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Wissenschaftliche Stellungnahme zur der Berufskrankheit Nr. 1302 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung
"Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe"
Erkrankungen durch Polychlorierte Biphenyle - Nicht-maligne Hautveränderungen
Vom 1. Februar 2018
(GMBl Nr. 12/13 vom 06.04.2018 S. 229)
- Bek. d. BMAS v. 1.2.2018 - IVa 4-45222 - 1302 -
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Der Ärztliche Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat am 30. November 2017 die nachstehende wissenschaftliche Stellungnahme zu der Berufskrankheit Nr. 1302 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung beschlossen:
Hinsichtlich der wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Charakteristik, zum Vorkommen und zu den Gefahrenquellen der polychlorierten Biphenyle (PCBs) sowie zur Aufnahme, Ausscheidung und zum Stoffwechsel beim Menschen wird auf die wissenschaftliche Stellungnahme des Ärztlichen Sachverständigenbeirats "Berufskrankheiten" vom 1. Februar 2018 GMBl 2018, S. 223 verwiesen.
1. Krankheitsbilder
1.1 Sogenannte "Chlorakne"
Bei der sogenannten "Chlorakne" handelt es sich um Akne ähnliche Läsionen der Haut. Die Chlorakne ist eines der offensichtlichsten Zeichen eines systemischen Kontakts mit Substanzen wie Dioxinen oder anderen Stoffen mit chlorakne genem Potential in höherer Dosis. Die Kontamination mit den auslösenden Substanzen kann entweder oral, inhalativ oder über dermale Absorption erfolgen.
Bei einer akuten Belastung mit chloraknegenen Stoffen entsteht zuerst ein Erythem, wonach sich die typischen geschlossenen oder offenen Komedonen bilden. Das klinische Bild ist weiterhin charakterisiert durch die Erscheinung von Zysten und ein wenig Pusteln. Im Gegensatz zur Akne vulgaris oder Akne conglobata (die schwerste hochentzündliche Form der Akne) ist kaum eine Inflammation der Hautläsionen bei der Chlorakne vorhanden. Außerdem sind die Talgdrüsen nicht hypertroph und sogar manchmal nicht mehr vorhanden wodurch, im Gegensatz zur Akne vulgaris oder conglobata, eine trockene Haut entsteht. Die Chlorakne kann das gesamte Integument umfassen, bevorzugt sind die Malarregion (Wange) und retroauriculär sowie die Extremitäten mit Aussparung der Handflächen und Fußsohlen. In der frühen Belastungsphase erscheinen die Hautveränderungen meistens im Gesicht und Nacken und in der späten Phase an den Extremitäten, Stamm und Genitalien.
Histopathologisch zeigt sich initial eine völlige Entdifferenzierung der Talgdrüsen und Verhornung im Bereich der Talgdrüsenausführungsgänge und Follikelinfundibilaepithelien. Ob eine kontaminierte Person eine Chlorakne entwickelt, ist abhängig von der Expositionsdosis, dem chloraknegenem Potential der Substanzen sowie von der individuellen Empfindlichkeit der Exponierten für diese Substanzen (Personen mit heller Haut sollen möglicherweise empfindlicher sein). Eine Chlorakne kann auch auftreten, wenn in der Jugend keine Akne vulgaris bestand.
In Abhängigkeit der Dosis der chlororganischen Verbindung ist ein lebenslanger protrahierter Verlauf infolge der langen Halbwertszeit möglich [11].
1.2 Hyperpigmentierungen
Hyperpigmentierungen sind charakterisiert durch eine vermehrte Pigmentierung der Haut. Ursächlich hierfür können genetische Faktoren, entzündliche Hautkrankheiten, Sonnenexposition, Medikamente, Kosmetika, Erkrankungen der inneren Organe, z.B. der Leber, oder ein Kontakt mit aromatischen Kohlenwasserstoffen, wie Dioxinen oder PCBs sein.
Eine Hyperpigmentierung kann nach direktem Kontakt mit Dioxinen oder PCBs entstehen (am ehesten im Rahmen einer Kontaktdermatitis).
Bei systemischem Kontakt führen die aromatischen Kohlenwasserstoffe über eine Aktivierung des Ah-Rezeptors zu einer Stimulation der Melanogenese in den Melanozyten.
Hyperpigmentierungen sind nach Chlorakne die meist beschriebenen Hautveränderungen nach Kontakt mit PCBs oder chlorierten Dioxinen und Furanen [6].
2. Wirkmechanismen
Verschiedene Theorien zum Wirkmechanismus von PCB auf die Haut werden unterschieden. Bei der Entstehung der Hyperpigmentierung wird ein systemischer Effekt durch Triggerung der Melaninsynthese und eine direkte, lokale Einwirkung von PCB auf die Haut (Prädilektion an Stellen mit direktem Hautkontakt, Entzündung, Abheilung mit Hyperpigmentierung) unterschieden. Tierexperimentelle Studien haben gezeigt, dass die biologischen Effekte der dioxin-ähnlichen PCBs teilweise auf eine Bindung an den Aryl-Hydrocarbonrezeptor zurückzuführen sind (AHR). Der AHR ist ein Transkriptionsfaktor, welcher nach Ligandenbindung durch spezifische DNA-Bindung die nukleäre Transkription aktiviert. Betroffene Gene sind die CYP1-Familie des Cytochrom P450-Komplexes (CYP1A1, CYP1A2 und CYP1B1 und die Matrix-Metalloproteasen (MMP). Sewall et al. konnten zeigen, dass die Quantifizierung der AHR-Regulation und der aktivierten Gene ein Instrument zur Messung der Ligandenbindung, wie z.B. für Dioxin-ähnliche Substanzen, darstellt [1]. Kim et al. konnten in diesem Zusammenhang eine Ausschüttung von Interleukinen über eine Aktivierung des AHR-Rezeptors durch PCB und damit einen Einfluss auf inflammatorische Hauterkrankungen wie Psoriasis und atopischer Dermatitis nachweisen [2].
In der Arbeit von Bestervelt et al. konnte in mit PCB oder TCDD behandelten Zellkulturen der vorderen Hypophyse von Ratten ein Anstieg der ACTH-Konzentration nachgewiesen werden, welche vermutlich über den AHR-Signalweg gesteuert wird [3]. ACTH ist ein potenter Stimulator der Melanogenese und das Prähormon POMC wird von epidermalen Keratinozyten sowie der Hypophyse synthetisiert. Die POMC-Synthese wird zum einen durch UV-Strahlung und zum anderen durch Interleukine und Cytokine im Rahmen einer inflammatorischen Reaktion der Haut induziert [4]. In diesem Zusammenhang konnten Imbeault et al. die Hypothese bestärken, dass Cytokine bei höherer PCB-Exposition signifikant erhöht sind [5].
Luecke et al. konnten den Nachweis erbringen, dass durch TCDD über die AHR-Rezeptor Bindung durch eine erhöhte Tyrosinase-Aktivität die Melanogenese in Melanozyten bis zu dreifach erhöht wird [6]. Gleichzeitig konnte gezeigt werden, dass die erhöhte Tyrosinase-Aktivität und der erhöhte Melanin Gehalt der Zellen nicht auf eine Zellproliferation zurückzuführen sind. Dies entspricht auch der Arbeit von Pastor et al. (2002), welche in einer histopathologischen Analyse von Dioxin-exponierter Haut über eine normale Melanozyten-Zahl berichten konnte. Da Dioxine nach Bindung über den AHR-Rezeptor denselben weiteren Signalweg durchlaufen, ist dieser Pathomechanismus als stellvertretend für Dioxine oder Dioxin-ähnliche Substanzen, die an den AHR-Rezeptor binden, zu interpretieren.
Aber es bestehen auch AHR-unabhängige Wege der Melaninproduktion in den Melanozyten. Bezdecny et al. konnten über eine Aktivierung der COX-2 durch das nicht-coplanare PCB 47 einen AHR unabhängigen Signalweg in Form einer Erhöhung von Eicosanoiden (Prostaglandine, Leukotriene, Thromboxane) nachweisen [7]. Nach Park et al. spielen diese Verbindungen eine ausschlaggebende Rolle bei der Melanogenese, wobei über die Prostaglandin-Rezeptoren die Melanozyten und die Tyrosinase stimuliert werden und über die Leukotriene die Melaninsynthese [4].
In Versuchen mit Menschenaffen nach oraler Exposition konnten die gleichen Effekte wie bei den Yusho und Yucheng-Kohorten auch bei relativ niedrigen Dosen nahe den Hintergrundkonzentrationen gezeigt werden. Ein signifikanter Zusammenhang (p < 0,003) von pathologischen Hautveränderungen (Abnahme von Talgdrüsen) zeigt sich aber erst nach 10 bzw. 20 Monaten täglicher oraler Dosis Arochlor 1254 von 80 µg und konnten nicht unter einem BlutPCB-Summenwert von 100 µg/l nachgewiesen werden [9].
In der Arbeit von Tsai konnte bei Hochexponierten der Yucheng-Kohorte ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Chlorakne bei kombinierten CYP1A1-Mspl und GSTM1-null Genotypen gefunden werden [8]. Weiterhin konnte die Arbeitsgruppe zeigen, dass eine PCB/PCDFs Exposition dosisabhängig u.a. eine Chlorakne verursacht.
3. Erkenntnisse beim Menschen
Ein großer Teil der Studien beschäftigte sich mit den PCBVergiftungsfällen in Japan und Taiwan. In sechs Studien wurden die Hautmanifestationen nach Konsum des kontaminierten Reisöls in Japan (Yusho) evaluiert und in sieben Studien erfolgte dies für die Fälle in Taiwan (Yu-Cheng). Zwei Studien beschrieben die Hauterkrankungen sowohl für Japan als auch Taiwan.
Die Vergiftung der Bevölkerung durch akzidentell kontaminiertes Reisöl in Japan hat den Namen Yusho-Krankheit geprägt. Die betroffenen Patienten zeigten schwere Hauterscheinungen, wie Chlorakne, akneiforme Eruptionen, Pigmentierungen der Haut, der Nägel und der Mundschleimhaut sowie schwarze Komedonen und Verformungen der Nägel. All dies ist auch bei den Personen in Taiwan beschrieben worden, die ebenfalls durch PCB-haltiges Reisöl kontaminiert wurden. Neben den PCBs wurden in dem kontaminierten Reisöl auch die Substanzen PCDFs (polychlorierte Dibenzofurane) und PCDDs (polychlorierte Dibenzodioxine) nachgewiesen. Von den insgesamt 15 Studien zu Yusho und Yu-Cheng haben lediglich sechs Studien die Mischkontaminationen mit PCDFs und PCDDs berücksichtigt [10, 11, 12, 13, 14, 15]. Hier zeigte sich, dass die Konzentrationen von PCBs, PCDFs und PCDDs stark korrelierten [11, 12]. Wurden PCBs, PCDFs und PCDDs separat in der Berechnung berücksichtigt, so zeigte sich von den o. g. Hautmanifestationen eine Assoziation zwischen PCB-Level und dem Auftreten von Komedonen, Hyperpigmentierungen und Narbenbildung [10, 15]. In zwei Studien, die die PCB-Konzentration in Abhängigkeit der klinischen Symptome evaluiert haben, aber keine Mischkontaminationen berücksichtigt haben, zeigten sich Korrelationen zwischen PCB-Belastung und Schweregrad der dermalen Manifestationen (Chlorakne, akneiforme Eruptionen, Hyperpigmentierungen, Nageldeformationen) [16, 17]. Keine Korrelation zwischen PCB-Konzentration und kutaner Manifestation zeigte sich in drei Studien [18, 19, 20]. Eine Studie, die betroffene Patienten aus Taiwan evaluierte, konnte einen Zusammenhang zwischen PCB-Konzentration im Blut und Hyperpigmentierung feststellen [21]. Die verbliebenen Studien zu Yusho und Yu-Cheng berücksichtigten weder Mischkontaminationen noch erfolgten Angaben zu PCB-Konzentrationen im Blut und deren Korrelation zur klinischen Beschwerdesymptomatik [22, 23, 24].
Zu der Exposition gegenüber PCB und kutanen Manifestationen existieren aber auch eine Reihe weiterer Publikationen, die nicht den Intoxikationen in Japan und Taiwan (Yusho und Yu-Cheng) zugeordnet werden. Fitzgerald et al. berichten in zwei Publikationen über die klinische Beschwerdesymptomatik bei Mitarbeitern nach einem Transformator-Feuer in Birmingham [25, 26]. Durch das Feuer waren die Beschäftigten neben PCBs auch PCDFs und PCDDs ausgesetzt. Es zeigten sich initial und im Follow-up keine Fälle von Chlorakne. Allerdings waren sowohl initial als auch im dreijährigen Follow-up Akne, Ausschlag/Dermatitis und Hyperpigmentierungen nachweisbar. Insbesondere die Beschäftigten mit hohen PCB-Konzentrationen im Blut wiesen Hyperpigmentierungen auf (RR = 3,49; CI: 1,68 - 11,59; für Veränderungen der Hautfarbe in der hochexponierten Gruppe). Die hochexponierte Gruppe wies einen Blut-PCB-Gehalt von ca. 8 µg/l auf. [25].
Eine weitere Studie, in der eine Mischkontamination vorlag, war eine akzidentelle Vergiftung von sechs Beschäftigten in der Abfallindustrie mit PCBs und u.a. PCP (Pentachlorphenol) [27]. Hier zeigten alle sechs betroffenen Mitarbeiter Zeichen von akneiforme Eruptionen und papulo-vesukulären Hautveränderungen. Allerdings war bei den Beschäftigten neben PCB auch Chlorphenol im Urin nachweisbar, so dass nicht eindeutig bestimmbar ist, welchen weiteren Substanzen die Beschäftigten ausgesetzt waren (Abfallfrachter) und welche dieser Substanzen die kutanen Manifestationen ausgelöst hat.
Fischbein et al. publizierten 1982 und 1985 zu Hauterscheinungen bei 326 PCB-exponierten Arbeitern in der Kondensatorenherstellung. In der initialen Publikation von 1982 wiesen die Beschäftigten u. a. bis zu 24 % Erytheme, bis zu 16 % Hyperpigmentierungen, bis zu 9% akneiforme Veränderungen auf und bis zu 4 % Komedonen [28]. In einer Subgruppenanalyse von 42 Exponierten (22 Männer, 20 Frauen) mit PCB-spezifischen Hautveränderungen zeigte sich eine signifikante Erhöhung der mittleren Konzentration der höher chlorierten PCB (96,77 µg/l versus 50,49 µg/l) im Vergleich zu Belasteten ohne pathologische Hautveränderungen. Allerdings war diese Signifikanz nur für die Männer und nur bei der Verwendung parametrischer Testverfahren nachweisbar. Weiterhin wiesen die Autoren darauf hin, dass hier eine Mischkontamination, vor allem mit Furanen vorlag und die Kontaminanten bei der Entstehung der kutanen Manifestationen berücksichtigt werden müssen. In der Followup Publikation von 1985 zeigten sich keine Hautzeichen mehr bei den 326 Beschäftigten, lediglich Irritationen im Bereich des Auges wurden beschrieben [29].
Emmett et al. untersuchten 1988 im Rahmen einer Studie bei 55 PCB-exponierten Beschäftigten und 56 Nicht-Exponierten den Effekt von PCBs (Aroclor 1260) auf die Haut [30]. Hier waren keine Fälle von Chlorakne oder Hyperpigmentierungen aufgetreten. Allerdings zeigten 33 % der Fälle im Vergleich zu 14 % der Nicht-Exponierten Komedonen auf der Haut (p < 0,05). Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die typischen Hautzeichen bei Yusho-Patienten am ehesten durch chlorierte Dibenzofurane hervorgerufen werden.
Meigs et al. konnten 1954 bei sieben von 14 Arbeitern eine milde bis moderate Chlorakne bei einer Exposition von 0,1 µg/m3 Aroclor bei einer durchschnittlichen Exposition von 14,3 Monaten feststellen [31]. PCBs wurden in Wärmeaustauschern verwendet, so dass die Arbeiter in dieser Studie möglicherweise auch PCDFs ausgesetzt waren. Ein Biomonitoring bezüglich einer PCB-Belastung und anderer beteiligter Substanzen wurde nicht durchgeführt.
Maroni et al. berichteten 1981 über kutane Manifestationen bei 80 beruflich PCB-exponierten Beschäftigten [32]. Hier traten insgesamt zehn Fälle von Akne und Follikulitis sowie fünf Fälle von Dermatitis auf. Allerdings unterschied sich die Konzentration von PCB im Blut der Betroffenen nicht von der PCB-Konzentration der Arbeiter ohne Hauterscheinung (mittlere PCB-Konzentration im Blut 450 µg/kg).
In einem Fallbericht (neun Fälle) aus dem Jahr 2010 von Passarini et al. wurden berufs- und umweltbedingte PCBBelastungen und deren klinische Manifestationen evaluiert [33]. Obwohl Hautläsionen (akneiforme Veränderungen) vorhanden waren, befanden sich die Konzentrationen für PCBs, PCDFs und PCDDs im Normbereich der allgemeinen Bevölkerung (keine Angabe zur PCB-Konzentration erfolgt).
Stark et al. publizierten 1986 zu den Gesundheitseffekten von PCB bei akzidenteller PCB-Kontamination [34]. Es wurden 52 Exponierte mit 68 Nicht-Exponierten verglichen. Die Autoren erklärten, dass in dieser Studie keine Mischkontamination vorlag, die Effekte also nur den PCBs zugeschrieben werden könnten (mittlere PCB-Konzentration im Blut zwischen 4,8 - 11,0 µg/l für die Exponierten und 4,1 - 8,0 µg/l für die Nicht-Exponierten). Die Fälle zeigten Irritationen im Bereich der Haut mit lokaler Rötung. Diese Irritationen waren signifikant häufiger im Vergleich zur Kontrollkohorte. Innerhalb von sechs Wochen nach Exposition verschwanden die Hautzeichen. Die kutanen Manifestationen wurden als gering eingestuft, es wurden keine akneiformen Veränderungen beschrieben.
Smith et al. untersuchten 1982 den Zusammenhang zwischen beruflicher PCB-Exposition und kutanen Manifestationen bei einer Kohorte von 229 Individuen [35]. Bei den exponierten Arbeitern wurde kein Fall von Chlorakne oder akneiformen Veränderungen beschrieben. Allerdings wiesen die Arbeiter Ausschläge und Dermatitiden auf, diese korrelierten mit der PCB-Konzentration im Serum (PCB-Konzentration der Exponierten zwischen 149 - 502 µg/l).
Die berufliche PCB-Exposition und das Auftreten von Hauterscheinungen untersuchten auch Ouw et al. für Beschäftigte in der Elektroindustrie [36]. Die 34 Beschäftigten waren Aroclor 1242 ausgesetzt, als Kontrolle dienten 30 nicht-exponierte Individuen. Insgesamt trat ein Fall von Chlorakne auf und fünf exponierte Arbeiter beklagten einen Hautausschlag. Aroclor enthält auch chlorierte Dibenzofurane, eine Unterscheidung der Substanzen und deren Bezug zu den Hautmanifestationen erfolgte nicht.
Drei Fälle von Chlorakne traten bei einer nicht angegebenen Anzahl von PCB-exponierten Arbeitern in Italien auf [37]. Die Arbeiter waren einer Innenraumbelastung von 5,2- 6,8 mg/m3 Aroclor 1254 für vier bis sieben Monate exponiert. Ein Biomonitoring wurde nicht durchgeführt und eine Mischkontamination mit Furanen und Dioxinen nicht berücksichtigt.
In einer Fallstudie von Altenkirch wurden drei PCB-exponierte männliche Arbeiter vor allem neurophysiologisch untersucht [38]. Zwei der Betroffenen entwickelten Chlorakne, einer mit begleitendem Augenbrennen, der andere mit trockenen und entzündeten Schleimhäuten. Beide Arbeiter waren fünf Jahre lang gegenüber verschiedenen PCB-Gemischen, vorwiegend Clophen A30 exponiert. Eine Expositionshöhe wurde nicht angegeben. Nur bei einem Arbeiter ist die PCB-Blutkonzentration angegeben (4,5 mg/kg). Die Mischkontamination mit weiteren Kontaminanten wurde nicht berücksichtigt.
In der Arbeit von Chase et al. wird bei 120 männlichen Arbeitern in der Auto- und Lokomotiven-Instandhaltung von mehreren Fällen von Chlorakne und Irritationen von Haut und Augen in der exponierten Gruppe berichtet [39]. Angaben zur Expositionshöhe oder zu den dermatologischen Auffälligkeiten werden nicht genannt. Die mittleren gemessenen PCB-Werte der exponierten Gruppe betragen im Plasma 33,4 µg/l und im Fettgewebe 5,6 mg/l.
Acquavella et al. konnten in einer Analyse von Arbeitern in der Kondensatorenherstellung keine signifikanten Hautveränderungen feststellen [40]. Die gemessenen PCB-Werte lagen im Mittel bei 18,2 µg/l (0 - 424 µg/l).
Nethercott et al. untersuchten die Effekte von beruflich bedingter PCB-Belastung bei 50 Beschäftigten in der Abwasserindustrie [41]. Da lediglich das Abstract zur Verfügung stand, ist eine suffiziente Beurteilung der Studie nicht möglich. Allerdings schreiben die Autoren in der Zusammenfassung, dass die PCB-Konzentrationen im Serum und die klinischen Symptome keine Assoziation aufwiesen.
4. Dosis-Wirkungsbeziehung
Studien aus dem arbeitsbedingten Kontext mit Angabe einer Dosis-Wirkungsbeziehung sind in der Literatur wenig vorhanden und entsprechen größtenteils nicht den heutigen Qualitätskriterien. Eine Zusammenstellung einzelner Kongenere wird meist weder in den arbeitsbedingten noch in den umweltmedizinischen Studien vorgenommen. Einige größere Studien weisen erst ab einer Exposition von 100 bis zu mehreren hundert µg/l auf die Entstehung von adversen Hauteffekten hin [28, 32]. Allerdings wird in diesen Studien keine qualitative oder quantitative Aussage zu den einzelnen Kongeneren gemacht. Weiterhin ist im Rahmen der Exposition von einer Mischkontamination mit Furanen und Dioxinen auszugehen. Die Konzentrationen von PCBs und PCDFs bzw. PCDDs korrelieren nachweislich miteinander, so dass auch davon auszugehen ist, dass die Kontaminanten (mit)ursächlich für die Manifestationen an der Haut sind.
Guo et al. konnten 14 Jahre nach der Yu-Cheng-Exposition ein erhöhtes Risiko für Chlorakne, Hyperkeratose, abnormale Nägel, Hautallergie und Gaumenpigmentierung nachweisen, bei teilweise aber fraglichen signifikanten Ergebnissen [22]. Die mittlere Belastung der Yu-Cheng-Kohorte wird mit 40 - 60 µg/l angegeben. Angaben zu Kongeneren werden keine gemacht. Weiterhin ist auch hier die Mischkontamination in den Berechnungen unzureichend berücksichtigt worden. In der Gruppe der Belasteten zeigt sich das Auftreten von Chlorakne ab einer Belastung von 106 bzw. 103 µg/l. Auch hier ist wieder darauf hinzuweisen, dass eine Mischkontamination mit Furanen und Dioxinen vorliegt, deren Konzentration mit der PCB-Konzentration korreliert.
Entsprechende Dosis-Wirkungsuntersuchungen in der japanischen Yusho Kohorte beziehen sich auf eine im Nachhinein abgeschätzte Ingestion von Reisöl mit geblindeten Hautuntersuchungen. Hier konnten schwere Hautsymptome bei 80 % der Exponierten mit einer Ingestion ab 1440 ml verunreinigtem Reisöl nachgewiesen werden [17]. Bei Expositionen von 720 - 1440 ml zeigten 69 % der Exponierten schwere Hauptsymptome und bei einer Ingestion unter 720 ml 39 % der Exponierten schwere Hautsymptome. Bei erst fünf Jahre nach der Exposition entwickelten Nachweismethoden für PCB existieren keine Dosis-Wirkungsbeziehungen für PCB-Werte im Blut. Im Gegensatz zu der Yu-Cheng-Kohorte in Taiwan zeigte sich in der japanischen Yusho-Kohorte vermehrt Chlorakne als Hyperpigmentation. Möglicherweise ist dies durch die unterschiedliche Konzentration der PCBs, Furane und Dioxine in dem Substanzgemisch bedingt.
Es wurden aber ebenso Studien identifiziert, die keinen Zusammenhang zwischen PCB-Konzentration und dermalen Manifestationen bei den Exponierten finden konnten [32, 33, 18, 20, 19]. Drei der insgesamt fünf Studien ohne Dosis-Wirkungsbeziehung waren auch in den hochexponierten Kohorten in China und Japan beschrieben [19, 18, 20].
5. Zusammenfassung und Beurteilung
Werden die untersuchten Studien zusammengefasst, so traten Chlorakne und akneiforme Eruptionen vor allem bei Mischkontaminationen mit anderen Substanzen (Furane, Dioxine) auf. Hier ist es schwierig zu unterscheiden, welche Substanz letztlich die Manifestation an der Haut ausgelöst hat, da Furane und Dioxine selbst Chlorakne und akneiforme Eruptionen auslösen können. Möglicherweise ist hier auch von einem synergistischen Effekt auszugehen. Wurden die Effekte von PCBs auf die Haut separat berücksichtigt, so konnte für PCB alleine in einer Reihe von Studien ein statistischer Zusammenhang für Pigmentierungsstörungen, Komedonen und Narbenbildung nachgewiesen werden. Vor allem für die Pigmentierungsstörungen wurde eine Dosis-Wirkungsbeziehung in den Studien dargestellt. Lag eine alleinige PCB-Exposition vor, zeigten die Exponierten häufig Zeichen der (akuten) Hautirritation, die nach wenigen Wochen rückläufig waren. In den meisten Studien traten akneiforme Hautveränderungen erst nach sehr hohen Belastungen (ca. 100 µg/l Plasma) auf. Hyperpigmentierungen werden bereits bei niedrigeren PCB-Konzentrationen von ca. 10 µg/l Plasma beschrieben. Aufgrund der bekannten Pathomechanismen scheinen dioxinähnliche PCBs eine besondere Rolle bei der Verursachung der Hautveränderungen zu spielen. Exakte Schwellenwerte für einzelne Kongenere oder summen-spezifische Schwellenwerte der Effekte können wegen der heterogenen Expositionsszenarien und der variablen Expositionserfassung nicht abgeleitet werden.
Insgesamt kann festgestellt werden, dass PCBs akute Hautirritationen hervorrufen können, die nach aktueller Datenlage auch vollständig reversibel sind. Neben diesen Manifestationen gibt es eine konsistente Datenlage, dass PCBs generell geeignet sind, Hyperpigmentierungen, Komedonen und Narbenbildung i. S. einer sogenannten Chlorakne zu induzieren.
Unter Berücksichtigung obiger Ausführungen können daher Hyperpigmentierungen der Haut und die sogenannte Chlorakne als Berufskrankheit nach der Berufskrankheit Nr. 1302 anerkannt werden.
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