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Königsteiner Empfehlung
Empfehlung für die Begutachtung der Lärmschwerhörigkeit (BK- Nr. 2301)

Stand März 2012
(DGUV März 2012)


Zum Merkblatt 2301

1 Ziele

Diese Begutachtungsempfehlung richtet sich in erster Linie an ärztliche Sachverständige (im Folgenden: Gutachter), die das Vorliegen einer Lärmschwerhörigkeit (BK-Nr. 2301 der Anlage 1 der BKV) prüfen sowie bei festgestellter Erkrankung eine Aussage über den ursächlichen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit und über die durch den Gehörschaden bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) treffen müssen. Die für die Begutachtung erforderlichen Untersuchungen sind nach den Standards der Fachgesellschaften durchzuführen.

Die in der Empfehlung enthaltenen Tabellen und Übersichten zur Einschätzung der MdE sind allgemeine Anhaltspunkte und eröffnen dem Gutachter einen Beurteilungsspielraum für die Einschätzung des Einzelfalles. Sie dürfen deshalb nicht schematisch für die Ermittlung der individuellen MdE angewandt werden. Für den Vorschlag zur Höhe der MdE ist entscheidend, in welchem Umfang dem Versicherten der allgemeine Arbeitsmarkt mit seinen vielfältigen Erwerbsmöglichkeiten verschlossen ist. Der Funktionsverlust ist in Form des prozentualen Hörverlustes anzugeben, mit dessen Hilfe dann der MdE-Vorschlag entwickelt werden kann.

Die erforderlichen Untersuchungsmethoden gelten dabei als Gutachtenstandard. In Verbindung mit den nachvollziehbaren MdE-Vorschlägen wird die erforderliche Schlüssigkeitsprüfung der Gutachten für die Unfallversicherungsträger und die Sozialgerichtsbarkeit erheblich leichter. Hiermit wird aber auch mehr Transparenz für die betroffenen Versicherten erreicht. Mit dem erläuterten Verfahren werden eine weit- gehende Gleichheit in der Bemessung des lärmverursachten Hörverlustes und eine möglichst objektive Beurteilung angestrebt.

2 Grundlagen

In dem Berufskrankheiten-(BK-)Verfahren unterstützt der Gutachter als unabhängiger Sachverständiger die Unfallversicherungsträger bei der Aufklärung des medizinischen Sachverhalts. Dabei prüft er, ob die in der BK- Liste bezeichnete Erkrankung vorliegt und welche Gesundheitsstörungen der Berufskrankheit zuzuordnen sind. Außer- halb seiner Zuständigkeit liegt die rechtliche Beurteilung und Entscheidung, ob eine Berufskrankheit anzuerkennen ist sowie ob und ggf. in welchem Umfang ein Leistungsanspruch besteht.

Allgemeine Ausführungen zur Stellung des Gutachters und zur Begutachtung sind den "Empfehlungen der Unfallversicherungsträger zur Begutachtung bei Berufskrankheiten zu entnehmen, die von den Spitzenverbänden der Unfallversicherungsträger in Abstimmung mit der Bundesärztekammer und zahlreichen wissenschaftlichen Fachgesellschaften erarbeitet wurden.

2.1 Rechtlicher Rahmen

Der § 9 des siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) in Verbindung mit der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) ist die rechtliche Grundlage für die Anerkennung und Entschädigung von Erkrankungen als Berufskrankheit. In der Anlage 1 der BKV wird unter der Nummer 2301 die Lärmschwerhörigkeit bezeichnet.

Bereits mit der Aufnahme der Lärmschwerhörigkeit in die Liste der Berufskrankheiten ist festgeschrieben worden, dass eine arbeitsbedingte Lärmeinwirkung grundsätzlich geeignet ist, eine entsprechende Schwerhörigkeit zu verursachen. Die BK- Nr. 2301 bezeichnet die durch Lärm (Hörschall, ausgewertet als Dauerschallpegel) am Arbeitsplatz hervorgerufene Schwerhörigkeit (Beeinträchtigung des Hörvermögens). Eine davon abgrenzbare Gehörschädigung durch ein einmaliges Lärmereignis (z.B. Knalltrauma) ist als Arbeitsunfall zu bezeichnen (BSG-Urteil vom 12. April 2005, B 2 U 6/04 R).

Der Versicherungsfall einer Berufskrankheit liegt vor, wenn kumulativ folgende Voraussetzungen gegeben sind:

Der Leistungsfall liegt vor, wenn die Versorgung mit einer Hörhilfe erforderlich ist bzw. wenn aufgrund der MdE Anspruch auf eine Rente besteht (vgl. 2.7). Dies ist in der Regel bei Erreichen einer MdE von 20 % - in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung, sofern es sich nicht um Arbeitnehmer handelt, abweichend bei einer MdE von 30 % - der Fall. Besteht aus Schäden im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII schon eine stützende MdE, wird der Leistungsfall mit Rentenanspruch durch die Lärmschwerhörigkeit schon bei einer MdE von 10 % erreicht (vgl. 2.7). Ein Leistungsfall liegt ebenfalls vor, wenn ein lärmbedingter Tinnitus einer Behandlung bedarf.

2.2 Medizinisches Bild

Eine chronische Lärmeinwirkung kann dosisabhängig die Haarzellen des Innenohres durch metabolische Überforderung schädigen.

Eine Lärmschwerhörigkeit ist in der Regel durch die Merkmale Innenohrschwerhörigkeit, Symmetrie und c5-Senke charakterisiert (siehe auch 4.2).

Die VDI-Richtlinie 2058 Blatt 2 definiert lärmbedingte Gehörschäden als Hörminderungen mit den audiometrisch nachweisbaren Merkmalen eines Haarzellschadens, die bei 3 kHz 40 dB überschreiten.

Die subjektive Einschränkung der Hörfähigkeit äußert sich bei dem Betroffenen charakteristischerweise an der nachlassenden Wahrnehmung von hochfrequenten Schallereignissen wie z.B. Vogelzwitschern, Läuten der Türklingel oder des Telefons und an Kommunikationsproblemen bei angehobenem Hintergrundpegel wie z.B. bei Familienfeiern, Gaststättenbesuchen oder Lautsprecherdurchsagen.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung1 erfüllt jede Einschränkung des Hörvermögens die medizinischen Voraussetzungen des BK-Tatbestandes. Es ist hierunter jede von einer altersentsprechenden individuellen Normalhörigkeit abweichende Hörminderung mit den Charakteristika eines lärmbedingten Gehörschadens zu verstehen.

Das amtliche Merkblatt des BMAS zur BK- Nr. 2301 (2008) benennt allgemein Kriterien zur Erstattung einer ärztlichen Anzeige.

Ein BK-Verdacht und somit die Erstattung einer ärztlichen Anzeige ist auf jeden Fall dann begründet, wenn der Versicherte

Darüber hinaus ist die Anzeige auch zu erstatten, wenn die Voraussetzungen für eine Hörgeräteversorgung noch nicht gegeben sind und der Versicherte weiter im Lärm tätig ist.

Auch eine Gehörschädigung, die auf ein einmaliges Lärmereignis im Sinne von Knalltraumen oder anderen Schallereignissen hoher Intensität zurückgeführt wird, ist anzuzeigen.

2.3 Exposition

Relevant ist die Einwirkung von Lärm in Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit.

Maßgebend für die Beurteilung der arbeitsbedingten Lärmexposition ist der Tages-Lärmexpositionspegel LEX,8h 2. Der Tages-Lärmexpositionspegel 3 (LEX,8h) ist der über die Zeit gemittelte äquivalente Dauerschallpegel in dB(A) bezogen auf acht Stunden (Maue, 2000, Maue, 2009). Er umfasst alle am Arbeitsplatz auftretenden Schallereignisse. Die Tages-Lärmexpositionspegel sind als Ergebnisse fachkundiger Ermittlungen der Lärmexposition (Lärm-Vibrations-ArbSchV in Verbindung mit TRLV "Lärm") in Bezug auf die Beurteilung einer BK-Nr. 2301 ohne Berücksichtigung von Genauigkeitsklassen anzugeben und zu verwenden. Sie sind in tabellarischen Übersichten chronologisch darzustellen. Die Herkunft der Daten ist anzugeben. Soweit möglich sollen als Zusatzinformation die Genauigkeitsklasse und ggf. die Pegel2 LpC,peak (oder LAlmax) angegeben werden.

Die Lärmexposition für das gesamte Arbeitsleben wird durch die Berechnung der "Effektiven Lärmdosis (ELD)4 nach Liedtke (2010b) auf den einheitlichen Pegel von 90 dB(A) bezogen und zusätzlich zu der tabellarischen Übersicht in Lärmjahren angegeben. Diese ELD ermöglicht dem Gutachter eine vergleichende Einschätzung bei der Beurteilung der Exposition unterschiedlicher Versicherter (weiteres siehe Abschnitt 4.2).

Extrem hohe Schalldruckpegel (z.B. Knalle oder Explosionen) können das Gehör unmittelbar schädigen. Sofern der Versicherte solchen Ereignissen ausgesetzt war, sind die Spitzenschalldruckpegel LpC,peak (oder die maximalen "Al"-bewerteten Schalldruckpegel LAImax) - nach Möglichkeit mit den Zeitpunkten ihres Auftretens - anzugeben. Im amtlichen Merkblatt des BMAS zur BK-Nr. 2301 (2008) wird an verschiedenen Stellen darauf hingewiesen, dass oberhalb des Wertes von 137 dB(C), der in der Lärm-Vibrations-ArbSchVals einer der oberen Auslösewerte für Präventionsmaßnahmen aufgeführt wird, gesundheitliche Schädigungen möglich sind. Eine Grenze für eine unmittelbare Schädigung wurde hiermit nicht angegeben. Nach den bei Liedtke (2010a) zusammengefassten Forschungsergebnissen können erst einmalige Schallereignisse von mehr als 150 dB (Cpeak)5 im Einzelfall akute Gehörschäden hervorrufen.

2.4 Ursachenzusammenhang

Anerkannt und ggf. entschädigt werden können nur solche Gesundheitsstörungen, die wesentlich ursächlich oder teilursächlich durch die unfallversicherte Tätigkeit verursacht worden sind.

Im Sinne des Unfallversicherungsrechts kann nur kausal sein, was auch im naturwissenschaftlichen Sinne als Ursache gelten kann.

Kommen mehrere Ursachen in Betracht ("konkurrierende Kausalität"), so richtet sich die Entscheidung nach der "Theorie der wesentlichen Bedingung". Danach ist eine Ursache für eine Gesundheitsstörung nur dann rechtserheblich, wenn sie - aufgrund ihrer besonderen Beziehung zu dieser Störung - wesentlich zu ihrem Eintritt beigetragen hat. Tragen mehrere Ursachen wesentlich zum Eintritt eines Ereignisses bei, so kann es auch mehrere rechtserhebliche Ursachen geben. Dabei müssen die Ursachen nicht "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" sein. Wie gering der Beitrag sein darf, um noch als rechtlich wesentliche Ursache berücksichtigt zu werden, ist nach den gesamten Umständen des Einzelfalles zu entscheiden. Hierfür sind eine Gegenüberstellung der konkurrierenden Kausalfaktoren und eine jeweils differenzierende Bewertung von Art und Ausmaß ihres Ursachenbeitrags erforderlich.

Vor- und Nachschäden

Von der Berufskrankheit und ihren Folgen sind Vor- und Nachschäden abzugrenzen.

Eine vor der ersten arbeitsbedingten Lärmexposition bereits gegebene Hörminderung ist versicherungsrechtlich ein Vorschaden. Auch ein nach Beginn arbeitsbedingter Lärmexposition eingetretener lärmunabhängiger Hörverlust kann als Vorschaden zu bewerten sein, wenn er vor dem Versicherungsfall eingetreten ist. Der Gutachter hat anzugeben, ob und in welchem Ausmaß ein solcher organbezogener Vorschaden nachweislich besteht und wie er sich auf die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE, siehe Abschnitt 4.4) auswirkt.

Eine von einer Lärmschwerhörigkeit sicher abgrenzbare Hörstörung, die nach Eintritt des Versicherungsfalls, unabhängig von der Lärmschwerhörigkeit, zu einer weiteren Hörverschlechterung führt, ist ein Nachschaden genauso wie eine Hörverschlechterung, die sich zeitlich nach Aufgabe der gehörschädigenden Tätigkeit einstellt. Der Nachschaden ist versicherungsrechtlich abzugrenzen. Er hat keinen Einfluss auf die MdE.

Eine Differenzierung (z.B. ein sogenanntes MdE-Splitting) darf grundsätzlich nur dann erfolgen, wenn ein BK-bedingter Anteil des Gehörschadens klar und hinreichend eindeutig von einem auf eine andere Ursache zurückzuführenden Schadensanteil abgegrenzt werden kann.

Hinweise zur MdE-Bemessung des Vor- und Nachschadens sind in Abschnitt 4.4.2 zu finden.

2.5 Beweisanforderungen

Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Person", "versicherte Tätigkeit", "schädigende Einwirkung", "Erkrankung" bzw. "Gesundheitsstörung" sind im Vollbeweis (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) zu belegen: d.h., es darf kein vernünftiger Zweifel darüber bestehen, dass diese Tatsachen vorliegen.

Dies ist insbesondere für die Diagnostik der Gesundheitsstörung von Bedeutung. Liegt nur ein Verdacht vor, muss dieser durch weitere Untersuchungen erhärtet werden, ansonsten ist der Verdacht außer Betracht zu lassen. Liegen schwankende und/oder grenzwertige Befunde vor, müssen Untersuchungen - ggf. auch mit zeitlichem Abstand - wiederholt werden.

Für die Bejahung des Ursachenzusammenhangs, insbesondere zwischen Einwirkung und Gesundheitsstörung, ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit erforderlich. Dies bedeutet, dass bei Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein Übergewicht zukommt.

Ein Kausalzusammenhang ist nicht bereits dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Die Tatsachen, auf die sich die Überzeugung gründet, sind zu benennen.

Ist ein Tatbestandsmerkmal nicht bewiesen oder ist ein Ursachenzusammenhang nicht hinreichend wahrscheinlich zu machen, geht dies nach dem auch im Sozialrecht geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zulasten dessen, der sich auf diese Tatsachen und Zusammenhänge stützt. Fehlt es an Beweisen zur Begründung des Entschädigungsanspruchs, geht dies zulasten des Versicherten.

Sind konkurrierende Ursachen nicht bewiesen, können diese nicht zur Ablehnung des Anspruchs herangezogen werden.

2.6 Zusammenarbeit Gutachter/ Unfallversicherungsträger

Der Unfallversicherungsträger formuliert den Gutachtenauftrag als Auftraggeber klar und eindeutig (z.B. Vordruck "Gutachten BK 2301 [Lärmschwerhörigkeit]").

Dem Gutachter werden alle zur Begutachtung erforderlichen Unterlagen zur Verfügung gestellt. Dazu gehören insbesondere:

Die aus Sicht des Gutachters entscheidungsrelevanten Angaben sind ebenso wie die bei der Anamnese erhobenen Angaben des Versicherten in das Gutachten aufzunehmen.

Auf für die Beurteilung bedeutsame Abweichungen zur Aktenlage hat der Gutachter ausdrücklich hinzuweisen. Soweit erforderlich begutachtet er die abweichenden Sachverhalte alternativ.

Das Gutachten kann seine Aufgabe als Beweisgrundlage nur erfüllen, wenn die Beurteilung überzeugend begründet ist. Soweit sinnvoll und erforderlich ist der eigene Standpunkt durch einschlägige Fachliteratur zu belegen.

2.7 Definition der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE)

Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ist in der gesetzlichen Unfallversicherung der Bewertungsmaßstab für den Gesundheitsschaden. Als solcher ist er von anderen Maßstäben, z.B. des Versorgungsrechts (GdB), des sozialen Entschädigungsrechts (GdS) oder privatrechtlicher Versicherungsverhältnisse (Invaliditätsgrad), streng zu unterscheiden.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Der Anspruch auf eine Rente setzt also nicht voraus, dass der BK- bedingte Gesundheitsschaden für den Versicherten zu konkreten wirtschaftlichen Nachteilen führt. Nicht eine Minderung des Erwerbseinkommens, sondern die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) soll bemessen und ggf. entschädigt werden.

Rechnerisch ist die individuelle Erwerbs- fähigkeit vor dem Eintritt der BK mit 100 % anzusetzen. Diese Größe ist der Wert, auf den das nach Eintritt der BK verbliebene Ausmaß an Erwerbsfähigkeit bezogen werden muss. Aus der Differenz der beiden Werte ergibt sich die MdE. Arbeitsmöglichkeiten, die dem Versicherten wegen seines Gesundheitszustandes bereits vor Eintritt der BK verschlossen waren, sind nicht zu berücksichtigen.

Die Festsetzung der MdE ist die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs auf einen Einzelfall. Es handelt sich damit um die Entscheidung einer Rechtsfrage. Für diese Entscheidung des Unfallversicherungsträgers ist das ärztliche Gutachten eine wesentliche Grundlage. Jedoch sind weder die Unfallversicherungsträger noch die Gerichte an die MdE-Einschätzung des Gutachters gebunden.

Der Gutachter soll die MdE als einen Prozentwert vorschlagen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) soll der Prozentwert an den allgemeinen Erfahrungssätzen ausgerichtet und dann unter Berücksichtigung der individuellen Gegebenheiten des Einzelfalls eingeschätzt werden. Die allgemeinen Erfahrungssätze bilden die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in den zahlreichen Parallelfällen der Praxis. Die vorliegende Begutachtungsempfehlung enthält solche allgemeinen Erfahrungssätze.

Eine Entschädigung (Rente) kann nur gewährt werden, wenn die Erwerbsfähigkeit über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 % oder infolge mehrerer Arbeitsunfälle/Berufskrankheiten oder anderer im Gesetz aufgeführter Entschädigungsfälle jeweils um mindestens 10 % gemindert ist und die Summe der durch die einzelnen Unfälle/Berufskrankheiten verursachten MdE wenigstens 20 % beträgt (§ 56 Abs. 1 SGB VII, sog. Stützrenten).

Für landwirtschaftliche Unternehmer, ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner und ihre nicht nur vorübergehend mitarbeitenden Familienangehörigen muss die MdE abweichend von § 56 SGB VII wenigstens 30 % betragen (§ 80a SGB VII gemäß Gesetz zur Modernisierung des Rechts der landwirtschaftlichen Sozialversicherung [LSVMG] vom 18. Dezember 2007). Für Beschäftigte (Arbeitnehmer) in der Landwirtschaft gilt jedoch weiterhin eine MdE von mindestens 20 %.

3 Diagnostik (Allgemeines)

Gutachten, die für die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung erstattet werden, müssen den folgenden Gesichtspunkten Rechnung tragen:

Bei der Einbestellung zur gutachtlichen Untersuchung sollte der Versicherte darauf hingewiesen werden, dass er grundsätzlich für einen Zeitraum von mindestens 14 Stunden vor der Untersuchung weder im Arbeitsbereich noch bei der Freizeitgestaltung stärkerem Lärm (LAeQ über 80 dB[A]) ausgesetzt gewesen sein darf. Stellt sich bei der Vorstellung heraus, dass diese Bedingung nicht erfüllt ist, ist ein neuer Untersuchungstermin zu verein- baren.

Reinton- und Sprachaudiometer sind regelmäßig zu kontrollieren und zu warten. Die gesetzliche Verpflichtung hierzu ergibt sich aus dem Medizinproduktegesetz (MPG) und der Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV). Im "Leitfaden zu messtechnischen Kontrollen von Medizinprodukten mit Messfunktion (LMKM, Ausgabe 2.2, Teil 1)" sind die Anforderungen an die Wartung von Audiometern und Maßnahmen zur messtechnischen Kontrolle niedergelegt.

3.1 Anamnese

Da anhand der audiologischen Befunde allein ein Nachweis der Lärmschwerhörigkeit nur bedingt möglich ist, kommt der Erhebung einer detaillierten Eigen-, Familien-, Freizeit- und Arbeitsanamnese besondere Bedeutung zu.

Hierdurch soll geklärt werden, ob eventuell eine familiäre Belastung hinsichtlich einer erblichen Schwerhörigkeit vorliegt und welche Erkrankungen, Unfälle oder arbeitsunabhängigen Lärmeinwirkungen Einfluss auf das Hörvermögen haben können. Besonderes Gewicht ist auf die Fragen nach der Entwicklung der Schwerhörigkeit selbst und ihren konkreten Auswirkungen für den Versicherten zu legen, z.B.:

Bei der Erhebung der Arbeitsanamnese sind die Feststellungen und Messergebnisse des Präventionsdienstes von besonderer Wichtigkeit, ebenso die Angaben des Arbeit- gebers und die Eintragungen zu den Vorsorgeuntersuchungen nach der ArbMedVV, z.B. hinsichtlich der Anwendung technischer und persönlicher Schutzmaßnahmen. Hierbei sind Lärmbelastungen für das gesamte Arbeitsleben zu berücksichtigen. Ergeben sich zwischen den Angaben des Untersuchten und dem Ermittlungsergebnis in der Akte Widersprüche und können diese nicht befriedigend aufgeklärt werden, so sollten sie klar herausgestellt werden, damit sie durch weitere Erhebungen seitens des UV-Trägers überprüft werden können; ggf. sind die unterschiedlichen Darstellungen alternativ zu begutachten.

Bei der beruflichen Tätigkeit können auch akute Schallschäden durch extrem hohe Schalldruckpegel (z.B. beim Abfeuern von Schusswaffen und bei Explosionsereignissen) entstehen. Auch diese sind bei der Arbeitsanamnese zu erheben.

Bei der Arbeitsanamnese ist ebenfalls zu klären, inwieweit Lärmbelastungen im Rahmen vorübergehender Auslandstätigkeit vorlagen.

Ebenso genau ist die Anamnese für den nicht beruflichen Bereich zu erheben, da hier konkurrierende Einwirkungen aus dem unversicherten Lebensbereich vorliegen können. Erheblichem nicht beruflich verursachtem Lärm können beispielsweise Hobbymusiker oder Sportschützen aus- gesetzt sein.

3.2 HNO-ärztliche Untersuchung

Die HNO-ärztliche Untersuchung umfasst die vollständige Befunderhebung der Ohren - einschließlich der Ohrmikroskopie sowie der Stimmgabelprüfung -, der Nasenhöhlen, des Nasenrachens und des Rachenraumes.

Die Hörweitenprüfung dient der orientierenden Überprüfung der subjektiven Audiometrie.

3.3 Tonschwellenaudiometrie

Das Tonaudiogramm ist ein unentbehrlicher Bestandteil des Gutachtens. Es ist vor allem differenzialdiagnostisch und damit zur Erkennung der Ursache einer Schwerhörigkeit wichtig, z.B. durch Ausschluss einer Schallleitungsschwerhörigkeit. Ferner ist es in gewissen Fällen unerlässlich für die Beurteilung des Grades einer Schwerhörigkeit (Abschnitt 4.3.1 sowie 4.3.2).

Ziel der tonaudiometrischen Prüfung muss die Ermittlung des besten Hörwertes für die angebotene Frequenz sein. Weichen die Ergebnisse bei mehrfacher Prüfung wesentlich voneinander ab, so sollte hierfür eine Erklärung gefunden werden, z.B. Kollabieren des Gehörganges, Aggravation. Werden weiterhin stark streuende Angaben gemacht, so sind die einzelnen differierenden Messwerte in das Audiogrammformular einzuzeichnen oder anzugeben, damit die Zuverlässigkeit eingeschätzt werden kann. Für die Beurteilung sind die Werte mit dem geringsten Hörverlust zugrunde zu legen. Wird das Tonaudiogramm durch zu viele differierende Messwerte überfrachtet und dadurch nicht mehr beurteilbar, so soll für die Schwellenkurven, die der gutachterlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden, ein eigenes Tonaudiogramm geschrieben werden mit dem Hinweis "Beurteilungsaudiogramm".

Eine Schallleitungskomponente liegt vor, wenn die Differenz zwischen Knochenleitung und Luftleitung in mehr als einer der gemessenen Frequenzen mehr als 10 dB beträgt. Das Auseinanderweichen von Luftleitungs- und Knochenleitungskurve im Hochtonbereich ist in der Regel messtechnisch bedingt. Daher ist bei der Frage, ob eine lärmtypische Hochtonsenke oder ein nicht lärmtypischer Hochtonabfall besteht, die Luftleitungskurve zugrunde zu legen (Brusis, 2010).

Bei hochgradigen Hörverlusten besonders im Tieftonbereich oder Taubheit (ein- oder beidseitig) sind die angegebenen Fühlwerte und die Überhörkurven für Knochen- und Luftleitung in das Audiogramm einzutragen und zu kennzeichnen. Werden diese zu erwartenden Messwerte nicht angegeben, so ist dies ausdrücklich zu vermerken, da es ein wichtiger Hinweis auf mangelhafte Kooperation bei der Untersuchung ist und geeignet sein kann, auch die Zuverlässigkeit der anderen Messwerte in Zweifel zu ziehen.

3.4 Tympanometrie

Zum Ausschluss oder ggf. zur Differenzialdiagnose einer Schallleitungsstörung ist immer eine tympanometrische Untersuchung vorzunehmen, sofern nicht besondere Gesichtspunkte dagegen sprechen (z.B. Trommelfellperforation, Zustand nach Operation). Die Kurven sind dem Gutachten beizufügen.

3.5 Differenzialdiagnostik

Zur Unterscheidung, ob eine cochleäre (Innenohrschwerhörigkeit) oder eine retrocochleäre Schwerhörigkeit (Hörnervenschwerhörigkeit) vorliegt, sind objektive den subjektiven Testverfahren vorzuziehen. Zur Objektivierung eines Haarzellschadens (Innenohrschwerhörigkeit) kommt dem Nachweis oder dem Nichtvorhandensein von otoakustischen Emissionen (DPOAE und TEOAE) eine besondere Bedeutung zu. Der Gutachter sollte auf dem OAE-Befundbogen F 8222 die gemessenen otoakustischen Emissionen (DPOAE und TEOAE), außerdem den Hersteller und das Modell seines Messgeräts angeben. Zu vermerken ist ferner, bei welcher Frequenz gemessen wurde und welche Schlussfolgerungen aus den Messergebnissen gezogen werden.

Als weitere objektive Messverfahren bieten sich an:

Treten Schwierigkeiten bei der Messung mit objektiven Verfahren auf, kann der SISI-Test durchgeführt werden. Ein positiver SISI-Test spricht für einen Haarzellschaden, ein negativer SISI-Test deutet jedoch nicht immer auf eine Hörnervenschwerhörigkeit hin, auch eine Aggravation kommt in Betracht.

Beim SISI-Test ist immer anzugeben, bei welchen Frequenzen und Lautstärken (Pegeln) der Test durchgeführt wurde. Werden keine der für den Test geforderten Intensitätssprünge von 1 dB wahrgenommen (SISI-Test 0 %), sollte vermerkt werden, bei welchen größeren Intensitätssprüngen eine Wahrnehmung angegeben wird (z.B. 2 dB oder 5 dB).

Außerdem kommen u.a. in Betracht:

3.6 Tinnitusdiagnostik

Wird neben einem Hörverlust auch über belästigende Ohrgeräusche (Tinnitus) geklagt, so müssen diese sorgfältig durch offene Frageformulierungen analysiert werden:

Zudem sollte festgestellt werden, ob wegen des Tinnitus bereits ambulante und/oder stationäre Behandlungen durchgeführt wurden.

Der Proband sollte von sich aus seine Beschwerden frei formulieren. Diese subjektiven Beschreibungen müssen durch folgende audiometrische Messungen belegt werden:

Neben arbeitsbedingten Noxen (beispielsweise Lärm, Innenohrtraumen) kommen für einen Tinnitus auch andere Ursachen infrage (siehe Tinnitus-Leitlinie der DGHNOKHC).

3.7 Sprachaudiometrie

Der sprachaudiometrische Befund bildet in der Regel die wichtigste Grundlage für die Bewertung der MdE. Auch bei Versicherten, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, sollte immer eine sprachaudiometrische Untersuchung mit dem Freiburger Test versucht werden. Fällt das Ergebnis wegen mangelnder Beherrschung der deutschen Sprache im Vergleich zu anderen Ergebnissen der Hörprüfungen, z.B. dem Tonaudiogramm oder der offensichtlichen sprachlichen Verständigungsmöglichkeit des Versicherten mit dem Untersucher oder einer Begleitperson, zu schlecht aus, so ist das bei der Bewertung in geeigneter Weise zu berücksichtigen.

Der Sprachtest wird monaural über Kopfhörer mithilfe der Zahlwörter und der Einsilber des Freiburger Tests (gemäß DIN 45.621) durchgeführt. Für die Aufnahme sind digitale Tonträger entsprechend dem aktuellen Stand der Technik (z.B. Computer-Festplatte oder Compact Disk) zu verwenden.

Der Hörverlust für Zahlwörter (in dB) orientiert sich nach dem 50-prozentigen Verständnis gemäß DIN 45.624. Die Verständlichkeitskurven für Zahlwörter sind in Lautstärken- stufen von 5 dB aufzunehmen, wobei so viele Stufen geprüft werden müssen, dass eine vollständige Kurve von 0 % bis 100 % Verständlichkeit dargestellt wird. Die Verständlichkeit der Einsilber (in Prozent) ist in Stufen von 10 dB zu bestimmen. Hierbei sind die Pegel von 60, 80 und 100 dB in jedem Fall einzubeziehen. Alle einzelnen Messwerte sind eindeutig identifizierbar in das Sprachaudiogramm einzuzeichnen und zu Kurven für die Verständlichkeit der Zahlwörter und der Einsilber zu verbinden.

Wegen der Entscheidung zur Hörgeräte versorgung ist zusätzlich bei 65 dB zu messen.

3.8 Gleichgewichtsprüfung

Es ist immer eine orientierende Prüfung auf Spontan- und Provokations-Nystagmus unter der Leuchtbrille vorzunehmen. Ergeben sich hierbei Hinweise auf eine vestibuläre Störung, so ist eine vollständige Vestibularisprüfung einschließlich einer thermischen Prüfung vorzunehmen. Eine vollständige Vestibularisprüfung ist auch erforderlich, wenn in der Vorgeschichte Schwindel angegeben wurde und/oder wenn das Hörvermögen eine starke Seitendifferenz aufweist.

3.9 Ergänzende Untersuchungen

Ist nach Ziffern 3.1 bis 3.8 eine abschlie- ßende gutachterliche Beurteilung nicht möglich, so können weitere Untersuchungen angezeigt sein, z.B. mittels bildgebender Verfahren, Simulations-Tests (Hörschwellen Bestimmung mit akustisch evozierten Potenzialen). Wird z.B. eine nochmalige Einbestellung des Untersuchten, die Durchführung einer Computertomografie (CT) oder einer Kernspinresonanztomografie (MRT), eine Zusatzbegutachtung (etwa durch einen Neurologen/Psychiater bei besonders schweren Fällen von Tinnitus) oder eine stationäre Beobachtung für erforderlich gehalten, so ist hierzu zunächst das Einverständnis des UV-Trägers einzuholen.

4 Auswertung

4.1 Plausibilität der Befunde

Alle Befunde sind einzeln zu prüfen und im Hinblick auf ihre Plausibilität untereinander sowie auf ihre Vereinbarkeit mit dem Krankheitsbild kritisch zu würdigen.

Umgangssprache sollte typischerweise deutlich besser als die Flüstersprache verstanden werden. Die Hörweite für Umgangssprache muss mit dem Hörverlust für Zahlwörter im Sprachaudiogramm korrelieren und dieser muss dem mittleren Hörverlust im Tonaudiogramm für die Frequenzen 250, 500 und 1.000 Hz entsprechen. Ist die Differenz zwischen dem a1-Wert und dem Mittelwert des Hörverlustes der Frequenzen 250, 500 und 1.000 Hz größer als 5 dB, sollten Ton- und Sprachaudiogramm überprüft und die Messungen wiederholt werden.

Die Stimmgabelversuche und die Tonaudiometrie dürfen nicht widersprüchlich sein.

Die tonaudiometrischen und sprachaudiometrischen Kurven dürfen keine Stufen und Sprünge aufweisen. Im Sprachaudiogramm muss die Verständlichkeitskurve für Zahlwörter parallel zur Normalkurve verlaufen; die Kurven für die Zahlwörter und Einsilber müssen in angemessenem Abstand zueinander verlaufen. 100 % Sprachverständlichkeit wird fast immer erreicht.

Die überschwelligen Tests sollten mehrheitlich ein Recruitment nachweisen und dürfen keine groben Diskrepanzen aufweisen, z.B. derart, dass Lautstärkesprünge von 5 dB beim SISI-Test angeblich nicht wahrgenommen werden, andererseits aber bei der Stapediusreflexmessung ein positives Metzrecruitment nachzuweisen ist usw.

Die Stapediusreflexschwellen sollten im Normbereich (70 bis 90 dB) wegen des Metzrecruitments nachweisbar sein, sie können im Steilabfall bei 2.000 Hz und 4.000 Hz messtechnisch fehlen.

Sind TEOAE nachweisbar (Signal-Störschallabstand bei 2 bis 4 kHz e 6 dB, Repro. e 60 %), kann der Hörverlust im Reintonaudiogramm in diesen Frequenzen nicht schlechter als ca. 30 dB sein. DPOAE sind bei 2.000 bis 6.000 Hz (Signal-Störschallabstand e 6 dB, Repro. e 60 %) bis zu einem Hörverlust von ca. 50 dB nachweisbar.

Die Schwellen-BERA sollte zum Tonaudiogramm bei 2.000 bis 6.000 Hz vergleichbar sein (objektive Verfahren: 0 bis 10 dB höhere Schwelle).

Ergeben sich Widersprüche zwischen den Angaben bei den verschiedenen Hörprüfungen oder zwischen diesen und dem Sprachverständnis, so müssen diese Widersprüche nach Möglichkeit durch Nachprüfungen und ergänzende Untersuchungen aufgeklärt und beseitigt werden. Gelingt dies nicht, sollte eine Beurteilung unter Zugrundelegung der objektiven Hörprüfungen (Stapedius- reflexmessung, OAE-Messungen, ERA-Untersuchungen) erfolgen, ansonsten sollte in dem Gutachten deutlich auf diese Unstimmigkeiten hingewiesen werden.

Eine starke Seitendifferenz, die nicht zum typischen Bild einer Lärmschwerhörigkeit gehört, bedarf der besonderen Erörterung. Eine einseitige Lärmschwerhörigkeit mit Normalhörigkeit des Gegenohres gibt es nicht.

4.2 Diskussion des Ursachenzusammenhangs

Voraussetzung für die Anerkennung eines Gehörschadens im Einzelfall ist der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und einer arbeitsbedingten Lärmeinwirkung sowie der ursächliche Zusammenhang zwischen der Lärmeinwirkung (Einwirkungskausalität8.) und dem Gehörschaden (haftungsbegründende Kausalität 8.

In der Diskussion des Ursachenzusammenhangs ist zunächst darzulegen, in welcher Art und in welchem Ausmaß eine arbeitsbedingte Lärmeinwirkung bestand. Als Basis hierfür dient die tabellarische Übersicht mit Angaben zu Dauer und Intensität relevanter beruflicher Einwirkungen als Ergebnis der Expositionsermittlungen. Orientierend kann zusätzlich die daraus berechnete effektive Lärmdosis (ELD) herangezogen werden (siehe auch Abschnitt 2.6).

Auf der Basis dieser Feststellung ist der Ursachenzusammenhang zwischen der arbeitsbedingten Lärmexposition sowie der Entstehung und Ausprägung des Gehörschadens darzulegen und zu diskutieren. Dabei hat der Gutachter auch andere Ursachen, die sich aus der Anamnese ergeben, kritisch zu würdigen. Die zeitlich kontinuierliche grafische Darstellung der ELD nach Liedtke (2010b) kann den Abgleich des zeitlichen Verlaufs der beruflichen Lärmexposition mit vorhandenen Befunden ermöglichen.

Ein Zusammenhang zwischen der arbeitsbedingten Lärmexposition und der Schwerhörigkeit ist als wahrscheinlich anzusehen, wenn mehr Gesichtspunkte dafür als dagegen sprechen.

Für die Annahme des Ursachenzusammenhangs spricht,

Bei einem nachgewiesenen negativen Recruitment ist die Verursachung der Hörstörung durch Lärm unwahrscheinlich. Andererseits ist ein positives Recruitment kein Beweis dafür, dass Lärm die Ursache des Haarzellschadens ist.

Die Wirksamkeit von Gehörschützern kann durch Unzulänglichkeiten in der Anwendung reduziert oder völlig aufgehoben werden. Allein aufgrund der Angabe, dass Gehörschutz getragen wurde, kann eine Lärmschwerhörigkeit nicht verneint wer- den.

Nur wenn Anteile der Schwerhörigkeit abgrenzbar sind, die nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf eine arbeitsbedingte Lärmeinwirkung zurückgeführt werden können, sind sie bei der MdE-Einschätzung außer Betracht zu lassen (z.B. Schallleitungsstörung, wannenförmige Tieftonschwerhörigkeit oder eine mit der arbeitsbedingten Lärmexposition nicht kohärente Entwick- lung der Hörminderung). Siehe hierzu auch Abschnitt 2.4 "Vor- und Nachschäden". Ist die Abgrenzung von nicht arbeitsbedingten Anteilen einer Schwerhörigkeit nicht sicher möglich, ist die gesamte Schwerhörigkeit der BK- Nr. 2301 als Folge zuzuordnen oder zu verwerfen.

Für einen Zusammenhang zwischen Lärmschwerhörigkeit und Tinnitus spricht, wenn der Tinnitus

Einen lärmbedingten Tinnitus ohne lärmbedingten Hörverlust gibt es nicht.

Über Kombinationswirkungen von Lärm mit ototoxischen Substanzen bei der Arbeit gibt es derzeit keine ausreichenden Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft, um sie beim Ursachenzusammenhang zwischen schädigender Einwirkung und Hörschädigung quantitativ berücksichtigen zu können (Positionspapier der Arbeitskreise "Lärm" und "Gefahrstoffe" des Ausschusses Arbeitsmedizin der DGUV, Stand Februar 2011)9. Daher ist auch bei der Einwirkung von ototoxischen Substanzen bei der Arbeit die gesamte arbeitsbedingte Schwerhörigkeit der BK- Nr. 2301 als Folge zuzuordnen.

Bei erheblicher Exposition gegenüber ototoxischen Stoffen bei der Arbeit ist ggf. das Vorliegen einer durch chemische Einwirkungen verursachten BK zu prüfen.

4.3 Berechnung des prozentualen Hörverlustes

Zur quantitativen Bewertung der Schwerhörigkeit wird aus den Daten der Hörprüfungen der prozentuale Hörverlust getrennt für jedes Ohr berechnet. Vorrang hat hierbei das Sprachaudiogramm. Nur in besonderen, unten ausgeführten Fällen ist das Tonaudiogramm hierzu heranzuziehen (Abschnitte 4.3.1 sowie 4.3.2).

4.3.1 Berechnung des prozentualen Hörverlustes aus dem Sprachaudiogramm

Der prozentuale Hörverlust wird nach der Tabelle von Boenninghaus und Röser (siehe Tabelle 1) ermittelt. Hierzu müssen folgende Werte aus dem Sprachaudiogramm abgelesen bzw. errechnet werden, mit denen dann in die Tabelle hineingegangen wird:

  1. Der Hörverlust für Zahlwörter (a1-Wert):
    Auf der Achse des 50%igen Verständnisses wird der Abstand zwischen der Normalkurve für das Zahlwörterverständnis und der gemessenen Zahlwörterkurve in Dezibel bestimmt. Dies ist der "Hörverlust für Zahlwörter in Dezibel".
  2. Das Gesamtwortverstehen (wS) nach Boenninghaus und Röser:
    Die Verständnisquoten für Einsilber bei den Schallpegeln von 60, 80 und 100 dB werden addiert. Die Summe bildet das Gesamtwortverstehen, eine dimensionslose Zahl, die maximal den Wert 300 erreichen kann.
    Kann das Einsilberverstehen bei 100 dB Lautstärke in seltenen Fällen nicht erreicht werden, darf nicht ein 0-Wert für die Berechnung des Einsilberverstehens verwendet werden, sondern der realistische Erwartungswert in Relation zur Normkurve.
  3. Das gewichtete Gesamtwortverstehen nach Feldmann:
    Dieses wird aus der Prüfung mit Einsilbern nach folgender Formel ermittelt:
    3 x Verständnisquote bei 60 dB, + 2 x Verständnisquote bei 80 dB, + 1 x Verständnisquote bei 100 dB, diese Summe dividiert durch 2.
    Das gewichtete Gesamtwortverstehen ist ebenfalls eine dimensionslose Zahl und kann maximal den Wert 300 erreichen. Durch die Gewichtung werden die für die sprachliche Kommunikation besonders wichtigen Schallpegel von 60 und 80 dB stärker berücksichtigt, als dies bei dem einfachen Gesamtwortverstehen der Fall ist (siehe Abbildung 1 auf Seite 32).
    Das gewichtete Gesamtwortverstehen wurde von Feldmann nur zur höheren Bewertung der bis zu geringgradigen Schwerhörigkeiten entwickelt und soll nur bei prozentualen Hörverlusten bis zu einem Wert von 40 % angewendet werden, nicht aber bei der mittelgradigen oder hochgradigen Schwerhörigkeit.
  4. Vorgehen zur Ermittlung des prozentualen Hörverlustes:
    Der prozentuale Hörverlust wird zunächst nach der Tabelle von Boenninghaus und Röser aus dem Hörverlust für Zahlwörter und dem gewichteten Gesamtwortverstehen ermittelt (Tabelle 1). Ergibt sich hierbei ein prozentualer Hörverlust von 20 % bis 40 % (beide Werte einschließlich), so ist der so ermittelte Wert für die Bemessung der MdE heranzuziehen.
    Ergibt sich nach Anwendung des gewichteten Gesamtwortverstehens ein prozentualer Hörverlust von mehr als 40 %, so ist der prozentuale Hörverlust noch einmal unter Verwendung des einfachen Gesamtwortverstehens zu bestimmen und dieser Wert der Bemessung der MdE zugrunde zu legen. Hierbei darf jedoch ein Wert von 40 % für den prozentualen Hörverlust nicht unterschritten werden.
    Wenn die Berechnung des prozentualen Hörverlustes nach dem Sprachaudiogramm unter Verwendung des gewichteten Gesamtwortverstehens einen Wert von weniger als 20 % ergibt, ist für die Entscheidung, ob eine versicherungsrechtlich relevante Schwerhörigkeit vorliegt oder nicht, noch das Tonaudiogramm heranzuziehen (4.3.2).

Tabelle 1:
Berechnung des prozentualen Hörverlustes aus dem Sprachaudiogramm (Boenninghaus und Röser, 1973)

Abbildung 1:
Beispiel für die Berechnung des Hörverlustes für Zahlwörter (a1-Wert) und des einfachen und gewichteten Gesamtwortverstehens aus dem Sprachaudiogramm

  1. a1-Wert: 25 dB, einfaches Gesamtwortverstehen 30 + 70 + 90 = 190, ergibt einen prozentualen Hörverslust (HV) beiderseits von 30 %
  2. a1-Wert: 25 dB, gewichtetes Gesamtwortverstehen (3 x 30 + 2 x 70 + 1 x 90) : 2 = 160, ergibt einen prozentualen HV beiderseits von 40 %

Ergibt sich aus dem Tonaudiogramm bei Anwendung der Drei-Frequenz-Tabelle (Röser, 1980, Tabelle 2) ein prozentualer Hörverlust von 20 % oder mehr und kann sicher ausgeschlossen werden, dass die tonaudiometrischen Werte durch Messfehler

(z.B. Aggravation) verfälscht sind, so ist eine versicherungsrechtlich relevante Schwer- hörigkeit entsprechend einem prozentualen Hörverlust von 20 %, aber auch nicht mehr, anzunehmen.10

Tabelle 2: Berechnung des prozentualen Hörverlustes aus dem Tonaudiogramm nach der Drei-Frequenz-Tabelle (Röser, 1980)*

4.3.2 Berechnung des prozentualen Hörverlustes aus dem Tonaudiogramm

Wenn die sprachaudiometrische Untersuchung keine verlässlichen Werte ergeben hat, z.B. weil der Versicherte nur über geringe Deutschkenntnisse verfügt oder weil bei einem Aktengutachten ein verlässliches Sprachaudiogramm nicht vorliegt, kann der prozentuale Hörverlust hilfsweise auch aus dem Tonaudiogramm nach der Drei-Frequenz-Tabelle ermittelt werden (Tabelle 2; Röser, 1980). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass für die Feststellung des Grades der Schwerhörigkeit bei Vorliegen einer relevanten Schallleitungskomponente (Mittelohrschwerhörigkeit) nur die über Knochenleitung gemessenen Hörschwellen, in denen die reine Innenohrhörleistung zum Ausdruck kommt, zugrunde gelegt werden dürfen.

Es ist ferner zu berücksichtigen, dass sich bei Anwendung dieser Tabelle aus dem Tonaudiogramm zumeist ein etwas höherer prozentualer Hörverlust als aus dem Sprachaudiogramm ergibt.

4.4 Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE)

Die in der Empfehlung enthaltenen Tabellen geben allgemeine Anhaltspunkte und eröffnen dem Gutachter einen Beurteilungsspielraum für die Einschätzung des Einzelfalles. Sie dürfen deshalb nicht schematisch für die Ermittlung der individuellen MdE angewandt werden.

In den nachfolgenden Tabellen zur MdE-Berechnung werden alle MdE-Grade unterhalb von 10 % als nicht messbar mit "0 %" angegeben.

4.4.1 Ermittlung der MdE aus dem prozentualen Hörverlust

Die Grundlage der Ermittlung der MdE bildet der Funktionsverlust, der in Form des prozentualen Hörverlustes angegeben wird.

Die Minderung der Erwerbsfähigkeit wird aus dem prozentualen Hörverlust der beiden Ohren bestimmt. Die MdE-Berechnung von asymmetrischen sowie symmetrischen Hörverlusten erfolgt nach Tabelle 3, wobei auch Zwischenwerte angegeben werden können. Bei symmetrischen Hörschäden kann auch die einfacher zu lesende Tabelle 4 herangezogen werden.

Tabelle 3: Berechnung der MdE aus den Schwerhörigkeitsgraden beider Ohren (Feldmann, 1995)

Tabelle 4 : MdE und Schwerhörigkeitsgrad bei symmetrischen Hörschäden in Abhängigkeit vom prozentualen Hörverlust (Brusis und Mehrtens, 1981)

Ein Hörverlust z.B. von 10 % auf dem rechten und 20 % auf dem linken Ohr ergibt hiernach eine MdE von < 10 % (Tabelle 3). Ein beidseitiger Hörverlust von 40 % ergibt eine MdE von 20 %, ein beidseitiger Hörverlust von 20 % eine MdE von 10 % (Tabelle 3, Tabelle 4). Beträgt der prozentuale Hörverlust beidseitig nur 10 % oder weniger, so wird eine messbare MdE nicht erreicht. Als Ergebnis ist dann anzugeben: "MdE < 10 %".

4.4.2 Vor- und Nachschäden

Vorschäden (einseitig oder beidseitig) sind bei der Schätzung der MdE angemessen zu berücksichtigen, weil sich die BK- Folge bei einem vorgeschädigten Gehör stärker auswirkt. Die sogenannte Symmetrieregel findet bei einseitigen Vorschäden keine Anwendung (Brusis und Mehrtens, 1981).

Die Berücksichtigung des Vorschadens erfolgt in drei Schritten:

  1. Bewertung/Berechnung des Gesamtschadens (BK-bedingt + nicht BK- bedingt) nach Tabelle 3
  2. Bewertung/Berechnung nur des BKbedingten Anteils nach Tabelle 3
  3. Einschätzung der MdE in der Spanne zwischen 1 und 2 (nach Tabelle 5 bei einseitigen Vorschäden)

Beispiel:

Vorschaden anlagebedingte einseitige Taubheit

auf dem anderen Ohr eine geringgradige Lärmschwerhörigkeit

Berechnung des Gesamtschadens 30 % (vgl. Tabelle 3)

Berechnung nur des BK- bedingten Anteils (einseitige geringgradige Lärmschwerhörigkeit) 0 %

Infolge der Taubheit des Gegenohres wirkt sich die einseitige Lärmschwerhörigkeit jedoch stärker aus, da das erhaltene Gehör das Gesamt-Hörvermögen darstellt. Die Mde liegt in solchen Fällen zwischen 0 und 30 % Nach Tabelle 5 ergeben sich 15 %, bei einseitiger knapp geringgradiger Schwerhörigkeit wäre eine MdE von 10 % angemessen.

Nachschäden sind bei der MdE nicht zu berücksichtigen (siehe Abschnitt 2.4).

Tabelle 5: Berechnung der MdE bei Vorschaden des anderen Ohres
(nach Brusis und Mehrtens, 1981, 1995; adaptiert an die aktuelle MdE-Tabelle)

4.4.3 MdE-Staffelung

Die MdE ist nach den Vorgaben des Gutachtenauftrages einzuschätzen - bei der erstmaligen Begutachtung in der Regel ab Eintritt des Versicherungsfalls.

Zeitpunkt des Versicherungsfalls ist der Zeitpunkt des ersten objektiv messbaren Nachweises des arbeitsbedingten Gehörschadens.

Bei einem bis zum Begutachtungszeitpunkt progredienten Erkrankungsverlauf ist die MdE ggf. abgestuft anzugeben. Die Abstufung bedarf der gutachterlichen Begründung. Die Abstufungen sind durch valide Hörbefunde (Messwerte und/oder Audiogramme von früheren Untersuchungen wie z.B. arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen) zu belegen.

4.4.4 Begleit-Tinnitus

Ohrgeräusche gehören zwar nicht zu den beherrschenden, regelmäßig anzutreffenden Symptomen der Lärmschwerhörigkeit, sie können aber doch mit ihr vergesellschaftet und Begleiterscheinung der Lärmschädigung des Innenohres sein. Ohrgeräusche, die nicht permanent vorhanden sind, werden

im versicherungsrechtlichen Sinne als nicht erheblich eingestuft und sind somit bei der MdE-Einstufung nicht zu berücksichtigen. In Fällen dauerhafter Ohrgeräusche kann ein

lärmbedingter Begleit-Tinnitus bei der Bewertung des Gesamtschadens mit einer MdE bis zu 10 % berücksichtigt werden (siehe dazu auch Abschnitt 4.2). Dies muss jedoch im Sinne einer integrierenden MdE-Bewertung geschehen (Bildung einer Gesamt-MdE) und nicht durch eine einfache Addition. Der Gutachter soll prüfen, ob die Lärmschädigung tatsächlich die wesentliche Bedingung für die Ohrgeräusche ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Beschwerdebild auch durch eine in der Persönlichkeit des Versicherten liegende Reaktionsweise (z.B. im Sinne einer Neurose) begründet sein kann. Werden schwerste Beeinträchtigungen durch die Ohrgeräusche geltend gemacht (Grad 4 der Tinnitus-Leitlinie der DGHNOKHC) ist nach Rücksprache mit dem Kostenträger zusätzlich eine neurologischpsychiatrische Begutachtung zu veranlassen.

4.5 Empfehlungen

Wenn konkrete Hinweise vorhanden sind, dass eine BK "Lärmschwerhörigkeit" entstehen kann oder sich zu verschlimmern droht, haben die Unfallversicherungsträger dieser Gefahr mit allen geeigneten technischen, organisatorischen, persönlichen oder medizinischen Maßnahmen entgegenzuwirken.

Ein Arbeitsplatzwechsel zur Unterlassung der Tätigkeit mit Lärmgefährdung muss in Betracht gezogen werden, wenn die Maßnahmen der Lärmminderung und des persönlichen Gehörschutzes am bestehenden Arbeitsplatz ausgeschöpft, aber bei dem Versicherten nicht ausreichend wirksam sind und dadurch eine weitere Progredienz der Schwerhörigkeit zu verzeichnen ist. Ein Tätigkeitswechsel bedeutet für den Versicherten unter Umständen einen schwerwiegenden Eingriff in sein Berufsleben. Er kommt daher nur als "ultimaratio" in Betracht und sollte somit nur in besonders gelagerten Fällen empfohlen werden. Entstehen dadurch finanzielle Nachteile, können die Unfallversicherungsträger diese ausgleichen (§ 3 Abs. 2 BKV).

Im Rahmen des BK-Verfahrens ist es Aufgabe der Präventionsdienste, Arbeitsplätze zu beurteilen und Präventionsmaßnahmen zu initiieren.

Auch der Gutachter nimmt im Rahmen des erteilten Auftrags Stellung zur Erforderlichkeit von Präventionsmaßnahmen, insbesondere zu Maßnahmen der Individualprävention.

Liegt eine vorbestehende hochgradige oder an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit vor, kann der Versicherte am Arbeitsplatz verbleiben, wenn durch vom Arbeitgeber veranlasste und überwachte Maßnahmen der Lärmminderung, der arbeitsmedizinischen Vorsorge und des persönlichen Gehörschutzes eine Zunahme der Schwerhörigkeit wirksam verhütet wird (DG UV, 2011).

4.5.1 Maßnahmen der Individualprävention

Bei der Weiterbeschäftigung des Versicherten mit Lärmexposition muss einer Zunahme der Hörverluste mit allen geeigneten Mitteln entgegengewirkt werden (§ 3 BKV). Gesundheitliche Bedenken hierbei können mit

der Durchführung folgender Maßnahmen zurückgestellt werden (siehe auch G 20, Ziffer 2.1.3):

4.5.2 Nachbegutachtungen Nachbegutachtungen sind angezeigt:

4.5.3 Hörgeräteversorgung

Die Versorgung Lärmschwerhöriger mit Hörgeräten ist aus HNO-ärztlicher Sicht im Allgemeinen indiziert, wenn die Kriterien nach der Hilfsmittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses11 erfüllt sind. Voraussetzung ist weiterhin, dass die Hörhilfen gewünscht sind, akzeptiert werden und die Versicherten in der Lage sind, sie zu bedienen.

In den Fällen einer multifaktoriellen Verursachung einer Schwerhörigkeit erfolgt die Hörgeräteversorgung zulasten der Gesetzlichen Unfallversicherung, wenn - und solange - der Ursachenbeitrag der arbeitsbedingten Lärmeinwirkung als rechtlich wesentlich zu beurteilen ist.

Die Versorgung mit Hörhilfen erfolgt auf der Grundlage der von den Spitzenverbänden der gesetzlichen Unfallversicherung abgeschlossenen "Rahmenvereinbarung Hörgeräte (VbgHG)". Regelmäßig erfüllt eine Versorgung nach der Kategorie 2 der Anlage 2 VbgHG den Grundsatz "mit allen geeigneten Mitteln". Festbetragshörgeräte (Kategorie 1 der Anlage 2 VbgHG) kompensieren eine Lärmschwerhörigkeit in der Regel nicht ausreichend. Ebenso können Hörgeräte der Kategorie 3 nur in selteneren Ausnahmefällen indiziert sein.

Wenn ein Gutachter die Notwendigkeit einer Hörgeräteversorgung festgestellt hat, ist der Versicherte an den zuständigen Unfallversicherungsträger zu verweisen. Dieser sucht den Hörgeräteakustiker zusammen mit dem Versicherten aus.

5 Literatur

5.1 In der Königsteiner Empfehlung aufgeführte Literatur

ArbMedVV/Verordnung zur Rechtsvereinfachung und Stärkung der arbeitsmedizinischen Vorsorge: Bundesgesetzblatt 2008 Teil I Nr. 62, Bonn 23. Dezember 2008

BGI 823: BG-Information "Ärztliche Beratung und Gehörschutz". Carl Heymanns Verlag, Köln

BGR/GUV-R 194: Benutzung von Gehörschutz. Carl Heymanns, Köln

BKV/Berufskrankheiten-Verordnung vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2623), zuletzt geändert durch Art. 1 Zweite ÄndVO vom 11. Juni 2009 (BGBl. I S. 1273)

Boenninghaus, H.-G.; Röser, D.: Neue Tabellen zur Bestimmung des prozentualen Hörverlustes für das Sprachgehör. Z. Laryngol. Rhinol. Otol. 1973, 52(3): 153-161

Brandenburg, S.; Kranig, A.; Letzel, S.; von Mittelstaedt, G.; Palfner, S.; Selbmann, H.-K.: Gemeinsame Empfehlung der AWMF und der DGUV in Zusammenarbeit mit der DGAUM und der DGSMP bei der Entwicklung von Leitlinien und Empfehlungen zur Begutachtung von Berufskrankheiten. Anhang 2: Grundsätze der DGUV für Empfehlungen zur Begutachtung bei Berufskrankheiten. Gesundheitswesen 2009, 71(12): 857-863

Brusis, T.: Aus der Gutachtenpraxis: "Schallleitungskomponente" bei Innenohrschwerhörigkeit. Laryngol. Rhinol. Otol. 2010, 89: 39-42

Brusis, T.; Michel, O.: Die Bewertung von Tinnitus in der gesetzlichen Unfallversicherung. Laryngol. Rhinol. Otol. 2009, 88: 449-458

Brusis, T.; Mehrtens, G.: Vor- und Nachschäden bei Lärmschwerhörigkeit. Laryngol. Rhinol. Otol. 1981, 60 (4): 168-177

Chüden, H.: Gibt es eine Lärmschwerhörigkeit im Tief- und Mitteltonbereich? Laryngol. Rhinol. Otol. 1983, 62 (10): 481-484

DGHNOKHC/Deutsche Gesellschaft für HalsNasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie: Leitlinie Tinnitus Stand 02/2010 http://www.awmf.org/uploads/tx_ szleitlinien/017-064l_S1_Tinnitus.pdf (Zugriff: 6. Januar 2012)

DGUV/Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (Hrsg.): DGUV Grundsätze für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen.

5.Auflage, Gentner-Verlag, Stuttgart 2010

DGUV/Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (Hrsg.): Leitfaden für Betriebsärzte zur Beschäftigung von Schwerhörigen und Gehörlosen in Lärmbereichen. DGUV, 2011

DIN EN ISO 9612: Akustik - Bestimmung der Lärmexposition am Arbeitsplatz - Verfahren der Genauigkeitsklasse 2 (Ingenieurverfahren). Beuth, Berlin 2009

Feldmann, H.: Beschluss der neuen Tabelle auf der Mitgliederversammlung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie am 30. Mai 1995 in Karlsruhe. Tabelle auch in: Feldmann, H.: Das Gutachten des Hals-Nasen-Ohren-Arztes. 6., überarbeitete und aktualisierte Auflage, Thieme, Stuttgart 2006

Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) (Hrsg.): Empfehlungen der Unfallversicherungsträger zur Begutachtung bei Berufskrankheiten. DCM - Druck center, Meckenheim 2004

ISO 1999: Acoustics - Determination of occu pational noise exposure and estimation of noiseinduced hearing impairment. International Organization for Standardization, Genf 1990

LärmVibrations ArbSchV/Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung vom 6. März 2007 (BGBl. I S. 261), geändert durch Artikel 3 der Verordnung vom 19. Juli 2010 (BGBl. I S. 960)

Liedtke, M.: Akute Gehörschäden durch extrem hohe Schalldruckpegel. HNO 2010a; 58: 106-109

Liedtke, M.: Effektive Lärmdosis basierend auf Hörminderungsäquivalenzen nach ISO 1999. Arbeitsmed. Sozialmed. Umweltmed. 2010b, 45: 612-623

Maue, J.H.: Messungen von Schallimmissionen. In: Lärm und Vibrationen am Arbeitsplatz. Messtechnisches Taschenbuch für den Betriebspraktiker. Teil 1 "Schallmessungen", Kapitel "Feststellen der Genauigkeitsklasse". Hrsg.: Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e.V., Wirtschaftsverlag Bachem, Köln 2000, ISBN: 3-89172-273-7

Maue, J.H.: Beurteilung der Geräuschexposition am Arbeitsplatz - Messung nach DIN EN ISO 9612. sicher ist sicher. Arbeitsschutz aktuell 60 (2009) Nr. 6: 286-290

Merkblatt zu der Berufskrankheit Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung: Lärmschwerhörigkeit. Bek. des BMAS vom 1. Juli 2008 - IVa4-45222-2301, publiziert im GMBl. 2008/39: 798-800

Mieke, S.; Schade, T. (Hrsg.): Leitfaden zu messtechnischen Kontrollen von Medizinprodukten mit Messfunktion (LMKM). Ausgabe 2.2, Physikalisch-Technische Bundesanstalt, 2009


Positionspapier der Arbeitskreise "Lärm" und "Gefahrstoffe" des Ausschusses Arbeitsmedizin der DGUV: Ototoxische Arbeitsstoffe, Stand Februar 2011 http://www.bghm.de/fileadmin/downloads/ FA_M FS/SG_Laerm / DG UV-AAm ed_


Pospapier_Ototox Arbstoffe_2011-02. pdf (Zugriff: 6. Januar 2012)

Röser, D.: Schätzung des prozentualen Hörverlustes nach dem Tonaudiogramm. In: Kolloquium "Berufliche Lärmschwerhörigkeit - Fragen der Begutachtung nach dem Königsteiner Merkblatt". Schriftenreihe des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften, Bonn 1980: 91-97

Technische Regeln zur Lärm- und Vibrations Arbeitsschutzverordnung - TRLV Lärm, Teil 1: Beurteilung der Gefährdung durch Lärm. GMBl. Nr. 18-20 vom 23. März 2010, S. 362 ff.

Technische Regeln zur Lärm- und Vibrations Arbeitsschutzverordnung TRLV Lärm, Teil 2: Messung von Lärm. GMBl. Nr. 18-20 vom 23. März 2010, S. 378 ff.

UVV-Lärm: Unfallverhütungsvorschrift "Lärm" (VBG 121). Carl Heymanns Verlag, Köln

VDI 2058 Blatt 2, Beurteilung von Lärm hinsichtlich Gehörgefährdung. Beuth, Berlin 1988

5.2 Weiterführende Literatur

Baldus, S.; Elster, W.; Wittgens, H.: Ursachenkonkurrenz bei der Schwerhörigkeit von Lärmexponierten. Arbeitsmed. Sozialmed. Präventionsmed. 23 (1988), 65

BGI/GUV-I 504-20: Handlungsanleitung für die arbeitsmedizinische Vorsorge nach dem DGUV Grundsatz G 20 "Lärm". Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (Hrsg.), Berlin, November 2011

Brusis, T.: Die berufliche Lärmschwerhörigkeit - Diagnose, Differenzialdiagnose und Begutachtung. Trauma und Berufskrankheit. 2006; 8: 65-72

Brusis, T.: Aus der Gutachtenpraxis: Lärmschwerhörigkeit und Vorschaden. Laryngol. Rhinol. Otol. 2009; 88: 327-328

Dieroff, H.G.: Lärmschwerhörigkeit. 3. Aufl., Gustav Fischer Verlag, Jena/Stuttgart, 1994

Ernst, A. (2009): Audiometrie. In: Strutz, J.; Mann, W. (Hrsg.): Praxis der HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie. Thieme Stuttgart: 21-40

Feldmann, H.: Das Gutachten des Hals- Nasen-Ohren-Arztes. 6. Aufl., unter Mitarbeit von Alberty, J.; Brusis, T.; Deitmer, T.; Delank, K.W.; Hartmann, S.; Hütten-

brink, K.-W.; Stoll, W.: Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2006

Maue, J.H.: 0 Dezibel + 0 Dezibel = 3 Dezibel. Einführung in die Grundbegriffe und die quantitative Erfassung des Lärms. Erich Schmidt, Berlin 9. Aufl. 2009

Maue, J.H.: Die Bedeutung des Spitzenschalldruckpegels für die Beurteilung industrieller Arbeitsplätze. Sicherheitsingenieur 8/2009: 52-55

Niemeyer, W.: Schwerhörigkeit durch Lärm. In: Ganz, H.; Iro, H. (Hrsg.): HNO Praxis Heute. Bd. 18, Springer Verlag, Berlin Heidelberg 1998


Plath, P.: Lärmschäden des Gehörs und ihre Begutachtung. Sch lütersche Verlagsanstalt, Hannover 1991

Schönberger, A.; Mehrtens, G.; Valentin, H.: Arbeitsunfall und Berufskrankheit. 8. Auflage, Erich Schmidt Verlag, Berlin 2010 (siehe Kapitel "Ohr": 309-360)

.

 Anhang

.

Mitwirkende bei der Überarbeitung der Königsteiner Empfehlung Anlage 1:


Prof. Dr. med. Tilman Brusis (wissenschaftlicher Leiter)


PD Dr. med. Eberhard F. Meister Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e.V. (DGHNOKHC)

Dr. med. Michael Deeg

Deutscher Berufsverband der Hals-Nasen Ohrenärzte e.V. (BV HNO)


Prof. Dr. med. Sieglinde Schwarze Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V. (DGAUM)

Dr. med. Frank Eberth

Dr. med. Christine Grafe

Vereinigung Deutscher Staatlicher Gewerbeärzte e.V. (VDSG)

Dr. med. Anette Wahl-Wachendorf

Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte (VDBW)

Michael Kucklack

Spitzenverband der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (SpV-LSV)

Stefanie Palfner DrPH Ulrike Wolf

Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DG UV)


Prof. Dr. med. Arneborg Ernst Unfallkrankenhaus Berlin (ukb), Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde

Dr. rer. nat. Dipl. Phys. Martin Liedtke Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA)

Heinrich Peter Francks

Burkhard Mahler

Verwaltungen der Unfallversicherungsträger

Dr. Ing. Gerhard Neugebauer Klaus Ponto


Präventionsdienste der Unfallversicherungsträger

.

Abkürzungsverzeichnis Anlage 2:


AbkürzungErläuterung
a1-WertHörverlust für Zahlwörter (= a1-Wert) entspricht dem Abstand zur Normalkurve bei 50 % Zahlwörterverständlichkeit in dB
ArbMedVVVerordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge
AWMFArbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften
Az.Aktenzeichen
BERAHirnstammaudiometrie (Brainstem Electric Response Audiometry)
BGIBerufsgenossenschaftliche Informationen für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit
BGRBerufsgenossenschaftliche Regeln für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit
BKBerufskrankheit
BKVBerufskrankheiten-Verordnung
BMASBundesministerium für Arbeit und Soziales
BSGBundessozialgericht
BV HNODeutscher Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte
CTComputertomografie
dBDezibel
dB(A)Dezibel A
dB(C)Dezibel C
dB(Cpeak)Dezibel Cpeak
DGAUMDeutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin
DGHNOKHCDeutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie
DGSMPDeutsche Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention
DGUVDeutsche Gesetzliche Unfallversicherung
DINDeutsches Institut für Normung
DPOAEDistorsionsprodukte otoakustischer Emissionen
Dt. Ges. f. ...Deutsche Gesellschaft für ....
ELDEffektive Lärmdosis
ENEuropäische Norm
ERAElektrische Reaktionsaudiometrie
G 20Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung bei Gehörgefährdung durch Lärm
GdBGrad der Behinderung
GdSGrad der Schädigungsfolgen
GUV-RRegeln für Sicherheit und Gesundheitsschutz
HilfsM-RLHilfsmittel-Richtlinie
HNOHals-Nasen-Ohren-
HVHörverlust
HzHertz
IFAInstitut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (früher: BIA - Berufsgenossenschaftliches Institut für Arbeitssicherheit des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften)
ISOInternational Organization for Standardization, eine Institution, die Normung international koordiniert
kHzKilohertz
LAeqäquivalenter Dauerschallpegel (Mittelungspegel)
LAImaxmaximaler Schalldruckpegel in dB(AI), gemessen mit der Frequenzbewertung A und der Zeitbewertung Impuls
LArd8-Stunden-Beurteilungspegel nach UVV Lärm
LärmVibrations- ArbSchVLärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung
LEXLärmexpositionspegel
LEX,8hTages-Lärmexpositionspegel
LEX,40hWochen-Lärmexpositionspegel
LMKMLeitfaden zu messtechnischen Kontrollen von Medizinprodukten mit Messfunktion
LpC,peakSpitzenwert-Schalldruckpegel, gemessen mit der Frequenzbewertung C
LSVMGGesetz zur Modernisierung des Rechts der landwirtschaftlichen Sozialversicherung
LSV-SpVSpitzenverband der landwirtschaftlichen Sozialversicherung
MdEMinderung der Erwerbsfähigkeit
MPBetreibVMedizinprodukte-Betreiberverordnung
MPGMedizinproduktegesetz
MRTMagnetresonanztomografie (auch als Kernspintomografie bezeichnet)
OAEOtoakustische Emissionen
AbkürzungErläuterung
Repro.Reproduzierbarkeit (Reproducibility)
SGBSozialgesetzbuch
SISIShort Increment Sensitivity Index (Erkennbarkeit kurzer Lautstärkeerhöhungen)
TEOAEtransitorisch evozierte otoakustische Emissionen
TRLVTechnische Regel zur Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung
UV-TrägerUnfallversicherungsträger
UVVUnfallverhütungsvorschrift
VbgHGRahmenvereinbarung Hörgeräte
VDBWVerband Deutscher Betriebs- und Werksärzte
VDIVerein Deutscher Ingenieure
VDSGVereinigung Deutscher Staatlicher Gewerbeärzte
wSGesamtwortverstehen

1) BSG, 2 RU 54/88 vom 27. Juli 1989

2 )Wird die längerfristig typische Lärmexposition anstatt durch den Tages-Lärmexpositionspegel (LEX,8h) durch den Wochen-Lärmexpositionspegel (LEX,40h) beschrieben, so ist dieser zur Beurteilung heranzuziehen.

3) LEX,8h und LpC,peak werden nach der LärmVibrations ArbSchV bzw. TRLV Lärm, Teil 1 (Technische Regel zur Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung), im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ermittelt und dokumentiert. Zu geeigneten Messverfahren verweist Teil 2 dieser TRLV auf die DIN EN ISO 9612. Der LEX,8h nach Lärm Vibrations ArbSchV bzw. TRLV Lärm enthält im Gegensatz zum LArd nach der früher geltenden UVV "Lärm" in keinem Fall Zuschläge (z.B. Zuschläge für Impulshaltigkeit). Die "Auslösewerte" (LEX,8h = 80 dB[A] bzw. 85 dB[A] oder LpC,peak = 135 dB[C] bzw. 137 dB[C] nach LärmVibrations ArbSchV) stellen Werte dar, ab denen Präven tio nsm aßn ah m e n ergriffen werden sollen. Werden diese erreicht oder überschritten, folgt daraus nicht zwangsläufig, dass eine Schwerhörigkeit arbeitslärmbedingt ist.

4) Die effektive Lärmdosis ergibt sich aus der Anzahl der Belastungstage (pro Jahr), dem Lärmexpositionspegel LEX,8h und der Expositionsdauer in Jahren. Es muss für die Begutachtung die "Effektive Lärmdosis" (ELD) basierend auf Hörminderungsäquivalenzen nach ISO 1999 vom Präventionsdienst des zuständigen Unfallversicherungsträgers berechnet vorliegen (Liedtke, 2010b). Als Ergebnis soll die Anzahl der hörminderungsäquivalenten Expositionsjahre ("Lärmjahre") angegeben werden. Diese "Lärmjahre" beziehen sich auf eine Expositionshöhe von LEX,8h = 90 dB(A) (Konvention) und 220 Tage pro Jahr (Liedtke, 2010b).

5) Dieser Wert entspricht etwa dem in der VDI 2058 Blatt 2 geannten Wert von LAlmax = 135 dB (Liedtke, 2010 a)

6) LEX,8h und LpC,pea werden nach der Lärm-Vibrations-ArbSchV bzw. TRLV Lärm, Teil 1, ermittelt und dokumentiert. Zugeeigneten Messverfahren verweist Teil 2 dieser TRLV auf die DIN EN ISO 9612.

7) Standardisierte Messsymbole sind dem Beitrag "Die Bewertung von Tinnitus in der gesetzlichen Unfallversicherung" (Brusis und Michel, 2009) zu entnehmen.

8) Terminologie entsprechend BSG vom 2. April 2009

9) Das Positionspapier sowie internationale Literaturstudien zu ototoxischen Arbeitsstoffen und weitere Informationen sind im Internet unter www.dguv.de (Webcode: d113326) als Download verfügbar.

10) Durch die Verwendung der Drei-Frequenz-Tabelle kommt es in den meisten Fällen zu einem höheren Hörverlustwert als nach der sprachaudiometrischen Messung, die ohne Störgeräusche durchzuführen ist. Die Berücksichtigung des Tonaudiogramms in diesen Fällen ist als Ausgleich für die stärkere Beeinträchtigung des Lärmschwerhörigen bei gleichzeitigen Nebengeräuschen vorgesehen.

11) Seit Ende Dezember 2011 liegt eine Neufassung der Hilfsmittel-Richtlinie vor. Vorbehaltlich der Prüfung durch das Bundesministerium für Gesundheit und der Veröffentlichung im Bundesanzeiger wird die Richtlinie voraussichtlich am 1. April 2012 in Kraft treten. Hierin heißt es nach § 21 Abs. 1 und § 22 Abs. 1: Voraussetzung für eine beidohrige Hörgeräteversorgung ist, dass der tonaudiometrische Hörverlust (DIN ISO 8253-1) auf dem besseren Ohr mindestens 30 dB in mindestens einer der Prüffrequenzen zwischen 500 und 4.000 Hz und sprachaudiometrisch die Verstehensquote auf dem besseren Ohr mit Kopfhörern (DIN ISO 8253-3) bei Verwendung des Freiburger Einsilbertests bei 65 dB nicht mehr als 80 % beträgt. Voraussetzung für eine einohrige Hörgeräteversorgung ist, dass der tonaudiometrische Hörverlust am schlechteren Ohr mindestens 30 dB bei 2.000 Hz oder mindestens 2 Prüffrequenzen zwischen 500 und 4.000 Hz beträgt

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