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LBGG - Landes-Behindertengleichstellungsgesetz
Landesgesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen
- Baden-Württemberg -
Vom 3. Mai 2005
(GBl. Nr. 7 vom 12.05.2005 S. 327; 17.12.2014 S. 819 aufgehoben)
Erster Abschnitt
Allgemeine Bestimmungen
§ 1 Gesetzesziel
Ziel dieses Gesetzes ist es, die Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen zu verhindern und zu beseitigen sowie die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten, ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen und dabei ihren besonderen Bedürfnissen Rechnung zu tragen.
§ 2 Behinderung
Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.
§ 3 Barrierefreiheit
Barrierefrei sind Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind. Die Begriffsbestimmungen der Landesbauordnung für Baden-Württemberg bleiben unberührt.
§ 4 Benachteiligung
Eine Benachteiligung liegt vor, wenn Menschen mit und ohne Behinderungen ohne zwingenden Grund unterschiedlich behandelt werden und dadurch Menschen mit Behinderungen in der gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigt werden.
§ 5 Frauen mit Behinderungen
Zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern sind die besonderen Belange von Frauen mit Behinderungen zu berücksichtigen und bestehende Benachteiligungen zu beseitigen. Dabei sind besondere Maßnahmen zur Förderung der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen mit Behinderungen sowie zum Abbau und zur Beseitigung bestehender Benachteiligungen zulässig.
Zweiter Abschnitt
Verpflichtung zur Gleichstellung und Barrierefreiheit
§ 6 Benachteiligungsverbot für öffentliche Stellen
(1) Die Dienststellen und sonstigen Einrichtungen der Landesverwaltung einschließlich der landesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sollen im Rahmen ihres jeweiligen Aufgabenbereichs die in § 1 genannten Ziele aktiv fördern und bei der Planung von Maßnahmen beachten; dies gilt auch für Gerichte und Staatsanwaltschaften, sofern sie in Verwaltungsangelegenheiten tätig werden. Die Verpflichtungen nach Satz 1 gelten auch für Gemeinden, Gemeindeverbände und die sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts. In Bereichen bestehender Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen gegenüber nicht behinderten Menschen sind besondere Maßnahmen zum Abbau und zur Beseitigung dieser Benachteiligungen zulässig. Bei der Anwendung von Gesetzen zur tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern ist den besonderen Belangen von Frauen mit Behinderungen Rechnung zu tragen.
(2) Öffentliche Stellen im Sinne des Absatzes 1 dürfen Menschen mit Behinderungen nicht benachteiligen.
(3) Besondere Benachteiligungsverbote zu Gunsten von Menschen mit Behinderungen in anderen Rechtsvorschriften bleiben unberührt.
§ 7 Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr
(1) Bauliche und andere Anlagen sind nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften, insbesondere der Landesbauordnung für Baden-Württemberg, barrierefrei herzustellen.
(2) Neu zu errichtende öffentliche Straßen sowie öffentlich zugängliche Verkehrsanlagen und neu zu beschaffende Beförderungsmittel im öffentlichen Personenverkehr sind nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften des Landes barrierefrei zu gestalten. Bei großen Umbau- oder Erweiterungsmaßnahmen sollen diese nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften des Landes barrierefrei gestaltet werden.
§ 8 Recht auf Verwendung von Gebärdensprache und anderen Kommunikationshilfen
(1) Die Deutsche Gebärdensprache ist als eigenständige Sprache anerkannt.
(2) Lautsprachbegleitende Gebärden sind als Kommunikationsform der deutschen Sprache anerkannt.
(3) Menschen mit Hörbehinderungen (Gehörlose, Ertaubte und Schwerhörige) und Menschen mit Sprachbehinderungen haben das Recht, mit öffentlichen Stellen im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 in Deutscher Gebärdensprache, mit lautsprachbegleitenden Gebärden oder über andere geeignete Kommunikationshilfen zu kommunizieren, soweit dies zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren erforderlich ist. Die öffentlichen Stellen haben die dafür erforderlichen Aufwendungen zu erstatten.
(4) Die Erstattung der erforderlichen Aufwendungen für die Dolmetscherdienste erfolgt in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung. Für den Einsatz sonstiger Kommunikationshilfen werden die angemessenen Kosten erstattet.
§ 9 Gestaltung des Schriftverkehrs
Öffentliche Stellen im Sinne des § 6 Abs. 1 sollen auf Verlangen im Schriftverkehr mit den Bürgern im Rahmen der technischen und verwaltungsorganisatorischen Möglichkeiten sowie rechtlichen Bestimmungen eine Behinderung von Menschen berücksichtigen. Die Vorschriften über Form, Bekanntgabe und Zustellung von Verwaltungsakten bleiben hiervon unberührt.
§ 10 Barrierefreie mediale Angebote
Öffentliche Stellen im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 gestalten ihre Internetauftritte und -angebote sowie die von ihnen zur Verfügung gestellten grafischen Programmoberflächen, die mit Mitteln der Informationstechnik dargestellt werden, im Rahmen der technischen, finanziellen und verwaltungsorganisatorischen Möglichkeiten so, dass sie von Menschen mit Behinderungen grundsätzlich uneingeschränkt genutzt werden können. Die Anforderungen zur barrierefreien Gestaltung orientieren sich an den Standards der Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung vom 17. Juli 2002 (BGBl. I S. 2654) in der jeweils geltenden Fassung.
Dritter Abschnitt
Rechtsbehelfe
§ 11 Rechtsschutz durch Verbände
Werden Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten nach diesem Gesetz verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem schriftlichen Einverständnis Verbände nach § 12 Abs.1, die nicht selbst am Verfahren beteiligt sind, Rechtsschutz beantragen. In diesen Fällen müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den Menschen mit Behinderungen selbst vorliegen.
§ 12 Klagerecht
(1) Ein nach § 13 Abs. 3 des Behindertengleichstellungsgesetzes vom 27. April 2002 (BGBl. I S.1467, 1468) in der jeweils geltenden Fassung anerkannter Verband oder dessen baden-württembergischer Landesverband kann, ohne in seinen Rechten verletzt zu sein, Klage nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung oder des Sozialgerichtsgesetzes auf Feststellung eines Verstoßes gegen § 8 Abs. 3 durch die in § 6 Abs. 1 Satz 1 genannten Behörden erheben. Satz 1 gilt nicht, wenn eine Maßnahme aufgrund einer Entscheidung in einem verwaltungs- oder sozialgerichtlichen Streitverfahren erlassen worden ist.
(2) Eine Klage ist nur zulässig, wenn der Verband durch die angegriffene Maßnahme in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt ist. Soweit ein Mensch mit Behinderungen selbst seine Rechte durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können, kann die Klage nach Absatz 1 nur erhoben werden, wenn der Verband geltend macht, dass es sich bei der Maßnahme um einen Fall von allgemeiner Bedeutung handelt. Dies ist insbesondere gegeben, wenn eine Vielzahl gleich gelagerter Sachverhalte vorliegt. Für Klagen nach Absatz 1 Satz 1 gelten die Vorschriften des B. Abschnitts der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend mit der Maßgabe, dass es eines Vorverfahrens auch dann bedarf, wenn die angegriffene Maßnahme von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist.
Vierter Abschnitt
Beauftragter der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen
§ 13 Amt des Beauftragten der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen
Der Ministerpräsident kann einen Beauftragten der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen (Landes-Behindertenbeauftragter) für die Dauer der Legislaturperiode bestellen.
§ 14 Aufgaben und Befugnisse
(1) Der Landes-Behindertenbeauftragte wirkt darauf hin, dass die Verpflichtung des Landes, für gleichwertige Lebensbedingungen für Menschen mit und ohne Behinderungen zu sorgen, in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens erfüllt wird. Er setzt sich bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe dafür ein, dass unterschiedliche Lebensbedingungen von Frauen und Männern mit Behinderungen berücksichtigt und Benachteiligungen beseitigt werden.
(2) Öffentliche Stellen im Sinne des § 6 Abs. 1 sollen den Landes-Behindertenbeauftragten bei der Erfüllung seiner Aufgaben unterstützen. Dies umfasst insbesondere die Verpflichtung zur Auskunftserteilung und Akteneinsicht im Rahmen der Bestimmungen zum Schutz personenbezogener Daten.
ENDE |