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InTG M-V - Integrations- und Teilhabegesetz
Gesetz zur Förderung von Integration, Teilhabe und Vielfalt in Mecklenburg-Vorpommern
- Mecklenburg-Vorpommern -
Vom 19. März 2024
(GVBl. Nr. 7 vom 28.03.2024 S. 87)
Präambel (Integrations- und Teilhabeverständnis)
Zuwanderung und die Schaffung von Integrations- und Teilhabechancen sind für das Land Mecklenburg-Vorpommern von großer Bedeutung. Zuwanderung leistet nicht nur einen wichtigen demografischen Beitrag für die Zukunftsfähigkeit des Landes, sie trägt mit vielfältigen sozialen, kulturellen und ökonomischen Potenzialen auch zur Bereicherung der Gesellschaft und des Zusammenlebens sowie zum Erhalt der Leistungskraft des Landes bei.
Voraussetzung für die Gestaltung eines guten Miteinanders ist die Bereitschaft zugewanderter wie bereits hier lebender Menschen, die durch das Grundgesetz und die Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern geschützten Grundwerte anzuerkennen und zu leben. Das Land bekennt sich auf dieser Grundlage
Das Land versteht Integration und Teilhabe als einen gesamtgesellschaftlichen Prozess, der vom Mitwirken aller Menschen so-
wie der Politik und Verwaltung im Land abhängt. Im Mittelpunkt stehen die Anerkennung der Vielfalt von Menschen, die Förderung von Offenheit einschließlich des gegenseitigen Respekts vor den unterschiedlichen weltanschaulichen Bindungen und religiösen Bekenntnissen und die Förderung einer chancengerechten gesellschaftlichen Teilhabe aller Menschen im Land unabhängig von Herkunft und Aufenthaltsstatus.
Das Land und die Kommunen verstehen Vielfalt als Bereicherung und als Chance zur Stärkung ihrer Handlungs- und Zukunftsfähigkeit. Die Förderung und Unterstützung von Integration und Teilhabe stellt in diesem Prozess eine Querschnittsaufgabe dar, bei der die Identitäten aller Menschen, mit und ohne Einwanderungsgeschichte, zu berücksichtigen sind.
Allen Formen von Diskriminierung und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, wie z.B. Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus und antimuslimischem Rassismus, tritt das Land entschieden entgegen.
Abschnitt 1
Allgemeine Bestimmungen
§ 1 Ziele des Gesetzes
Ziele des Gesetzes sind, Grundlagen für eine chancengerechte Teilhabe von Menschen mit und ohne Einwanderungsgeschichte in allen gesellschaftlichen Bereichen zu schaffen, das friedliche und gedeihliche Zusammenleben aller Menschen unter Anerkennung der Vielfalt in Mecklenburg-Vorpommern zu fördern und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Hierzu zählen insbesondere:
§ 2 Grundsätze
(1) Migration und Vielfalt sind Teil der Lebenswirklichkeit. Das Land sieht in der Vielfalt der hier lebenden Menschen, Kulturen, Ethnien, Sprachen und Religionen eine Bereicherung und erkennt die sozialen, kulturellen und ökonomischen Potenziale und Leistungen der in Mecklenburg-Vorpommern lebenden Menschen mit Einwanderungsgeschichte an. Die Förderung von Integration und Partizipation stellt sich daher als beständige Aufgabe, die ressortübergreifend und ebenenübergreifend zu gestalten ist.
(2) Eine chancengerechte Teilhabe aller Menschen im Land ist von den Behörden und ihren Einrichtungen im Rahmen der von ihnen angebotenen Leistungen zu berücksichtigen.
(3) Der Zugang zu den Integrationsangeboten des Landes steht Menschen mit Einwanderungsgeschichte je nach persönlichem Bedarf von Beginn an offen. Die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Mädchen und von Menschen mit Behinderungen ist zu berücksichtigen.
(4) Das Bewusstsein für Vielfalt und Offenheit sowie die Mitwirkungsbereitschaft der Menschen mit und ohne Einwanderungsgeschichte sind zu stärken und zu fördern.
(5) Menschen mit Einwanderungsgeschichte und deren Organisationen sind in demokratische Strukturen und Prozesse einzubinden und zu fördern.
(6) Die besonderen Bedürfnisse von Angehörigen vulnerabler Gruppen sind zu beachten.
§ 3 Begriffsbestimmungen
(1) Als Mensch mit Einwanderungsgeschichte gilt eine Person, wenn sie entweder selbst oder mindestens ein Elternteil seit dem Jahr 1950 in das heutige Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland eingewandert ist, unabhängig davon, ob die Person über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügt oder nicht.
(2) Interkulturelle Kompetenz ist die Fähigkeit, offen und angemessen mit Menschen unterschiedlicher Herkunft oder kultureller Prägung umzugehen. Sie beinhaltet auch, aus gesellschaftlicher Vielfalt resultierende Unterschiede zu respektieren, Besonderheiten zu beachten und die damit verbundenen Anforderungen, auch in ihren wechselseitigen Bezügen, wahrzunehmen und im täglichen Handeln aufzugreifen.
(3) Die interkulturelle Öffnung der Verwaltung zielt darauf ab, Barrieren bei der Inanspruchnahme von Leistungen des öffentlichen Dienstes für alle Bevölkerungsgruppen unabhängig von Herkunft, Sprache und kultureller Prägung abzubauen, die Kompetenzen der Beschäftigten im Umgang mit Vielfalt zu erhöhen und eine sichtbar stärkere Repräsentation der Menschen mit Einwanderungsgeschichte in den staatlichen Institutionen zu erreichen.
§ 4 Geltungsbereich
(1) Dieses Gesetz gilt für die Landesverwaltung, für landesunmittelbare öffentlich-rechtliche Körperschaften, Anstalten und Stiftungen, für den Landesrechnungshof sowie für die Gerichte und Staatsanwaltschaften und den Landtag, soweit diese Verwaltungsaufgaben wahrnehmen (öffentliche Stellen).
(2) Soweit das Land unmittelbar oder mittelbar Mehrheitsbeteiligungen an juristischen Personen des Privatrechts oder Personengesellschaften hält oder erwirbt, wirkt es darauf hin, dass die Ziele und Grundsätze dieses Gesetzes auch von diesen beachtet und die Maßnahmen entsprechend umgesetzt werden.
(3) Landkreise und Gemeinden tragen im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung, ihrer jeweiligen Leistungsfähigkeit und nach Maßgabe dieses Gesetzes neben dem Land eine besondere Mitverantwortung bei der Verwirklichung der in §§ 1 und 2 genannten Ziele und Grundsätze. Sofern sich aus dem Gesetz nicht unmittelbare Verpflichtungen der Kommunen ergeben, wird das Land darauf hinwirken, dass die Ziele auch auf kommunaler Ebene umgesetzt werden.
§ 5 Folgenabschätzung
Bei Gesetzes- und Verordnungsvorhaben sowie bei sonstigen Vorhaben prüft die Landesverwaltung deren Auswirkungen auf Menschen mit und ohne Einwanderungsgeschichte. Sollten unterschiedliche Auswirkungen bestehen, wirkt die Landesverwaltung auf die Berücksichtigung integrationsspezifischer Bedarfe hin.
Abschnitt 2
Stärkung der Vielfalt und chancengerechte Teilhabe
§ 6 Stärkung der Vielfaltsorientierung
(1) Die Diversität der zugewanderten und einheimischen Bevölkerung ist ein wichtiger Impulsgeber für die Gestaltung einer zukunftsfähigen Gesellschaft. Menschen unterschiedlicher Herkunft und Prägung bereichern das Zusammenleben und leisten mit ihren besonderen Fähigkeiten, Erfahrungen und Kompetenzen einen unersetzlichen Beitrag in Wirtschaft, Wissenschaft, Forschung, Kultur und Sport und in allen anderen Lebensbereichen.
(2) Ziel ist es, die vielfältigen Potenziale der Gesellschaft im öffentlichen Leben, in Unternehmen, Einrichtungen, Verbänden und Vereinen umfassend zu nutzen und ihre Entfaltung bestmöglich zu fördern. Das Land setzt sich mit allen Beteiligten für die Erleichterung von Zugängen zugewanderter Menschen in gesellschaftliche Institutionen und Einrichtungen und die Förderung eines von Akzeptanz und gegenseitigem Verständnis geprägten Zusammenlebens ein. Es verständigt sich mit maßgeblichen Integrationsakteuren zur konzeptionellen Weiterentwicklung von Handlungsschwerpunkten, die den Ausbau diversitätssensibler und rassismuskritischer gesellschaftlicher Strukturen zum Ziel haben.
§ 7 Teilhabe und Sprache
(1) Das Erlernen der deutschen Sprache stellt eine Schlüsselfunktion für die Teilhabe in allen gesellschaftlichen Lebensbereichen dar und ist Voraussetzung für die Integration in Arbeit. Das eigene Engagement beim Spracherwerb ist unerlässlich. Beim Erwerb der deutschen Sprache werden Menschen nicht deutscher Muttersprache durch unterschiedliche Maßnahmen unterstützt. Das Land wirkt darauf hin, dass die bestehenden Angebote von der Zielgruppe wahrgenommen und erreicht werden können.
(2) Grundlagen für erfolgreiche Sprachanwendung werden auch durch die Verwendung einfacher Sprache und durch positives Erleben von Vielfalt und Mehrsprachigkeit gelegt. Das Land sieht in der Nutzung von Mehrsprachigkeit eine Bereicherung und unterstützt Vorhaben, die den Wert sprachlicher Vielfalt hervorheben und kulturelle Diversität erlebbar machen.
§ 8 Teilhabe in Bildung und Kultur
(1) Das Land unterstützt und fördert die chancengerechte und inklusive Bildungsteilhabe für Menschen mit Einwanderungsgeschichte in den Bereichen frühkindlicher, schulischer und außerschulischer Bildung, Weiterbildung und hochschulischer Bildung. Dazu wirkt es durch geeignete Maßnahmen auf eine stärkere Vielfaltsorientierung in den Bildungseinrichtungen hin. Ziel ist es, einen wertschätzenden und respektvollen Umgang mit kultureller, sprachlicher und religiöser Vielfalt für ein offenes und diskriminierungsfreies Bildungsklima zu schaffen.
(2) Einheimische und zugewanderte Schülerinnen und Schüler werden so gefördert, dass Chancengleichheit in der schulischen Bildung und Erziehung für gleichwertige Berufs- und Lebensperspektiven hergestellt wird. Dabei unterstützt das Land die Entwicklung und den Ausbau von Strukturen der Beteiligung von Erziehungsberechtigten am Bildungsweg der Kinder und Jugendlichen sowie die Kooperationen zwischen den Erziehungsberechtigten und den Einrichtungen im frühkindlichen und schulischen Bildungsbereich. Das Recht auf Bildungsteilhabe für die in einer Erstaufnahmeeinrichtung untergebrachten Minderjährigen wird durch pädagogische Angebote gemäß § 41 Absatz 4 des Schulgesetzes für das Land Mecklenburg-Vorpommern umgesetzt.
(3) Das Land fördert die zunehmende Diversität der kulturellen Angebote als Ausdruck der wachsenden Vielfalt der Gesellschaft. Es sieht in der kulturellen Vielfalt einen großen Mehrwert für die Gesellschaft in diesem Land. Dafür werden kulturelle Einrichtungen und Netzwerke im Rahmen der Kulturförderung zur Bewahrung der kulturellen Identitäten unterstützt.
§ 9 Teilhabe in Arbeit und Beruf
(1) Die Teilhabe am Arbeitsmarkt ist ein wesentlicher Bestandteil einer gelingenden Integration. Ziel der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik des Landes ist daher die diskriminierungsfreie, inklusive und chancengleiche Teilhabe am Arbeitsleben möglichst vieler einheimischer und zugewanderter erwerbsfähiger Menschen in Mecklenburg-Vorpommern ungeachtet ihres Alters, ihres Geschlechts, ihrer Religion, ihrer Nationalität und ihrer ethnischen Herkunft. Zur Umsetzung dieses Ziels arbeitet das Land eng mit den Organisationen der Wirtschaft, den Gewerkschaften, der Bundesagentur für Arbeit, den kommunalen Landesverbänden, migrantischen Organisationen und den Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege zusammen. Es unterstützt eine weitere interkulturelle Öffnung des Arbeitsmarktes.
(2) Das Land sieht in Menschen mit Einwanderungsgeschichte aller Altersgruppen ein wichtiges Potenzial an qualifizierten Fach- und Arbeitskräften. Es setzt sich mit den Akteuren der Arbeitsmarktförderung, der Berufsbildung und unter Nutzung regional bestehender Initiativen und Maßnahmen zur Integration in Arbeit und Beruf dafür ein, die Ausbildungs- und Beschäftigungsfähigkeit der Menschen mit Einwanderungsgeschichte potenzialorientiert und geschlechterdifferenziert zu stärken. Durch Angebote von Bildung und Qualifizierung, durch Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse, die Förderung von Mehrsprachigkeit sowie durch den Abbau von Intoleranz und Diskriminierung sollen die Chancen für Menschen mit Einwanderungsgeschichte erhöht werden, am Erwerbsleben teilhaben zu können.
§ 10 Teilhabe bei Gesundheit und Pflege
(1) Das Land wirkt durch geeignete Maßnahmen auf eine interkulturelle Öffnung der Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen sowie der Angebote der Eingliederungshilfe hin. Ziel ist dabei, Hürden für Menschen mit Einwanderungsgeschichte beim Zugang und der kompetenten Nutzung von Angeboten der Gesundheitsversorgung, der Pflege und der Eingliederungshilfe zu verringern oder zu beseitigen. Gleiches gilt für den Zugang zu Gesundheits-, Pflege- und sozialen Berufen.
(2) Das Land wirkt darauf hin, die Belange von Menschen mit Einwanderungsgeschichte bei der Konzeption und Umsetzung von Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung zu berücksichtigen und im Sinne der Teilhabe einzubeziehen.
§ 11 Teilhabe und Sport
Der Sport leistet einen wichtigen Beitrag für Teilhabe und Integration. Jenseits von Sprachbarrieren und unabhängig von Herkunft, Aufenthaltsstatus, kultureller Zugehörigkeit oder Religion stellt er ein niedrigschwelliges und generationsübergreifendes Angebot für Begegnung und Miteinander in der Gesellschaft dar und stärkt das Gemeinschaftsgefühl. Das Land fördert und unterstützt Teilhabe und Integration durch Sport.
§ 12 Teilhabe in Gremien
(1) Das Land strebt an, in Gremien, für die dem Land ein Vorschlags- oder ein Berufungsrecht zusteht, den Anteil der Menschen mit Einwanderungsgeschichte zu erhöhen. Schrittweise soll eine Teilhabequote erreicht werden, die dem Anteil von Menschen mit Einwanderungsgeschichte an der Gesamtbevölkerung des Landes entspricht.
(2) Werden Gremien des Landes auf Benennung oder Vorschlag einer Stelle besetzt, die nicht zur unmittelbaren Landesverwaltung gehört, wirkt das Land auf einen angemessenen Anteil von Menschen mit Einwanderungsgeschichte hin.
(3) Die Regelungen der Absätze 1 und 2 gelten nicht, soweit für die Zusammensetzung des jeweiligen Gremiums besondere rechtliche Vorgaben gelten, Mitglieder in das Gremium gewählt werden oder im Fall von Prüfungsausschüssen und -kommissionen.
(4) Landkreise und Gemeinden wirken darauf hin, dass auch in den kommunalen Gremien eine angemessene Beteiligung von Menschen mit Einwanderungsgeschichte erfolgt.
Abschnitt 3
Diversität der Verwaltung
§ 13 Interkulturelle Öffnung der Verwaltung
(1) Die öffentliche Verwaltung soll die Vielfalt einer modernen Gesellschaft widerspiegeln. Zur Stärkung der Handlungs- und Zukunftsfähigkeit des öffentlichen Dienstes im Land ist die Landes- und Kommunalverwaltung interkulturell weiter zu öffnen.
(2) Organisationsstrukturen und Verwaltungsabläufe sollen so gestaltet werden, dass die angebotenen Verwaltungsleistungen für alle Einwohnerinnen und Einwohner unabhängig von ihrer Herkunft möglichst ohne wesentliche organisatorische Hemmnisse zugänglich sind. Im Übrigen gelten die Regelungen des Landesbehindertengleichstellungsgesetzes.
(3) Land und Kommunen arbeiten bei der interkulturellen Öffnung des öffentlichen Dienstes zusammen. Das Land wirkt darauf hin, dass die Kommunen ihre Verwaltungen im Rahmen ihrer Personal- und Organisationshoheit im Sinne der nachfolgenden §§ 14 bis 16 weiterentwickeln, und unterstützt sie dabei.
§ 14 Förderung in der Ausbildung
Die Ausbildungs- und Beschäftigungsfähigkeit von Menschen mit Einwanderungsgeschichte in der Verwaltung sind unter Berücksichtigung ihrer individuellen Fähigkeiten und beruflichen Qualifikation zu stärken. Die Landesregierung strebt an, Ausbildungsplätze verstärkt mit Menschen mit Einwanderungsgeschichte zu besetzen.
§ 15 Maßnahmen im Rahmen der Personalgewinnung
(1) Das Land strebt an, den Anteil an Beschäftigten mit Einwanderungsgeschichte nachhaltig zu erhöhen. Schrittweise soll eine Beschäftigtenquote erreicht werden, die dem Anteil von Menschen mit Einwanderungsgeschichte an der Gesamtbevölkerung des Landes entspricht. Zugangshemmnisse zum öffentlichen Dienst sind zu identifizieren und abzubauen. Der Grundsatz der Bestenauslese nach Artikel 33 Absatz 2 des Grundgesetzes, die Vorgaben des § 9 des Gleichstellungsgesetzes und die §§ 154 bis 158, 205 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch sind zu beachten.
(2) Zur gezielten Ansprache von Menschen mit Einwanderungsgeschichte sollen geeignete Personalmarketingmaßnahmen ausgebaut werden.
§ 16 Stärkung der interkulturellen Kompetenz und Förderung der Beschäftigten
(1) Das Land und die Kommunen fördern und stärken die interkulturelle Kompetenz ihrer Beschäftigten. Die Erfordernisse einer vielfältigen Gesellschaft sind zu berücksichtigen, insbesondere durch eine entsprechende Ausrichtung der Ausbildungsinhalte sowie durch den Ausbau von Fortbildungsangeboten und Qualifizierungsmaßnahmen.
(2) Interkulturelle Kompetenzen sollen bei der Einschätzung der Eignung von Beschäftigten im öffentlichen Dienst berücksichtigt werden. Der Grundsatz der Bestenauslese nach Artikel 33 Absatz 2 des Grundgesetzes, die Vorgaben des § 9 des Gleichstellungsgesetzes und die §§ 154 bis 158, 205 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch sind zu beachten.
Abschnitt 4
Landesintegrationsbeirat und kommunale Beiräte
§ 17 Landesintegrationsbeirat
(1) Zur Unterstützung der Landesregierung in allen wesentlichen Fragen der Integration und der gleichberechtigten Teilhabe ist in dem für Integration zuständigen Ministerium ein Beirat als beratendes Gremium (Landesintegrationsbeirat) einzurichten. Der Landesintegrationsbeirat ist von der Landesregierung frühzeitig zu beteiligen, insbesondere im Zuge von integrations- und teilhaberelevanten Konzepten sowie vor dem Einbringen von Gesetzentwürfen und dem Erlass von Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften, die die spezifischen Belange von Menschen mit Einwanderungsgeschichte betreffen. Er ist befugt, Stellungnahmen und Empfehlungen abzugeben.
(Gültig ab 01.01.2027 siehe =>)
(2) Die Zusammensetzung des Landesintegrationsbeirates soll die Vielfalt der mit Integrations- und Migrationsfragen befassten Institutionen, Verbände und Vereine widerspiegeln.
Mitglieder des Landesintegrationsbeirates sind insbesondere
Vertretungen der mit Integrationsfragen befassten Ministerien nehmen beratend und ohne Stimmrecht an den Sitzungen des Landesintegrationsbeirates teil.
Es ist darauf hinzuwirken, dass die entsendenden Institutionen, Verbände und Vereine vorrangig Menschen mit Einwanderungsgeschichte benennen und dass die Vorgaben des § 17 des Gleichstellungsgesetzes beachtet werden.
(3) Die Mitglieder des Landesintegrationsbeirates werden von der Ministerin oder dem Minister des für Integration zuständigen Ministeriums für die Dauer einer Legislaturperiode berufen. Auf Vorschlag des Landesintegrationsbeirates können weitere Mitglieder berufen werden. Für jedes Mitglied ist eine Stellvertretung zu bestimmen.
(4) Die Ministerin oder der Minister des für Integration zuständigen Ministeriums hat den Vorsitz des Landesintegrationsbeirates. Der Landesintegrationsbeirat wählt aus seiner Mitte eine Stellvertretung des Vorsitzes.
(5) Zur organisatorischen Unterstützung der Arbeit des Landesintegrationsbeirates wird in dem für Integration zuständigen Ministerium eine Geschäftsstelle eingerichtet. Der Landesintegrationsbeirat gibt sich eine Geschäftsordnung.
§ 18 Kommunale Beiräte für Migration und Integration
(1) Landkreise und Gemeinden sollen Menschen mit Einwanderungsgeschichte bei Planungen und Vorhaben, die deren spezifische Interessen berühren, in angemessener Weise beteiligen.
(2) Landkreise und Gemeinden mit einer Einwohnerzahl über 10.000 sollen im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit Beiräte für Migration und Integration einrichten, um die in den §§ 1 und 2 genannten Ziele und Grundsätze zu verwirklichen, insbesondere die Partizipation zu stärken und ein vielfältiges Zusammenleben auf kommunaler Ebene zu ermöglichen.
(3) Die kommunalen Beiräte für Migration und Integration bestehen aus Gemeindeangehörigen, die eine Einwanderungsgeschichte haben oder aufgrund ihrer Kenntnisse und Erfahrungen in Fragen der Migration und Integration einen Beitrag zur Arbeit des Beirates leisten können. Die Zusammensetzung des Beirates soll die Vielfalt der in dem jeweiligen Gemeinwesen lebenden Menschen widerspiegeln. Auf eine angemessene Vertretung von Frauen, Seniorinnen und Senioren, von Kindern und Jugendlichen sowie von behinderten Menschen mit Einwanderungsgeschichte ist zu achten. Die Zusammensetzung des Beirates und die demokratische Art der Bestimmung seiner Mitwirkenden regelt die jeweilige Gebietskörperschaft in ihrer Hauptsatzung.
(4) Der Beirat berät die Organe des Landkreises und der Gemeinde in integrations- und migrationspolitischen Fragestellungen. Der Beirat ist in allen wichtigen Angelegenheiten anzuhören, die die spezifischen Belange von Menschen mit Einwanderungsgeschichte betreffen. Er kann Empfehlungen und Stellungnahmen abgeben. Die Vertreter des Beirates erhalten in den Ausschüssen der Gemeindevertretung oder des Kreistages ein Rede- und Antragsrecht bezüglich der spezifischen Belange von Menschen mit Einwanderungsgeschichte. In der Hauptsatzung der jeweiligen Gebietskörperschaft können weitere Rechte eingeräumt werden.
Abschnitt 5
Beauftragte für Integration
§ 19 Landesintegrationsbeauftragte
(1) Die Landesregierung kann nach Anhörung des Landesintegrationsbeirates eine Beauftragte oder einen Beauftragten für Integration (Landesintegrationsbeauftragte) bestellen. Die Bestellung erfolgt für die Dauer der Legislaturperiode.
(2) Die Landesintegrationsbeauftragte oder der Landesintegrationsbeauftragte
(3) Soweit es im Rahmen der Aufgabenerfüllung erforderlich ist, darf die Landesintegrationsbeauftragte oder der Landesintegrationsbeauftragte personenbezogene Daten verarbeiten, abweichend von Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, ABl. L 119/1 vom 04.05.2016 S. 1, ABl. L 314 vom 22.11.2016 S. 72, ABl. L 127 vom 23.05.2018 S. 2, ABl. L 074 vom 04.03.2021 S. 35) auch solche zur Einwanderungsgeschichte, zu religiösen Weltanschauungen oder zum Grad einer Behinderung. § 8 des Landesdatenschutzgesetzes gilt entsprechend.
§ 20 Kommunale Integrationsbeauftragte
(1) Zur Erreichung ihrer integrationspolitischen Ziele, zur Unterstützung des Ehrenamtes und zur Umsetzung dieses Gesetzes auf örtlicher und regionaler Ebene können Landkreise und Gemeinden Integrationsbeauftragte als zentrale Anlauf-, Beratungs- und Koordinierungsstellen benennen. Bei einer Einwohnerzahl über 10.000 wird die Bestellung von hauptamtlichen Integrationsbeauftragten im Rahmen der Leistungsfähigkeit nahegelegt.
(2) Die Integrationsbeauftragten sind Teil der Verwaltung der Gemeinde oder des Landkreises. Art und Umfang ihrer Aufgaben legen die Landkreise und Gemeinden fest. Aufgaben können insbesondere sein:
(3) Das Land arbeitet mit den Gemeinden und Landkreisen bei der Umsetzung der Ziele und Grundsätze des Gesetzes und insbesondere bei der Umsetzung der Förderprogramme und der Abstimmung von Fördermaßnahmen eng zusammen.
(4) Soweit es im Rahmen der Aufgabenerfüllung erforderlich ist, dürfen kommunale Integrationsbeauftragte personenbezogene und abweichend von Artikel 9 Absatz 1 der Datenschutz-Grundverordnung auch personenbezogene Daten zur Einwanderungsgeschichte, zu religiösen Weltanschauungen oder dem Grad einer Behinderung verarbeiten. § 8 des Landesdatenschutzgesetzes gilt entsprechend.
Abschnitt 6
Förderung der Integration und Partizipation, landesweite Interessenvertretung der Menschen mit Einwanderungsgeschichte
§ 21 Förderung der Integration
(1) Integration braucht ein diskriminierungsfreies und gleichberechtigtes Zusammenleben auf allen gesellschaftlichen Ebenen. Das Land wirkt daher gemeinsam mit den Kommunen, insbesondere den kommunalen Integrationsbeauftragten und weiteren maßgeblichen Akteuren der Integrationsarbeit, darauf hin, dass bedarfsgerechte teilhabefördernde Strukturen und Angebote geschaffen und ausgebaut werden sowie Diskriminierung bekämpft wird.
(2) Das Land fördert auf der Basis von Förderrichtlinien Maßnahmen der Integration und Partizipation, die auch der Vielfaltsorientierung und interkulturellen Öffnung dienen sollen. Zu den Fördermaßnahmen zählen die Migrationsberatung, psychosoziale Anlaufstellen, sprach- und kommunikationsfördernde Angebote sowie das gesellschaftliche Zusammenleben. Die Förderung erfolgt nach Maßgabe des Landeshaushaltes und unter Einbeziehung der Nutzung von Finanzmitteln des Bundes und der Europäischen Union sowie entsprechender Kooperationen.
(3) Das Land unterstützt die Kommunen durch Zuschüsse, Beratung, Austausch und integrationsfördernde Maßnahmen nach Maßgabe des Landeshaushaltes und von Förderrichtlinien.
§ 22 Landesweite Interessenvertretung der Menschen mit Einwanderungsgeschichte
(1) Die Landesregierung arbeitet mit dem landesweiten Netzwerk der Migrantenselbstorganisationen (MSO) in Mecklenburg-Vorpommern (MIGRANET-MV) und anderen landesweit vernetzt arbeitenden, herkunftsunabhängigen Migrantenorganisationen zusammen.
(2) Das Land fördert die Zusammenarbeit, Vernetzung und aktive Partizipation der Organisationen von Menschen mit Einwanderungsgeschichte im Land nach Maßgabe des Haushaltes.
Abschnitt 7
Schlussvorschriften
§ 23 Verordnungsermächtigung
Zur Verwirklichung der Ziele dieses Gesetzes dürfen Dritte mit der Verarbeitung und Übermittlung personenbezogener Daten beauftragt sowie zur solchen verpflichtet werden. Das für Integration zuständige Ministerium wird befugt, Näheres durch Rechtsverordnung zu regeln. Insbesondere ist zu regeln, ob, zu welchem Zweck sowie in welchem Umfang und auf welche Art und Weise personenbezogene Daten und abweichend von Artikel 9 Absatz 1 der Datenschutz-Grundverordnung auch personenbezogene Daten zur Einwanderungsgeschichte, zu religiösen Weltanschauungen oder dem Grad einer Behinderung verarbeitet werden dürfen.
§ 24 Evaluierung und Bericht
(1) Auf der Grundlage geeigneter vorhandener Daten überprüft die Landesregierung die Anwendung und Umsetzung des Gesetzes und berichtet hierüber. Der Bericht soll eine aktuelle Einschätzung der Teilhabe und Integration der Menschen mit und ohne Einwanderungsgeschichte sowie der Migration im Land Mecklenburg-Vorpommern ermöglichen und dazu beitragen, Handlungsbedarfe zur weiteren Umsetzung der Ziele dieses Gesetzes zu identifizieren.
(2) Die Landesregierung legt dem Landtag diesen Bericht erstmals zum 1. Januar 2029 und danach alle fünf Jahre vor.
§ 25 Anspruchsausschluss
Subjektive-öffentliche Rechte, insbesondere Ansprüche auf finanzielle Förderung und Unterstützung, werden durch dieses Gesetz nicht begründet. Sämtliche finanzwirksame Maßnahmen des Gesetzes erfolgen nach Maßgabe des Landeshaushaltes.
ENDE |