umwelt-online: BGR 145 Umgang mit biologischen Arbeitsstoffen in abwassertechnischen Anlagen
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BGR 145 - Umgang mit biologischen Arbeitsstoffen in abwassertechnischen Anlagen
Berufsgenossenschaftliche Regeln für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (BGR)
(bisher ZH 1/377)
(Ausgabe 11/2001)
nur zur Information
Umstrukturierung der Systematik (01.05.2014): nicht mehr im DGUV-Regelwerk enthalten
Berufsgenossenschaftliche Regeln für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (BG-Regeln) sind Zusammenstellungen bzw. Konkretisierungen von Inhalten z.B. aus
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1 Anwendungsbereich
Diese GUV-Regel/TRBA gilt für nicht gezielte Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in abwassertechnischen Anlagen und beschreibt Schutzmaßnahmen zur Reduzierung der Gesundheitsgefährdung der Beschäftigten.
2 Ziel
Ziel der GUV-Regel/TRBA ist es, Schutzmaßnahmen festzulegen, um die Exposition von Beschäftigten gegenüber biologischen Arbeitsstoffen und die Gefährdung durch diese zu minimieren.
3 Begriffsbestimmungen
3.1 Biologische Arbeitsstoffe
Der Begriff der biologischen Arbeitsstoffe ist in der Verordnung zur Umsetzung von EG-Richtlinien über den Schutz der Beschäftigten gegen Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe bei der Arbeit (Biostoffverordnung - BioStoffV) abschließend definiert. Im weitesten Sinne handelt es sich dabei um Mikroorganismen, die Infektionen, sensibilisierende oder toxische Wirkungen hervorrufen können.
3.2 Nicht gezielte Tätigkeiten in abwassertechnischen Anlagen
In abwassertechnischen Anlagen einschließlich der Selbstüberwachung im Labor werden Tätigkeiten ausgeführt, bei denen Beschäftigte mit Abwasser, Klärschlamm, Materialien und Gegenständen umgehen, die biologische Arbeitsstoffe enthalten bzw. denen diese Stoffe anhaften. Prozessbedingt findet eine Vermehrung bestimmter biologischer Arbeitsstoffe statt. Beschäftigte kommen dabei mit biologischen Arbeitsstoffen in Kontakt, ohne dass diese Tätigkeiten auf diese ausgerichtet sind. Die auftretenden biologischen Arbeitsstoffe sind nicht abschließend der Spezies nach bekannt und es kommt zu einer mikrobiellen Mischexposition der Beschäftigten, wobei die Expositionsverhältnisse zeitlich und räumlich starken Schwankungen unterliegen können. Definitionsgemäß handelt es sich demnach um nicht gezielte Tätigkeiten im Sinne der BioStoffV.
3.3 Abwassertechnische Anlagen
Abwassertechnische Anlagen sind sämtliche Einrichtungen, die der Abwasserableitung, Abwassersammlung, Abwasserspeicherung, Abwasserbehandlung, Faulgasgewinnung, Faulgaslagerung, Faulgasverwendung, Schlammlagerung und der Schlammbehandlung dienen.
3.4 Abwasser
Abwasser ist das durch häuslichen, gewerblichen, landwirtschaftlichen oder sonstigen Gebrauch in seinen Eigenschaften veränderte und das bei Trockenwetter damit zusammen abfließende Wasser (Schmutzwasser) sowie das von Niederschlägen aus dem Bereich von bebauten oder befestigten Flächen abfließende oder gesammelte Wasser (Niederschlagswasser).
3.5 Klärschlamm
Klärschlamm ist der bei der Behandlung von Abwasser in Abwasserbehandlungsanlagen einschließlich zugehöriger Anlagen zur weiter gehenden Abwasserreinigung anfallende Schlamm, auch entwässert oder getrocknet oder in sonstiger Form behandelt.
4 Allgemeines
4.1 Aufnahmepfade für biologische Arbeitsstoffe
Eine Reihe von biologischen Arbeitsstoffen können beim Menschen Krankheiten auslösen. Voraussetzung für die Erkrankung durch biologische Arbeitsstoffe ist, dass der jeweilige Krankheitserreger in den Körper gelangt. Der Mensch bietet mehrere Eintrittspforten, sodass verschiedene Aufnahmewege der Krankheitserreger bei Tätigkeiten in abwassertechnischen Anlagen möglich sind. Folgende Aufnahmewege können eine Rolle spielen:
4.2 Tätigkeiten in abwassertechnischen Anlagen
In der folgenden Aufstellung sind die Tätigkeiten von Beschäftigten in abwassertechnischen Anlagen beschrieben, die auf Grund des Kontaktes mit biologischen Arbeitsstoffen zu einer Gefährdung führen können.
Neben den aus Kanälen, Regenbecken und Pumpstationen bestehenden Abwasserableitungssystemen bildet die Abwasserreinigung, die in Abwasserbehandlungsanlagen stattfindet, den Endpunkt der örtlichen Kanalisation. Die in der Abwasserableitung anfallenden Arbeiten unterscheiden sich von den Tätigkeiten und angewendeten Verfahren in der Abwasserreinigung in vielerlei Hinsicht. In der nachfolgenden Übersicht werden daher die unterschiedlichen Tätigkeiten aufgelistet.
Hinweis: Die nachfolgende Auflistung ist als Beispielsammlung zu verstehen und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Betrieb und Instandhaltung bei der Abwasserableitung
Betrieb und Instandhaltung bei der Abwasserbehandlung
Prozesssteuerung in der Abwasserbehandlung
Unterstützende Arbeiten
Bei allen Tätigkeiten ist durch den unbeabsichtigten, jedoch häufig unvermeidbaren Kontakt mit Abwasser und Klärschlamm stets eine Aufnahme von biologischen Arbeitsstoffen über den Mund und über die verletzte oder vorgeschädigte Haut möglich. Die Instandhaltungsarbeiten und die Störungsbehebungen sind als Tätigkeiten mit besonders starkem Schmutzkontakt anzusehen. Die Aufnahme biologischer Arbeitsstoffe über die Atemwege betrifft z.B. Tätigkeiten, bei denen Hochdruckreiniger oder -spüleinrichtungen eingesetzt werden.
Unabhängig von der Tätigkeit ist in Abwasserbehandlungsanlagen an Belebungsbecken mit Oberflächenbelüftern eine (teilweise) erhöhte Aerosolbildung festzustellen. Dies gilt jedoch nur für nicht abgedeckte Becken. Eine Aufnahme biologischer Arbeitsstoffe über die Atemwege ist auch bei Tätigkeiten unter besonderen Verhältnissen, z.B. in begehbaren Kanälen und Schächten, möglich.
Bei länger andauernden Arbeiten mit flüssigkeitsdichten Handschuhen bzw. bei Tätigkeiten in feuchtem Milieu ist die Möglichkeit der Hautaufweichung zu berücksichtigen.
5 Gefährdungsbeurteilung
Nach den Bestimmungen des § 7 der BioStoffV ist der Arbeitgeber verpflichtet, für jede Tätigkeit, bei der eine Exposition gegenüber biologischen Arbeitsstoffen auftreten kann, eine Gefährdungsbeurteilung im Hinblick auf die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten vorzunehmen (vgl. TRBA 400 "Handlungsanleitung zur Gefährdungsbeurteilung bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen").
Abwasser enthält eine Vielzahl von biologischen Arbeitsstoffen, von denen nicht wenige Erkrankungen beim Menschen hervorrufen können.
Die Gefährdungsbeurteilung für Arbeiten an abwassertechnischen Anlagen wird durch folgende Gegebenheiten erschwert:
Dennoch liegen nach derzeitigem Stand für den Abwasserbereich auf Grund zahlreicher wissenschaftlicher Studien und Untersuchungen der vergangenen Jahrzehnte fundierte Erkenntnisse über mögliche Infektionsrisiken vor. Richtungsweisend für den eindrucksvollen Rückgang von Seuchen ist der zivilisatorische Umgang mit Abwässern und Fäkalien sowie ein gesteigertes Hygienebewusstsein. Das Prinzip der Unterbrechung der Infektionskette hat auch für die Beschäftigten im Bereich abwassertechnischer Anlagen eine nachhaltige Reduzierung des Erkrankungsgeschehens bewirkt. In der Gefährdungsbeurteilung stehen deshalb Defizite im Hygieneregime und nicht berücksichtigte oder vernachlässigte Aufnahmepfade im Vordergrund. Hauptaugenmerk gebührt der oralen Aufnahme auf Grund von Hygienefehlern (Schmierinfektion).
Aerosole können im Abwasserbereich vor allem bei Hochdruck- Spül- und - Saugverfahren, über Belebungsbecken, durch Dunstbildung über Klärbecken und bei Arbeiten mit Hochdruckreinigern entstehen. Die im Abwasserbereich auftretenden Aerosole enthalten Mikroorganismen und Endotoxine, die z.T. deutlich über denjenigen der Umgebungsluft liegen. Dabei ist zu beachten, dass viele Mikroorganismen beim Übergang in die Luft absterben. Auf Grund des heutigen Kenntnisstandes ist nicht anzunehmen, dass die Zahl der Infektionserreger in den Aerosolen groß genug ist, um eine Erkrankung auszulösen. Dennoch verfügen auch die Bestandteile bestimmter abgestorbener Bakterien in den Aerosolen (Endotoxine) über ein Erkrankungspotenzial.
Eine besondere Gefährdung besteht beim Sturz in Becken, Gerinne oder Kanäle, da ein derartiges Ereignis zwangsläufig die orale Aufnahme von biologischen Arbeitsstoffen und eventuell die Aufnahme über die Atemwege mit sich führt.
An besonderen Orten der Abwasserableitung und Aufbereitung muss mit gebrauchten Kanülen aus der Drogenszene gerechnet werden.
In der Gefährdungsbeurteilung bezüglich biologischer Arbeitsstoffe sind nicht nur die Infektionsgefährdung, sondern auch toxische und allergisierende Wirkungen zu berücksichtigen.
Im Folgenden sowie ergänzend im Anhang wird ein Überblick gegeben, welche biologischen Arbeitsstoffe nach derzeitigem Stand im Abwasserbereich hinsichtlich einer Gefährdung der Gesundheit zu berücksichtigen und wie sie einzuschätzen sind.
Viren
Bei den Viren stehen sechs Erreger im Vordergrund, bei denen Aussagen über die Gefährdung möglich sind. Dabei handelt es sich um das Hepatitis-A-Virus, das HepatitisB-Virus, das HIV, das Polio-Virus und, stellvertretend für die "Durchfallviren", das Rota- und das Norwalk-Virus.
Das Rota-Virus und Norwalk-Virus verursachen Durchfallerkrankungen. Die relativ hohe Durchseuchung von Berufsanfängern lässt eine hohe Infektiosität vermuten. In der Regel handelt es sich um keine schweren und durch Hygienemaßnahmen vermeidbare Erkrankungen.
Das Polio-Virus (Erreger der Kinderlähmung) kann über Ausscheidungen in das Abwasser gelangen und dort relativ lange überleben. Das Risiko ist bei 1-3 gemeldeten Fällen pro Jahr in der Gesamtbevölkerung gering. Jedoch in Zeiten einer Polio-Epidemie ist ein deutlicher Anstieg der Gefährdung für Beschäftigte anzunehmen.
Einige wissenschaftliche Studien zeigen, dass Beschäftigte in der Kanal- bzw. Kläranlagenunterhaltung gegenüber der Allgemeinbevölkerung häufiger Antikörper gegen Hepatitis A im Blut besitzen. Hieraus wird indirekt auf ein erhöhtes Risiko für die genannten Bereiche geschlossen. Für Kanal- und Rohrleitungsbauer, die in der Regel nur sporadisch Abwasserkontakt haben, lässt sich kein derartiges Risiko nachweisen. Zusammengefasst besteht wohl nur ein geringes Risiko, beim Umgang mit Abwasser an Hepatitis A zu erkranken. Trotzdem sind Situationen bei beruflichem Abwasserumgang denkbar, die eine potenzielle Gefährdung darstellen können. Hierzu gehört das erhöhte Virusaufkommen im Abwasser zwischen Oktober und Dezember durch infizierte Heimkehrer von Fernreisen, ebenso wie die veränderten Abflussverhältnisse bei Rohrbrüchen und Überschwemmungskatastrophen. Die meisten der Hepatitis-A-Viruslnfektionen verlaufen ohne Symptome, bei älteren Beschäftigten sind jedoch schwerwiegende Krankheitsverläufe möglich.
Eine Risikoabschätzung ist auch für die Hepatitis B möglich. Eine Infektion an Hepatitis B erfolgt in der Regel nur dann, wenn das Virus direkt oder über Haut- bzw. Schleimhautläsionen in die Blutbahn gelangt, nicht aber durch eine Aufnahme über den Mund oder über die intakte Haut. Da zum einen der Infektionsweg über das Abwasser als nicht gegeben gilt und zum anderen keine eindeutigen Hinweise bezüglich einer erhöhten Durchseuchung existieren, wird ein besonderes Infektionsrisiko bisher als nicht vorhanden angesehen. Das Berufskrankheitengeschehen liefert keine Hinweise auf eine erhöhte Gefährdung gegenüber Hepatitis-B-Viren. Ein potenzielles Infektionsrisiko durch Stichverletzungen (z.B. Kanülen) kann nicht ausgeschlossen werden.
Eine HIV-Infektion durch Abwasser erscheint derzeit als äußerst unwahrscheinlich. Begründet wird dies dadurch, dass eine sehr große Viruszahl für eine Infektion notwendig ist, die aber im Abwasser wegen des Verdünnungseffektes praktisch nicht erreicht wird, und das Virus außerdem in einer körperfremden Umgebung sehr instabil ist.
Bakterien
Bei den Bakterien sind insbesondere die Leptospiren ernst zu nehmen. Sie werden durch Rattenurin übertragen und können in aufgeweichte oder verletzte Haut eindringen. Die Leptospirose (auch Weilsche Krankheit) ist selten, kann aber schwer verlaufen. Sie ist gekennzeichnet durch untypische Symptome und mit grippalen Infekten leicht zu verwechseln, sodass vermutlich einige Leptospirose-Erkrankungen als solche nicht erkannt werden. In der Literatur sind immer wieder Fälle im Zusammenhang mit dem Abwasserbereich beschrieben worden. Aus den Meldestatistiken nach dem ehemaligen Bundesseuchengesetz (heute Infektionsschutzgesetz) geht hervor, dass für die Gesamtbevölkerung Deutschlands pro Jahr ca. 15-20 Fälle an Weilscher Erkrankung zur Anzeige gebracht werden. Zusammenhänge mit abwassertechnischen Anlagen sind diesen Veröffentlichungen nicht zu entnehmen. Das Erkrankungsrisiko ist deshalb zahlenmäßig als gering einzuschätzen.
Es wurde beobachtet, dass Beschäftigte zu Beginn ihrer Tätigkeit oder nach längerer Abwesenheit (z.B. Urlaub, Krankheit) über vorübergehende Darmerkrankungen klagen. Als Ursache wurden hierfür Salmonellen und Shigellen diskutiert. Ein erhöhtes Infektionsrisiko durch diese Bakterien wurde jedoch in Studien nicht nachgewiesen. Die vorübergehenden Darmerkrankungen sind vermutlich auf Infektionen durch E.coli-Bakterien, Rota-Viren und Norwalk-Viren zurückzuführen sein.
Die Gefährdung durch obligat anaerobe Clostridien, z.B. Clostridium tetani, dem Erreger des Wundstarrkrampfes (Tetanus), die immer dann besteht, wenn eine wie auch immer geartete Verletzung eingetreten ist, sollte hier ebenfalls erwähnt werden. Diese Gefährdung ist zwar nicht typisch für den Abwasserbereich, eine Verletzungsgefahr besteht aber auch hier.
Manche Bakterien bilden Endotoxine. Dabei handelt es sich um Bestandteile der äußeren Membran gramnegativer Bakterien (Lipopolysaccharide). Freie Endotoxine können durch den Zelltod, aber auch durch Abgeben von lebenden Zellen freigesetzt werden. Endotoxine, die über die Atemwege aufgenommen werden, können Schleimhautreizungen, Bronchitis oder bei sehr hohen Konzentrationen ODTS (organic dust toxic syndrome) verursachen. Erste Messungen zeigen deutlich erhöhte Konzentrationen in Bereichen bzw. bei Tätigkeiten mit erhöhter Aerosolbildung (z.B. Ablauf eines Belebungsbeckens mit eingehaustem Oberflächenbelüfter, Reinigung von Kammerfilterpressen, Pumpenschacht- und Staukanalreinigung). Eine Gefährdung durch Endotoxine ist demnach nicht auszuschließen. Bislang liegen aber für abwassertechnische Anlagen keine Hinweise auf durch Endotoxine ausgelöste Erkrankungen vor.
Pilze
Pilze können Infektionskrankheiten verursachen oder allergische Reaktionen auslösen. Da humanpathogene Pilze im Abwasser keine optimalen Wachstumsbedingungen antreffen, kann eine gesundheitliche Beeinträchtigung durch Pilze vernachlässigt werden.
Abweichend hiervon sei jedoch erwähnt, dass im Bereich der Rechengutsammlung und -lagerung (z.B. Container, Rechenhaus) eine erhöhte Schimmelpilzbildung festgestellt werden konnte, sodass hier eventuell allergische Wirkungen zu berücksichtigen sind.
Einzeller und Würmer
Amoeben und Wurmeier sinken wegen ihres höheren spezifischen Gewichtes im Abwasser schnell nach unten und reichern sich deshalb im Klärschlamm an. Eine orale Aufnahme dieser Darmparasiten ist deshalb vor allem beim Abspritzen der Kammerfilterpressen denkbar.
Die entsprechenden wissenschaftlichen Untersuchungen zum Infektionsrisiko durch Einzeller und Würmer haben jedoch gezeigt, dass dieses Risiko nur als sehr gering einzuschätzen ist.
Gentechnisch veränderte Mikroorganismen
Zusätzliche Gefährdungen durch gentechnisch veränderte Mikroorganismen sind im Abwasserbereich derzeit nicht bekannt.
Zuordnung einer Schutzstufe
Auf Grund der hier getroffenen Aussagen (siehe auch Anhang) können die Tätigkeiten in abwassertechnischen Anlagen der Schutzstufe 2 nach BioStoffV zugeordnet werden.
6 Schutzmaßnahmen
Wie die Gefährdungsbeurteilung zeigt, ist im Bereich der betrieblichen Praxis von abwassertechnischen Anlagen eine Gefährdung durch einige biologische Arbeitsstoffe möglich bzw. nicht auszuschließen. Um dieser Gefährdung entgegenzuwirken, hat der Arbeitgeber zunächst die Gefahrenquellen durch bauliche, technische und organisatorische Maßnahmen zu beseitigen. Zur Gefahrenabwehr gehört auch der persönliche Schutz, wenn trotz baulicher und organisatorischer Maßnahmen eine völlige Abwendung der Gefährdung nicht möglich ist. Die in den Anhängen II und III der BioStoffV aufgeführten Sicherheitsmaßnahmen können nicht vollständig auf den Tätigkeitsbereich von abwassertechnischen Anlagen übertragen werden.
Mit der Durchführung der Maßnahmen nach dieser GUV-Regel/TRBA kann der Betreiber einer abwassertechnischen Anlage davon ausgehen, dass er die Anforderungen der BioStoffV an die Schutzstufe 2 erfüllt.
Zur Minimierung der Exposition von Beschäftigten sollen die im Folgenden aufgeführten Maßnahmen berücksichtigt werden und an die Fortentwicklung der Technik angepasst werden.
6.1 Bauliche und technische Maßnahmen
In abwassertechnischen Anlagen kommen bauliche und technische Maßnahmen zur Verringerung der Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe in Betracht. Einige dieser Maßnahmen lassen sich nicht an in Betrieb genommenen Anlagen umsetzen, sind aber bei der Planung von Neuanlagen, beim Umbau abwassertechnischer Anlagen und beim Ersatz von Anlagenteilen zu berücksichtigen.
Zu den baulichen und technischen Maßnahmen zählen z.B. folgende:
6.2 Organisatorische Maßnahmen
Lassen sich Gesundheitsgefährdungen auf Grund von biologischen Arbeitsstoffen durch bauliche oder technische Maßnahmen nicht völlig abwehren, ist der Einfluss der Wirkungsquellen auf den Beschäftigten zusätzlich durch organisatorische Maßnahmen weitestgehend auszuschalten.
Von der Kennzeichnung des Arbeitsbereiches mit dem Symbol für Biogefährdung kann abgesehen werden.
6.3 Hygienische Maßnahmen
Folgende bauliche Maßnahmen sind im Sinne einer Schwarzweiß-Anlage zur Verwirklichung der hygienischen Maßnahmen erforderlich:
Durch allgemeine Hygienemaßnahmen kann die Zahl von Schmierinfektionen verringert werden, insbesondere durch persönliche Hygiene, Sauberkeit am Arbeitsplatz sowie sachgemäße Handhabung verschmutzter Arbeitskleidung und persönlicher Schutzausrüstung. Besondere Vorsicht ist geboten beim Essen, Trinken und Rauchen. Die Aufstellung eines Hygiene- und Reinigungsplanes mit festgelegten Reinigungsintervallen sowie seine konsequente Ausführung ist erforderlich. Im Rahmen der Unterweisung sind die Beschäftigten über den Reinigungs- und Hygieneplan zu informieren. Seine Einhaltung ist fortlaufend schriftlich zu dokumentieren.
Folgende grundsätzliche Forderungen (siehe auch TRBA 500 "Allgemeine Hygienemaßnahmen; Mindestanforderungen") sind in abwassertechnischen Anlagen einzuhalten:
6.4 Persönliche Schutzausrüstungen
Gefährdungen müssen vorrangig durch bauliche, organisatorische und hygienische Maßnahmen beseitigt werden. Wo dies nicht möglich ist, müssen Beschäftigte zusätzlich durch persönliche Schutzausrüstungen geschützt werden.
Nach den Bestimmungen des § 11 der BioStoffV ist der Arbeitgeber verpflichtet, geeignete persönliche Schutzausrüstungen zur Verfügung zu stellen sowie für deren Instandhaltung und Reinigung zu sorgen. Die bereitgestellte persönliche Schutzausrüstung ist zu benutzen.
In Abhängigkeit von der Tätigkeit und der Gefährdungsbeurteilung ist eine geeignete Schutzausrüstung auszuwählen.
Schutzkleidung
Die Schutzkleidung soll insbesondere bewirken,
Geeignet ist eine Kombination (Overall), Bundjacke und Latzhose, siehe auch DIN EN 510 "Festlegungen für Schutzkleidung für Bereiche, in denen ein Risiko des Verfangens in beweglichen Teilen besteht". Oftmals ist der Gebrauch einer Gummischürze sinnvoll (z.B. bei Abspritzarbeiten).
Hinsichtlich der Reinigung siehe Abschnitt 6.3.
Zum Schutz gegen Einwirkungen und Verschleppung von biologischen Arbeitsstoffen bei Laborarbeiten ist mindestens ein Laborkittel zu tragen.
Handschutz
Je nach Tätigkeit und Gefährdung müssen entsprechende Schutzhandschuhe ausgewählt und getragen werden.
Grundsätzlich besteht bei latexhaltigen Handschuhen die Möglichkeit einer sensibilisierenden Wirkung. Gepuderte Naturgummilatexhandschuhe sind durch puderfreie und allergenarme Latexhandschuhe oder andere geeignete Handschuhe zu ersetzen (siehe Ziffer 3.1 Abs. 4 TRGS 540 "Sensibilisierende Stoffe").
Fußschutz
Bei Reinigungs-, Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten z.B. in Gruben, Schächten, Pumpensümpfen und Rechenhäusern besteht die Möglichkeit eines Kontaktes mit biologischen Arbeitsstoffen im Fußbereich. Sandalen, Schuhe mit perforiertem Oberteil und offenem Fersenteil oder Stoffschuhe sind daher ungeeignet. Bei zahlreichen Tätigkeiten können Stiefel erforderlich sein.
Müssen aus Gründen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes Sicherheits-, Schutz- oder Berufsschuhe getragen werden, sollen sie der Zusatzanforderung bezüglich des Wasserdurchtrittes und der Wasseraufnahme der DIN EN 344 "Anforderungen und Prüfverfahren für Sicherheits-, Schutz- und Berufsschuhe für den gewerblichen Bereich" entsprechen.
Augenschutz
Die Augen können durch geeignete Schutzbrillen bzw. Gesichtsschutzschirme wirksam geschützt werden. Grundsätzlich ist zu beachten, dass geschlossene Schutzbrillen (Korbbrillen) erforderlich sind, wenn mit Spritzern von allen Seiten zu rechnen ist. Bestimmte Korbbrillen eignen sich auch als Überbrillen bei Personen, die Brillenträger sind. Schutzbrillen müssen der DIN EN 166 "Persönlicher Augenschutz; Anforderungen" entsprechen.
Atemschutz
Partikelfiltrierende Halbmasken (FFP3) können einen wirksamen Schutz gegen luftgetragene Endotoxine und Keime darstellen (vgl. DIN EN 149). Problematisch ist aber, dass die bislang erhältlichen Atemschutzmasken nicht über einen längeren Zeitraum wirksam bleiben, da sie auf Grund des Einflusses von Flüssigkeit (Aerosol) ihre Filterwirkung verlieren. Aus diesem Grund ist nur ein kurzfristiger Einsatz von Atemschutzmasken und ein regelmäßiger Wechsel zu empfehlen (vgl. GUV-R 190, bisher GUV 20.14).
6.5 Arbeitsmedizinische Vorsorge
Richtungsweisend für die Notwendigkeit einer arbeitsmedizinischen Untersuchung bzw. einer durchzuführenden Immunisierung ist die Gefährdungsbeurteilung hinsichtlich der Tätigkeiten mit regelmäßigem und intensivem Kontakt zu Fäkalien und Abwässern, der Exposition gegenüber Aerosolen sowie einem eventuellen Verletzungsrisiko durch gebrauchte Kanülen. Bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen im Abwasserbereich ist eine spezielle arbeitsmedizinische Vorsorge nach den berufsgenossenschaftlichen Grundsätzen für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen G 42 (BGI 504-42) anzubieten.
Hinweise auf konkrete Anlässe für eine arbeitsmedizinische Vorsorge können der TRBA 300 "Arbeitsmedizinische Vorsorge" entnommen werden. Die Grundimmunisierung entsprechend den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut soll im Hinblick auf die relevanten biologischen Arbeitsstoffe in abwassertechnischen Anlagen geprüft werden.
Neben der Infektionsgefährdung müssen mögliche sensibilisierende und toxische Wirkungen in der arbeitsmedizinischen Vorsorge abgedeckt werden.
7 Literatur
Frölich, J.; I. Zeller (1993)
Hepatitis-A-Infektionsrisiko bei den Mitarbeitern einer großen Kläranlagenbetreibergesellschaft.
Arbeitsmed.
Sozialmed.
Umweltmed. 28, 503-505
Hüsing, B.; C. Knorr, K. Menrad, E. Strauß (1995)
Erhebung des Standes der Technik beim nicht beabsichtigten Umgang mit bestimmten biologischen Arbeitsstoffen aus der Sicht des Arbeitsschutzes.
Kap. 8 "Arbeitsplätze in der Abwasserbehandlung". Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz - Forschung - FB 725, 184-220
Leisinger, M.; A. Metzler (1997)
Use of silicea as a carrier to recover and prepare waterborne enteric viruses for detection by RTPCR. Zbl. Hyg. 200, 283-296
Nübling, M. (2000)
Tätigkeitsprofil und berufliches Infektionsrisiko bei Kanalarbeitern unter besonderer Berücksichtigung der Hepatitis A. edition FFAS, Freiburg
Rose, J.B.; C.P. Gebra, N.S. Singh, G.A. Toranzos, B. Keswick (1986)
Isolating viruses from finished water.
J. Am. Water Works Assoc. 78, 56-61
Rumler, R.; F. Papenfuß (2000)
Prävalenz der Hepatitis A bei Kanal- und Rohrleitungsbauern.
Arbeitsmed.
Sozialmed.
Umweltmed. 35, 252-258
Rumler, R.; F. Papenfuß, V. Röttgen (2000)
Seroprävalenz der Hepatitis B bei Kanal- und Rohrleitungsbauern:
Belastungsparameter Beschäftigungsdauer, Abwasserexposition.
Symposium Medical, 24-25
Stein, D. (1998)
Instandhaltung von Kanalisationen, 3. Aufl., Berlin:
Ernst, ISBN 3-433-01315-2
Steinberg, R., Rieger, M.A., Nübling, M., Lohmeyer, M. Hofmann, F. (2000)
Biologische Belastungen in der Abwasserwirtschaft - Messungen von luftgetragenen Bakterien, Schimmelpilzen und Endotoxinen, In: Schäcke, G. und Lüth, P. (Hrsg.): Dokumentationsband über die 40. Jahrestagung der DGAUM in Berlin, 15.-18. Mai 2000, Rindt-Druck, Fulda, 464-467
Statistisches Bundesamt: http://www.gbe-bund.de
Robert-Koch-Institut: http://www.rki.de
8 Anhang
Grundlage für die Aufstellung von in abwassertechnischen Anlagen vorkommenden Krankheitserregern sind Angaben aus der Literatur, die den Kenntnisstand der Wissenschaft berücksichtigen. In Ergänzung zu den im Text besprochenen biologischen Arbeitsstoffen werden hier weitere Mikroorganismen aufgeführt, die ebenfalls ursächlich für verschiedene Infektionserkrankungen sein können.
In den folgenden Tabellen, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, werden die in abwassertechnischen Anlagen relevanten biologischen Arbeitsstoffe aufgeführt, die Krankheiten hervorrufen können und die anhand der EG-Richtlinie 2000/54/EG in Risikogruppen eingeteilt sind. Zudem werden der Aufnahmeweg der Krankheitserreger und - falls bekannt - artspezifische Schutzmaßnahmen beschrieben.
Krankheitserreger im Abwasser (Auswahl)
Erreger | Risikogruppe 1 | Hauptaufnahmeweg(e) | Symptom Erkrankung | Präventive Maßnahmen |
Teil 1: Bakterien | ||||
Escherichia coli | 2 | Mund | Durchfall | Persönliche Hygiene |
Campylobacter jejum, C. coli, C. fetus | 2 | Mund | Durchfall | Persönliche Hygiene |
Yersinia enterocolitica | 2 | Mund | Fieber, Bauchschmerz, Durchfall, Gelenkbeschwerden | Persönliche Hygiene |
Klebsiella pneumoniae | 2 | Atemwege | Nasennebenhöhlenentzündung, Lungenentzündung | Persönliche Hygiene |
Leptospira sp. (L. interrogans) | 2 | Schleimhäute, Haut | Fieber, Gelbsucht, Gehirnhautentzündung, Nierenentzündung, Weilsche Krankheit | Persönliche Hygiene, Handschuhe |
Clostridium tetani | 2 | verletzte Haut | Wundstarrkrampf | Impfung |
Salmonella 2 der Typhus-Gruppe S. typhi | 3 3 | Mund | schwere Allgemeinerkrankung mit Fieber | Persönliche Hygiene, bei Epidemie: Impfung |
S. paratyphi | 2 | |||
Enteritische Salmonellen (S. enteritidis, S. typhimurium, S. infantis) | 2 | Mund | Akuter Brechdurchfall, Fieber | Persönliche Hygiene |
Erreger | Risikogruppe 4 | Hauptaufnahmeweg(e) | Symptom Erkrankung | Präventive Maßnahmen |
Teil 2: Viren | ||||
Rota-Virus | 2 | Mund | Durchfall | Persönliche Hygiene |
Norwalk-Virus | 2 | Mund | Erbrechen, Durchfall | Persönliche Hygiene |
Poliovirus | 2 | Mund | Durchfall, Kinderlähmung, Gehirnhautentzündung | Impfung, persönliche Hygiene |
Hepatitis-A-Virus | 2 | Mund | infektiöse Hepatitis (Gelbsucht) | Impfung, persönliche Hygiene |
Hepatits-B-Virus | 3 5 | Blut oder andere Körperflüssigkeiten | infektiöse Hepatitis (Gelbsucht), chronischer Verlauf möglich | Impfung, Vermeidung von Stichverletzungen |
Adenoviren | 2 | Mund, Atemwege, Schleimhäute | Infektionen der Atemwege, Augenentzündungen | Persönliche Hygiene |
Teil 3: Pilze | ||||
Candida sp.(Ausnahmen: C. albicans,C. tropicalis | 1 2 | Haut | Hauterkrankungen | Hautschutz, persönliche Hygiene |
Aspergillus fumigatus | 2, A | Atemwege | allergische Atemwegserkrankungen | Arbeitsplatzhygiene, Atemschutz |
Teil 4: Protozoen | ||||
Entamoeba sp. | 2 | Mund | Durchfall | Persönliche Hygiene |
Giardia lamblia | 2 | Mund | Appetitlosigkeit, Durchfall, Fieber | Persönliche Hygiene |
Teil 5: Würmer | ||||
Ascaris lumbricoides (Spulwurm) | 2 | Mund | Infektion von Dünndarm, Lunge, Allergien | Persönliche Hygiene |
1 | Einteilung gemäß EG-Richtlinie 2000/54/EG |
2 | Im Fall einer Typhus-Epidemie kann dessen Erreger Bedeutung erlangen. |
3 | Infektionsrisiko für Arbeitnehmer begrenzt, da eine Infizierung über den Luftweg normalerweise nicht erfolgen kann (Richtlinie 2000/54/EG, Anhang 3). |
4 | Einteilung gemäß EG-Richtlinie 2000/54/EG |
5 | Infektionsrisiko für Arbeitnehmer begrenzt, da eine Infizierung über den Luftweg normalerweise nicht erfolgen kann (Richtlinie 2000/54/EG, Anhang 3). |
ENDE |