
§ 4 Frauen mit Behinderungen
Zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern sind die besonderen Belange von Frauen mit Behinderungen zu berücksichtigen und bestehende Benachteiligungen zu beseitigen. Dabei sind besondere Maßnahmen zur Förderung der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen mit Behinderungen sowie zum Abbau und zur Beseitigung bestehender Benachteiligungen zulässig.
Abschnitt 2
Verpflichtung zur Gleichstellung und Barrierefreiheit
§ 5 Gleichstellungsauftrag
(1) Die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen ist Aufgabe des Staates und der Gesellschaft.
(2) Die öffentlichen Stellen im Sinne von § 2 sollen im Rahmen ihres jeweiligen Aufgabenbereichs die in § 1 genannten Ziele aktiv fördern und bei der Planung von Maßnahmen beachten. In Bereichen bestehender Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen gegenüber nicht behinderten Menschen sind besondere Maßnahmen zum Abbau und zur Beseitigung dieser Benachteiligungen zulässig. Bei der Anwendung von Gesetzen zur tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern ist den besonderen Belangen von Frauen mit Behinderungen Rechnung zu tragen.
§ 6 Benachteiligungsverbot für öffentliche Stellen; Beweislastumkehr
(1) Öffentliche Stellen im Sinne von § 2 dürfen Menschen mit Behinderungen nicht benachteiligen.
(2) Besondere Benachteiligungsverbote zu Gunsten von Menschen mit Behinderungen in anderen Rechtsvorschriften bleiben unberührt.
(3) Wenn ein Mensch mit Behinderung Sachverhalte oder Tatsachen beweist, die eine Benachteiligung aufgrund einer Behinderung vermuten lassen, ist diese Vermutung im Streitfalle von der Gegenseite zu widerlegen.
§ 6a Menschen mit Behinderungen in Begleitung zertifizierter Assistenzhunde 23
(1) Öffentliche Stellen im Sinne von § 2 dürfen Menschen mit Behinderungen in Begleitung ihres Assistenzhundes im Sinne von § 12e Absatz 3 des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) den Zutritt zu ihren typischerweise für den allgemeinen Publikums- und Benutzungsverkehr zugänglichen Anlagen und Einrichtungen nicht wegen der Begleitung durch ihren Assistenzhund verweigern. Dies gilt nicht, sofern der Zutritt mit Assistenzhund eine unverhältnismäßige Belastung für die öffentliche Stelle im Sinne von § 2 darstellen würde. Weitergehende Rechte von Menschen mit Behinderungen bleiben unberührt.
(2) Eine nach Absatz 1 unberechtigte Verweigerung durch öffentliche Stellen im Sinne von § 2 gilt als Benachteiligung im Sinne von § 6 Absatz 1.
(3) Menschen mit Behinderungen, die ihre Rechte nach Absatz 1 wahrnehmen, haben ihren Assistenzhund nach Maßgabe des § 26 Absatz 2 und 3 der Assistenzhundeverordnung mit einem Abzeichen als solchen zu kennzeichnen.
§ 7 Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr
(1) Bei Neubau- und Umbaumaßnahmen sind bauliche und andere Anlagen nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften, insbesondere der Landesbauordnung Baden-Württemberg, barrierefrei herzustellen.
(2) Neu zu errichtende öffentliche Straßen sowie öffentlich zugängliche Verkehrsanlagen und neu zu beschaffende Beförderungsmittel im öffentlichen Personenverkehr sind nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften des Landes barrierefrei zu gestalten. Bei großen Umbau- oder Erweiterungsmaßnahmen sollen diese nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften des Landes barrierefrei gestaltet werden.
§ 8 Recht auf Verwendung von Gebärdensprache und anderen Kommunikationshilfen
(1) Die Deutsche Gebärdensprache ist als eigenständige Sprache anerkannt.
(2) Lautsprachbegleitende Gebärden sind als Kommunikationsform der deutschen Sprache anerkannt.
(3) Menschen mit Hörbehinderungen (Gehörlose, Ertaubte und Schwerhörige) und Menschen mit Sprachbehinderungen haben das Recht, mit öffentlichen Stellen im Sinne von § 2 in Deutscher Gebärdensprache, mit lautsprachbegleitenden Gebärden oder über andere geeignete Kommunikationshilfen zu kommunizieren, soweit dies zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren erforderlich ist. Die öffentlichen Stellen haben die dafür erforderlichen Aufwendungen zu erstatten.
(4) Die Erstattung der erforderlichen Aufwendungen für die Dolmetscherdienste erfolgt in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung. Für den Einsatz sonstiger Kommunikationshilfen werden die angemessenen Kosten erstattet.
§ 9 Gestaltung des Schriftverkehrs
(1) Öffentliche Stellen im Sinne von § 2 sollen auf Verlangen im Schriftverkehr mit den Bürgerinnen und Bürgern im Rahmen der technischen und verwaltungsorganisatorischen Möglichkeiten sowie rechtlichen Bestimmungen eine Behinderung von Menschen berücksichtigen.
(2) Blinde Menschen und Menschen mit einer Sehbehinderung können insbesondere verlangen, dass ihnen Bescheide, öffentlich-rechtliche Verträge und Vordrucke ohne zusätzliche Kosten auch in einer für sie wahrnehmbaren Form zugänglich gemacht werden, soweit dies zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren erforderlich ist. Die Verordnung über barrierefreie Dokumente in der Bundesverwaltung vom 17. Juli 2002 (BGBl. I S. 2652) in der jeweils geltenden Fassung findet entsprechende Anwendung.
(3) Die Vorschriften über Form, Bekanntgabe und Zustellung von Verwaltungsakten bleiben von den in den Absätzen 1 und 2 getroffenen Regelungen unberührt.
§ 10 Barrierefreie mediale Angebote 18 23
(1) Öffentliche Stellen im Sinne von § 2 gestalten ihre Internet- und Intranetseiten (Webseiten), ihre mobilen Anwendungen sowie die von ihnen zur Verfügung gestellten grafischen Programmoberflächen, die mit Mitteln der Informationstechnik dargestellt werden (mediale Angebote) barrierefrei, sodass sie von Menschen mit Behinderungen grundsätzlich uneingeschränkt genutzt werden können. Dies erfordert, dass sie zugänglich, wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust sind. Die Anforderungen zur barrierefreien Gestaltung bestimmen sich nach Maßgabe der § 3 Absatz 1 bis 4 und § 4 der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung vom 12. September 2011 (BGBl. I S. 1843), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 21. Mai 2019 (BGBl. I S. 738) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung.
(2) Öffentliche Stellen im Sinne von § 2 können im Einzelfall von einer Gestaltung nach Absatz 1 nur dann absehen, soweit diese zu einer unverhältnismäßigen Belastung führen würde. Für das Vorliegen einer unverhältnismäßigen Belastung im Einzelfall sind insbesondere zu berücksichtigen
Mangelnde Aufgabenpriorität, Zeit oder Kenntnis von den in Absatz 1 genannten Anforderungen begründen keine unverhältnismäßige Belastung nach Satz 1. Die Gestaltung nach Absatz 1 ist schnellstmöglich nachzuholen.
(3) Öffentliche Stellen im Sinne von § 2 stellen eine Erklärung zur Barrierefreiheit ihrer Webseiten und mobilen Anwendungen im Sinne von Absatz 1 Satz 1 bereit. Die Erklärung zur Barrierefreiheit enthält insbesondere
Das Sozialministerium und das Innenministerium werden ermächtigt, die Einzelheiten zur Erklärung zur Barrierefreiheit und zur Rückmeldefunktion durch eine gemeinsame Rechtsverordnung zu regeln.
(4) Bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg wird eine Überwachungsstelle des Landes für mediale Barrierefreiheit eingerichtet. Die Überwachungsstelle hat
Die Überwachungsstelle untersteht der Rechts- und Fachaufsicht des Sozialministeriums. Das Sozialministerium und das Innenministerium werden ermächtigt, die Einzelheiten des Überwachungsverfahrens und der Berichterstattung durch eine gemeinsame Rechtsverordnung zu regeln.
(5) Öffentliche Stellen im Sinne von § 2 sind verpflichtet, die Überwachungsstelle bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen. Dies umfasst insbesondere, der Überwachungsstelle auf Ersuchen Auskünfte zu erteilen und soweit erforderlich Akteneinsicht zu gewähren, sofern andere Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen.
§ 10a Kompetenzzentrum für Barrierefreiheit des Landes Baden-Württemberg 23
(1) Das Land unterhält im Geschäftsbereich des Sozialministeriums ein Kompetenzzentrum für Barrierefreiheit des Landes Baden-Württemberg (Landeszentrum Barrierefreiheit, LZ-BARR). Es soll die gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen durch eine umfassende barrierefreie Gestaltung der Umwelt verbessern und weiter voranbringen.
(2) Aufgaben des LZ-BARR sind
(3) Das Angebot des LZ-BARR nach
(4) Die Verarbeitung personenbezogener Daten und besonderer Kategorien personenbezogener Daten durch das LZ-BARR ist nur zulässig, wenn dies zur Erfüllung der Aufgaben nach Absatz 2 erforderlich ist. Im Übrigen findet das Landesdatenschutzgesetz (LDSG) Anwendung. Das LZ-BARR sieht angemessene und spezifische Maßnahmen zur Wahrung der Interessen der betroffenen Personen nach § 3 LDSG vor.
(5) Näheres zur Organisation des LZ-BARR regelt das Sozialministerium durch Verwaltungsvorschrift.
(1) Beim LZ-BARR wird eine Schlichtungsstelle eingerichtet. Ziel der Schlichtung ist die außergerichtliche einvernehmliche Beilegung von Streitigkeiten im Einzelfall zwischen Menschen mit Behinderungen und öffentlichen Stellen im Sinne von § 2. Die Schlichtungsstelle ist unabhängig, handelt unparteiisch und ermöglicht eine barrierefreie Kommunikation. Die schlichtende Person und die weiteren in die Schlichtung eingebundenen Personen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet, soweit durch Rechtsvorschrift nichts anderes geregelt ist. Die Pflicht nach Satz 4 bezieht sich auf alles, was ihnen in Ausübung der Schlichtungstätigkeit bekannt geworden ist.
(2) Bei der Schlichtungsstelle nach Absatz 1 kann bei einer behaupteten Verletzung folgender Rechte durch eine öffentliche Stelle im Sinne von § 2 ein Antrag auf Einleitung eines Schlichtungsverfahrens gestellt werden:
Sofern der Sachverhalt die barrierefreie Gestaltung medialer Angebote nach § 10 Absatz 1 bis 3 betrifft, hat die antragstellende Person schlüssig darzulegen, dass über die Rückmeldefunktion nach § 10 Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 keine Abhilfe erzielt werden konnte. Der Schlichtungsantrag kann jederzeit ohne Begründung zurückgenommen werden.
(3) Antragsberechtigt sind Menschen mit Behinderungen mit Wohnsitz in Baden-Württembergische Landesverbände, wenn sie durch den gegenständlichen Sachverhalt in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt sind.
(4) Der Schlichtungsantrag kann in Textform oder zur Niederschrift bei der Schlichtungsstelle gestellt werden. Die Schlichtungsstelle stellt ein barrierefreies Antragsformular auf ihrer Webseite zur Verfügung, das zur Antragstellung genutzt werden kann. Der Schlichtungsantrag muss eine Schilderung des Sachverhalts, das verfolgte Ziel, den Vor- und Nachnamen und die Anschrift der antragstellenden Person sowie die Bezeichnung der beteiligten öffentlichen Stellen im Sinne von § 2 enthalten.
(5) Die Schlichtungsstelle übermittelt der öffentlichen Stelle im Sinne von § 2 eine Abschrift des Schlichtungsantrags und gibt ihr die Möglichkeit, binnen einer Frist von einem Monat ab Eingang der Abschrift Stellung zu nehmen. Nimmt die öffentliche Stelle im Sinne von § 2 Stellung, leitet das LZ-BARR die Stellungnahme der antragstellenden Person zu und gibt ihr die Möglichkeit, sich innerhalb einer Frist von einem Monat zu äußern. Äußert sich die öffentliche Stelle im Sinne von § 2 nicht, informiert das LZ-BARR die antragstellende Person durch eine Mitteilung in Textform über die erfolglose Durchführung der Schlichtung.
(6) Die Schlichtungsstelle bestimmt den weiteren Gang des Verfahrens nach freiem Ermessen unter Beachtung der Grundsätze der Unparteilichkeit und Billigkeit. Hierzu kann sie die Beteiligten zu einem Schlichtungstermin einladen und den Sachverhalt mit ihnen mündlich erörtern.
(7) Die Schlichtungsstelle unterbreitet den Beteiligten einen begründeten und angemessenen Vorschlag zur Beilegung der Streitigkeit (Schlichtungsvorschlag), der auf dem sich aus dem Schlichtungsverfahren ergebenden Sachverhalt beruht und am geltenden Recht ausgerichtet sein muss. Der Schlichtungsvorschlag und die Begründung werden den Beteiligten in Textform übermittelt. Die Schlichtungsstelle setzt den Beteiligten eine angemessene Frist zur Annahme des Schlichtungsvorschlags, die einen Monat ab Bekanntgabe nicht überschreiten soll. Sie unterrichtet die Beteiligten mit der Unterbreitung des Schlichtungsvorschlags über die rechtlichen Folgen einer Annahme und darüber, dass der Schlichtungsvorschlag nicht dem Ergebnis eines gerichtlichen Verfahrens entsprechen muss. Sie weist auf die Möglichkeit hin, den Schlichtungsvorschlag nicht anzunehmen und den Rechtsweg zu beschreiten. Die Annahme des Schlichtungsvorschlags ist gegenüber der Schlichtungsstelle in Schriftform zu erklären.
(8) Das Schlichtungsverfahren endet, wenn die Beteiligten den Schlichtungsvorschlag nach Absatz 7 angenommen haben, zwischen den Beteiligten auf eine andere Weise eine Einigung zu Stande kam, der Schlichtungsantrag nach Absatz 2 Satz 3 zurückgenommen oder festgestellt wurde, dass eine gütliche Einigung nicht möglich ist. Wird der Schlichtungsvorschlag angenommen, übermittelt die Schlichtungsstelle den Beteiligten jeweils eine Ausfertigung des von ihnen angenommen Schlichtungsvorschlags oder der zwischen ihnen erzielten Vereinbarung in Textform und teilt ihnen mit, dass das Schlichtungsverfahren beendet ist. Konnte zwischen den Beteiligten keine gütliche Einigung erzielt werden, teilt die Schlichtungsstelle der antragstellenden Person in Textform mit, dass das Schlichtungsverfahren beendet ist.
(9) Die Verarbeitung personenbezogener Daten und besonderer Kategorien personenbezogener Daten durch die Schlichtungsstelle ist nur zulässig, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach Absatz 1 bis 8 erforderlich ist. Im Übrigen findet das Landesdatenschutzgesetz Anwendung.
(10) Näheres zur Organisation der Schlichtungsstelle regelt das Sozialministerium durch Verwaltungsvorschrift.
Abschnitt 3
Rechtsbehelfe
§ 11 Prozessstandschaft in verwaltungs- und sozialrechtlichen Verfahren
Werden Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten nach diesem Gesetz verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem schriftlichen Einverständnis Verbände nach § 12 Absatz 1, die nicht selbst am Verfahren beteiligt sind, Rechtsschutz beantragen. In diesen Fällen müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den Menschen mit Behinderungen selbst vorliegen.
(1) Ein nach § 15 Absatz 3 BGG in der jeweils geltenden Fassung anerkannter Verband oder dessen badenwürttembergischer Landesverband kann, ohne in seinen Rechten verletzt zu sein, Klage nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung oder des Sozialgerichtsgesetzes auf Feststellung eines Verstoßes gegen
durch die in § 2 genannten Behörden erheben. Satz 1 gilt nicht, wenn eine Maßnahme aufgrund einer Entscheidung in einem verwaltungs- oder sozialgerichtlichen Streitverfahren erlassen worden ist.
(2) Eine Klage ist nur zulässig, wenn der Verband durch die angegriffene Maßnahme in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt ist. Soweit ein Mensch mit Behinderungen selbst seine Rechte durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können, kann die Klage nach Absatz 1 nur erhoben werden, wenn der Verband geltend macht, dass es sich bei der Maßnahme um einen Fall von allgemeiner Bedeutung handelt. Dies ist insbesondere gegeben, wenn eine Vielzahl gleich gelagerter Sachverhalte vorliegt. Für Klagen nach Absatz 1 Satz 1 gelten die Vorschriften des Achten Abschnitts der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend mit der Maßgabe, dass es eines Vorverfahrens auch dann bedarf, wenn die angegriffene Maßnahme von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist.
Abschnitt 4
Interessenvertretung von Menschen mit Behinderungen
§ 13 Amt der oder des Beauftragten der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen
(1) Die Landesregierung bestellt im Benehmen mit dem Landes-Beirat für die Belange von Menschen mit Behinderungen für die Dauer der Wahlperiode des Landtags eine Beauftragte oder einen Beauftragten der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen (Landes-Behindertenbeauftragte oder Landes-Behindertenbeauftragter). Die oder der Landes-Behindertenbeauftragte ist unabhängig, weisungsungebunden und ressortübergreifend tätig.
(2) Der beauftragten Person ist die für die Erfüllung ihrer Aufgabe notwendige Personal- und Sachausstattung zur Verfügung zu stellen.
§ 14 Aufgaben und Befugnisse der oder des Landes-Behindertenbeauftragten
(1) Die oder der Landes-Behindertenbeauftragte wirkt darauf hin, dass die Verpflichtung des Landes, für gleichwertige Lebensbedingungen für Menschen mit und ohne Behinderungen zu sorgen, in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens erfüllt wird. Die oder der Landes-Behindertenbeauftragte setzt sich bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe dafür ein, dass unterschiedliche Lebensbedingungen von Frauen und Männern mit Behinderungen berücksichtigt und Benachteiligungen beseitigt werden.
(2) Die oder der Landes-Behindertenbeauftragte berät die Landesregierung in Fragen der Politik für Menschen mit Behinderungen und arbeitet mit der Verwaltung zusammen. Zudem sind die oder der Landes-Behindertenbeauftragte Anlaufstelle für Menschen mit Behinderungen und deren Angehörige (Ombudsfrau beziehungsweise Ombudsmann).
(3) Zur Wahrnehmung dieser Aufgabe ist die oder der Landes-Behindertenbeauftragte, soweit die spezifischen Belange der Menschen mit Behinderungen betroffen sind, bei Gesetzgebungs- und Verordnungsvorhaben früh zeitig zu beteiligen.
(4) Öffentliche Stellen im Sinne des § 2 sollen die Landes-Behindertenbeauftragte oder den Landes-Behindertenbeauftragten bei der Erfüllung ihrer oder seiner Aufgaben unterstützen. Dies umfasst insbesondere die Verpflichtung zur Auskunftserteilung und Akteneinsicht im Rahmen der Bestimmungen zum Schutz personenbezogener Daten.
§ 15 Kommunale Beauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderungen
(1) In jedem Stadt- und Landkreis ist eine Beauftragte oder ein Beauftragter für die Belange von Menschen mit Behinderungen (kommunale Behindertenbeauftragte oder kommunaler Behindertenbeauftragter) zu bestellen. In den übrigen Gemeinden können kommunale Behindertenbeauftragte bestellt werden. Die kommunalen Behindertenbeauftragten sind unabhängig und weisungsungebunden.
(2) Das Land fördert die Bestellung von hauptamtlichen Behindertenbeauftragten in den Stadt- und Landkreisen.
(3) Die Beauftragten im Sinne von Absatz 1 Satz 1 beraten die Stadt- und Landkreise in Fragen der Politik für Menschen mit Behinderungen und arbeiten mit der Verwaltung zusammen. Zudem sind sie Ombudsfrau beziehungsweise Ombudsmann. Die Beauftragten der Land kreise nehmen neben ihren eigenen Aufgaben die Koordination der Beauftragten bei den kreisangehörigen Gemeinden wahr.
(4) Die Beauftragten im Sinne von Absatz 1 sind bei allen Vorhaben der Gemeinden und Landkreise, soweit die spezifischen Belange der Menschen mit Behinderungen betroffen sind, frühzeitig zu beteiligen. Über die jeweilige Stellungnahme informiert die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister den Gemeinderat sowie die Landrätin oder der Landrat den Kreistag.
(5) Öffentliche Stellen im Sinne von § 2 sollen die Beauftragten im Sinne von Absatz 1 bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützen. Dies umfasst insbesondere die Verpflichtung zur Auskunftserteilung und Akteneinsicht im Rahmen der Bestimmungen zum Schutz personenbezogener Daten.
(6) Unbeschadet der Regelung in Absatz 1 können Beiräte für die Belange von Menschen mit Behinderungen auf kommunaler Ebene gebildet werden.
§ 16 Landes-Beirat für die Belange von Menschen mit Behinderungen; Verordnungsermächtigung
(1) Der Landes-Beirat für die Belange von Menschen mit Behinderungen (Landes-Behindertenbeirat) berät und unterstützt die Landes-Behindertenbeauftragte oder den Landes-Behindertenbeauftragten bei allen wesentlichen Fragen, die die Belange von Menschen mit Behinderungen berühren. Zur Wahrnehmung dieser Aufgabe ist der Landes-Behindertenbeirat, soweit die spezifischen Belange der Menschen mit Behinderungen betroffen sind, bei Gesetzgebungs- und Verordnungsvorhaben frühzeitig zu beteiligen.
(2) Der Landes-Behindertenbeirat setzt sich aus 25 Mitgliedern zusammen. Die oder der Landes-Behindertenbeauftragte hat den Vorsitz und ist stimmberechtigtes Mitglied des Landes-Behindertenbeirats. Folgende 14 weitere stimmberechtigte Mitglieder gehören dem Landes-Behindertenbeirat an:
Nicht stimmberechtigte Mitglieder des Landes-Behindertenbeirats sind je eine Vertreterin oder ein Vertreter
(3) Für jedes stimmberechtigte Mitglied ist eine Stellvertretung vorzuschlagen.
(4) Bei der Auswahl der Vorschläge nach Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 ist dafür Sorge zu tragen, dass möglichst betroffene Menschen mit Behinderungen berücksichtigt werden und Frauen und Männer zu gleichen Anteilen vertreten sind. Bei der Auswahl der Vorschläge der Verbände und Selbsthilfegruppen der Menschen mit Behinderungen ist zu berücksichtigen, dass Menschen mit unterschiedlichen Arten von Behinderungen angemessen Berücksichtigung finden.
(5) Die Mitglieder des Landes-Behindertenbeirats und ihre Stellvertretungen werden von der oder dem Landes-Behindertenbeauftragten für die Dauer einer Wahlperiode des Landtags berufen.
(6) Das Nähere zur Auswahl, Berufung und Abberufung der Mitglieder beziehungsweise Stellvertretungen des Gremiums bestimmt das Sozialministerium durch Rechtsverordnung.
Abschnitt 5 23
Schlussvorschrift
Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2015 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Landes-Behindertengleichstellungsgesetz vom 3. Mai 2005 (GBl. S. 327) außer Kraft.
ENDE |