BGI 862 / DGUV Information 203-031 - Montage eines Klemmrings unter Beachtung der Grundsätze für den Berührungsschutz bei Arbeiten unter Spannung (AuS) bis 1 kV
Berufsgenossenschaftliche Informationen für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (BGI)
(bisher ZH 1/488)
(Ausgabe 07/2003)
Vorbemerkung
Montagearbeiten unter Spannung an Niederspannungsanlagen unterscheiden sich insofern von anderen Arbeiten, als die ausführende Person unter Spannung stehende Teile berühren und dabei eine Körperdurchströmung oder einen Störlichtbogen verursachen kann.
Deshalb müssen bei solchen Arbeiten besondere Persönliche Schutzausrüstungen benutzt werden.
Auf das Benutzen dieser Persönlichen Schutzausrüstungen kann verzichtet werden, wenn bei der Montage die Isolierung nicht aufgehoben wird und dadurch die elektrischen Gefahren der Körperdurchströmung oder Störlichtbogenbildung ausgeschlossen sind.
1 Grundsätze
Die Isolierung wird nicht aufgehoben, wenn das zu montierende Werkstück, die zu benutzenden Werkzeuge und der Ablauf der Montage die vorgenannten Gefahren ausschließen. Dazu ist insbesondere erforderlich, dass die folgenden Anforderungen eingehalten werden:
- Das Arbeitsverfahren ist in allen Arbeitsschritten festgelegt.
- Die Sicherheit des Arbeitsverfahrens wird durch die eingesetzten Werkzeuge und Materialien sowie durch die Abfolge der einzelnen Arbeitsschritte erreicht.
Zu erwartende unbeabsichtigte Montagefehler sind berücksichtigt.
- Kontaktelemente (z.B. Schrauben, Schneiden), die die Verbindung zu aktiven Teilen herstellen, können nicht gleichzeitig zwei unter Spannung stehende Leiter kontaktieren.
- Während und nach der Montage können zu keiner Zeit unter Spannung stehende Teile erreicht werden, d.h. IP 2X ("Fingersicherheit") ist gegeben.
- Alle während der Montage berührbaren Isolierstoffteile weisen eine ausreichende Isolationsfestigkeit auf.
- Die zu benutzenden Werkzeuge sind festgelegt.
- Werkzeuge, die zur Vorbereitung oder zur Montage eingesetzt werden, schließen durch ihre Bauart eine Durchströmung der ausführenden Person und die Einleitung eines Kurzschlusses aus.
- Die Werkzeuge sind so gestaltet, dass zu erwartende unbeabsichtigte Fehler bei der Handhabung ausgeschlossen sind.
- Zu beachtende Randbedingungen (z.B. Witterungseinflüsse) sind festgelegt.
- Die ausführende Person ist Elektrofachkraft, die das Arbeitsverfahren beherrscht und im Arbeiten unter Spannung ausgebildet ist.
2 Anforderungen an die Montage eines Klemmringes unter Beachtung der Grundsätze für den Berührungsschutz bei AuS bis 1 kV
Es kann davon ausgegangen werden, dass die vorgenannten und die nachfolgenden Anforderungen eingehalten sind, wenn eine Unbedenklichkeitsbescheinigung der Prüf- und Zertifizierungsstelle des Fachausschuss "Elektrotechnik" vorliegt.
2.1 Mindestanforderungen an den Klemmring
Die Anforderungen der folgenden Normen sind erfüllt:
- DIN VDE 0278 Teil 623 "Starkstromkabel-Garnituren mit Nennspannungen bis 30 kV; Bestimmung für Muffen, Endmuffen und Endverschlüsse für Freiluftanlagen für Kabel mit Nennspannungen 0,6/1 kV".
- DIN VDE 0220 Teil 3 "VDE-Bestimmung für Einzel- und Mehrfachkabel-Klemmen mit Isolierteilen in Starkstrom-Kabelanlagen bis 1000 V".
2.2 Zusätzliche Anforderungen
- Der Klemmring verschlechtert während und nach der Montage die Schutzwirkung der Aderisolierung des Kabels nicht.
- Teile, die berührungsgefährliche Spannung annehmen können, sind durch konstruktive Maßnahmen gegen direktes Berühren geschützt (z.B.: Kontaktstellen an Durchgangskabel und Abzweigkabel, Kontaktschrauben, Schraubenköpfe).
- Sofern für eine sachgerechte Montage hilfreich, sind geeignete Montagehilfen/Schablonen zur Ausrichtung und Ablängung des Abzweigkabels beigefügt.
2.3 Werkzeuge
- Werkzeuge, die zur Vorbereitung des Kabels oder zur Montage eingesetzt werden, schließen durch ihre Bauart eine Durchströmung der ausführenden Person und die Einleitung eines Kurzschlusses aus.
- Die eingesetzten Werkzeuge werden nach oder in Anlehnung an DIN EN 60900 geprüft.
- Die verwendeten Werkzeuge lösen durch ihre Bauart auch bei unbeabsichtigten Montagefehlern keinen Kurzschluss aus und ermöglichen kein Berühren spannungführender Teile.
2.3.1 Abmantelungsgerät
Das Abmantelungsgerät ist für Arbeiten unter Spannung geeignet.
Folgende Anforderungen werden zusätzlich eingehalten:
- Es ist erkennbar, für welchen Kabeltyp das Abmantelungsgerät geeignet ist.
- Es weist eine nicht veränderbare Schnitttiefenbegrenzung auf, so dass die Aderisolierung beim Einschneiden des Kabelmantels nicht verletzt werden kann.
Die Schneiden bestehen aus Isolierstoff oder sind zueinander isoliert.
- Greifklauen beschädigen die Aderisolierung beim Abziehen des Kabelmantels nicht.
Sie bestehen aus Isolierstoff oder sind zueinander isoliert.
2.3.2 Spreizkeil und Hammer
- Der Spreizkeil besteht aus Isolierstoff.
- Der Spreizkeil beschädigt die Aderisolierung beim Spreizen der Adern auch bei Temperaturen von 70 °C nicht (Kanten sind ausreichend abgerundet).
- Das Spreizmaß ist durch die Abmessungen und die Form des Spreizkeiles auf den Klemmring abgestimmt.
- Zum Eintreiben des Spreizkeiles wird ein isolierter Schonhammer verwendet.
2.3.3 Isolierte Werkzeuge
- Die verwendeten isolierten Werkzeuge entsprechen DIN EN 60900.
- Durch mechanische Einwirkung während der Benutzung wird die isolierende Eigenschaft nicht aufgehoben (z.B. durch Abnutzung der Isolierung an Kanten etc.).
2.4 Prüfung und Erprobung
Die Eignung des Spreizkeiles, des Klemmrings und des Montageverfahrens ist durch eine Probemontage unter Berücksichtigung von zu erwartender Falschmontage jeweils bei einer Kabeltemperatur von - 8 °C, + 70 °C und bei mittlerer Umgebungstemperatur von 25 °C nachzuweisen.
Die Prüfung gilt als bestanden, wenn die Aderisolierung keine Beschädigung aufweist.
Eine Schlag- und Fallprüfung wird am Klemmring in Anlehnung an DIN EN 60900 (VDE 0682 Teil 201/A 11) "Handwerkzeuge zum Arbeiten an unter Spannung stehenden Teilen bis AC 1000 V und DC 1500 V" durchgeführt. Mit dem gegliederten Prüffinger (nach DIN VDE 0470 Teil 1) wird die Prüfung der "Fingersicherheit" durchgeführt. Die Höhe der Prüfkraft beträgt 10 N. Ein Berühren der spannungführenden Teile darf nicht möglich sein.
Am fertig montierten Klemmring wird eine Spannungsprüfung im Kugelbad oder mit leitfähiger Umhüllung in Anlehnung an DIN EN 60900 durchgeführt. Die Öffnungen, die "Fingersicherheit" aufweisen, dürfen für die Prüfung verschlossen werden.
Die Prüfung gilt als bestanden, wenn kein Über- oder Durchschlag erfolgt.
2.5 Montageanleitung
Dem Klemmring ist eine Beschreibung des Montageablaufs mit einem Hinweis auf geeignetes Werkzeug und Zubehör beigefügt. Weiter wird auf die Einhaltung der in den Abschnitten 3 und 4 aufgeführten Anforderungen hingewiesen.
3 Eignung des Personals
Die Montage eines Klemmringes unter Beachtung der Grundsätze für den Berührungsschutz bei AuS bis 1 kV wird nur von einer Elektrofachkraft durchgeführt. Sie verfügt über entsprechende Kenntnisse zum Arbeiten unter Spannung und ist diesbezüglich auch durch praktische Übungen geschult.
Vor der erstmaligen Durchführung der Arbeiten wird die Elektrofachkraft unterwiesen über:
Arbeitsverfahren:
- Bedingungen, unter denen das Arbeitsverfahren angewendet werden darf
- Klemmringauswahl
- Kabeltyp
- Werkzeuge
- Arbeitsschritte mit besonderen Hinweisen auf mögliche Gefahren
Mögliche Gefahrenquellen, wie:
- falsche Zuordnung der Leiter, z.B. PEN-Leiter (bereits im Hausanschlusskasten angeschlossen, vertauschte Außenleiter)
- Kurzschluss im Abzweigkabel (vorher messen oder ggf. Anschluss des Hausanschlusskastens überprüfen)
- Verletzung der Aderisolation während der Montage
- Verwechslung des Klemmrings/der Werkzeuge (Typauswahl)
- Einfluss extremer Temperaturen (Kälte und Wärme)
- Andere Werkzeuge und Hilfsmittel, die nicht eindeutig im Arbeitsverfahren festgelegt sind, dürfen für die Klemmringmontage (ohne PSA) nicht verwendet werden (z.B. Kabelmesser)
- Gegebenheiten und Hinweise, bei denen auf PSA nicht verzichtet werden darf, z.B.: besondere Umgebungsbedingungen an der Arbeitsstelle, Beschädigung des Kabels (Quetschungen, Schnitte oder sonstige Unregelmäßigkeiten)
4 Montageanweisung
Folgende Schritte müssen mit Angabe der zu verwendenden Werkzeuge und Bauteile in einer Montageanweisung beschrieben sein:
- Vorbereitende Maßnahmen
- Vor Beginn der Arbeiten ist zu prüfen, ob die am Montageplatz vorliegenden Bedingungen das Arbeiten unter Spannung zulassen.
- Vor Aufklemmen des Abzweigkabels ist die Klemmstelle im Hausanschlusskasten entsprechend zu sichern.
- Das Abzweigkabel ist vor Beginn der Montage auf Kurzschluss zwischen den Leitern zu überprüfen (Messung auf niederohmigen Durchgang der Außenleiter untereinander und zu dem PEN-Leiter), um ein Aufklemmen auf einen Kurzschluss zu verhindern.
- Die erforderlichen Schutzausrüstungen für einen Abschluss der Klemmringmontage im Fehlerfall, z.B. Verletzung der Aderisolation, müssen ausgewählt und an der Arbeitsstelle bereitgehalten werden.
- Entfernen des Kabelmantels und des Füllmaterials
- Aufspreizen der Adern des Hauptleiterkabels
- Entfernen des Zwickels
- Justieren und drehfeldbezogenes Ausrichten des Abgangskabels nach Angabe des Herstellers des Klemmrings unter Verwendung einer Montagehilfe
- Anschluss des Abzweigkabels am Klemmring
- Einpressen des Klemmrings auf das Durchgangskabel
- Verschließen der Muffe
- Werkzeuge und Hilfsmittel
- Zugelassene Kabelbauarten
- Zugelassene Werkzeuge
- Beschreibung und Illustration des Montageablaufes
- Verwendung Justierungshilfe für Abzweigkabel
- Abmantelungsgerät
- Pflege und Überprüfung des Gerätes
- mögliche Kabelbauarten
- Vorbereitungsmaßnahmen (z.B. Reinigen des Kabels)
- Beschreibung des Arbeitsablaufes
- Entfernen des Kabelmantels
| ENDE | |