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VHMPG NRW - Verhältnismäßigkeitsprüfungsgesetz
Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/958 über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen in Nordrhein-Westfalen
- Nordrhein-Westfalen -
Vom 30. Juni 2020
(GV.NRW. Nr. 29 vom 13.07.2020 S. 672; 30.04.2024 S. 258 24)
Gl.-Nr.: 80
(1) Dieses Gesetz gilt für in den Geltungsbereich der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. L 255 vom 30.09.2005 S. 22; L 271 vom 16.10.2007 S. 18; L 93 vom 04.04.2008 S. 28; L 33 vom 03.02.2009 S. 49; L 305 vom 24.10.2014 S. 115; L 177 vom 08.07.2015 S. 60; L 268 vom 15.10.2015 S. 35; L 095 vom 09.04.2016 S. 20), die zuletzt durch Delegierten Beschluss (EU) 2023/2383 der Kommission (ABl. L, 2023/2383, 09.10.2023, ELI: http://data.europa.eu/eli/dec_del/2023/2383/oj) geändert worden ist, fallende Vorschriften, die die Aufnahme oder Ausübung eines Berufs oder eine bestimmte Art seiner Ausübung beschränken, einschließlich des Führens einer Berufsbezeichnung und der im Rahmen dieser Berufsbezeichnung erlaubten beruflichen Tätigkeiten.
(2) Als Vorschriften im Sinne von Absatz 1 gelten Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften des Landes sowie Rechtsnormen, die von Kammern oder sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die aufgrund von Landesrecht über die Befugnis zur Rechtsetzung verfügen, erlassen werden.
(3) Die Anwendung ist ausgeschlossen, sofern Vorschriften der Umsetzung eines gesonderten Rechtsakts der Europäischen Union dienen, in dem spezifische Anforderungen an einen bestimmten Beruf festgelegt sind und dieser Rechtsakt den Mitgliedstaaten keine Wahl der genauen Art und Weise der Umsetzung dieser Anforderungen lässt.
Im Sinne dieses Gesetzes ist:
§ 3 Prüfung der Verhältnismäßigkeit
(1) Vor der Einführung neuer oder der Änderung bestehender Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die den Zugang zu reglementierten Berufen oder deren Ausübung beschränken, ist eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit nach den in diesem Gesetz festgelegten Bestimmungen durchzuführen. Der Umfang der Prüfung steht im Verhältnis zu der Art, dem Inhalt und den Auswirkungen der Vorschrift.
(2) Jede Vorschrift im Sinne von Absatz 1 ist mit einer Erläuterung zu versehen, die ausführlich genug ist, um eine Bewertung der Übereinstimmung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermöglichen.
(3) Die Gründe, aus denen sich ergibt, dass eine Vorschrift im Sinne von Absatz 1 gerechtfertigt und verhältnismäßig ist, sind durch qualitative und, soweit möglich und relevant, quantitative Elemente zu substantiieren.
(4) Vorschriften im Sinne von Absatz 1 dürfen weder eine direkte noch eine indirekte Diskriminierung auf Grund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes darstellen.
(5) Vorschriften im Sinne von Absatz 1 müssen durch Ziele des Allgemeininteresses im Sinne des Artikels 6 der Richtlinie (EU) 2018/958 gerechtfertigt sein. Sie müssen für die Verwirklichung des angestrebten Ziels geeignet sein und dürfen nicht über das zur Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinausgehen.
§ 4 Durchführung der Verhältnismäßigkeitsprüfung 24
(1) Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit sind sämtliche in Anlage 1 enthaltenen Punkte zu berücksichtigen.
(2) Darüber hinaus sind bei der Prüfung die in Anlage 2 enthaltenen Elemente zu berücksichtigen, wenn sie für die Art und den Inhalt der neu eingeführten oder geänderten Vorschrift relevant sind.
(3) Für die Zwecke von Absatz 1 in Verbindung mit Anlage 1 Buchstabe f ist die Auswirkung der neuen oder geänderten Vorschrift zu prüfen, wenn sie mit einer oder mehreren Anforderungen kombiniert wird, wobei die Tatsache zu berücksichtigen ist, dass diese Auswirkungen sowohl positiv als auch negativ sein können. Hierbei sind insbesondere die in Anlage 3 benannten Anforderungen zu berücksichtigen.
(4) Zusätzlich ist sicherzustellen, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingehalten wird, wenn spezifische Anforderungen im Zusammenhang mit der vorübergehenden oder gelegentlichen Erbringung von Dienstleistungen gemäß Titel II der Richtlinie 2005/36/EG, einschließlich der in Anlage 4 enthaltenen Anforderungen, neu eingeführt oder geändert werden. Diese Verpflichtung gilt nicht für Maßnahmen, durch die die Einhaltung geltender Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen gewährleistet werden soll, die im Einklang mit dem Recht der Europäischen Union angewendet werden.
(5) Bei Vorschriften, die die Reglementierung von Gesundheitsberufen betreffen und Auswirkungen auf die Patientensicherheit haben, ist das Ziel der Sicherstellung eines hohen Niveaus des Gesundheitsschutzes zu berücksichtigen.
§ 5 Nachholung der Prüfung, Überwachung nach Erlass
(1) Ist dem beim Landtag eingebrachten Gesetzentwurf keine Prüfung nach § 3 beigefügt, so ist die Prüfung gemäß dem Innenrecht von Landtag und Landesregierung bis zur Schlussabstimmung nachzuholen.
(2) Nach dem Erlass neuer oder geänderter Vorschriften, die den Zugang zu reglementierten Berufen oder deren Ausübung beschränken, ist von der für das jeweilige Berufsrecht federführenden Stelle deren Übereinstimmung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu überwachen und Entwicklungen, die nach dem Erlass der Vorschriften eingetreten sind, gebührend Rechnung zu tragen.
§ 6 Information und Beteiligung der Öffentlichkeit
(1) Entwürfe, mit denen Vorschriften im Sinne des § 3 eingeführt oder geändert werden sollen, sind von der für das jeweilige Berufsrecht federführenden Stelle zur Information der Öffentlichkeit in das Internet einzustellen.
(2) Die Einstellung in das Internet ist im Hinblick auf den Zeitpunkt und die sonstigen Umstände der Veröffentlichung so auszugestalten, dass alle betroffenen Parteien in geeigneter Weise einbezogen werden und Gelegenheit haben, ihren Standpunkt darzulegen.
(3) Öffentliche Konsultationen sind durchzuführen, soweit dies relevant und angemessen ist.
§ 7 Eintragung in die Datenbank für reglementierte Berufe, Stellungnahmen
(1) Die nach diesem Gesetz als gerechtfertigt, notwendig und verhältnismäßig beurteilten Vorschriften sind einschließlich der Beurteilungsgründe gemäß Artikel 59 Absatz 5 der Richtlinie 2005/36/EG der Europäischen Kommission mitzuteilen. Die Beurteilungsgründe sind in die in Artikel 59 Absatz 1 der Richtlinie 2005/36/EG genannte Datenbank für reglementierte Berufe einzugeben.
(2) Zu den Eintragungen vorgebrachte Stellungnahmen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union, sonstiger Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums oder der Schweiz sowie interessierter Kreise sind entgegenzunehmen.
§ 8 Verhältnismäßigkeitsprüfung bei abgeleiteter Befugnis zur Rechtsetzung
(1) Kammern oder sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts, die aufgrund von Landesrecht über die Befugnis zur Rechtsetzung verfügen, haben der zuständigen Aufsichtsbehörde unverzüglich das Ergebnis ihrer Prüfung nach den §§ 3 und 4 zuzuleiten. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat im Rahmen ihrer Rechtsaufsicht zu prüfen, ob die Vorgaben der §§ 3 und 4 eingehalten wurden.
(2) Kammern oder sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts haben nach dem Erlass neuer oder geänderter Vorschriften, die den Zugang zu reglementierten Berufen oder deren Ausübung beschränken, deren Übereinstimmung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu überwachen und bei Änderung der Umstände nach dem Erlass einer Vorschrift zu prüfen, ob diese anzupassen ist. Die Erfüllung dieser Pflicht ist der zuständigen Aufsichtsbehörde nachzuweisen.
(3) Auf Entwürfe von neuen oder Änderungen bestehender Vorschriften, die den Zugang zu reglementierten Berufen oder deren Ausübung beschränken, findet § 6 entsprechend Anwendung.
§ 9 Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am 30. Juli 2020 in Kraft.
Anlage 1 Zu § 4 Absatz 1 |
Nach § 4 Absatz 1 zu berücksichtigende Punkte:
Anlage 2 Zu § 4 Absatz 2 |
Nach § 4 Absatz 2 zu berücksichtigende Elemente:
Anlage 3 Zu § 4 Absatz 3 |
Nach § 4 Absatz 3 zu berücksichtigende Anforderungen:
Anlage 4 Zu § 4 Absatz 4 |
Nach § 4 Absatz 4 zu berücksichtigende Anforderungen:
ENDE |