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DGUV Information 203-077 - Thermische Gefährdung durch Störlichtbögen - Hilfe bei der Auswahl der persönlichen Schutzausrüstung
Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) Information
(Ausgabe 10/2012; 09/2020)
Archiv: 10/2012
bisher:
BGI/GUV-I 5188
Diese DGUV Information soll den Unternehmer darin unterstützen, die geeignete persönliche Schutzausrüstung (Schutzkleidung, Kopf- und Gesichtsschutz, Handschutz) gegen die thermischen Auswirkungen eines Störlichtbogens (PSAgS) auszuwählen.
Personen, die an oder in der Nähe von unter Spannung stehenden Teilen elektrischer Anlagen arbeiten, sind grundsätzlich den Gefährdungen durch Störlichtbögen ausgesetzt. Störlichtbögen sind seltene, aber nicht vollständig ausschließbare Ereignisse im Arbeitsumfeld dieser Personen und fordern deswegen einen zuverlässigen Schutz. Sie entstehen nicht nur bei einem Kurzschluss, sondern sie können auch im Zusammenhang mit der Trennung stromführender Teile (z.B. Einsetzen/Entfernen von Sicherungen unter Last) entstehen.
Bei der Bewertung und Festlegung von Maßnahmen gegen thermische Gefährdungen durch Störlichtbögen ist das TOP-Prinzip anzuwenden. D. h. der Einsatz von personenbezogenen Mitteln (PSAgS) ist nachgeordnet zu technischen und organisatorischen Maßnahmen zu sehen. PSAgS soll das verbleibende Restrisiko nach Anwendung der ergriffenen technischen und organisatorischen Maßnahmen gegen das Auftreten von Störlichtbögen minimieren. |
Ein Lichtbogen kann, je nach elektrischer Netz- und Anlagenkonfiguration, extreme Gefährdungen mit sich bringen:
Jede dieser Auswirkungen kann für sich allein bereits Gesundheit und Leben sich im Umfeld befindender Personen gefährden.
Die gravierendsten Personenrisiken bestehen im Zusammenhang mit den thermischen Lichtbogenwirkungen.
In dieser DGUV Information wird ein PSAgS-Auswahlverfahren angewendet, das auf dem genormten Box-Test-Verfahren nach DIN EN 61482-1-2 (VDE 0682-306-1-2) [11] basiert.
Anmerkung |
Verfahren, die sich auf die Auswahl von PSAgS beziehen, die nach DIN EN 61482-1-1 (VDE 0682-306-1-1) [10] geprüft ist, sind unter anderem bereits in NFPA 70E [14] und IEEE 1584-2018 [15] beschrieben und deshalb nicht Gegenstand dieser DGUV Information. |
Anmerkung |
Eine Übersicht über die Auswahl von PSAgS wird darüber hinaus in der IVSS Leitlinie für die Auswahl von persönlicher Schutzausrüstung gegen thermische Auswirkungen eines Störlichtbogens (2. Ausgabe 2011) [26] gegeben. |
Zur Bewertung der Gefährdung durch elektrische Störlichtbögen und der daraus folgenden Auswahl der erforderlichen PSAgS wird empfohlen, eine Risikobewertung durchzuführen.
Hierbei wird neben der möglichen Schadensschwere auch die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Verletzung durch ein Störlichtbogenereignis berücksichtigt. Kapitel 3 dieser DGUV Information beschreibt eine Vorgehensweise, die im Hinblick auf die thermischen Auswirkungen eines Störlichtbogens angewandt werden kann.
Umfangreiche Beispiele im Anhang 5 sowie Abbildungen von beispielhaften Arbeitsorten in Anhang 6 sollen die Personen, die diese DGUV Information anwenden, bei der Umsetzung der Risikobewertung und des Berechnungsverfahrens unterstützen. Die praktischen Anwendungsregeln zur koordinierten Wahl von PSAgS und Vorsicherung (Anhang 7) zeigen einen Weg auf, anhand der eingesetzten oder gewählten Sicherungen eine geeignete PSAgS zu finden.
1 Anwendungsbereich
Diese DGUV Information ist eine Handlungsanleitung für die Bewertung der möglichen thermischen Gefährdung durch Störlichtbögen bei elektrotechnischen Arbeiten in elektrischen Anlagen. Mit ihr soll dem Unternehmer eine Unterstützung für die Auswahl der notwendigen persönlichen Schutzausrüstung gegen die thermischen Auswirkungen eines Störlichtbogens (PSAgS, bestehend aus z.B. Schutzkleidung, Kopf- und Gesichtsschutz, Handschutz) zur Verfügung gestellt werden.
Diese DGUV Information findet Anwendung bei Arbeiten im Spannungsbereich > AC/DC 50 V, bei denen eine Personengefährdung durch Störlichtbögen besteht.
Vom Anwendungsbereich ausgenommen sind:
Für DC-Systeme bezieht sich der Anwendungsbereich praktisch auf Kurzschlusslichtbögen im Niederspannungsbereich (U ≤ 1500 V DC).
Anmerkung:
Fehlerlichtbögen, die durch Kontaktfehler, Kontakttrennung u. ä. als Längslichtbögen entstehen (z.B. in Photovoltaikanlagen, an Klemmverbindern), sind ausgenommen.
Im Allgemeinen bestehen dabei keine Personengefährdungen (Hautverbrennungen). Bei diesen Lichtbögen können vor allem Brände entstehen; Fehlerlichtbögen können auch Kurzschlüsse mit strom- und leistungsstarken bzw. energiereichen Störlichtbögen (z.B. in Batterieanlagen) nach sich ziehen, bei denen Personengefährdungen entstehen können.
Auf eine PSAgS kann bei Arbeiten in Niederspannungsanlagen verzichtet werden, wenn nicht mit einer thermischen Gefährdung durch Störlichtbögen zu rechnen ist. Dies ist z.B. der Fall:
Andere Gefährdungen, z.B. elektrische Körperdurchströmung oder Partikelflug, können weitere Maßnahmen erfordern.
Im Rahmen der tätigkeitsbezogenen Gefährdungsbeurteilung können ggf. zusätzliche Anforderungen wie elektrostatische Ableitfähigkeit, Hitze- und Flammenschutz, Schutz gegen oberflächliche mechanische Verletzungen etc. an die weitere PSA notwendig werden.
Achtung |
Diese DGUV Information gibt eine Hilfestellung bei der Auswahl der PSAgS sowohl für Arbeiten an Niederspannungs- als auch an Hochspannungsanlagen unterhalb 110 kV AC. |
Beispielhafte Arbeitsplätze:
Diese DGUV Information betrachtet nicht die möglichen Gefährdungen durch weitere Effekte eines Störlichtbogens, z.B. durch Druck, Schall, wegfliegende Teile, Strahlung, geschmolzene Partikel oder Gase.
Sie gilt nicht beim Benutzen von elektrischen Anlagen, die den einschlägigen Richtlinien und Normen entsprechen und für den Gebrauch durch Laien konstruiert und errichtet wurden.
2 Begriffsbestimmungen
Persönliche Schutzausrüstung gegen die thermischen Auswirkungen eines Störlichtbogens PSAgS
Als Persönliche Schutzausrüstung gegen die thermischen Auswirkungen eines Störlichtbogens (PSAgS) gilt jedes Mittel, das dazu bestimmt ist, von einer Person getragen oder gehalten zu werden und das diese Person gegen die thermischen Gefahren eines Störlichtbogens schützen soll.
Arbeiten
Jede Form elektrotechnischer oder nichtelektrotechnischer Tätigkeit, bei der die Möglichkeit einer elektrischen Gefährdung besteht.
Arbeiten unter Spannung AuS
Jede Arbeit, bei der eine Person bewusst mit Körperteilen oder Werkzeugen, Ausrüstungen oder Vorrichtungen unter Spannung stehende Teile berührt oder in die Gefahrenzone nach VDE 0105-100 gelangt.
Arbeiten in der Nähe unter Spannung stehender Teile
Alle Arbeiten, bei denen eine Person mit Körperteilen, Werkzeug oder anderen Gegenständen in die Annäherungszone nach VDE 0105-100 gelangt, ohne die Gefahrenzone nach VDE 0105-100 zu erreichen.
Arbeitsabstand a
Abstand zwischen Störlichtbogen und dem Körper der Person (Oberkörper), der bei Arbeitshandlungen im betrachteten Arbeitsumfeld wirksam wird.
Anmerkung 1 zum Begriff:
Der Arbeitsabstand wird in mm angegeben.
Äquivalente Lichtbogenenergie
Schutzpegel der PSAgS WLBS, der sich bei konkretem Arbeitsabstand a und Transmissionsfaktor kT aus dem Prüfpegel WLBSP ergibt.
Anmerkung 1 zum Begriff:
Die äquivalente Lichtbogenenergie wird in kJ oder kWs angegeben.
Anmerkung 2 zum Begriff:
Die äquivalente Lichtbogenenergie wurde in der Ausgabe 2012 dieser DGUV Information mit WLBä bezeichnet.
Bezogene Lichtbogenleistung kP
Verhältnis der Lichtbogenleistung zur Kurzschlussleistung des elektrischen Netzes am Fehlerort. kP berücksichtigt die physikalischen Größen "Lichtbogenspannung" und "Lichtbogenstrom".
Dauerkurzschlussstrom IkDC
stationärer Wert des Kurzschlussgleichstroms bei metallischem Kurzschluss an der Fehlerstelle.
Anmerkung 1 zum Begriff:
Der Dauerkurzschlussstrom wird in kA angegeben.
Direkte Einwirkenergie Ei0
Je Flächeneinheit einwirkende Wärmeenergie, die vom Störlichtbogen direkt ausgeht.
Anmerkung 1 zum Begriff:
Die direkte Einwirkenergie wird in kJ/m 2 oder kWs/m 2 (cal/cm 2 angegeben. 1
Durchgangsenergie Eit
Einwirkenergie, die bei der Lichtbogeneinwirkung die PSAgS durchdringt; Anteil der direkten Einwirkenergie.
Anmerkung 1 zum Begriff:
Die direkte Einwirkenergie wird in kJ/m 2 oder kWs/m 2 (cal/cm 2 angegeben. 1
Einwirkenergie Ei
Wärmeenergie (Gesamtwärmemenge), die durch einen elektrischen Lichtbogen in einem Wirkabstand auf einer exponierten Oberfläche wirksam wird.
Anmerkung 1 zum Begriff:
Die direkte Einwirkenergie wird in kJ/m 2 oder kWs/m 2 (cal/cm 2 angegeben. 1
Elektrische Anlage
Gesamtheit der elektrischen Betriebsmittel zur Erzeugung, Übertragung, Umwandlung, Verteilung und Anwendung elektrischer Energie.
Elektrodenabstand d
Abstand zwischen den Lichtbogenelektroden.
Anmerkung 1 zum Begriff:
Der Elektrodenabstand wird in mm angegeben.
Kurzschlussdauer tk
Zeitdauer des Kurzschlusses.
Anmerkung 1 zum Begriff:
Die Kurzschlussdauer wird in s angegeben.
Kurzschlussleistung Pk (DC-Bereich) bzw. S''k (AC-Bereich)
Fiktive Größe, berechnet als Produkt aus prospektivem Kurzschlussstrom an einer Stelle des Netzes und der Nennspannung (bzw. vereinbarten Versorgungsspannung) des Netzes.
Für Drehstromsysteme ist ein Faktor √3 zu berücksichtigen; der Kurzschlussstrom entspricht dem dreipoligen Anfangs-Kurzschlusswechselstrom I''k (VDE 0102 [8]).
Anmerkung 1 zum Begriff:
Die Kurzschlussleistung wird in kVA (AC), kW (DC) angegeben.
Lichtbogendauer tLB
Zeitdauer des Störlichtbogens.
Anmerkung 1 zum Begriff:
Die Lichtbogendauer wird in s angegeben.
Lichtbogenenergie WLBS
Elektrische Energie, die dem Lichtbogen zugeführt und im Lichtbogen umgesetzt wird.
Anmerkung 1 zum Begriff:
Die Lichtbogenenergie wird berechnet als die Summe (Integral) über das Produkt aus Momentanwert der Lichtbogenspannung, Momentanwert des Lichtbogenstroms und Zeitdifferential, gebildet über die Lichtbogendauer.
Der Lichtbogen ist in Drehstromsystemen im Allgemeinen ein mehrpoliger (meist dreipoliger) Fehler; die Lichtbogenenergie ist hier die Gesamtenergie aller beteiligten Lichtbögen.
Anmerkung 2 zum Begriff:
Die Lichtbogenenergie wird in kJ oder kWs angegeben.
Lichtbogenkurzschlussstrom IkLB
Strom, der während der Lichtbogendauer an der Fehlerstelle tatsachlich (durch den Lichtbogen) fließt.
Anmerkung 1 zum Begriff:
Der Lichtbogenkurzschlussstrom wird als mittlerer Effektivwert über die Kurzschlussdauer (AC) bzw. Mittelwert über die quasistationäre Kurzschlussphase (DC) bestimmt.
Anmerkung 2 zum Begriff:
Der Lichtbogenkurzschlussstrom wird in kA angegeben.
Lichtbogenleistung PLB
Wirkleistung, die im Lichtbogen umgesetzt wird; Produkt aus Lichtbogenstrom und Lichtbogenspannung.
Anmerkung 1 zum Begriff:
Die Lichtbogenleistung wird in kW angegeben.
Material
Textilien oder andere Materialien, aus denen die PSAgS hergestellt ist, welche aus einer Lage oder mehreren Lagen bestehen können.
Prospektiver Kurzschlussstrom
Zu erwartender Strom, der fließt, wenn die Fehlerstelle durch einen Leiter mit vernachlässigbarer Impedanz kurzgeschlossen ist (metallischer Kurzschluss der Stromversorgung).
Anmerkung 1 zum Begriff:
Der Prospektive Kurzschlussstrom wird in kA angegeben.
Anmerkung 2 zum Begriff:
Es gibt generell einen Unterschied zwischen dem tatsächlichen Lichtbogenkurzschlussstrom und dem prospektiven Kurzschlussstrom.
Der tatsächliche Lichtbogenkurzschlussstrom, der während der Lichtbogendauer fließt, ist geringer und schwankt infolge der nichtlinearen Lichtbogenimpedanz, die sich zeitlich unbestimmt ändert.
Prüfpegel WLBSP
Elektrische Lichtbogenenergie, die bei einer Prüfung im Box-Test (VDE 0682-306-1-2 [11]) in einer der beiden Störlichtbogenprüfklassen eingestellt ist und zu einer direkten Einwirkenergie Ei0P führt.
Anmerkung 1 zum Begriff:
Der Prüfpegel wird in kJ oder kWs angegeben.
Prüfstrom IAPC
Prospektiver Kurzschlussstrom des elektrischen Prüfstromkreises (zu erwartender Strom), der zum Einstellen einer Prüfklasse im Box-Test-Verfahren verwendet wird; Effektivwert (symmetrische Wechselstromkomponente).
Anmerkung 1 zum Begriff:
Der Prüfstrom wird in kA angegeben.
Restrisiko
Verbleibendes Risiko einer Personenverletzung durch Störlichtbogeneinwirkung - nach Anwendung der jeweils getroffenen Maßnahmen gegen das Auftreten oder die Auswirkungen von Störlichtbögen.
Das Restrisiko ergibt sich aus der Kombination von
jeweils nach Berücksichtigung der getroffenen Maßnahmen.
R/X-Verhältnis
Verhältnis des ohmschen Widerstands zum induktiven Blindwiderstand des elektrischen Kurzschlussstromkreises.
Schutzpegel der PSAgS WLBSS
Lichtbogenenergiepegel, bis zu welchem die PSAgS Schutz vor den thermischen Wirkungen eines Störlichtbogens bietet; Kennwert der PSAgS bei gegebenem Transmissionsfaktor kT und Arbeitsabstand a; entspricht der äquivalenten Lichtbogenenergie.
Anmerkung 1 zum Begriff:
Der Schutzpegel wird in kJ oder kWs angegeben.
Stoll-Kurve
Zusammenhang zwischen thermischer Einwirkenergie und Expositionszeit, der aus Daten für das Toleranzverhalten der menschlichen Haut bei Hitzeeinwirkung abgeleitet ist und die Grenzen für das Entstehen von Hautverbrennungen zweiten Grades angibt.
Strombegrenzungsfaktor kB
Verhältnis zwischen tatsächlichem Lichtbogenkurzschlussstrom und prospektivem Kurzschlussstrom.
Störlichtbogen
Fehlerhafte Verbindung zwischen leitfähigen Teilen unterschiedlichen Potentials einer elektrischen Anlage in Form einer selbstständigen Gasentladung.
Anmerkung 1 zum Begriff:
In dieser DGUV Information wird der Störlichtbogen als unerwünschtes Fehlerereignis im Falle eines Kurzschlusses betrachtet.
Störlichtbogenschutzklasse APC
Kategorie der thermischen Schutzwirkung von PSAgS gegen die thermischen Wirkungen eines Störlichtbogens, die im Box-Test (nach VDE 0682-306-1-2 [11]) geprüft ist. Die Klassen (APC: Arc Protection Class) sind durch energetische Prüfpegel (WLBSP und Ei0P) charakterisiert.
TOP Prinzip
Das TOP-Prinzip bestimmt die Rangfolge der vom Unternehmer zu treffenden Maßnahmen zum Schutz vor Gefährdungen der Beschäftigten: erst technische, dann organisatorische und zuletzt persönliche Maßnahmen.
Transmissionsfaktor kT
Faktor, der die räumliche Ausbreitung der thermischen Auswirkungen des Lichtbogens im Arbeitsumfeld beschreibt.
Er wird durch die Geometrieverhältnisse der Anlage am Arbeitsort bestimmt.
Transmissions- und Expositionsbedingungen
Gesamtheit der Einflüsse auf die Wärmeübertragung durch einen Störlichtbogen.
Anfangs-Kurzschlusswechselstrom I''k
Effektivwert der Wechselstromkomponente des Kurzschlussstroms zu Beginn des Kurzschlusses in einem Wechselstrom- oder Drehstromsystem (AC-System) bei metallischem Kurzschluss.
Anmerkung 1 zum Begriff:
Der Anfangs-Kurzschlusswechselstrom wird in kA angegeben.
Anmerkung 2 zum Begriff:
In der standardisierten Kurzschlussstromberechnung wird ein maximaler Wert I''kmax und ein minimaler Wert I''kmin des Anfangs-Kurzschlusswechselstroms bestimmt.
Netznennspannung UNn
Spannung zwischen den Leitern, für die ein Netz bestimmt ist, durch die das Netz bezeichnet oder identifiziert wird und auf die sich bestimmte Betriebseigenschaften beziehen.
Anmerkung 1 zum Begriff:
Die Netznennspannung wird in V angegeben.
Lichtbogenspannung ULB
Mittelwert der Spannung über einem Störlichtbogen, die sich zwischen den Elektroden (Leitern) einstellt.
Anmerkung 1 zum Begriff:
Die Lichtbogenspannung wird in V angegeben.
Zeitkonstante τ
Maß für die Reaktionszeit des Stromes bei Änderung der Spannung in Abhängigkeit von Verhältnis L/R des Stromkreises.
Anmerkung 1 zum Begriff:
Die Zeitkonstante wird in ms angegeben.
Grenzenergie WLBSmin
Grenzwert der Lichtbogenenergie (50 kJ) bei dessen Überschreitung die Nutzung von PSAgS erforderlich ist.
Tabelle 2-1: Symbole und Einheiten
Symbole | Einheiten | |
a | Arbeitsabstand | mm |
d | Elektrodenabstand | mm |
Ei | Einwirkenergie | kJ/m 2 oder kWs/m 2 + cal/cm 2 |
Ei0 | direkte Einwirkenergie | kJ/m 2 oder kWs/m 2 (cal/cm2) |
Eit | Durchgangsenergie | kJ/m 2 oder kWs/m 2 (cal/cm 2 |
IAPC | Prüfstrom | kA |
Ik | Anfangs-Kurzschlusswechselstrom | kA |
IkDC | Dauerkurzschlussstrom DC | kA |
IkLB | Lichtbogenkurzschlussstrom | kA |
kB | Strombegrenzungsfaktor | |
kP | Bezogene Lichtbogenleistung | |
kT | Transmissionsfaktor | |
tk | Kurzschlussdauer | s |
τ | Zeitkonstante | ms |
R/X | Impedanzverhältnis | |
ULB | Lichtbogenspannung | V |
UNn | Netznennspannung | V |
WLB | Lichtbogenenergie | kJ oder kWs |
WLBmin | Grenzenergie | kJ oder kWs |
WLBS | Schutzpegel der PSAgS (äquivalente Lichtbogenenergie) | kJ oder kWs |
WLBP | Prüfpegel | kJ oder kWs |
Pk | Kurzschlussleistung (DC) | kW |
S''k | Kurzschlussleistung (AC) | kVA |
3 Durchführung der Gefährdungsbeurteilung (therm.
Auswirkung durch Störlichtbogen)
3.1 Bewertungsphasen
Im Rahmen der Beurteilung der Arbeitsbedingungen, die vom Unternehmer nach § 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) [2] und DGUV Vorschrift 1 "Grundsätze der Prävention" [3] durchzuführen ist, muss eine Gefährdungsbeurteilung vorgenommen werden.
Eine sinnvolle Vorgehensweise im Hinblick auf die thermischen Auswirkungen eines Störlichtbogens ist in dem Ablaufdiagramm in Abb. 3-1 dargestellt.
Die einzelnen Phasen der Risikobewertung sind:
Phase 1: Besteht prinzipiell die Gefahr der Störlichtbogenexposition von Personen?
Für die konkrete Arbeitssituation wird abgeschätzt, ob mit dem Entstehen eines Störlichtbogens gerechnet werden muss.
Dabei sollten zum Beispiel der Aufbau, der Zustand und das Alter der Anlage, die beabsichtigte Tätigkeit, die Qualifikation der ausführenden Personen und Erfahrungswerte z.B. aus dem eigenen Unternehmen mitberücksichtigt werden.
Kommt man hier zu dem Ergebnis, dass keine Gefahr der Störlichtbogenexposition von Personen besteht, so ist auch keine PSAgS erforderlich.
Phase 2: Erste Bewertung der Störlichtbogenenergie des Tätigkeits- bzw. Arbeitsplatzbereichs.
Ist eine Berechnung erforderlich?
Kann die Entstehung eines Störlichtbogens nicht ausgeschlossen werden, so gibt es Arbeits- oder Tätigkeitsbereiche in denen die zu erwartende Störlichtbogenenergie so gering ist, dass mit keiner Gefährdung durch die thermischen Auswirkungen zu rechnen ist.
Im Anwendungsbereich (Kapitel 1) dieser DGUV Information ist deshalb festgelegt, dass auf eine PSAgS in den folgenden Fällen verzichtet werden kann:
Phase 3: Berechnungsverfahren anwenden:
Lichtbogenenergie WLB, und Schutzpegel der PSAgS WLBS ermitteln!
In dieser Phase wird das in Kapitel 4 beschriebene Berechnungsverfahren zur Auswahl der PSAgS angewandt.
Im Ergebnis sind 4 verschiedene Fälle möglich:
Phase 4: Weitere Maßnahmen zur Reduzierung der Lichtbogenenergie und der Wahrscheinlichkeit von Verletzungen durch Störlichtbögen umsetzen.
Weitere Maßnahmen zur Reduzierung der Lichtbogenenergie und der Wahrscheinlichkeit von Verletzungen durch Störlichtbögen müssen umgesetzt werden.
Abb. 3-1 Ablaufdiagramm Risikobewertung
(Dieses Flussdiagramm ist ebenfalls auf der Ausklappseite des Umschlags abgebildet.)
Hinweise zu möglichen Maßnahmen sind in Kapitel 5 "Hinweise zur praktischen Umsetzung" beschrieben.
Anschließend muss die Gefährdungsbeurteilung ab Phase 3 erneut durchgeführt werden. Sollten keine weiteren Maßnahmen zur Reduzierung der Lichtbogenenergie und der Wahrscheinlichkeit von Verletzungen durch Störlichtbögen mehr möglich sein, muss mit Phase 5 fortgefahren werden.
Phase 5: Eintrittswahrscheinlichkeit und Verletzungsschwere einer Störlichtbogenverletzung nach Anwendung der getroffenen Maßnahmen abschätzen; Restrisiko bewerten und entscheiden (Risikomatrix).
Ist der Schutzpegel WLBS der vorhandenen PSAgS geringer als die in Phase 3 ermittelte Lichtbogenenergie WLB, kann die Gefährdungsbeurteilung um die Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeit einer Personenverletzung erweitert werden.
Damit kann eine Risikoeinschätzung vorgenommen werden.
Ausgangspunkt für die Risikoeinschätzung in der Phase 4 sollte immer die genaue Berechnung der zu erwartenden Lichtbogenenergie in Phase 3 sein, nicht die dort ebenfalls mögliche Worst-Case-Abschätzung auf der Grundlage von Richt- oder Extremwerten. |
Zu bewerten ist dabei das Restrisiko einer Verletzung durch Störlichtbogeneinwirkung nach Anwendung der jeweils getroffenen Maßnahmen gegen das Auftreten oder die Auswirkungen von Störlichtbögen.
Dieses Restrisiko ergibt sich aus der Kombination von
Eine Hilfestellung zur Festlegung der erwarteten Schwere einer Verletzung und der Eintrittswahrscheinlichkeit dieser Verletzung gibt Anhang 4 dieser DGUV Information.
Verwendung der Risikomatrix
Bei Anwendung der Risikomatrix (Abb. 3-2) sind die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Verletzung und die Schwere einer möglichen Verletzung durch Störlichtbogeneinwirkung - jeweils nach Berücksichtigung der getroffenen Maßnahmen - einzusetzen.
Entsprechend dem Ablaufdiagramm Risikobeurteilung (Abb. 3-1) sind bei Einstufung in die Kategorie "Rot" weitere Maßnahmen (Phase 4) zu treffen und zu bewerten oder die Arbeiten dürfen nur im freigeschalteten Zustand aller relevanten Anlagenteile durchgeführt werden. Benachbarte unter Spannung stehende Anlagenteile sind abzudecken oder abzuschranken.
Abb. 3-2 Risikomatrix: Verletzungsrisiko nach Anwendung der getroffenen Maßnahmen
3.2 Einzelfallbewertung
In der Einzelfallbewertung muss die konkrete Situation betrachtet werden. Es sind weitere Randbedingungen (z.B. Ergonomie, Akzeptanz) zu berücksichtigen und mögliche/sinnvolle technische und organisatorische Maßnahmen zu ergreifen, um so zum Beispiel folgende Festlegungen treffen zu können:
4 Verfahren zur Auswahl von PSAgS
4.1 Übersicht über das Abschätzungsverfahren
Im ersten Schritt wird die Lichtbogenenergie WLB, die im Fehlerfall an der Arbeitsstelle umgesetzt wird, abgeschätzt. Dann wird diese unter Berücksichtigung der Geometrie der Anlage und des Arbeitsabstandes mit dem Schutzpegel (äquivalente Lichtbogenenergie) WLBS, bis zu der die PSAgS einen Schutz bietet, verglichen.
Im Abschnitt 4.2 wird das Abschätzungsverfahren für AC-Anlagen beschrieben. Die Vorgehensweise aus 4.2 ist in übertragenem Sinne als Abschätzungsverfahren auch für DC-Anlagen anwendbar. Es bestehen jedoch Besonderheiten, die speziell für DC-Systeme zutreffen und im Abschnitt 4.3 beschrieben werden.
4.2 Abschätzungsverfahren für AC-Anlagen
4.2.1 Parameter der Arbeitsumgebung
Die Arbeitsumgebung der elektrischen Anlage ist durch folgende Parameter gekennzeichnet:
Tabelle 4-1: Parameter der Arbeitsumgebung
Arbeitsumgebung | ||||
Überstromschutzeinrichtungen | Elektrisches Netz | Elektrische Anlage | ||
tk | UNn R/X | S''k | d |
4.2.2 Ermittlung der Lichtbogenenergie der Anlage im Fehlerfall
Abb. 4-2 Ermittlung der elektrischen Lichtbogenenergie
Der tatsächliche Lichtbogenkurzschlussstrom IkLB in der Niederspannung ist durch die begrenzenden Eigenschaften des Störlichtbogens deutlich geringer, als der berechnete Kurzschlussstrom I''k3 der Anlage (hierbei ist vom minimalen Wert des dreipoligen Anfangs-Kurzschlusswechselstroms auszugehen). Prinzipiell gilt der Zusammenhang:
IkLB = kB*I''k3 min (siehe auch A 3.4.2)
Der Strombegrenzungsfaktor kB lässt sich nicht exakt bestimmen und kann z.B. aus einem Diagramm in [21] ermittelt werden. Für Richtwerte siehe Tabelle 4-2.
Im Bereich > 1 kV ist die begrenzende Eigenschaft des Störlichtbogens zu vernachlässigen. Hier gilt: kB = 1.
Abb. 4-1 Kenngrößen der elektrischen Anlage
Im Niederspannungs-Bereich liegt man im Allgemeinen im sicheren Bereich, wenn man von einer Strombegrenzung von 50 % ausgeht und mit diesem reduzierten Strom die Ausschaltzeit aus der Schutzkennlinie bestimmt. Der Strombegrenzungsfaktor beträgt dann kB = 0,5; es folgt IkLB = 0,5-I''k3,min
Die Kurzschlussdauer tk, die ebenfalls die Lichtbogendauer tLB ist, wird nun mit Hilfe der Kennlinie der Überstromschutzeinrichtung und dem ermittelten Lichtbogenkurzschlussstrom IkLB ermittelt (siehe auch A 3.4.3).
Die Ausschaltzeit wird mit Hilfe des minimalen dreipoligen Kurzschlussstromes Ik3,min bestimmt (Worst-Case-Betrachtung) (siehe Abb. 4-3).
Bei Kurzschlussdauern über 1 s kann ggfs. davon ausgegangen werden, dass die Person sich aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich zurückziehen kann und deshalb längere Zeiten nicht berücksichtigt werden brauchen. Dies gilt nicht, wenn das Arbeitsumfeld ein Entfernen der Person verhindert oder einschränkt (z.B. Arbeiten in engen Kabelgräben oder -kanälen, schmalen Arbeitsgängen, Arbeiten auf Leitern oder Hebeeinrichtungen). |
Die Lichtbogenenergie WLB wird durch die Lichtbogenleistung PLB und die Lichtbogendauer tLB bestimmt, die der Kurzschlussdauer tk bis zum Ausschalten durch die Überstromschutzeinrichtung entspricht:
WLB = PLB*tLB
Die Lichtbogenleistung PLB ist von der Art der Lichtbogenausbildung und der Geometrie der unter Spannung stehenden Teile am Fehlerort abhängig. Sie wird mit Hilfe der bezogenen Lichtbogenleistung kP aus der Kurzschlussleistung S''k mit der Gleichung PLB = kP * S''k bestimmt.
Die bezogene Lichtbogenleistung kP lässt sich unter Berücksichtigung des wirksamen Elektrodenabstandes d (Leiterabstand der Anlage) z.B. nach "Schau, H.; Halinka. A.; Winkler, W.: Elektrische Schutzeinrichtungen in Industrienetzen und -anlagen" [21] ermitteln. Richtwerte zu kP sind in Tabelle A 3-2 im Anhang 3 angegeben.
Tabelle 4-2: Richtwerte des Strombegrenzungsfaktors für eine Worst-Case-Berechnung
Spannungsbereich | Strombegrenzungsfaktor (Richtwerte) kB |
Niederspannung | 0,5 |
Mittel- und Hochspannung | 1,0 |
Somit ergibt sich generell für die Abschätzung der Lichtbogenenergie im Fehlerfall der Zusammenhang:
Mit der Kurzschlussleistung folgt
Für Worst-Case-Betrachtungen kann kP durch den maximalen Wert kPmax ersetzt werden:
Der maßgebliche Kurzschlussstrom I''k3 ist der prospektive dreipolige Kurzschlussstrom am Arbeitsort (Fehlerort). Er ist das Ergebnis einer Kurzschlussstromberechnung (siehe Anhang A 3.4.2 und VDE 0102); dabei ist vom maximalen Wert des dreipoligen Anfangs-Kurzschlusswechselstroms auszugehen.
Die Brenndauer des Lichtbogens tLB entspricht der Kurzschlussdauer tk und wird durch die Überstromschutzeinrichtungen bestimmt. Die Kurzschlussdauer kann im Allgemeinen aus Selektivitätsberechnungen und/oder den Ausschalt-Kennlinien (Strom-Zeit-Kennlinien) der Hersteller der Überstromschutzeinrichtungen entnommen werden.
4.2.3 Ermittlung des Schutzpegels der PSAgS für die Arbeitssituation
Der Schutzpegel der PSAgS WLBS wird bestimmt durch den Prüfpegel der PSAgS, durch den Arbeitsabstand a und die Geometrie der Anlage (Faktor kT ) (siehe Abb. 4-4).
Der Arbeitsabstand a ist der Abstand zwischen Störlichtbogen und dem Körper der Person (Oberkörper), der bei Arbeitshandlungen im betrachteten Arbeitsumfeld wirksam wird oder auch einzuhalten ist. Bei unterschiedlichen Handlungen in einem Arbeitsumfeld ist der geringste entstehende Abstand anzusetzen.
Abb. 4-3 Beispiel zur Ermittlung der Abschaltzeit der Überstromschutzeinrichtung
Abb. 4-4 Ermittlung des Schutzpegels
Man kann davon ausgehen, dass bei Arbeiten der Abstand von a = 300 mm zum Oberkörper einer Person nicht unterschritten wird.
Abweichende Abstände für PSAgS für andere Körperpartien (z.B. Kopf, Beine) können berücksichtigt werden.
Typische Werte sind im Anhang A 3.4.5, Tabelle A 3-3 genannt.
Der Schutz der Hände ist nur begrenzt möglich. Wenn sich die Hände direkt in der unmittelbaren Nähe des Störlichtbogens befinden, kann keine Aussage über den Schutz der Hände getroffen werden. Erfahrungen aus dem Unfallgeschehen zeigen jedoch, dass Verbrennungen der Hände immer dann zu beklagen sind, wenn keine Handschuhe getragen wurden. Im Fehlerfall werden die Hände in der Regel reflexartig zurückgezogen. Es werden Handschuhe empfohlen, die störlichtbogengeprüft sind. |
Der Transmissionsfaktor kT berücksichtigt die geometrische Anlagenkonfiguration der elektrischen Anlage und beschreibt die räumliche Ausbreitung der thermischen Auswirkungen des Lichtbogens im Raum.
Bei kleinräumigen Anlagen findet eine gerichtete Ausbreitung der thermischen Auswirkungen des Lichtbogens statt. Je offener und großräumiger die Anlage ist, desto ungerichteter ist die Ausbreitung der thermischen Auswirkungen des Lichtbogens (siehe Abb. 4-5).
Beispielhafte Abbildungen von realen Anlagensituationen sind in Anhang 6 dargestellt.
Das Prüfverfahren zum Nachweis der thermischen Auswirkungen eines Störlichtbogens ist in Abschnitt A 2.2 ausführlich beschrieben.
Abb. 4-5 Richtwerte für Transmissionsfaktoren für verschiedene Anlagenverhältnisse
Im Prüfverfahren werden zwei Störlichtbogenschutzklassen APC (Arc Protection Classes) unterschieden, die die Schutzwirkung der PSAgS gegenüber den thermischen Auswirkungen von Lichtbögen festlegen. Diese beiden Störlichtbogenschutzklassen werden mit Lichtbögen mit den nachfolgenden Lichtbogenenergien (Prüfpegel) und Verwendung des im Prüfverfahren beschriebenen Prüfaufbaues nachgewiesen.
Störlichtbogenschutzklasse APC 1 WLBP_APC1 = 168 kJ
Störlichtbogenschutzklasse APC 2 WLBP_APC2 = 320 kJ
Aus der elektrischen Lichtbogenenergie der Prüfklasse WLBP lässt sich für einen beliebigen Arbeitsabstand a (≥300 mm) mit der nachfolgenden Formel eine äquivalente Lichtbogenenergie WLBS ermitteln.
Das ist der Schutzpegel WLBS, bei dem der Schutz durch die PSAgS bei dem betreffenden Abstand a noch gegeben ist. 2 Außerdem lässt sich die Anlagenkonfiguration mit dem Faktor kT berücksichtigen.
Allgemein gilt ausgehend vom Prüfverfahren des Boxtests
Anmerkung:
Die Formel ist nur gültig für die Berechnung und Auswahl von PSAgS, die unter Normbedingungen (IEC 6148212) geprüft wurden (a = 300 mm, APC 1 bzw. 2).
4.2.4 Auswahl der PSAgS
Sofern der Erwartungswert der elektrischen Lichtbogenenergie WLB den Wert 50 kJ nicht unterschreitet ist ausgehend vom Schutzpegel WLBS für die Wahl der Störlichtbogenschutzklasse der PSAgS (Boxtest nach IEC 61482-1-2) die Relation zum Erwartungswert der elektrischen Lichtbogenenergie WLB zu betrachten.
Die thermischen Gefahren eines Störlichtbogens sind abgedeckt, wenn
WLB ≤ WLBS gilt.
Von dieser Relation ausgehend lassen sich mit den oben genannten Bestimmungsgrößen und -gleichungen auch die Grenzen für die Anwendbarkeit der PSAgS einer gewählten Störlichtbogenschutzklasse hinsichtlich
ermitteln (siehe auch Anhang 7).
Eine Zusammenfassung der Abschätzungsverfahren für AC-Anlagen zeigt Abb. 4-6
Abb. 4-6 Zusammenfassung Abschätzungsverfahren für AC-Anlagen
4.3 Abschätzungsverfahren für DC-Anlagen
4.3.1 Allgemeines Berechnungsverfahren
Die nachfolgenden Aussagen gelten für Niederspannungs-Gleichstromanlagen (LVDC).
Anmerkung:
Der Algorithmus gilt insbesondere für Gleichstromkreise, in denen sich quasistationäre Kurzschlussstromverhältnisse einstellen und/oder die Kurzschlussdauer deutlich größer als die Zeitkonstante des DC-Kreises τ = L/R ist. Fälle großer Zeitkonstanten und geringen Kurzschlussdauern sind durch die Berechnungsgrundlagen mit abgedeckt; die Ergebnisse besitzen dann jedoch u. U. größere Sicherheitsreserven.
Die Arbeitsumgebung ist in Gleichspannungsanlagen durch die elektrischen Parameter
UNn | Nennspannung des DC-Systems (Netzes) |
RN | ohmscher Gesamtwiderstand des DC-Systems |
Pk | Kurzschlussleistung des DC-Systems (Fehlerstelle) |
sowie | |
d | Elektrodenabstand in der DC-Anlage |
tk | Ausschaltzeit der vorgeordneten Überstromschutzeinrichtung (Kurzschlussdauer) |
gekennzeichnet. Der ohmsche Widerstand des DC-Netzes setzt sich aus dem Innenwiderstand der DC-Quelle (Gleichrichter mit vorgeordnetem AC-Netz, Wechselrichter, Batterie), den Leitungswiderständen und dem Widerstand weiterer Elemente des DC-Kreises (z.B. Drosseln etc.) zusammen.
Die Kurzschlussleistung des DC-Systems Pk ergibt sich aus der Nennspannung der DC-Quelle und dem Dauerkurzschlussstrom IkDC (stationärer Wert des Kurzschlussgleichstroms bei metallischem Kurzschluss an der Fehlerstelle):
Anmerkung:
Als Dauerkurzschlussstrom bei Gleichrichter gespeisten DC-Systemen ist der arithmetische Mittelwert des Stroms nach Abklingen des Ausgleichsvorgangs anzusehen.
Der Lichtbogenkurzschlussstrom IkLB, der Strombegrenzungsfaktor kB und die Lichtbogenleistung PLB werden iterativ aus der Approximation der Strom-Spannungs-Charakteristik
mit Hilfe des Elektrodenabstands d bestimmt (die Gleichung gilt für die Lichtbogenspannung in V, den Lichtbogenkurzschlussstrom IkLB in A und den Elektrodenabstand d in mm). Für die Iteration gilt allgemein die Rekursionsvorschrift (i und i+1 sind aufeinander folgende Iterationsschritte):
Mit Vorgabe eines Anfangswerts mit IkLB(0) wird diese Iteration bis zu einem festgelegten Abbruchkriterium vorgenommen werden.
Für die Lichtbogenleistung gilt
Anmerkung:
Zweckmäßigerweise geht man von einem Anfangswert IkLB(0)
= 0,5 IkDC aus. Die Iteration wird abgebrochen, wenn eine festgelegte Abweichung der Ergebnisse zweier aufeinanderfolgender Iterationsschritte (z.B. 0,5 %) unterschritten wird.
Die bezogene Lichtbogenleistung lässt sich aus
ableiten.
Ausgehend von der Lichtbogenleistung bzw. bezogenen Lichtbogenleistung wird der Erwartungswert der Lichtbogenenergie nach
berechnet. Die Lichtbogendauer tLB bzw. Kurzschlussdauer tk wird aus den Schutzeinstellungen bzw. Schutzgeräte-Kennlinien in Analogie zum AC-Verfahren auf der Grundlage des Lichtbogenkurzschlussstroms IkLB bestimmt.
Anmerkung:
Bei der Bestimmung der Kurzschlussdauer aus Kennlinienangaben von Herstellern (z.B. Sicherungen) ist ggfs. die Zeitkonstante L/R des DC-Systems zu beachten.
Die Schutzpegel der PSAgS werden in Analogie zur Verfahrensweise für AC-Anlagen (Abschnitt 4.2.3) ermittelt und bewertet.
4.3.2 Grobabschätzung anhand von Richtwerten (Worst-Case-Betrachtung)
Für sehr grobe Einschätzungen der Lichtbogenleistung kann im DC-Bereich der Richtwert kPmax = 0,25 angewendet werden:
Die Anwendung des Iterationsverfahrens ist dann nicht erforderlich.
Für den Niederspannungsbereich liegt man auch bei DC-Systemen meist auf der sicheren Seite, wenn man als Richtwert für den Strombegrenzungsfaktor kB = 0,5 ansetzt.
5 Hinweise zur praktischen Umsetzung
Zur Unterstützung in der Anwendung des Verfahrens wurden Arbeitsblätter (Excel) entwickelt. Diese sind im Downloadbereich der Internetseite des Sachgebietes Elektrotechnik und Feinmechanik der DGUV bereitgestellt (www.dguv.de; Webcode: d1183022). |
Folgende alternative Schritte können bei der Anwendung des Berechnungsverfahrens genutzt werden, um exaktere Ergebnisse zu erzielen.
Ergibt die Anwendung der Gefährdungsbeurteilung in Phase 3, dass die Schutzwirkung der gewählten PSAgS für das betrachtete Arbeitsverfahren nicht ausreichend ist, können in Phase 4 zum Beispiel nachfolgende Maßnahmen näher betrachtet werden:
Bei der praktischen Anwendung der PSAgS müssen folgende Randbedingungen beachtet werden:
Achtung |
Ergibt die Gefährdungsbeurteilung, dass das Restrisiko zu hoch ist (roter Bereich) und keine weiteren Maßnahmen erfolgen können, darf so an der Anlage nicht gearbeitet werden. Die Anlage muss freigeschaltet werden. |
Vorschriften, Regeln, Literatur | Anhang 1 |
A 1.1 EU-Richtlinien und Verordnungen
[1] VERORDNUNG (EU) 2016/425 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 9. März 2016 über persönliche Schutzausrüstungen und zur Aufhebung der Richtlinie 89/686/EWG des Rates
A 1.2 Vorschriften, Regeln und Informationen für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit
[2] Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)
[3] DGUV Vorschrift 1 "Grundsätze der Prävention"
[4] DGUV Vorschrift 3 und 4 "Elektrische Anlagen und Betriebsmittel"
A 1.3 Normen/VDE-Bestimmungen
Bezugsquelle:
Beuth-Verlag GmbH, Burggrafenstraße 6, 10787 Berlin
und VDE-Verlag, Bismarckstraße 33, 10625 Berlin
[5] DIN EN ISO 14116: Schutzkleidung - Schutz gegen Hitze und Flammen - Materialien, Materialkombinationen und Kleidung mit begrenzter Flammenausbreitung (2015-11).
[6] prENV 50354: Störlichtbogenprüfverfahren für Materialien und Kleidungsstücke für Anwender, die einer Störlichtbogengefährdung ausgesetzt sind (2000).
[7] DIN EN 31010 (VDE 0050-1): Risikomanagement - Verfahren zur Risikobeurteilung (2010-11)
[8] DIN EN 60909 (VDE 0102): Kurzschlussströme in Drehstromnetzen - Teil 0: Berechnung der Ströme (2016-12)
[9] DIN EN 61660-1 (VDE 0102-10) Kurzschlussströme - Kurzschlussströme in Gleichstrom-Eigenbedarfsanlagen in Kraftwerken und Schaltanlagen - Teil 1: Berechnung der Kurzschlussströme (1998-06)
[10] DIN EN 61482-1-1 (VDE 0682-306-1-1): Arbeiten unter Spannung - Schutzkleidung gegen thermische Gefahren eines Lichtbogens - Teil 1-1: Prüfverfahren - Verfahren 1: Bestimmung der Lichtbogen-Kennwerte (ELIM, ATPV und/oder EBT) von Bekleidungsstoffen und Schutzkleidung mithilfe eines offenen Lichtbogens (2020-08).
[11] DIN EN 61482-1-2 (VDE 0682-306-1-2): Arbeiten unter Spannung - Schutzkleidung gegen thermische Gefahren eines elektrischen Lichtbogens - Teil 1-2: Prüfverfahren - Verfahren 2: Bestimmung der Lichtbogen-Schutzklasse des Materials und der Kleidung unter Verwendung eines gerichteten Prüflichtbogens (Box-Test) (2015-08).
[12] IEC 61482-2: Arbeiten unter Spannung - Schutzkleidung gegen die thermischen Gefahren eines Lichtbogens - Teil 2: Anforderungen (2018-05).
[13] RfU CNB/P/03.024: RECOMMENDATION FOR USE "Eye and face protection against electrical arc; additional requirements" (2013-03)
[14] NFPA 70E: Standard for Electrical Safety in the Workplace (2018).
[15] IEEE 1584: Guide for performing arcflash hazard calculations (2018).
[16] ASTM F2178 - 12: Standard Test Method for Determining the Arc Rating and Standard Specification for Face Protective Products.
[17] ASTM F2178 - 17b: Standard Test Method for Determining the Arc Rating and Standard Specification for Eye or Face Protective Products
[18] ASTM F2675/F2675M - 13: Standard Test Method for Determining Arc Ratings of Hand Protective Products Developed and Used for Electrical Arc Flash Protection
[19] IEC 63232-1-1 ED1 Live Working - Hand Protective Devices Against The Thermal Hazards Of An Electric ARC - Part 1-1: Test methods - Method 1: Determination of the arc rating (ELIM, ATPV and/or EBT) of hand protective devices using an open arc; CD 2020
[20] IEC 63232-1-2 ED1 Live Working - Hand Protective Devices Against The Thermal Hazards of an Electric ARC - Part 1-2: Test methods - Method 2: Determination of arc protection class hand protective devices by using a constrained and directed arc (box test); CD 2020
A 1.4 Literatur
[21] Schau, H.; Halinka A.; Winkler, W.: Elektrische Schutzeinrichtungen in Industrienetzen und -anlagen. Hüthig & Pflaum Verlag München/ Heidelberg 2008.
[22] Schau, H.: Schutzausrüstung gegen Störlichtbögen auswählen. Schutz von Personen vor Störlichtbögen. Elektropraktiker, Berlin 69 (2015)1, S. 44-51
[23] GS-ET-29, Zusatzanforderungen für die Prüfung und Zertifizierung von Elektriker-Gesichtsschutz, Stand 2010-02, Prüf- und Zertifizierungsstelle im DGUV Test, www.bgetem.de, Webcode: pruefstelleet.
[24] GS-ET-42-1, Zusatzanforderungen für die Prüfung und Zertifizierung von elektrisch isolierenden Handschuhen mit zusätzlichem Schutz vor den thermischen Auswirkungen eines Störlichtbogens, Stand 201902, Prüf- und Zertifizierungsstelle Elektrotechnik im DGUV Test, www.bgetem.de, Webcode: pruefstelleet
[25] GS-ET-42-2, Zusatzanforderungen für die Prüfung und Zertifizierung von Hitzeschutzhandschuhen mit zusätzlichem Schutz vor den thermischen Auswirkungen eines Störlichtbogens, Stand 2019-02, Prüf- und Zertifizierungsstelle Elektrotechnik im DGUV Test, www.bgetem.de Webcode: pruefstelleet
[26] IVSS Leitlinie für die Auswahl von persönlicher Schutzausrüstung gegen thermische Auswirkungen eines Störlichtbogens (2. Ausgabe 2011)
[27] Machbarkeitsuntersuchung zur Prüfung und Bewertung von Schutzhandschuhen gegen thermische Gefahren von Störlichtbögen (AG: BGFE; AN: STFI/TU Ilmenau), Abschlussbericht STFI v. 30.05.2005
[28] Literatur-Referenz zu Vortragsveranstaltung Elektrotechnik 2018 der BG ETEM
Weitergehende Literaturangaben werden kontinuierlich auf der Internetseite des Sachgebietes Elektrotechnik und Feinmechanik des Fachbereichs ETEM der DGUV (www.dguv.de; Webcode: d1183022) bereitgestellt. |
Normung der PSAgS gegen die thermischen Auswirkungen von Störlichtbögen | Anhang 2 |
A 2.1 Normung für Schutzkleidung
Zur Prüfung und Bewertung der in einem Störfall möglicherweise lebensrettenden Kleidung existiert die Norm IEC 61482-2 [12], die die Anforderungen an Schutzkleidung und -materialien zum Schutz gegen die thermischen Auswirkungen eines Störlichtbogens festlegt. Diese Norm fordert, dass eine Prüfung unter Störlichtbogenbedingungen stets an Materialien und Kleidung durchzuführen ist. Dazu sind international zwei Prüfverfahren normativ beschrieben.
A 2.2 Normung mit Ursprung in Europa für die Prüfung von Schutzkleidung
Der Bereich der Störlichtbogenprüfung von PSAgS in Europa begann in den 1990er Jahren mit ausführlichen Untersuchungen schwerentflammbarer Textilen hinsichtlich ihres möglichen Schutzvermögens gegenüber den thermischen Wirkungen eines elektrischen Störlichtbogens.
Am Beginn der Normungsarbeiten stand der Wunsch, vorerst insbesondere Schutzkleidung zum Einsatz gegen die Wirkungen eines Störlichtbogens sicher und reproduzierbar prüfen und bewerten zu können. Dazu wurde auf Basis eines damals vorliegenden Normenentwurfs prENV 50354 [6] (Störlichtbogenprüfverfahren für Materialien und Kleidungsstücke für Anwender, die einer Störlichtbogengefährdung ausgesetzt sind) begonnen, die Schutzwirkung von textilen Flächen und Erzeugnissen in zwei Störlichtbogenschutzklassen zu untersuchen. Dieses Verfahren benutzte bereits die nur an einer Seite offene Box zur Erzeugung einer gerichteten Lichtbogenexposition auf das in 300 mm Abstand positionierte Prüfmuster einer textilen Fläche oder Jacke.
Abb. A 2-1 Prüfaufbau Box-Test Verfahren
Ebenso definierte dieser Entwurf bereits die Verwendung von Aluminium- und Kupferelektroden, um den realen Gegebenheiten weitmöglichst zu entsprechen. Als Beurteilungskriterien waren enthalten:
Größter Nachteil des Verfahrens war jedoch die fehlende Zielstellung, Aussagen zur tatsächlichen Schutzwirkung gegen die thermischen Auswirkungen eines Störlichtbogens treffen zu wollen. Wie schon aus den Beurteilungskriterien ersichtlich sollte die Methode lediglich bestätigen, dass im Störlichtbogenfall nicht bereits durch die Kleidung schädigende Auswirkungen auf die Person, die diese trägt, zu erwarten sind (z.B. durch Entflammen, Lochbildung etc.). Dementsprechend waren auch keine Beurteilungsmöglichkeiten für das Risiko von Hautverbrennungen enthalten, wie sie bei ungenügender thermischer Isolation der Schutzkleidung auftreten.
Diese sicherheitsrelevante Lücke bei der Prüfung und Bewertung von Schutzkleidung gegen die thermischen Gefahren eines Störlichtbogens wurde 2007 mit der Veröffentlichung des international harmonisierten Standards IEC 61482-1-2 geschlossen. Dieser Prüfstandard wurde auch als DIN EN 61482-1-2 (VDE 0682-306-1-2) [11]) publiziert und 2014 erstmals erfolgreich überarbeitet. Als konsequente Weiterentwicklung der Idee einer gerichteten Störlichtbogenprüfung mittels einer nur in Richtung der Probe geöffneten Prüfbox beinhaltet die Norm die Prüfung von Flächenmaterialien und Erzeugnissen für zwei Schutzklassen, die sich in Größe der Lichtbogen- und der Einwirkenergie unterscheiden.
Die folgende Tabelle A 2-1 gibt einen Überblick zu den relevanten Parametern jeder Prüfklasse.
Tabelle A 2-1: Parameter des Box-Test Verfahrens
Störlichtbogenschutzklasse (Arc Protection Class) | Mittelwert der Lichtbogenenergie Warc [kJ] | Mittelwert der Einwirkenergie [kJ/m 2 ] | Prospektiver Prüfstrom [kA] | Lichtbogenzeit [ms] |
APC 1 | 168 | 146 | 4 | 500 |
APC 2 | 320 | 427 | 7 | 500 |
Die Grundphilosophie des Verfahrens besteht in der objektiven Prüfung und Bewertung des Störlichtbogenschutzes schwerentflammbarer Materialien bzw. Materialkombinationen sowie einer Überprüfung dieser Schutzwirkung am Fertigerzeugnis.
Sowohl die Materialproben als auch die Erzeugnisse werden dabei in einem Abstand von 300 mm zur Lichtbogenachse positioniert, was einem vorstellbaren Arbeitsabstand unter realen Einsatzbedingungen entspricht.
Die Lichtbogenachse wird durch die beiden vertikalen Elektroden definiert, die einen Abstand von 30 mm zueinander aufweisen.
Als Elektrodenmaterial wird dabei Aluminium (oben) und Kupfer (unten) eingesetzt, um auch hier die Praxisbedingungen in einer Anlage so weit wie möglich nachbilden zu können.
Die gewünschte Fokussierung der extremen thermischen Wirkung einer Lichtbogenexposition wird durch die parabolische Form der Prüfbox gewährleistet, welche die Elektrodenanordnung dreiseitig umschließt. Ober- und Unterteil der aus Gips gefertigten Box werden mittels isolierenden Platten verschlossen.
Entsprechend des Prüfstromes der jeweiligen Lichtbogenschutzklasse wird der Lichtbogen in einem Prüfkreis mit der Spannung AC 400 V gezündet und nach einer Brenndauer von 500 ms gelöscht.
Das Boxtestverfahren besitzt eine sehr gute Reproduzierbarkeit. Im Rahmen der Überarbeitung der Prüfnorm wurde auf der Grundlage der ISO 5725-2 ein Vergleichstest, an dem 4 Testlabors in Italien, Spanien und Deutschland beteiligt waren, durchgeführt und ausgewertet. Für das Materialprüfverfahren wurden die Standardabweichungen der Wiederholbarkeit innerhalb eines Labors sr und der Vergleichspräzision SR des Verfahrens (Reproduzierbarkeit bzw. Gesamtstreuung) ermittelt, wie nachfolgende Tabelle A 2-2 zeigt.
Die bewerteten Parameter sind die Kontrollgrößen elektrische Lichtbogenenergie WLBP und direkte Einwirkenergie Ei0P sowie die Differenz Eit - EiSTOLL, die das quantitative Prüfkriterium Durchgangsenergie Eit (in Bezug auf den Grenzwert EiSTOLL für das Einsetzen von Hautverbrennungen 2. Grades, d. h. Blasenbildung der Haut mit oder ohne Narbenbildung) charakterisiert.
Für die Reproduzierbarkeit der Kontrollgrößen ergeben sich Standardabweichungen kleiner 5,3 % für die Lichtbogenenergie und kleiner 11 % für die Einwirkenergie, was angesichts der Stochastik der Lichtbogenvorgänge als sehr gut anzusehen ist.
Im Aufbau des Boxtestverfahrens wird als Probenhalterung für textile Flächen eine Prüfplatte verwendet, in die zwei Kalorimeter zur Messung der Durchgangsenergie integriert sind. Dies ermöglicht eine Messung des Wärmedurchgangs auf die Hautoberfläche (Probenrückseite) und damit eine Aussage zum Risiko von Verbrennungen zweiten Grades im Vergleich zu den Grenzwerten des Stoll/Chianta-Kriteriums. Zusätzlich erfolgt eine visuelle Beurteilung jeder Probe anhand der Kriterien Nachbrennzeit, Lochbildung und Durchschmelzen auf die Innenseite. Fertigerzeugnisse wie Jacken, Mäntel, Parkas, etc. werden auf einem standardisierten Mannequin geprüft. Neben den visuell zu bewertenden Kriterien analog einer Flächenprüfung erfolgt hier zusätzlich noch der Funktionstest des Verschlusssystems der Kleidung. Dies ist erforderlich, da nur ein funktionsfähiger Verschluss ein möglichst schnelles Ablegen der Kleidung nach einem Lichtbogenunfall ermöglicht. Darüber hinaus dient der Erzeugnistest einer Überprüfung ggf. vorhandener Accessoires, wie Reflexstreifen, Logos oder Emblemen hinsichtlich ihrer Störlichtbogenfestigkeit.
Dieser Prüfstandard ist seit Jahren etabliert und dient als Basis zahlreicher Zertifizierungen für Störlichtbogenschutzkleidung im Geltungsbereich der für Europa verbindlichen Verordnung für Persönliche Schutzausrüstung (EU) 2016/425 (vormals: Richtlinie 89/686/EWG) [1].
Tabelle A 2-2: Auswertung des Vergleichstests
Parameter | Störlichtbogen- schutzklasse APC | Wiederholbarkeit
Sr | Reproduzierbarkeit
SR | |
WLBP | 1 | 3,5 kJ | 5,0 kJ | |
2 | 4,0 kJ | 17,1 kJ | ||
Ei0P (Kalibrierungstest) | 1 | 15,7 kJ/m2 | 16,0 kJ/ m2 | |
2 | 22,8 kJ/ m2 | 31,1 kJ/ m2 | ||
Eit - EiStoll | Materialtest, 2 Materialien | 1 | 10,2 kJ/ m2 | 12,0 kJ/ m2 |
Materialtest, 1 Material * | 2 | 14,5 kJ/ m2 | 14,5 kJ/ m2 | |
* 2. Material nicht bewertbar |
Neueste Erkenntnisse zeigen, dass die Lichtbogenschutzklassen auch die Expositionswirkungen in adäquaten Gleichstromsystemen energetisch abbilden.
A 2.3 Normung mit Ursprung in Amerika für die Prüfung von Schutzkleidung
Außerhalb Europas kommt für die Beurteilung des Störlichtbogenschutzes vorwiegend eine andere Prüfmethode zum Einsatz. Hier dominiert die Bestimmung des Lichtbogenkennwertes ATPV (Arc Thermal Performance Value) gemäß IEC 61482-1-1. Dieses auch als DIN EN 61482-1-1 (VDE 0682-306-1-1) [10] publizierte Verfahren erfordert eine Mittelspannungsquelle und basiert auf einem offenen, ungerichteten Lichtbogen zur Exposition von jeweils drei kreisförmig (120 ° Versatz) angeordneten Materialproben. Die Fixierung der textilen Flächenproben erfolgt auf Panels, in denen jeweils zwei Kalorimeter zur Messung der Durchgangsenergie eingebaut sind.
Abb. A 2-2 ATPV-Testaufbau
Zusätzlich verfügt jedes Panel über zwei rechts und links von der Probe angebrachte ungeschützte Kalorimeter, die gleichzeitig die direkte Einwirkenergie aufzeichnen. Im Abstand von 300 mm zu jedem Panel bilden 2 Elektroden aus Edelstahl (Elektrodenabstand 300 mm) das Zentrum des Kreises. Im Gegensatz zum Box-Test Verfahren verfügt die IEC 61482-1-1 nicht über definierte Störlichtbogenschutzklassen. Bei einem Prüfstrom von 8 kA und über Variation der Lichtbogendauer bestimmt die Methode aus einer Menge von mindestens 20 Einzelwerten sowie einem logistischem Regressionsverfahren für jedes schwerentflammbare Material den jeweiligen Lichtbogenkennwert (ATPV oder EBT). Dieser Kennwert repräsentiert eine auf das Material einwirkende Energie, welche mit 50 % Wahrscheinlichkeit zur Überschreitung des Stoll-Grenzwertes (ATPV) bzw. zum Aufbrechen des Materials bis zur Körperoberfläche (EBT) führt.
Beurteilungskriterien für jedes einzelne Prüfmuster sind:
Nach Bestimmung des Kennwertes für das Material erfolgt unter Nutzung der gleichen Lichtbogendauer eine Beständigkeitsprüfung für das Erzeugnis auf einem dafür an Stelle eines Panels montierten Mannequins.
Um eine dem Lichtbogenkennwert entsprechende Einsatzentscheidung für die Kleidung treffen zu können, muss der Anwender die Methoden der Gefährdungsbeurteilung und Risikoabschätzung, z.B. gemäß NFPA 70E (Standard for Electrical Safety in the Workplace) [14] oder IEEE 1584 (Guide for performing arcflash hazard calculations) [15], sicher und erfolgreich anwenden können. Andernfalls lässt sich aus dem Kennwert keine Auswahlempfehlung für Arbeiten in oder in der Nähe von elektrischen Anlagen ableiten.
Ebenso gibt es bislang keine gesicherte Möglichkeit einer Vergleichbarkeit oder Umrechnung zwischen dem ATPV-Wert und dem zur Prüfung und Zertifizierung von Schutzkleidung in Europa hauptsächlich verwendeten Box-Test Verfahren gemäß IEC 61482-1-2.
Das Verfahren gemäß IEC 61482-1-1 ist überarbeitet worden und im Juni 2019 mit Ausgabe 2 erschienen. In Deutschland ist diese Norm als DIN EN 61482-1-1 (VDE 0682-306-1-1:2020-08) [10] veröffentlicht worden. Neben einer Vielzahl technischer Präzisierungen und Änderung ist die Ausgabe 2 maßgeblich durch die Einführung eines weiteren Parameters ELIM (Energielimit) gekennzeichnet. Neben den bekannten Größen ATPV und EBT soll dieser neue Parameter das Problem der 50 %-igen Wahrscheinlichkeit einer Überschreitung des Grenzwertes der thermischen Durchgangsenergie lösen. Dies wird erreicht, indem als Ergebnis nur noch der Mittelwert der drei größten Messwerte direkt unterhalb des als Mixzone bezeichneten Übergangsbereiches betrachtet wird.
Allerdings unterscheiden sich die Kriterien zur Beurteilung des Materials bei Lichtbogenbeschuss insbesondere hinsichtlich Nachbrennzeit und Lochbildung noch immer erheblich vom Box-Test Verfahren. So existiert auch in der überarbeiteten Fassung der IEC 61482-1-1 kein Limit für die Nachbrennzeit eines durch die Lichtbogeneinwirkung entzündeten Materials. Setzt der Box-Test diesem als kritisch zu bewertenden Materialverhalten mit maximal 5 Sekunden Nachbrennzeit klare Grenzen, findet sich in der IEC 61482-1-1 keine entsprechende Festlegung. Auch die Definition eines Loches (Materialdurchbruch durch alle Lagen) ist mit 25 mm fünfmal größer als im Box-Test. Hier zeigt sich die unterschiedliche Herangehensweise zwischen europäischen Prüf- und Bewertungsstandards entwickelt für gesetzliche geregelte PSA (gemäß PSA-Verordnung) und dem überwiegend amerikanisch dominierten Ansatz der Störlichtbogenprüfung und -bewertung.
A 2.4 Normung für andere PSAgS-Arten
National wie international arbeiten Fachleute der Standardisierungsgremien an der Normung weiterer PSAgS-Arten, hier vor allen an Ausrüstung zum Schutz von Kopf, Gesicht, Augen und Händen. Allen diesen Arbeiten ist gemein, dass sie weitmöglichst auf den bereits international genormten Prüfgrundlagen Box-Test oder Open-Arc-Test für Schutzkleidung aufbauen. Dem Anwender kann damit eine weitestgehend vollständige Schutzausrüstung zur Verfügung gestellt werden, deren Störlichtbogenschutz jeweils nach gleichen Grundsätzen geprüft und beurteilt wurde.
A 2.4.1 Normung mit Ursprung in Europa
A 2.4.1.1 Kopf, Augen und Gesichtsschutz
Die europäische Grundnorm für Augen- und Gesichtsschutz ist die EN 166 in deren Abschnitt 7.2.7 "Schutz gegen Störlichtbogen" jedoch nur Anforderungen beschrieben sind, die aus Versuchsreihen mit verschiedenen Werkstoffen im Störlichtbogen mit anschließender visueller Prüfung abgeleitet wurden. Dabei ist man davon ausgegangen, dass eine PSAgS für Augen und Gesicht, die bei einem Störlichtbogenversuch nicht schmilzt, brennt oder andere schwerwiegende Schädigungen zeigt, auch den Träger dieser PSAgS ausreichend schützt. Spätere Versuche mit Sensoren, die hinter dem entsprechenden Gesichtsschutz angebracht wurden, haben jedoch belegt, dass diese Vermutung nicht gerechtfertigt war. Denn, je nach Material und Design der Gesichtsschutzkomponenten, kann ohne zusätzliche Prüfungen nicht ausgeschlossen werden, dass Strahlung die optischen Komponenten der PSAgS für Augen und Gesicht durchdringt ohne dabei an dieser PSAgS selbst relevanten Schaden anzurichten oder dass Störlichtbogenenergie seitlich oder unterhalb dieser PSAgS vorbei Schäden an Augen und Gesicht verursachen
Deshalb wurde seitens der Prüf- und Zertifizierungsstelle Elektrotechnik des DGUV Test mit dem GS-ET-29 [23] ein Prüfgrundsatz entwickelt, der alle thermischen Gefahren eines Störlichtbogens und weitere arbeitssicherheitsrelevante Anforderungen, wie z.B. Lichttransmission, berücksichtigt. Für die hierin beschriebene Störlichtbogenprüfung wurde der Prüfaufbau nach IEC 61482-1-2 grundsätzlich übernommen, die Sensoren jedoch in einen speziell dafür entwickelten Prüfkopf eingesetzt, zwei in Höhe der Augen, ein Sensor in der Höhe des Mundes und ein weiterer Sensor unter dem Kinn des Prüfkopfes. Dieser Prüfkopf wird auf eine vertikale angeordnete Platte so montiert, dass sich der Mundsensor in Höhe des Lichtbogenfokus befindet.
Seit 2013 sind die in diesem Prüfgrundsatz formulierten Zusatzanforderungen für die Prüfung und Zertifizierung von Elektriker-Gesichtsschutz für in Europa zertifizierte Produkte verbindlich (s. RfU "CNB/P/03.024" [13]). Damit ist sichergestellt, dass trotz noch ausstehender harmonisierter Normen in Europa zertifizierte Produkte tatsächlich sowohl eine Störlichtbogenfestigkeit als auch einen Störlichtbogenschutz nachgewiesen haben.
Die Störlichtbogenprüfung des Gesichtsschutzes gilt als bestanden, wenn für vier zu prüfende Muster die Nachbrennzeit d 5 s ist, kein Durchschmelzen des Prüflings oder eine Lochbildung auftritt sowie die Wertepaare aller Kalorimeter des Prüfkopfs über die gesamte Messdauer von 30 s unterhalb der für das Risiko von Hautverbrennungen nach dem Stoll/Chianta-Kriterium definierten Grenzwerte liegen.
In Kürze wird die EN 166 und untergeordnete Normen durch die internationalen Normen ISO 16321-1, IS0 16321-2 und ISO 16321-3 abgelöst in denen jedoch nunmehr keine besonderen Anforderungen zum Störlichtbogenschutz enthalten sind. Parallel zu diesen Normen entsteht mit der IEC 62819 (VDE 0682-341) eine internationale Anforderungs- und Prüfnorm speziell für den Kopf-, Augen- und Gesichtsschutz gegen die thermischen, optischen und mechanischen Gefahren eines Störlichtbogens. Neben grundsätzlichen Anforderungen an jeden Augen- und Gesichtsschutz sind dort spezielle Anforderungen an thermischen, optischen und mechanischen Schutzeigenschaften einer PSAgS für Augen und Gesicht festgelegt und entsprechende Prüfverfahren beschrieben oder es wird mit Bezug auf die ISO 16321-1 und IS0 16321-2 auf entsprechende Prüfverfahren verwiesen.
So wie für den Augen- und Geschichtsschutz der Prüfgrundsatz GS-ET-29 [23] das Box-Test-Pendant der Störlichtbogenprüfnorm IEC 61482-1-2 darstellt, ist das nordamerikanische Prüfverfahren ASTM F2178 [16] das Pendant der IEC 61482-1-1 zur Bestimmung des ATPV, bzw. EBT. Beide Verfahren sind in der internationalen Fassung der IEC 62819 beschrieben, wegen der bei der Bestimmung des ATPVs tolerierten 50 %-igen Wahrscheinlichkeit einer Verbrennung 2. Grades, wird in der harmonisierten Fassung der EU neben dem Box-Test-Verfahren sicherlich nur der dort ebenfalls beschriebene ELIM zur Anwendung kommen.
A 2.4.1.2 Handschutz
Für die Prüfung und Bewertung von Störlichtbogenfestigkeit und -schutz von Handschuhen liegt ebenfalls kein international harmonisierter Prüf- und Bewertungsstandard vor. Daher wurde von der Prüf- und Zertifizierungsstelle Elektrotechnik des Fachbereichs ETEM im DGUV Test die Erarbeitung der Prüfgrundsätze GS-ET-42-1 "Zusatzanforderungen für die Prüfung und Zertifizierung von elektrisch isolierenden Handschuhen mit zusätzlichem Schutz vor den thermischen Auswirkungen eines Störlichtbogens" [24] und GS-ET-42-2 "Zusatzanforderungen für die Prüfung und Zertifizierung von Hitzeschutzhandschuhen mit zusätzlichem Schutz vor den thermischen Auswirkungen eines Störlichtbogens" [25] basierend auf einen vorangegangenen Forschungsprojekt [27] angestrengt.
Diese Prüfgrundsätze sind seit Februar 2019 verfügbar und enthalten nicht nur die Prüfung von Störlichtbogenfestigkeit und -schutz, sondern auch weitere sicherheitsrelevante Zusatzanforderungen an einen anforderungsgerechten Störlichtbogen-Schutzhandschuh. Sie verwenden die grundlegenden Anlagengegebenheiten der gerichteten Exposition des Box-Test Verfahrens entsprechend IEC 61482-1-2 unter Nutzung einer speziell für Handschuhe konzipierten Probenhalterung. Die drei halbkreisförmig im gleichen Abstand von der Prüfbox angeordneten Panels ermöglichen die Prüfung kompletter Handschuhe und sind jeweils mit einem horizontal und vertikal zur Lichtbogenachse zentrierten Kalorimeter versehen.
Als Prüfprogramm sind, neben den Störlichtbogenschutzklassen APC 1 und 2 der Kleidung, zwei zusätzliche Störlichtbogenschutzklassen APC 1_150 und APC 2_150 möglich. Sie dienen der Beurteilung der Produkte bei deutlich höherer direkter Einwirkenergie, was für Handschuhe allein durch den zu erwartenden geringeren Abstand zur Störquelle gerechtfertigt erscheint. Erreicht werden diese zusätzlichen Prüfklassen durch einen um 50 % verringerten Abstand der Proben vom Lichtbogen (150 statt 300 mm) bei einer der Störlichtbogenschutzklassen APC 1 bzw. APC 2 entsprechenden Lichtbogenenergie (168 kJ bzw. 320 kJ).
Die Anwendung ist nicht auf elektrisch isolierende Schutzhandschuhe beschränkt. GS-ET-42-2 kann auch bei anderen Handschuhtypen, z.B. Lederhandschuhen, wichtige sicherheitsrelevante Informationen liefern. Maßgeblich für eine PSAgS ist jedoch ein guter thermischer Schutz, weshalb diese Handschuhe grundsätzliche Anforderungen der DIN EN 407 "Schutzhandschuhe gegen thermische Risiken (Hitze und/oder Feuer)" erfüllen müssen. Dafür wird nicht nur das Brennverhalten des Materials, sondern auch die thermische Stabilität der Nähte bei direkter Beflammung (Nahtöffnung) geprüft. Hinsichtlich des Störlichtbogenschutzes sieht das Verfahren die Prüfung von mindestens 3 Paar Handschuhen (6 Einzelprüflinge) vor, von denen nach Lichtbogeneinwirkung keiner eine Nachbrennzeit > 5 s, Durchschmelzen zur Innenseite, Lochbildung oder ein Überschreiten der Grenzwerte für Hautverbrennungen entsprechend des Stoll/Chianta-Kriteriums aufweisen darf.
Unter diesen Bedingungen kann man von einem nach aktuellen Erkenntnissen geprüften und bewerteten Schutzhandschuh ausgehen.
Ausgehend von diesen Arbeiten hat man sich Ende 2018 auch auf internationaler Ebene entschlossen, eine Projektgruppe zur Erarbeitung eines Prüfstandards für alle Formen von Handschutzausrüstungen gegen die thermischen Gefahren eines Störlichtbogens (Handschuhe, Stulpen, etc.) zu bilden. Unter der Bezeichnung IEC 63232-1-2 [20] wird in den nächsten Jahren auf Basis des Box-Tests ein internationaler Prüfstandard entstehen, welcher nach Kleidung sowie Kopf, Augen- und Gesichtsschutz den vollständigen Personenschutz auf den Bereich der Hände ausdehnt.
A 2.4.2 Normung mit Ursprung außerhalb der EU
Auch für ergänzende Schutzausrüstung einer Kleidung, welche nach dem in IEC 61482-1-1 beschriebenen Lichtbogenkennwert ATPV geprüft wurde, liegen international nicht harmonisierte Prüf- und Bewertungsmöglichkeiten vor.
Kopf- und Gesichtsschutz kann entsprechend des nur in Amerika publizierten Standards ASTM F2178 - 17b [17] geprüft werden. Dieses Verfahren nutzt die Anlagentechnik für die Bestimmung des ATPV an Textilien, wobei die Prüfmuster aus Helm und Visier auf einem mit vier Kalorimetern versehenen Kopf fixiert werden. Dazu wird dieser auf einem der Beständigkeitsprüfung von Kleidung vergleichbaren Mannequin befestigt und das mittig angeordnete Kalorimeter im Gesichtsbereich des Kopfes vertikal und horizontal zentriert gegenüber der Lichtbogenachse positioniert. In Analogie zum Test mit Textilien messen die an den Seiten des Kopfes positionierten ungeschützten Kalorimeter für jeden Prüfzyklus die direkte Einwirkenergie. Im Zusammenspiel mit der gemessenen Durchgangsenergie wird so schrittweise der Lichtbogenkennwert errechnet.
Zur Prüfung und Bewertung von Handschuhen existiert der nur in Amerika veröffentlichte Standard ASTM F2675/ F2675M - 13 [18]. Mit ihm wurde ein ringförmiger Aufbau mit Viertelkreisöffnung konzipiert, auf dem sich vier Panels zur Fixierung der Prüfmuster befinden. Jedes Handschuh-Panel ist mit einem Kalorimeter versehen, welches horizontal und vertikal zur Mitte der Lichtbogenachse ausgerichtet ist und zur Messung der Durchgangsenergie verwendet wird. Je zwei seitlich neben den Panels angeordnete ungeschützte Kalorimeter dienen, wie bei der Prüfung von Textilien, zur Ermittlung der direkten Einwirkenergie jedes einzelnen Prüfzyklus. Die Ermittlung des ATPV erfolgt dann analog zu den bereits beschriebenen Verfahren. Auf internationaler Ebene erfolgt die Normenarbeit für das Arc Rating von Handschutzausrüstungen gegen die thermischen Gefahren eines Störlichtbogens (Handschuhe, Stulpen, etc.) seit Ende 2018 innerhalb der Projektgruppe IEC 63232-1-1 [19].
Allerdings gelten auch für den ermittelten Lichtbogenkennwert eines Gesichtsschutzes oder Handschuhs die gleichen Einschränkungen wie für die Kleidung. Die Nutzung erfordert Erfahrung in der Anwendung amerikanischer Richtlinien zur Gefährdungsbeurteilung von Störlichtbogenrisiken am Arbeitsplatz.
A 2.5 Anforderungen für bestimmungsgemäße Auswahl
Für den anforderungsgerechten Störlichtbogenschutz ist es erforderlich, sich die durch den Störlichtbogen generierten thermischen Risiken stets in ihrer möglichen Gesamtwirkung auf Kopf- und Gesicht, Rumpf und Extremitäten bis zu den Händen zu vergegenwärtigen. Auch wenn die internationale Normung noch nicht für alle diese Bereiche den gleichen Stand erreicht hat, müssen die verschiedenen PSAgS immer als Gesamtsystem betrachtet, bestimmungsgemäß ausgewählt und aufeinander abgestimmt werden.
Störlichtbogenschutzausrüstungen sind High-Tech Erzeugnisse mit oftmals multifunktionellem Schutz. Bei der Auswahl derartiger PSAgS ist daher nicht nur die Durchführung einer entsprechenden Störlichtbogen-Beständigkeitsprüfung erforderlich. Vielmehr muss erkannt und berücksichtigt werden, dass keines der bislang beschriebenen Verfahren in der Lage ist, die an eine derartige PSAgS zu stellenden Anforderungen in der Gesamtheit abzubilden.
Alle bisher hier angeführten Normen sind reine Prüfstandards, die zwar die wesentlichsten, aber eben nicht alle Eigenschaften einer sicheren PSAgS bestätigen. So können z.B. ein Innenfutter einer Kleidung aus nicht schwerentflammbarem Material oder eine Naht aus 100 % Polyesternähfaden im Ernstfall erheblich schädigende Auswirkungen auf den Träger haben. Ebenso bietet ein zu geringer Durchgangswiderstand, z.B. beim Einsatz von oberflächenleitfähigen Fasern für die elektrostatische Ableitfähigkeit der Kleidung, u. U. keinen Berührungsschutz gegenüber stromführenden Teilen und kann damit sogar weitere Sekundärgefährdungen hervorrufen. Bei geschlossenen Hauben ohne Belüftung können schon nach relativ kurzer Tragedauer hohe CO2-Konzentrationen nachgewiesen werden, die wiederum Einfluss auf die Konzentrationsfähigkeit oder gar das Bewusstsein zur Folge haben können. Bei Visieren ist die optische Qualität der Sichtscheibe und die Bewegungsfreiheit des Kopfes zu berücksichtigen. Ein freies Blickfeld nach unten verhindert Stolpern, etc..
Darüber hinaus sind natürlich auch die klassischen textilspezifischen Anforderungen, wie z.B. Maßbeständigkeit beim Waschen sowie Höchst- und Weiterreißfestigkeit, für einen Anwender nicht nur qualitäts-, sondern auch sicherheitsrelevant. Und letztendlich werden auch nur geeignete und entsprechend geprüfte Accessoires, wie schwerentflammbare Reflexstreifen, Embleme oder Logos, die Schutzfunktion einer Kleidung nicht negativ beeinflussen. Hier gilt es für den potentiellen Anwender der Kleidung Sicherheit zu erlangen, dass sowohl der Hersteller als auch die einbezogene Zertifizierungsstelle diese Risiken beachtet und durch Festlegung geeigneter Materialien und eines entsprechenden Designs weitmöglichst ausgeschlossen haben.
Als gegenwärtig bestes Mittel einer möglichst umfassenden Prüfung und Bewertung von Störlichtbogenschutzkleidung ist die internationale Norm IEC 61482-2 [12] anzusehen.
Wesentlicher Bestandteil dieser Produktnorm ist der Nachweis eines Störlichtbogenschutzes durch die eingesetzten Textilmaterialien, wie er nach DIN EN 61482-1-2 (VDE 0682-306-1-2) [11] erbracht werden kann.
Eine entscheidende Grundforderung ist aber auch die ausschließliche Verwendung von schwerentflammbaren Ausgangsmaterialien (Index 3 gemäß DIN EN ISO 14116 [5]) für die Außen- und ggf. Innenlage der Kleidung. Schutzkleidungstypische Forderungen an die Maßhaltigkeit sowie mechanische Beständigkeit im Gebrauch durch Mindestanforderungen an Höchstzug- und Weiterreißkraft ergänzen das materialspezifische Anforderungsprofil.
Die IEC 61482-2 [12] regelt aber auch wichtige sicherheitsrelevante Anforderungen an die Gestaltung der Kleidung selbst. Möglicherweise aus Gründen des Tragekomforts gewählte unterschiedliche Störlichtbogenschutzklassen im Front- und Rückenbereich werden ebenso eindeutig reglementiert, wie der ausschließliche Einsatz von schwerentflammbarem Nähfaden für alle Hauptnähte. Wurden zusätzlich zur Norm noch spezielle Designanforderungen, wie verschließbare Taschen, zum wirksamen Schutz gegen die im Störfall zahlreich entstehenden Spritzer geschmolzenen Metalls berücksichtigt, kann der Anwender von einer umfassend geprüften und bewerteten Schutzkleidung gegen die thermischen Risiken eines Störlichtbogenunfalls ausgehen.
Abb. A 2-3 Piktogramm IEC 60417-6353 zur Kennzeichnung störlichtbogengeprüfter PSAgS [Copyright © 2016 IEC Geneva, Switzerland. www.iec.ch] 1
Dies gilt auch für entsprechende Bund- oder Latzhosen eines vollständigen Schutzanzuges. Obwohl die vorgestellten Methoden ursprünglich und hauptsächlich zur Prüfung konfektionierter Jacken, Hemden, Parkas o. ä. vorgesehen sind, wird die Zertifizierungsstelle auch Hosen einer intensiven Beurteilung der Schutzwirkung unterziehen. Hierfür sind die Verwendung identischen Einsatzmaterials für Hose und Jacke sowie die Umsetzung der in IEC 61482-2 [12] getroffenen Festlegungen für das Design maßgebend. Entscheidet sich der Anwender im Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung auf den Einsatz eines kompletten Schutzanzuges oder Overalls zu verzichten, muss die Eignung der zur Störlichtbogenjacke separat ausgewählten Hose immer durch ihn selbst überprüft werden. Um damit einhergehende Unsicherheiten und ggf. Risiken zu vermeiden, ist die Auswahl eines kompletten Anzugs aus Jacke und Hose zu empfehlen.
Für spezielle Gefahrenbereiche sehr hoher Lichtbogenenergien aber auch zur Schaffung eines besonders guten Tragekomforts eignen sich Bekleidungskonzepte, bei denen der Störlichtbogenschutz durch Kombination mehrerer übereinander getragener Kleidungsteile, z.B. Jacke über Hemd, gewährleistet wird. Dieses aus dem Sport-, Freizeit- und Outdoorbereich bekannte "Zwiebelschalen-Prinzip" kann auch bei PSAgS einen wertvollen Beitrag für Schutz und Sicherheit leisten. In Zusammenarbeit mit einem verantwortungsvollen und erfahrenen Zulieferer lassen sich so optimale Konzepte gestalten, die oftmals einen deutlichen Mehrwert gegenüber klassischen Standardlösungen bieten. Wesentliche Voraussetzungen sind jedoch, dass die Materialien der einzelnen Bekleidungsteile und auch die Kleidungsteile selbst ordnungsgemäß geprüft wurden, zusammen zertifiziert sind und selbstverständlich auch getragen werden.
Abb. A 2-4 Schutzhandschuh mit Kennzeichnung störlichtbogengeprüfter PSAgS
Es ist anzumerken, dass es in Kürze auch einen harmonisierten Standard DIN EN 61482-2 geben wird. Um dies zu erreichen, muss zunächst die bevorstehende Veröffentlichung der Ausgabe 2 des Prüfstandards DIN EN 61482-1-1 erfolgen (siehe A 2.2), da in diesem Standard erstmalig der Parameter ELIM enthalten ist. Dieser wird das Problem der 50 %-igen Wahrscheinlichkeit einer Überschreitung des Stoll/Chianta-Kriteriums lösen, was eine Voraussetzung für die Konformitätsvermutung der EN 61482-2 zur PSA-Verordnung (EU) 2016/425 darstellt. Die Norm EN 61482-2 ist 05-2020 erschienen und basiert auf der IEC 61482-2: 2018 mit den entsprechenden Modifizierungen (IEC 61482-2:2018, modified).
Für einen möglichst umfassenden Störlichtbogenschutz sollte der Anwender also darauf achten, dass ihm der Hersteller die Einhaltung der IEC 61482-2 [12] bestätigt und nicht nur eine Prüfung von Material oder Erzeugnis durchgeführt hat. Ab 05-2018 ist dies gemäß der Ausgabe 2 der IEC 61482-2 durch das neue Piktogramm für PSAgS auf dem Etikett sichtbar (s. Abb. A 2-3).
Das gleiche Symbol findet sich auch auf der Kennzeichnung (Etikett) von Störlichtbogen-Schutzhandschuhen, die gemäß GS-ET-42-1/-2 geprüft und zertifiziert wurden. Sie geben dem Anwender damit die Gewähr, dass sie als Bestandteil eines ganzheitlichen Schutzkonzeptes ausgewählt und bestimmungsgemäß eingesetzt werden können.
Abb. A 2-5 Kopf- und Gesichtsschutz
Größte Herausforderung bleibt dabei die Definition und Entscheidung über die jeweilige Prüfklasse (Störlichtbogenschutzklasse APC 1, 2, 1_150 und 2_150), welche die Handschuhe bestanden haben müssen. Hierbei sollte der Anwender nicht nur die entsprechend dem Verfahren zur Auswahl von PSAgS ermittelte Störlichtbogenschutzklasse der Schutzkleidung (APC 1 oder APC 2) berücksichtigen. Vergleichbares Gewicht ist auf die risikobeeinflussenden ergonomischen Eigenschaften zu legen, da besonders bei Schutzhandschuhen hoher Prüfklassen eine Einschränkung der taktilen Eigenschaften (Beweglichkeit) erwartet werden muss.
Ein umfassender Störlichtbogenschutz wird komplett, wenn auch ein gemäß GS-ET-29 [23] geprüfter und zertifizierter Kopf- und Gesichtsschutz ausgewählt und getragen wird (s. a. A 2.4.1.1). Auch diese Produkte sind an der Kennzeichnung mit dem Piktogramm für störlichtbogengeprüfte PSA erkennbar und gewährleisten dem Träger in der Gesamtheit Schutz und Sicherheit von Kopf bis Fuß.
Kenngrößen und Risikoanalyse der thermischen Lichtbogengefährdung von Personen | Anhang 3 |
A 3.1 Allgemeine Vorbemerkung
Die Aussagen dieses Anhangs sind auf Drehstromsysteme zugeschnitten. Für Gleichstromsysteme gelten die Aus sagen im übertragenen Sinne. Auf Besonderheiten für DC-Systeme wird im Anschluss an den jeweiligen Abschnitt hingewiesen.
A 3.2 Energetische Kenngrößen der thermischen Lichtbogengefährdung von Personen
Die elektrische Energie, die in einen Störlichtbogen eingespeist wird, wird dort nahezu vollständig umgewandelt und in unterschiedlichen Formen abgegeben bzw. wieder freigesetzt. Die Auswirkungen von Störlichtbögen werden deshalb primär von der elektrischen Lichtbogenenergie WLB bestimmt. Die elektrische Lichtbogenenergie kennzeichnet die Verhältnisse bei einem Lichtbogenkurzschluss in einer Anlage eindeutig. Für unterschiedliche Netz- und Anlagenbedingungen ergeben sich verschiedene Lichtbogenenergien.
Die für eine Person infolge thermischer Wirkungen maßgebliche Expositions- bzw. Gefährdungsgröße ist die Energiedichte, die an der exponierten Oberfläche der Haut auftritt. Das ist die Einwirkenergie Ei, die bei unmittelbarer thermischer Lichtbogeneinwirkung als direkte Einwirkenergie Ei0 vorliegt. Trägt die Person eine PSAgS dann ist die Einwirkenergie als Durchgangsenergie Eit zu betrachten. In der Prüfung von PSAgS wird festgestellt, ob die Durchgangsenergie die Grenze für das Einsetzen von Hautverbrennungen 2. Grades (Stoll/Chianta-Kriterium) übersteigt. Die erfolgreiche Prüfung erbringt damit den Nachweis, dass diese PSAgS bis zu dem Niveau der direkten Einwirkenergie, das in dieser Prüfung eingestellt ist, lichtbogenbeständig ist und schützt.
Zwischen der elektrischen Lichtbogenenergie und der direkten Einwirkenergie gibt es einen komplexen nichtlinearen Zusammenhang, der durch die konkreten Transmissions- und Expositionsverhältnisse einschließlich der Anlagenkonfiguration und des Wirkabstandes zwischen dem Lichtbogen und der Person (Übertragungsverhältnisse) bestimmt wird. Die Transmissions- und Expositionsbedingungen für die thermischen Wirkungen können sehr vielfältig sein. Eine Gefährdungsbeurteilung muss alle diesbezüglichen Fälle einschließen bzw. abdecken und erfordert eine Worst-Case-Betrachtung.
Für den Box-Test von PSAgS (Schutztextilien und Schutzkleidung) nach DIN EN 61482-1-2 (VDE 0682-306-1-2) [11] ist der Zusammenhang zwischen elektrischer Lichtbogenenergie und direkter Einwirkenergie für die beiden Störlichtbogenschutzklassen bekannt. Sie sind die Kontrollgrößen für die Prüfeinstellung und charakterisieren die Übertragungsverhältnisse des Prüfaufbaus.
Beim Box-Test bestehen insbesondere infolge der durch den kleinräumigen Boxaufbau realisierten Lichtbogen-Richtwirkung (Gasströmung), die Strahlungseinwirkung (einschließlich Reflexionen) und durch die Elektrodenmaterialauswirkungen Worst-Case-Übertragungsbedingungen. Vergleichende Untersuchungen zu anderen Anordnungen zeigen, dass sich bei gleicher eingespeister elektrischer Lichtbogenenergie im Box-Test-Aufbau die höchsten thermischen Einwirkenergien ergeben.
A 3.3 Verfahren der Ermittlung von WLB und WLBS
Mit nachfolgend beschriebenen Verfahren ist deshalb die elektrische Lichtbogenenergie WLB, die im Anwendungsbereich zu erwarten ist, zu bestimmen. Es wird der maximale Wert der zu erwartenden elektrischen Lichtbogenenergie, angegeben in kJ, ermittelt. Auf dieser Basis ist dann nachzuweisen, dass die maximal auftretenden Beanspruchungen (thermischen Wirkungen) das Schutz- und Festigkeitsniveau der PSAgS nicht übersteigen. Die diesbezügliche Kenngröße ist die Lichtbogenenergie der Prüfklasse des Boxtests, der Prüfpegel. Das Niveau der äquivalenten Lichtbogenenergie der PSA-Prüfung muss diesen Pegel abdecken. Im Anwendungsfall vorliegende Abweichungen von den Abstands-, Geometrie- und Transmissionsverhältnissen der Prüfung können in der Bestimmung der äquivalenten Lichtbogenenergie, dem Schutzpegel WLBS berücksichtigt werden.
Ausgehend vom Schutzpegel (äquivalente Lichtbogenenergie) ist bei der Wahl der Prüf- oder Störlichtbogenschutzklasse der PSAgS die Relation zum Erwartungswert für die elektrische Lichtbogenenergie zu betrachten.
Die thermischen Gefahren eines Störlichtbogens sind abgedeckt, wenn
WLB ≤ WLBS gilt.
Die Prüfströme der Prüfklassen des Boxtests entsprechen nicht den Einsatzgrenzen der PSAgS im Hinblick auf das Kurzschlussstromniveau! |
Die Risikoanalyse umfasst folgende Arbeitsschritte:
Innerhalb der Arbeitsschritte sind für den zu analysierenden Arbeitsplatz bzw. -bereich zu bestimmen:
Anmerkung:
Es wird darauf hingewiesen, dass verschiedene Schaltzustände des Verteilungsnetzes bzw. speisenden Energieversorgungssystems zu unterschiedlichen Kurzschlussleistungen und Energiewerten führen können.
Es kann deshalb erforderlich sein, für eine Anlage mehrere solcher Fälle zu analysieren, um dann den Fall zu ermitteln, bei dem die höchste Lichtbogengefährdung besteht.
Die Analyse des Energieversorgungssystems muss für alle relevanten Arbeitsbereiche, d. h. im Allgemeinen vom Einspeisepunkt des betreffenden Netzes bis in den Abnehmerbereich, erfolgen.
A 3.4 Arbeitsschritte
Unter A 3.4 sind Betrachtungen für Wechsel- und Drehstromsysteme dargestellt, die im Wesentlichen auch auf Gleichstromsysteme übertragbar sind. Besonderheiten für Gleichstromsysteme sind in den Abschnitten A 3.4.3.1, A 3.4.4.1, A 3.4.6.1 und A 3.4.7.1 beschrieben.
A 3.4.1 Erfassung der allgemeinen Betriebsbedingungen
Ausgangspunkt ist die Betrachtung der allgemeinen Betriebsbedingungen. Zuerst ist eine Liste der Netzspannungsebenen, Anlagenarten und Anlagenorte im Netz sowie der Arbeitsaufgaben aufzustellen.
Anmerkung:
Dabei ist zu beachten, dass sich für unterschiedliche Schaltzustände des Netzes und des vorgeordneten Versorgungssystems verschiedene prospektive Kurzschlussströme ergeben.
Der Kurzschlussstrom ist am höchsten, wenn der Netzknotenpunkt (die Sammelschiene einer Schaltanlage oder eines Verteilers) durch mehrere Einspeisungen oder Transformatoren gespeist wird.
Für die gleiche Anlage müssen die unterschiedlichen Werte des Kurzschlussstroms bei verschiedenen Schaltzuständen dennoch berücksichtigt werden, da die Lichtbogenenergie bei dem kleineren Kurzschlussstrom infolge der längeren Ausschaltzeit der Überstromschutzeinrichtung durchaus größer als für den höheren Strom sein kann.
Hinsichtlich der Arbeitsaktivitäten (elektrotechnische Arbeiten, Schalthandlungen) spielen alle Tätigkeiten eine Rolle, die an offenen elektrischen Anlagen ausgeführt werden oder bei denen die Anlagen geöffnet werden (Arbeiten in der Nähe unter Spannung stehender Teile, Arbeiten unter Spannung).
Anmerkung:
Im Falle bauartgeprüfter Schaltanlagen, für die der prüftechnische Nachweis der Lichtbogenfestigkeit vorliegt (Mittelspannung:
Lichtbogenprüfung nach DIN EN 62271200, Niederspannung:
Lichtbogenprüfung Kriterium 15 nach EN 614392 Beiblatt 1) kann beim Bedienen und Arbeiten an einer geschlossenen Anlage immer ein Personenschutz vorausgesetzt werden; sie brauchen nicht in die weitere Analyse einbezogen werden.
Bei nichtgeprüften Anlagen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Anlagen im Falle eines inneren Lichtbogenfehlers geschlossen bleiben und/oder dass keine unzulässigen Lichtbogenwirkungen außerhalb der Anlage auftreten (z.B. durch austretende heiße Gase, berstende Teile etc.); hier muss eine Behandlung wie im Falle geöffneter Anlagen erfolgen bzw. eine gesonderte Betrachtung der Gefährdungssituation erfolgen.
A 3.4.2 Berechnung der Kurzschlussströme an den betrachteten Arbeitsplätzen
Voraussetzung für die Risikoanalyse und Auswahl der PSAgS ist die Kenntnis der prospektiven Kurzschlussströme bzw. Kurzschlussleistungen in den Anlagen (bzw. Netzknotenpunkten), die als Arbeitsorte in Frage kommen.
Anmerkung:
In der Regel ist die Risikoanalyse für verschiedene Arbeitsplätze in einem Netz oder Versorgungssystem vorzunehmen.
Oft ist es in größeren Systemen zweckmäßig, struktur- und parametergleiche oder ähnliche elektrische Grundkonfigurationen (Schaltungen) zu bilden und zu betrachten.
Die Kurzschlussstromberechnung ist nach den Standardverfahren der Normen DIN EN 60909-0 (VDE 0102) [8] oder DIN EN 61660-1 (VDE 0102-10) [9] durchzuführen. Dafür steht in der Regel Berechnungssoftware zur Verfügung.
In Drehstromsystemen sind für jeden Arbeitsplatz/Anlagenbereich die maximalen und minimalen prospektiven
dreipoligen Anfangs-Kurzschlusswechselströme
I''k3,max und
I''k3,min
für die möglichen/relevanten Schaltzustände des Netzes zu bestimmen.
Diese Ströme werden standardgemäß für metallischen, d. h. impedanzlosen Kurzschluss (Fehlerstellenimpedanz ist Null) ermittelt.
Angaben zum Kurzschlussstrom bzw. der Kurzschlussleistung können auch durch den Versorgungsnetzbetreiber zur Verfügung gestellt werden.
Wichtig ist, dass die Kurzschlussströme für den Fehlerort gelten, der dem betrachteten Arbeitsort entspricht.
Anmerkung:
Sollte für Niederspannungsnetze vom Versorgungsnetzbetreiber nur der Kurzschlussstrom (bzw. die Kurzschlussleistung) am speisenden Abspanntransformator bereitgestellt werden, dann muss der Kurzschlussstrom für Arbeitsorte (Fehlerorte), die entfernt vom Transformator im Niederspannungsnetz liegen, eine Berechnung auf der Grundlage der technischen Daten des Einspeisetransformators von Mittelspannung auf Niederspannung und unter Berücksichtigung der verwendeten Niederspannungs-Kabelbauarten und -längen erfolgen.
Es muss ggf. eine Mehrfachspeisung des Fehlerortes beachtet werden.
Im Falle eines realen Kurzschlusses (mit Störlichtbogen) fließt infolge der Störlichtbögen (Fehlerstellenimpedanzen) ein reduzierter Strom, der Lichtbogenkurzschlussstrom (Fehlerstrom bei Lichtbogenkurzschluss).
Steht Software zur Verfügung, die auch die Bestimmung des Kurzschlussstroms bei Lichtbogenkurzschluss IkLB vornimmt, so ist dieser Strom ebenfalls für die relevanten Schaltzustände zu ermitteln.
Der Lichtbogenkurzschlussstrom lässt sich ausgehend von I''k3,min auch mit Hilfe eines Strombegrenzungsfaktors kB berechnen.
Es gilt
IkLB = kB*I''k3,min
Der Faktor kB wird auf der Grundlage der Lichtbogenspannung ULB in Abhängigkeit von der Nennspannung des Netzes UNn, dem R/X-Verhältnis der Impedanz des Kurzschlussstromkreises und des Elektrodenabstandes d (Abstand benachbarter Leiter in der elektrischen Anlage) ermittelt.
Anmerkung:
Die Reduzierung bzw. Begrenzung des Fehlerstroms infolge der Störlichtbögen an der Fehlerstelle hat praktisch nur in Niederspannungsssystemen Einfluss.
Für Mittelspannungs- oder Hochspannungs-Netze kann die Strombegrenzung vernachlässigt werden (kB = 1).
A 3.4.2.1 Besonderheiten bei der Berechnung der Kurzschluss ströme für DC-Systeme
In DC-Systemen ist der prospektive Dauerkurzschlussstrom IkDC (metallischer Kurzschluss) zu bestimmen. Der Lichtbogenkurzschlussstrom wird iterativ bestimmt.
A 3.4.3 Bestimmung der Kurzschlussdauer (Lichtbogendauer)
Die Lichtbogendauer tLB bzw. Kurzschlussdauer tk ist eine wesentliche Größe, die für die Risikoanalyse benötigt wird. Sie wird durch die Überstromschutzeinrichtungen bestimmt und kann im Allgemeinen aus Selektivitätsberechnungen und/oder den Ausschalt-Kennlinien (Strom-Zeit-Kennlinien) der Hersteller der Überstromschutzeinrichtungen entnommen werden.
Es ist zu beachten, dass die Ausschaltzeit bei stromzeitabhängigen Überstromschutzeinrichtungen, z.B. Schmelzsicherungen von der Höhe des tatsächlichen Kurzschlussstroms und damit von der Strombegrenzung durch die Störlichtbögen selbst beeinflusst wird.
Im Niederspannungsbereich entspricht der tatsächliche Kurzschlussstrom nicht dem prospektiven Kurzschlussstrom, sondern dem Lichtbogenkurzschlussstrom IkLB, und kann deutlich begrenzt sein.
Der tatsächliche Kurzschlussstrom IkLB lässt sich unter Berücksichtigung einer Reihe von Einflussgrößen nur näherungsweise und mit gewissen Unsicherheiten bestimmen (siehe A 3.4.2). Man liegt im Allgemeinen im sicheren Bereich, wenn man von einer Strombegrenzung von 50 % ausgeht und mit diesem reduzierten Strom die Ausschaltzeit aus der Strom-Zeit-Kennlinie bestimmt.
Der Strombegrenzungsfaktor beträgt dann kB = 0,5;
es folgt:
Bei Angabe von Streubereichen für die Strom-Zeit-Kennlinie einer Überstromschutzeinrichtung (z.B. Sicherung) ist der Wert der oberen Bereichsgrenze für die Kurzschlussdauer anzusetzen.
Anmerkung 1:
Zur Bestimmung der Ausschaltzeit ist als relevante Überstromschutzeinrichtung die dem jeweiligen Arbeitsbereich vorgeordnete heranzuziehen.
Das können auch Überstromschutzeinrichtungen sein, die an dieser Stelle für die Zeit der Arbeiten eingesetzt oder aktiviert werden, z.B. sogenannte Arbeitsschutzsicherungen.
Bei Mehrfachspeisung des Arbeitsbereichs ist die Überstromschutzeinrichtung mit der längsten Ausschaltzeit zur Bestimmung der Kurzschlussdauer zugrunde zu legen.
Anmerkung 2:
Bei Nutzung von Softwaretools (Selektivitätsberechnungen) ist darauf zu achten, dass die Berechnung auf der Grundlage des begrenzten Lichtbogenkurzschlussstroms IkLB erfolgt.
Hinsichtlich der Überstromschutzeinrichtungen sind Schutzbereiche und Selektivitätsstufungen zu beachten. Bei nichtstrombegrenzenden Sicherungen und Leistungsschaltern mit Direktauslöser kann die Kurzschlussdauer direkt aus der Strom-Zeit-Kennlinie bzw. den zeitlichen Abstufungen der Selektivität (Staffelplan) entnommen werden. Bei Leistungsschaltern ist dabei gegebenenfalls die Einstellung von Zeitverzögerungsstufen oder Staffelzeiten zu beachten. Für die Ausschaltzeit von Leistungsschaltern ohne Zeitverzögerung können folgende Richtwerte als typisch angesehen werden:
Tabelle A 3-1: Typische Ausschaltzeiten von Leistungsschaltern
Leistungsschalter | Unverzögerte Ausschaltzeit |
Niederspannung (< 1000V) | 60 ms |
Mittelspannung (1 bis 35 kV ) | 100 ms |
Hochspannung (> 35 kV ) | 150 ms |
Herstellerinformationen können diesbezüglich genauere Daten liefern.
Bei strombegrenzend wirkenden Sicherungen liegt die Kurzschlussdauer unter 10 ms. Die Strom-Zeit-Kennlinien dieser Sicherungen weisen die virtuelle Schmelzzeit aus, so dass die tatsächliche Ausschaltzeit damit nicht übereinstimmen muss. Bei Sicherungen im Strombegrenzungsfall sollte aus Sicherheitsgründen eine Kurzschlussdauer von tk = 10 ms angesetzt werden. Dieser Wert liegt auf der sicheren Seite.
Anmerkung:
Bei Kurzschlussdauern von über 1 s kann ggf. davon ausgegangen werden, dass die Person sich aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich zurückziehen kann und deshalb längere Zeiten nicht berücksichtigt werden müssen.
Dies gilt nicht, wenn das Arbeitsumfeld ein Entfernen der Person verhindert oder einschränkt, z.B. Arbeiten in engen Kabelgräben oder -kanälen, schmalen Arbeitsgängen, Arbeiten auf Leitern oder Hebeeinrichtungen.
A 3.4.3.1 Besonderheiten bei der Bestimmung der Kurzschlussdauer für DC-Systeme
Die von den Herstellern von Sicherungen angegebenen Ausschaltkennlinien geben in der Regel die virtuellen Schmelzzeiten für einen Stromkreis mit einer Zeitkonstante von τ = 0 an. In den meisten praktischen Fällen kann die Verlängerung der Schmelz- bzw. Ausschaltzeit für τ ≠ 0 vernachlässigt werden, weil die Kurzschlussdauer groß im Vergleich zur Zeitkonstante ist. Generell ist den Hinweisen der Hersteller der Sicherungen zur Umrechnung zu folgen. Analoges gilt für Leistungsschalter.
A 3.4.4 Bestimmung des Erwartungswertes der elektrischen Lichtbogenenergie
Es ist die maximal zu erwartende elektrische Lichtbogenenergie für den betreffenden Fehlerort bzw. die betrachtete Arbeitssituation zu ermitteln.
Die elektrische Lichtbogenenergie hängt von den Netzbedingungen ab, d. h. von der Kurzschlussleistung S''k des Netzes an den in Frage kommenden Fehlerorten und der Kurzschlussdauer tk, die durch die elektrischen Überstromschutzeinrichtungen (Ausschaltzeiten der Leistungsschalter und Sicherungen, ggf. von gesonderten Schutzeinrichtungen) bestimmt wird und aus den Schutzkennlinien zu ermitteln ist:
Die Kurzschlussleistung des Netzes am Fehlerort ergibt sich aus der Nennspannung bzw. vereinbarten Versorgungsspannung des Netzes UNn und dem maximalen prospektiven dreipoligen Kurzschlussstrom I''k3,max für die relevanten Netzschaltzustände.
Bei Mehrfachspeisung der Fehlerstelle setzt sich der Kurzschlussstrom I''k3,max aus den entsprechenden Teilströmen zusammen. Gegebenenfalls sind Kurzschlussstromanteile von Motoren, die auf die Fehlerstelle rückspeisen können, zu beachten. |
Bei Fehlerorten in Schaltanlagen und Verteilungen sind im Allgemeinen die Leitungsimpedanzen zwischen Speisequelle (meist Transformator) und Anlage zu berücksichtigen.
Die Lichtbogenenergie ist außerdem von den Anlagenbedingungen abhängig, die durch einen Faktor kP charakterisiert werden, der die Art der Lichtbogenausbildung und die Elektrodengeometrie am Fehlerort berücksichtigt. Dieser Faktor lässt sich mit Hilfe der Lichtbogenspannung näherungsweise ermitteln. Für Lichtbogenspannungen gibt es empirische Bestimmungsgleichungen, die - neben den elektrischen Stromkreisparametern - die Kenntnis der Leiterabstände der Anlagen erfordert. Man kann dann von der Bestimmung der 50-%-Lichtbogenspannungswerte ausgehen [21].
Für eine sehr grobe Abschätzung ohne Berücksichtigung der Anlagengeometrie können auch die theoretischen Maxima der Größe kP benutzt werden, die sich mit nachfolgender Gleichung bestimmen lassen:
R ist dabei der Wirkanteil, X der Blindanteil der Impedanz des Kurzschlussstromkreises.
Diese Worst-Case-Berechnung ist immer anzuwenden bei Elektrodenanordnungen, die direkt auf die arbeitende Person gerichtet sind (siehe Abb. A 3-1).
Abb. A 3-1 Elektrodenanordnung, die direkt auf die dort arbeitende Person gerichtet ist
Darüber hinaus wurde festgestellt, dass für die praktisch üblichen Anlagenkonfigurationen die nachfolgend angegebenen kp-Wertebereiche typisch sind und als Richtwerte angewendet werden können (Tabelle A 3-2).
Tabelle A 3-2: Richtwerte für bezogene Lichtbogenleistung
Netz-Nennspannung UNn | Abstand d | Resistanz/Reaktanz-Verhältnis R/X | Bezogene Lichtbogenleistung kP |
400V | 30 mm | 0,2 | 0,229 |
0,5 | 0,215 | ||
1,0 | 0,199 | ||
≥ 2,0 | 0,181 | ||
45 mm | 0,2 | 0,289 | |
0,5 | 0,263 | ||
1,0 | 0,240 | ||
≥ 2,0 | 0,222 | ||
60 mm | 0,2 | 0,338 | |
0,5 | 0,299 | ||
1,0 | 0,270 | ||
≥ 2,0 | 0,253 | ||
10 ... 20 kV | 120 ... 240 | 0,1 | 0,04 ... 0,08 |
Anmerkung: Bei Anwendung der Maximalwerte oder der Richtwerte umgeht man die Ermittlung der Geometrieverhältnisse auf Kosten der Genauigkeit. Gerade bei der Anwendung der Maximalwerte entsteht u. U. ein deutlicher Sicherheitsabstand. |
A 3.4.4.1 Besonderheiten bei der Bestimmung des Erwartungswertes der elektrischen Lichtbogenenergie für DC-Systeme
Im Gegensatz zur Lichtbogenenergieermittlung in Wechsel- und Drehstromsystemen wird für DC-Systeme ein iterativer Ansatz zur Bestimmung des Lichtbogenkurzschlussstroms und der Lichtbogenleistung benutzt, mit deren Hilfe dann die Lichtbogenenergie zu ermitteln ist. Ausgangspunkt ist die Strom-Spannungs-Charakteristik des DC-Lichtbogens, die durch die Gleichung
Anmerkung: In der angegebenen Gleichung ist der Lichtbogenkurzschlussstrom in A einzusetzen. Mit dem Elektrodenabstand in mm ergibt sich dann die Lichtbogenspannung in V. |
angenähert wird.
Diese Näherungsgleichung ist aus messtechnischen Untersuchungen abgeleitet worden und beschreibt den wechselseitigen Strom-Spannungs-Zusammenhang am Lichtbogen für den sich im DC-Ersatzstromkreis bei Lichtbogenkurzschluss einstellenden Arbeitspunkt.
Zur Vereinfachung wird der Ersatzstromkreis linearisiert, indem der Lichtbogen als linearer ohmscher Widerstand RLB betrachtet wird.
Für den linearisierten Stromkreis gilt
UNn = IkLB*(RLB + RN ).
Der Widerstand RN ist der ohmsche Widerstand des DC-Systems bei kurzgeschlossenem Lichtbogen und ergibt sich folglich aus der Nennspannung des Netzes UNn und dem prospektiven (metallischen) Kurzschlussstrom IkDC nach RN = UNn / IkDC .
Mit Hilfe des Ansatzes für die Lichtbogenspannung ULB wird der lineare Lichtbogenwiderstand RLB = ULB / IkLB bestimmt, der anschließend zur Bestimmung des Lichtbogenkurzschlussstroms IkLB auf der Grundlage der Stromkreisgleichung benutzt wird:
IkLB = UNn / (RLB + RN ).
Hierfür ist folglich ein iteratives Verfahren erforderlich.
Im ersten Iterationsschritt wird ein Wert für den Lichtbogenkurzschlussstrom vorgegeben.
Zweckmäßig ist ein Wert von 50 % des metallischen Kurzschlussstroms des Stromkreises: IkLB = 0,5*IkDC . Damit werden die Lichtbogenspannung und anschließend der zugehörige Lichtbogenwiderstand errechnet.
Mit diesem Lichtbogenwiderstand wird der korrigierte Lichtbogenkurzschlussstrom bestimmt, der dann in nächsten Iterationsschritt wieder zur Ermittlung der Lichtbogenspannung dient.
Aus den korrelierenden Werten von Lichtbogenspannung und Lichtbogenkurzschlussstrom des betreffenden Iterationsschritts i ergibt sich die Lichtbogenleistung zu
PLB(i) = ULB(i)*IkLB(i) . Die Iteration wird beendet, wenn ein geeignetes Abbruchkriterium erreicht ist. Als geeignet kann eine Abweichung von kleiner als 0,5 % angesehen werden.
Für grobe Abschätzungen kann die Lichtbogenleistung näherungsweise auch als Maximum der in einem linearen Widerstand umsetzbaren Leistung bestimmt werden. Für lineare DC-Stromkreise beträgt diese Maximalleistung 25 % der Kurzschlussleistung Pk = UNn*IkDC = U 2Nn / RN .
Die bezogene Lichtbogenleistung beträgt dann kP,max = 0,25. Die Lichtbogenleistung bestimmt sich dann nach PLB,max = 0,25*Pk .
Die Lichtbogenenergie wird in Analogie zu den AC-Systemen aus der resultierende Lichtbogenleistung und der Kurzschlussdauer errechnet. Die Kurzschlussdauer bestimmt sich aus den Ausschaltkennlinien der Überstromschutzeinrichtungen mit Hilfe des Lichtbogenkurzschlussstroms.
A 3.4.5 Bestimmung des Arbeitsabstandes
Der Arbeitsabstand a ist der Abstand zwischen dem Störlichtbogen und dem Körper der Person (Oberkörper), der bei Arbeitshandlungen im betrachteten Arbeitsumfeld wirksam wird oder auch einzuhalten ist. Bei unterschiedlichen Handlungen in einem Arbeitsumfeld ist der geringste entstehende Abstand anzusetzen. Für die Fehlerstelle (Ort eines Störlichtbogens) ist die Anordnung der potentiellen Elektroden des Lichtbogens in der Anlage (Leiteranordnung) maßgebend.
Als Arbeitsumfeld und Arbeitsplätze gelten die elektrischen Anlagen, an denen Personen elektrotechnische Arbeiten bei geöffneter Anlage (Reparaturen, Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten, Montage, Prüfen, Messen etc.) ausführen. Das sind Arbeiten in der Nähe unter Spannung stehender Teile (AiN) oder Arbeiten unter Spannung (AuS).
Typische Arbeitsabstände, die sich aus den Arbeitshaltungen der Personen und den charakteristischen Konstruktionen bzw. Geometrien und Abmessungen von elektrischen Anlagen ergeben, betragen:
Tabelle A 3-3: Typische Arbeitsabstände
Anlagentyp | Typische Arbeitsabstände |
Niederspannungs-Verteiler, Hausanschlusskästen, MCC | 300 ... 450 mm |
Niederspannungs- Schaltanlagen | 300 ... 600 mm |
MS-Schaltanlagen | ≥ 825 mm |
Es sind möglichst die genauen Abstandsverhältnisse zu bestimmen und der Bestimmung des Arbeitsabstands zugrunde zu legen. Man kann jedoch grundsätzlich davon ausgehen, dass bei Arbeiten der Abstand von a = 300 mm zum Oberkörper einer Person nur selten unterschritten wird und insbesondere im Niederspannungsbereich als Richtwert angesetzt werden kann.
Anmerkung:
Bei Arbeiten an geschlossenen Anlagen, die eine Bauartprüfung auf Lichtbogenfestigkeit bestanden haben, kann Personenschutz vorausgesetzt werden; ein Arbeitsabstand braucht folglich nicht bestimmt zu werden (siehe Abschnitt 3.4.1). Im Falle nichtgeprüfter Anlagen muss von Lichtbogenwirkungen außerhalb der Anlage, z.B. durch sich öffnende Türen, gerechnet werden.
Der dann zu berücksichtigende Arbeitsabstand setzt sich aus dem Abstand zur Anlagenhülle und den o. g. typischen Arbeitsabständen (Werte der unteren Grenze) zusammen.
Die Festlegung eines Sicherheitsabstandes, der bei Arbeiten nicht unterschritten werden darf, ist eine mögliche Maßnahme, Arbeitshandlungen mit der PSAgS eines bestimmten Schutzniveaus (Prüf- bzw. Störlichtbogenschutzklasse) zu ermöglichen.
A 3.4.6 Lichtbogenschutzpegel der PSAgS
Für den Prüfaufbau des Box-Tests nach DIN EN 61482-1-2 (VDE 0682-306-1-2) [11] ist sichergestellt, dass die thermischen Übertragungsverhältnisse (einschließlich Wirkung Elektrodenmaterial) Worst-Case-Bedingungen entsprechen. Für die Anwendungsgrenzen der PSAgS kann man von den elektrischen Lichtbogenenergien WLBP der Prüfeinstellung ausgehen, die den jeweiligen Einwirkenergien Ei0P im Test entsprechen:
Tabelle A 3-4: Parameter des Box-Tests
Box-Test DIN EN 61482-1-2 (VDE 0682-306-1-2) | Statistische Mittelwerte | |
Störlichtbogenschutzklasse | Elektrische Lichtbogenenergie WLBP | Direkte Einwirkenergie Ei0P |
APC 1 | 168 kJ | 146 kJ/m2 |
APC 2 | 320 kJ | 427 kJ/m2 |
Anmerkung:
Die angegebenen direkten Einwirkenergiewerte Ei0P, die die Störlichtbogenschutzklassen des BoxTest-Verfahrens kennzeichnen, entsprechen nicht den ATPV-Werten, die in Tests nach DIN EN 6148211 (VDE 068230611) [10] oder in daran anschließenden Verfahren nach NFPA 70E [14] und IEEE 1584 [15] bestimmt werden; es sind weder die zugrunde liegenden Transmissions- und Expositionsbedingungen vergleichbar noch sind analytische Umrechnungen oder mathematische Überführungen in diese Werte möglich.
Die Lichtbogenenergiewerte WLBP führen im Wirkabstand von a = 300 mm (dem Prüfaufbau entsprechend) zu den betreffenden Einwirkenergien. Die Lichtbogenenergie WLBP, die die Störlichtbogenschutzklasse des Box-Tests kennzeichnet, wird als Vergleichsgröße WLBS für die ermittelte Lichtbogenenergie WLB des Anwendungsbereichs benutzt.
Dabei ist vorausgesetzt, dass die PSAgS-Anwendung für Arbeitsabstände von a = 300 mm und Anlagen vorgesehen wird, die analog zum Box-Test-Aufbau (mit einem Volumen von rund V = 1,6 * 10-3 m3) kleinräumig und durch Seiten-, Rück- und Schottwände begrenzt sind (siehe Abb. 4-5). Bei abweichenden Bedingungen sind Korrekturen möglich.
A 3.4.6.1 Lichtbogenschutzpegel der PSAgS für DC-Systeme
Auch für DC-Anwendungen ergeben sich die Schutzpegel der PSAgS aus den AC-Prüfpegeln des Boxtests WLBP .
Anmerkung:
Durch Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass die Energieverhältnisse in DC-Systemen durch die für AC-Systeme geltenden Bedingungen abgedeckt werden [28].
A 3.4.7 Berücksichtigung abweichender Expositionsverhältnisse
Aus der elektrischen Lichtbogenenergie der Prüfklasse WLBP lässt sich für einen beliebigen Arbeitsabstand a über die experimentell nachgewiesene umgekehrte quadratische Abstandsproportionalität ein Schutzpegel (äquivalente Lichtbogenenergie) WLBS ermitteln, bei dem der Schutz durch die PSAgS bei dem betreffenden Abstand a noch gegeben ist. Außerdem lässt sich die Anlagenkonfiguration berücksichtigen.
Allgemein gilt für den Box-Test
Der Transmissionsfaktor kT für die Lichtbogenenergie beträgt für die Box-Test-Bedingungen kT = 1. Für abweichende Brenn- und Transmissionsbedingungen kann der Transmissionsfaktor kT auch mit folgenden Werten angesetzt werden:
Tabelle A 3-5: Transmissionsfaktor kT
Art der Anlage | Transmissionsfaktor kT |
(sehr) kleinräumige Anlagen mit Seiten-, Rück- und Schottwänden | 1 |
Großräumige Anlagen, Raumbegrenzung vor allem durch Rückwand | 1,5 ... 1,9 |
Offene Anlagen ohne wesentliche Begrenzungen des Elektrodenraumes | 2,4 |
A 3.4.7.1 Berücksichtigung abweichender Expositionsverhältnisse für DC-Systeme
Die Transmissionsfaktoren kT aus Tabelle A 3-5 können auch für DC-Anwendungen angewendet werden.
Die Bestimmung der Schutzpegel der PSAgS erfolgt ebenfalls in gleicher Weise wie für AC-Systeme mit den AC-Prüfpegeln des Boxtests WLBP .
Durch Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass die thermischen Übertragungsverhältnisse in DC-Systemen durch die für AC-Systeme geltenden Bedingungen abgedeckt werden. |
A 3.4.8 Anwendung der Analyseergebnisse zur Gefährdungsbeurteilung
In der Gefährdungsbeurteilung bzw. Wahl der Prüf- oder Störlichtbogenschutzklasse der PSAgS (Box-Test) ist ausgehend von der äquivalenten Lichtbogenenergie die Relation zum Erwartungswert für die elektrische Lichtbogenenergie zu betrachten.
Der Schutz vor den thermischen Gefahren eines Störlichtbogens ist gegeben, wenn die elektrische Lichtbogenenergie WLB kleiner oder gleich des Schutzpegels (äquivalente Lichtbogenenergie)
WLBS ist. WLB < WLBS
Von dieser Relation ausgehend lassen sich mit den oben genannten Bestimmungsgrößen und -gleichungen die Grenzen für die Anwendbarkeit der PSAgS einer gewählten Prüf- und Störlichtbogenschutzklasse hinsichtlich des Kurzschlussstrombereichs, der erlaubten Kurzschlussdauer bzw. Ausschaltzeit der Überstromschutzeinrichtung (und damit der Überstromschutzeinrichtung selbst) und des zulässigen Arbeitsabstandes ermitteln.
A 3.5 Alternative Prüfverfahren
Bei alternativen Prüfverfahren zum Box-Test-Verfahren ist die beschriebene Vorgehensweise nicht anwendbar. Es ist dann notwendig, den Zusammenhang zwischen elektrischer Energie und direkter Einwirkenergie (Übertragungsfunktion) allgemeingültig für den betreffenden Testaufbau zu bestimmen oder die direkte Einwirkenergie zu ermitteln, die im Anwendungsfall bei einem Unfall zu erwarten ist, und sie mit dem Einwirkenergiepegel der PSA-Prüfung zu vergleichen.
Neben dem Box-Test wird auch ein Prüfverfahren nach DIN EN 61482-1-1 (VDE 0682-306-1-1) [10] verwendet (Open-Arc-Test). Im Gegensatz zum Box-Test-Verfahren, bei dem ein gerichteter Prüflichtbogen erzeugt wird, ähnlich eines Störlichtbogens wie er z.B. bei einem Störlichtbogenunfall bei der Arbeit an einem Schaltschrank oder einer Verteilung zu erwarten ist, wird beim Open-Arc-Verfahren der Störlichtbogen offen und ungerichtet, also quasi im Freifeld erzeugt. Beide Verfahren sind nicht direkt vergleichbar und nicht ineinander überführbar oder umrechenbar. Dies liegt einerseits an der Art der durch den Prüfaufbau vorgegeben Länge und Ausbreitung des Störlichtbogens, am verwendeten Elektrodenmaterial und vielen anderen physikalisch-technischen Unterschieden. Die Wärmeübertragung erfolgt beim Open-Arc-Test hauptsächlich strahlungsbedingt.
Andererseits führt der Open-Arc-Test im Ergebnis zum so genannten "Arc Thermal Performance Value", dem ATPV. Hierbei wird nach einem statistischen Verfahren die Einwirkenergie bestimmt, bei der eine 50 %-ige Wahrscheinlichkeit besteht, hinter der PSA eine Verbrennung 2. Grades zu erleiden. Auch wenn ein Störlichtbogen-Unfall relativ unwahrscheinlich ist, erlaubt die PSA-Verordnung der EU keine PSA-Auslegung, die eine solche Verletzung toleriert. Deshalb konnte das Prüfverfahren innerhalb der EU bis 07-2019 grundsätzlich keine Anwendung finden. Erst mit der 2. Ausgabe der IEC 61482-1-1: 07-2019 wird mit der Bestimmung eines zusätzlichen Ergebnisparameters ELIM die Voraussetzung geschaffen, dass mit Open-Arc-Prüfungen die Konformitätsvermutung zur EU-Verordnung erfüllt werden können (siehe auch A 2.3).
Der ATPV ist die direkte Einwirkenergie, die bei den speziellen Übertragungsverhältnissen des Tests entsteht. Es ist anzumerken, dass weder der ATPV noch der ELIM mit den Pegeln der direkten Einwirkenergie der Prüfklassen des Box-Tests übereinstimmen. Die Einwirkenergielevel des Box-Test-Verfahrens sind keine ATPV- oder ELIM-Werte bzw. Grenzen des ATPV- oder ELIM-Bereichs.
Produkte, die auf internationalen Märkten erhältlich sind, sind u. U. nach beiden Verfahren, also Box-Test und Open-Arc-Test geprüft. Auch wenn die Prüfergebnisse nicht direkt vergleichbar sind, so können sie dennoch bei der Auswahl einer geeigneten PSAgS helfen, insbesondere dann, wenn die maximal zu erwartende Lichtbogenenergie über der in A 3.4.4 beschriebenen Lichtbogenenergie der Störlichtbogenschutzklasse WLBP (Prüfpegel) bzw. der äquivalenten Lichtbogenenergie WLBS (Schutzpegel) liegt.
Ein Hersteller, der seine Produkte nach beiden Verfahren getestet hat, kann deshalb auch für EU-Märkte die erzielten ELIM-Werte angeben, um dem Anwender bei der Auswahl geeigneter PSAgS ein weiteres Auswahlkriterium an die Hand zu geben.
Für die Anwendung von ATPV und ELIM bei der Auswahl der PSAgS muss allerdings eine Risikoanalyse vorgenommen werden, in der die zu erwartende Einwirkenergie ermittelt wird. Hierfür geben u.a. NFPA 70E [14] und IEEE 1584 [15] entsprechende Algorithmen an.
Es ist allerdings anzumerken, dass die ATPV-basierte Prüfung und PSAgS-Auswahl an die Beschränkungen des Verfahrens gebunden sind.
Anwendung der Risikomatrix | Anhang 4 |
A 4.1 Allgemeines
In der Praxis hat sich in vielen Jahren Einsatzerfahrung von PSAgS gezeigt, dass bei Störlichtbogenereignissen, bei denen PSAgS fachgerecht getragen wurde, in der Regel keine Verletzungen aufgetreten sind - zum Teil auch bei Überschreitung des rechnerischen Schutzpegels der PSAgS. Dies zeigt, dass das Berechnungsverfahren (Kapitel 3 Phase 3) in der Regel ausreichend Sicherheitsreserven enthält, zumal die dort teilweise angenommenen Worst-Case-Bedingungen in vielen Fällen nicht alle zeitgleich vorliegen.
Darüber hinaus können aber auch nicht direkt quantifizierbare Einflussfaktoren wie z.B. die Qualifikation des Personals, der Einsatz von überbrückungssicherer Ausrüstung oder fehlende Ausbreitungsmöglichkeiten eines Störlichtbogens das Eintrittsrisiko einer Störlichtbogenverletzung deutlich verringern, ohne dass diese Faktoren im Berechnungsverfahren bislang abgebildet werden konnten.
Mit dem hier beschriebenen erweiterten Ansatz einer Risikobewertung können über die bisher bewerteten numerischen Rechenparameter hinaus nun auch weitere Maßnahmen (technische, organisatorische, persönliche) und Einflussfaktoren (statistische, ergonomische) bei der Beurteilung einer Gefährdung durch Störlichtbögen berücksichtig werden (Abb. A 4-1).
Die Risikobewertung eröffnet damit die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen Überschreitungen des rechnerischen Schutzpegels von PSAgS in festgelegten Grenzen zu erlauben, wenn das daraus resultierende Verletzungsrisiko hinreichend klein ist. Dies wird mit der Anwendung der Risikomatrix (Kapitel 3, Abb. 3-2) und dem im Folgenden beschriebenen Anwendungsverfahren erreicht. Das Restrisiko einer Verletzung durch Störlichtbogen ist die Verknüpfung der erwarteten Verletzungsschwere und der erwarteten Eintrittswahrscheinlichkeit einer Verletzung - jeweils nach Berücksichtigung aller getroffenen Maßnahmen.
Die Risikomatrix kann erst angewandt werden, wenn das Berechnungsverfahren (Kapitel 3, Phase 3) eine Überschreitung des rechnerischen Schutzpegels der PSAgS ergibt.
Es ist dann die Eintrittswahrscheinlichkeit und die Verletzungsschwere einer Störlichtbogenverletzung nach Anwendung der getroffenen Maßnahmen abschätzen.
Das sich ergebende Restrisiko ist zu bewerten (Risikomatrix):
"grün": | Tätigkeiten dürfen durchgeführt werden |
"gelb": | Tätigkeiten dürfen durchgeführt werden, aber aktives Risikomanagement ist notwendig:
|
"rot": | Tätigkeiten dürfen so nicht durchgeführt werden;
|
Abb. A 4-1 Gesamtbewertung der Einflussfaktoren ergibt Störlichtbogenrisiko
A 4.2 Bewertung der erwarteten Verletzungsschwere
Es ist die erwartete Verletzungsschwere bei Eintritt eines Störlichtbogens unter Berücksichtigung aller getroffenen Schutzmaßnahmen zu bewerten. Die gravierendsten Auswirkungen bestehen im Zusammenhang mit den thermischen Lichtbogenwirkungen.
Der Schweregrad einer Verbrennung ist grundsätzlich abhängig von einer Vielzahl komplexer Faktoren, wie z.B. der Intensität und der Dauer des einwirkenden Wärmeflusses auf die Hautoberfläche und der daraus bedingten Temperaturerhöhung in verschiedenen Tiefen der Haut. Die erwartete Verletzungsschwere wird in diesem Verfahren über das Verhältnis der erwarteten Lichtbogenenergie (WLB ) des Störlichtbogens und dem rechnerischen Schutzpegel der PSAgS (WLBS ) entsprechend der nachfolgend angegebenen Tabelle A 4-1 vereinfacht abgeschätzt.
Tabelle A 4-1: Bewertungskriterien zur Ermittlung der möglichen Verletzungsschwere
Bezeichnung | Beschreibung | Lichtbogenenergie/Schutzpegel | |
1 | Leichte Verletzung | Hautverbrennung < 2. Grades | WLB / WLBS ≤ 1 |
2 | Reversible Verletzung | Hautverbrennung 2. Grades; Blasenbildung, starke Schmerzen, vollständige Heilung oder mit Narbenbildung | 1 < WLB / WLBS ≤ 3 |
3 | Irreversible Verletzung | Hautverbrennung 3. Grades; Verbrennung tieferer Hautschichten | 3 < WLB / WLBS ≤ 10 |
4 | Tödliche Verletzung | Hautverbrennungen 3. Grades oder schwerer, großflächig, irreversibel, mit tödlichen Folgen | WLB / WLBS > 10 |
Anmerkung 1:
Die in Tabelle A 4-1 angegebenen Werte basieren auf Literaturauswertungen und Festlegungen der AG Störlichtbogen und beinhalten einen Sicherheitsabstand, der aus Expertensicht als ausreichend angesehen wird.
Anmerkung 2:
Diese DGUV Information betrachtet nicht die möglichen Gefährdungen durch weitere Effekte eines Störlichtbogens, z.B. durch Druck, Schall, wegfliegende Teile, Strahlung, geschmolzene Partikel oder Gase. Diese Gefährdungen müssen ggf. gesondert betrachtet werden.
A 4.3 Bewertung der Eintrittswahrscheinlichkeit
Es ist bei der Anwendung der Risikomatrix die erwartete Eintrittswahrscheinlichkeit (EW) einer Verletzung durch Störlichtbogen (SLB) unter Berücksichtigung aller getroffenen Maßnahmen abzuschätzen. Dabei beeinflussen sowohl die Maßnahmen gegen das Auftreten eines Störlichtbogens wie auch die Maßnahmen gegen die Auswirkungen eines möglichen Störlichtbogens die erwartete Eintrittswahrscheinlichkeit einer Verletzung (Abb. A 4-2).
Die möglichen Kategorien für die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Störlichtbogenverletzung sind in Tabelle A 4-2 aufgeführt.
Abb. A 4-2 Einfluss von Maßnahmen gegen Auftreten und Auswirkung von Störlichtbögen
Die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Verletzung durch Störlichtbögen kann auf Basis von detaillierten Bewertungskriterien (Tabelle A 4-3) auch differenzierter abgeschätzt werden. Dabei kommen Bewertungspunkte zum Einsatz, die für die nachfolgenden Bewertungskriterien vergeben werden können:
a) | Art/Zustand der Anlage |
b) | Technische Maßnahmen |
c) | Organisatorische Maßnahmen |
d) | Persönliche Maßnahmen |
e) | Statistische Einflussfaktoren |
f) | Ergonomische Einflussfaktoren |
Die Summe der Bewertungspunkte ergibt einen Wert mit dessen Hilfe die Eintrittswahrscheinlichkeit festgelegt werden kann (siehe Abb. A 4-3).
Jedes betrachtete Kriterium ist in Bezug auf die ausgeführte Tätigkeit/Tätigkeitsgruppe und die vorliegende Anlage/auf den vorliegenden Anlagentyp sowie im Zusammenwirken mit den anderen Kriterien nach Tabelle A 4-3 zu bewerten.
Die Bewertungspunkte 0 bis 10 sind dahingehend zu vergeben, wie weit das jeweilige Kriterium die Verletzungswahrscheinlichkeit beeinflusst:
Einfluss führt zu Verletzungswahrscheinlichkeit:
0 | praktisch unmöglich; |
2 | denkbar, aber sehr unwahrscheinlich; |
4 | unwahrscheinlich; |
7 | selten; |
10 | gelegentlich bis häufig. |
Ist ein Kriterium nicht zutreffend (z.B. es ist keine entsprechende Maßnahme möglich, es liegen keine statistischen Daten vor), ist der Wert der Bewertungspunkte für dieses Kriterium auf den Durchschnittwert der anderen bewerteten Kriterien zu setzen, damit das Ergebnis nicht verzerrt wird.
Beispiel:
Kriterium a) | ... 4 Punkte |
Kriterium b) | ... nicht zutreffend → Wert wird auf 3,5 Punkte gesetzt |
Kriterium c) | ... 2 Punkte |
Kriterium d) | ... 4 Punkte |
Kriterium e) | ... nicht zutreffend → Wert wird auf 3,5 Punkte gesetzt |
Kriterium f) | ... 4 Punkte |
Die Bewertung der Kriterien a, c, d und f ergeben zusammen 14 Punkte. Die Werte der nicht zutreffenden Kriterien b und e werden auf den Wert 3,5 (=14/4: Mittelwert der 4 anderen Kriterien) gesetzt.
Tabelle A 4-2: Erwartete, durchschnittliche Verletzungshäufigkeit eines Beschäftigten nach Maßnahmen
Bezeichnung | Beschreibung | Häufigkeit | |
1 | Praktisch unmöglich | Mit einer Verletzung muss nicht gerechnet werden. | < 1x in 100 Jahren |
2 | Denkbar, aber sehr unwahrscheinlich | Unter theoretischen Betrachtungen könnte es zu einer Verletzung kommen. Dies ist in der Praxis unter vernünftig vorhersehbaren Voraussetzungen nicht zu erwarten. | 1x in 100 Jahren |
3 | Unwahrscheinlich | In der Branche sind Unfälle bekannt, die nicht aus- geschlossen werden können, aber sehr selten sind. | 1x in 50 Jahren |
4 | Selten | Eine Verletzung durch einen Störlichtbogen ist durchaus möglich | 1x in 10 Jahren |
5 | Gelegentlich bis häufig | Eine Verletzung durch einen Lichtbogen ist zu erwarten. | monatlich ... jährlich |
Tabelle A 4-3: Kriterien zu Abschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit einer Verletzung
Bezeichnung | Beschreibung | mögliche Bewertungspunkte (Einfluss auf EW) | |
a) | Art/Zustand der Anlage | Art/Zustand der Anlage hinsichtlich überbrückungsfähiger Potenziale (Lichtbogenentstehung) oder der Begrenzung von Lichtbogenauswirkung, z.B.
| 0 ... praktisch unmöglich
2 ... denkbar, sehr unwahrscheinlich 4 ... unwahrscheinlich 7 ... selten 10 ... gelegentlich bis häufig |
b) | Technische Maßnahmen | Technische Maßnahmen zur Vermeidung von Potenzialüberbrückungen (Lichtbogenentstehung) oder zur Begrenzung von Lichtbogenauswirkungen, z.B.
| 0 ... praktisch unmöglich
2 ... denkbar, sehr unwahrscheinlich 4 ... unwahrscheinlich 7 ... selten 10 ... gelegentlich bis häufig nicht zutreffend |
c) | Organisatorische Maßnahmen | Organisatorische Maßnahmen zur Vermeidung von Potenzialüberbrückungen (Lichtbogenentstehung) oder zur Begrenzung von Lichtbogenauswirkungen, z.B.
| 0 ... praktisch unmöglich
2 ... denkbar, sehr unwahrscheinlich 4 ... unwahrscheinlich 7 ... selten 10 ... gelegentlich bis häufig nicht zutreffend |
d) | Persönliche Maßnahmen | Persönliche Maßnahmen zur Vermeidung von Potenzialüberbrückungen (Lichtbogenentstehung) oder zur Begrenzung von Lichtbogenauswirkungen, z.B.
| 0 ... praktisch unmöglich
2 ... denkbar, sehr unwahrscheinlich 4 ... unwahrscheinlich 7 ... selten 10 ... gelegentlich bis häufig nicht zutreffend |
e) | Statistische Einflussfaktoren | Statistische Einflussfaktoren, die bei der Bewertung der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Lichtbogens oder einer Verletzung durch Lichtbogen eine Rolle spielen, z.B.
| |
f) | Ergonomische Einflussfaktoren | Ergonomische Einflussfaktoren, die bei der Bewertung der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Lichtbogens oder einer Verletzung durch Lichtbogen eine Rolle spielen, z.B.
| 0 ... praktisch unmöglich
2 ... denkbar, sehr unwahrscheinlich 4 ... unwahrscheinlich 7 ... selten 10 ... gelegentlich bis häufig nicht zutreffend |
Die Summe der Bewertungspunkte für die Kriterien a) bis f) führt zur Einstufung der erwarteten Eintrittswahrscheinlichkeit einer Verletzung in der Risikomatrix (Abb. A 4-3):
Abb. A 4-3 Risikomatrix mit Summe der Bewertungspunkte
Beispiele | Anhang 5 |
In den nachfolgenden Beispielen werden Arbeiten an verschiedenen Arbeitsorten eines typischen städtischen Niederspannungs-Versorgungssystems betrachtet.
Hinweis:
Die nachfolgenden Beispiele wurden aus Sicht der Experten, die an dieser DGUV Information mitgearbeitet haben, erstellt.
Sie sollen dem Anwender dieser Auswahlhilfe als Unterstützung bei der Anwendung bieten.
In der betrieblichen Praxis können einzelne Bewertungen unter Berücksichtigung zum Beispiel der örtlichen Gegebenheiten oder der konkreten Arbeitsverfahren unterschiedlich ausfallen.
Abb. A 5-1 Betrachtetes städtisches Niederspannungs-Versorgungssystem
A 5.1 Beispiel 5.1: Niederspannungsverteilung in einer Transformatorstation (Arbeitsort 1)
Häufig werden Tätigkeiten an Niederspannungs-Verteilungen von Transformatorstationen durchgeführt. Dies sind zum Beispiel das Entfernen oder Einsetzen von NH-Sicherungseinsätzen, An- und Abklemmen von Abgängen, Reinigungsarbeiten oder das Messen und Prüfen an aktiven Teilen.
Abb. A 5-3 Ersatzschaltbild Arbeitsort 1
Gefährdungsbeurteilung der geplanten Tätigkeit
Phase 1: Besteht prinzipiell die Gefahr der Störlichtbogenexposition von Personen?
Phase 2: Erste Bewertung der Störlichtbogenenergie des Tätigkeits- bzw. Arbeitsplatzbereichs. Ist eine Berechnung erforderlich?
Bei den betrachteten Arbeiten besteht eine erhöhte Gefährdung, da am Arbeitsort im Fehlerfall die Kurzschlussleistung maßgeblich ist, die sich unmittelbar hinter dem Transformator ergibt. Entscheidend für die in einem Störlichtbogen freigesetzten Energien sind die Transformatorleistungen und die Ausschaltzeiten der Transformatorsicherungen bzw. der Leistungsschalter der Speisezweige. Ein wichtiger Einfluss resultiert aus der Struktur bzw. dem Schaltzustand des Niederspannungs-Netzes im Zusammenhang mit der Art der Speisung der Niederspannungs-Stationen (Stationsvermaschung oder stationsweise gespeiste Niederspannungs-Netze). Die Kurzschlussleistung und der prospektive Kurzschlussstrom am Arbeitsort werden davon mitbestimmt, ob eine ein- oder mehrseitige Speisung besteht.
Phase 3: Berechnungsverfahren anwenden: WLB, WLBS ermitteln!
Schritt 1: Daten der betrachteten Arbeitsstelle
Im Beispielfall handelt es sich um ein städtisches Versorgungssystem (Abb. A 5-2), in dem der Arbeitsort 1 betrachtet wird.
In den Netzstationen sind Transformatoren 20/0,4 kV mit Bemessungsscheinleistungen SrT von 630 kVA oder 400 kVA und Kurzschlussspannungen Uk von 4 % vorhanden.
Die Standardquerschnitte der 1-kV-Aluminiumkabel betragen 150 mm2 bei den Netzkabeln und 35 mm2 bei den Hausanschlusskabeln.
In Abb. A 5-1 sind die Trennstellen im Netz eingezeichnet, die bei AuS geöffnet werden, um jeweils einseitige Speisungen in den betreffenden Netzbereichen herzustellen.
Der Arbeitsort 1 wird von einem 630-kVA-Transformator über eine NH-Transformatorsicherung 630 kVA der Betriebsklasse gTr AC 400 V gespeist.
Die Strom-Zeit-Kennlinie der Sicherung ist in Abb. A 5-4 dargestellt.
Schritt 2: Bestimmung I''k3, R/X
Aus der Kurzschlussstromberechnung gemäß VDE 0102 [7] ergibt sich für den Schaltzustand einseitiger Speisung für den Arbeitsort ein prospektiver Kurzschlussstrom (Anfangskurzschlusswechselstrom) I''k3 von
I''k3,max = 24,5 kA (c = 1,05)
I''k3,min = 21,6 kA (c = 0,95)
Das R/X-Verhältnis der Netzimpedanz im Fehlerstromkreis beträgt ca. 0,27.
Schritt 3: Bestimmung Lichtbogenstrom
Der für die Ausschaltzeit der NH-Sicherung relevante minimale Fehlerstrom bei einem Lichtbogenkurzschluss ergibt sich aus dem minimalen prospektiven Kurzschlussstrom I''k3,min mit Hilfe des Begrenzungsfaktors kB, der die strombegrenzenden Wirkungen der Störlichtbögen im Fehlerstromkreis charakterisiert.
Da es sich um eine Niederspannungs-Anlage handelt und im ersten Ansatz eine Worst-Case-Betrachtung vorgenommen wird, wird nach Abschnitt 4.2.2 ein Strombegrenzungsfaktor von kB = 0,5 angenommen.
Für den minimalen Fehlerstrom folgt daraus
Abb. A 5-2 Arbeiten an einer Niederspannungs-Verteilung
Abb. A 5-4 Mittlere Zeit-Strom-Kennlinien der Verwendeten Sicherung gTr AC 400 V
Für diesen Strom ergibt sich aus der Sicherungskennlinie in Abb. A 5-4 eine Ausschaltzeit von t = 0,113 s. Diese Zeit entspricht der Kurzschlussdauer tk.
Anmerkung:
In der praktischen Anwendung ist die Kennlinie der tatsächlich verwendeten Überstromschutzeinrichtung zu benutzen.
Schritt 4: Lichtbogenleistung am Arbeitsort
Mit dem maximalen prospektiven Kurzschlussstrom I''k3,max folgt für die Kurzschlussleistung am Arbeitsort
Unter Worst-Case-Bedingungen kann mit der Formel der maximal mögliche Wert der bezogenen Lichtbogenleistung ermittelt werden. Für dieses Beispiel ergibt die Berechnung kP,max = 0,36.
Daraus resultiert eine Lichtbogenenergie WLB:
Diese Energie ist der Erwartungswert der Lichtbogenenergie im Fehlerfall am Arbeitsort 1.
Schritt 5: Arbeitsabstand festlegen
Für die Arbeiten in der Niederspannungs-Verteilung wird ein Arbeitsabstand von a = 300 mm angesetzt.
Das entspricht einem Minimalabstand vom Oberkörper zur Vorderfront der geöffneten Anlage.
Schritt 6: Prüfpegel für PSA
Die Prüfpegel für PSA unter den Normbedingungen des Boxtests nach VDE 0682-306-1-2 betragen
Schritt 7: Transmissionsfaktor, Schutzpegel der PSAgS
Bei Arbeiten an Niederspannungs-Verteilungen in Transformatorstationen soll von großräumigen Anlagen, deren Raumbegrenzung hauptsächlich durch die Rückwand gegeben ist, ausgegangen werden.
Es wird hier ein Transmissionsfaktor von kT = 1,5 angenommen.
Mit dem Arbeitsabstand a = 300 mm folgt für die äquivalente Lichtbogenenergie mit
WLBS_APC 1 = 252 kJ bei Störlichtbogenschutzklasse APC 1
WLBS_APC 2 = 480 kJ bei Störlichtbogenschutzklasse APC 2
Schritt 8: Auswahl der Störlichtbogenschutzklasse
Es gilt WLB = 690,3 kJ > WLBS_APC 2 = 480 kJ.
Die zu erwartende Lichtbogenenergie ist größer als der Schutzpegel WLBS_APC 2 einer PSAgS der Störlichtbogenschutzklasse APC 2. In diesem Fall muss mit Phase 4 der Gefährdungsbeurteilung fortgefahren werden.
In der Abarbeitung der erforderlichen Arbeitsschritte ergeben sich folgende Ergebnisse
(siehe Tabelle A 5-1).
Tabelle A 5-1: Ergebnis der Berechnung WLB und WLBS für Beispiel 5.1 (Transformatorstation 630 kVA)
Phase 4: Weitere Maßnahmen zur Reduzierung der Lichtbogenenergie und der Wahrscheinlichkeit von Verletzungen durch Störlichtbögen umsetzen
Für die betrachtete Anlage und die Arbeitssituation ist keine geeignete Maßnahme zur Reduzierung der Lichtbogenenergie und der Wahrscheinlichkeit von Verletzungen durch Störlichtbögen möglich.
Folglich wird mit Phase 5 weiter verfahren.
Phase 5: Eintrittswahrscheinlichkeit und Verletzungsschwere einer Störlichtbogenverletzung nach Anwendung der getroffenen Maßnahmen abschätzen; Restrisiko bewerten und entscheiden (Risikomatrix)
In dieser Phase wird die mögliche Schadensschwere (Verletzungsschwere) und die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Verletzung durch einen Störlichtbogen abgeschätzt und damit das Restrisiko bestimmt.
Abschätzung der Verletzungsschwere
Es wird für dieses Beispiel angenommen, dass die Berechnung (nach Kapitel 4) für die betrachteten Arbeitsbedingungen folgende Ergebnisse liefert:
Schutzpegel für PSAgS APC 2: | WLBS = 480 kJ (kT = 1,5; a = 30 cm) |
Lichtbogenenergie: | WLB = 690,3 kJ |
Aus dem Verhältnis WLB / WLBS = 1,44 ergibt sich dann entsprechend Tabelle A 4-1 eine erwartete Verletzungsschwere von "reversible Verletzung".
Abschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit einer Verletzung
Tabelle A 5-2: Abschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit einer Verletzung für 5.1
Bezeichnung | Bewertungspunkte | Erläuterung | |
a) | Art/Zustand der Anlage | 4 ... unwahrscheinlich | offene Bauweise in einer abgeschlossenen elektrischen Betriebsstätte;
Anlage in ordnungsgemäß gewartetem sauberen Zustand |
b) | Technische Maßnahmen | 2 ... denkbar, sehr unwahrscheinlich | Einsatz überbrückungssicherer Ausrüstung (AuS-Werkzeug; Spannungsprüfer, NH-Sicherungsaufsteckgriff mit Stulpe) |
c) | Organisatorische Maßnahmen | 2 ... denkbar, sehr unwahrscheinlich | Beschreibung der organisatorischen Maßnahmen
Anwendung betrieblicher Regeln: Arbeits- und Betriebsanweisungen liegen vor Qualifikation Personal: |
d) | Persönliche Maßnahmen | 2 ... denkbar, sehr unwahrscheinlich | Einsatz PSAgS Störlichtbogenschutzklasse APC 2, Einsatz mit NH-Sicherungsaufsteckgriff mit Stulpe |
e) | Statistische Einflussfaktoren | 4 ...unwahrscheinlich | Begrenzter räumlicher Umfang kritischer Bereiche: übersichtliche Bauweise; kritische Bereiche sind klar erkennbar Häufigkeit und Dauer von Tätigkeiten in Bereichen, in denen der Schutz durch PSAgS der Störlichtbogenschutzklasse APC 2 nicht gegeben ist: Mögliche zusätzliche Schutzwirkung durch langärmlige schwerentflammbare Unterbekleidung: |
f) | Ergonomische Einflussfaktoren | 2 ... denkbar, sehr unwahrscheinlich | Erfahrungen im Unternehmen mit verschiedener PSAgS oder Werkzeugen: PSAgS und AuS Werkzeug wurde unter Beteiligung der ausführenden Personen ausgewählt |
Summe: | 16
liegt im Bereich (10 ... 19) | Ergebnis: die erwartete Eintrittswahrscheinlichkeit für eine Verletzung durch Störlichtbogen liegt bei "denkbar, aber sehr unwahrscheinlich" |
Abb. A 5-5 Anwendung der Risikomatrix für Beispiel 5.1
Die Risikobewertung mit Verletzungsschwere WLB / WLBS = 1,3 "reversible Verletzung" und Eintrittswahrscheinlichkeit 16 Punkte "denkbar, aber sehr unwahrscheinlich" ergibt in der Risikomatrix (Abb. A 5-5) den grünen Bereich. Die Durchführung der Arbeiten mit PSAgS der Störlichtbogenschutzklasse APC 2 auf Basis der getroffenen Bewertungsansätze ist somit zulässig.
Im Falle einer Station mit einem 400-kVA-Transformator (Kurzschlussspannung 4 %; NH-Sicherung 400 kVA gTr AC 400 V) liegen - unter sonst gleichen Bedingungen wie oben - die prospektiven Kurzschlussströme im Bereich I''k3 = 12,7 ... 14,1 kA. Das R/X-Verhältnis beträgt 0,27. Aus der Strom-Zeit-Kennlinie der NH-Sicherung (Abb. A 5-4) ergibt sich für kB = 0,5 und IkLB = 6,9 kA eine Kurzschlussdauer von tk = 0,04 s. Die Kurzschlussleistung beträgt S''k = 10,8 MVA. Mit der bezogenen Lichtbogenleistung kP = 0,356 folgt für die Lichtbogenleistung PLB = 3,8 MW und der Erwartungswert der Lichtbogenenergie WLB = 152 kJ. Für gleichen Arbeitsabstand a = 300 mm und gleichen Transmissionsverhältnisse (kT = 1,5) wie zuvor bedeutet dies, dass PSAgS der Störlichtbogenschutzklasse APC 1 erforderlich ist.
Ergebnis der Berechnung siehe Tabelle A 5-3.
Tabelle A 5-3: Ergebnis der Berechnung WLB und WLBS für Beispiel 5.1 (Transformatorstation 400 kVA)
A 5.2 Beispiel 5.2: Niederspannungskabel (Arbeitsort 2)
Häufig werden Arbeiten im Kabelnetz an Muffen durchgeführt (siehe Abb. A 5-6). Der beispielhaft betrachtete Arbeitsort 2 (Kabelmuffe nach ca. 100 m Netzkabel) ist Abb. A 5-1 zu entnehmen. Die Höhe der Fehlerströme und Lichtbogenenergien ist stark von der Entfernung des Arbeitsortes zur speisenden Netzstation (Transformator) und damit von der diesbezüglichen Netzkabellänge abhängig.
Abb. A 5-6 Arbeiten an einer Kabelmuffe
wird nicht dargestellt *)
Im Beispiel wird der Arbeitsort durch ein Netzkabel aus einer Station mit einem 630-kVA-Transformator gespeist.
Maßgeblich für die Ausschaltung des Störlichtbogenfehlers ist die NH-Sicherung im Kabelabzweig der speisenden Station.
Hierbei handelt es sich um eine Leitungs-Ganzbereichssicherung NH 250 A Betriebsklasse gG bzw. gL AC 400 V.
Die Strom-Zeit-Kennlinie ist in Abb. A 5-7 dargestellt.
Gefährdungsbeurteilung
Phase 1: Besteht prinzipiell die Gefahr der Störlichtbogenexposition von Personen?
Phase 2: Basisbewertung des Störlichtbogenrisikos des Tätigkeits- bzw. Arbeitsplatzbereichs. Ist eine Berechnung erforderlich?
Abb. A 5-7 Mittlere Zeit-Strom-Kennlinien der betrachteten Leitungssicherungen NH gL/gG AC 400 V
Phase 3: Berechnungsverfahren anwenden: WLB, WLBS ermitteln!
In der Abarbeitung der erforderlichen Arbeitsschritte ergeben sich folgende Ergebnisse.
Tabelle A 5-4: Ergebnis der Berechnung WLB und WLBS für Beispiel 5.2 (Muffen in Kabelnetzen)
Die Arbeiten am betrachteten Arbeitsort 2 (Kabelmuffe) erfordern bei Abschätzung nach Kapitel 3 und bei genauer Berechnung PSAgS der Störlichtbogenschutzklasse APC 1.
A 5.3 Beispiel 5.3: Hausanschlusskasten (Arbeitsort 3)
Häufige Arbeiten unter Spannung sind das Wechseln von Hausanschlusskästen (Abb. A 5-8; innen/außen). Im Beispielfall wird der Arbeitsort 3 nach Abb. A 5-1 betrachtet. Die Speisung des Arbeitsortes erfolgt wiederum aus einer vorgeordneten Netzstation mit 630-kVA-Transformator. Im Vergleich zu Beispiel 2 ergeben sich noch deutlich geringere Kurzschlussströme, da die Hausanschlusskabel nur vergleichsweise geringe Querschnitte besitzen. Im Beispiel beträgt die Länge des Hausanschlusskabels ca. 15 m.
Für die Kurzschlussausschaltung ist die Abzweigsicherung im vorgeordneten Kabelverteilerschrank maßgeblich; es handelt sich um eine Sicherung NH 250 A Betriebsklasse gG AC 400 V.
Abb. A 5-8 Arbeiten am Hausanschlusskasten
wird nicht dargestellt *)
Gefährdungsbeurteilung der geplanten Tätigkeit
Phase 1: Besteht prinzipiell die Gefahr der Störlichtbogenexposition von Personen?
Phase 2: Erste Bewertung der Störlichtbogenenergie des Tätigkeits- bzw. Arbeitsplatzbereichs. Ist eine Berechnung erforderlich?
Phase 3: Berechnungsverfahren anwenden: WLB, WLBS ermitteln!
Die Abarbeitung der erforderlichen Arbeitsschritte ergibt folgende Ergebnisse (siehe Tabelle A 5-5).
Abb. A 5-9 Mittlere Zeit-Strom-Kennlinien der betrachteten Leitungssicherungen NH gL/gG AC 400 V
Tabelle A 5-5: Ergebnis der Berechnung WLB und WLBS für Beispiel 5.3 (geöffneter Hausanschlusskasten)
* Aus der Strom-Zeit-Kennlinie (Abb. A 5-10) ergibt sich eine Ausschaltzeit t > 1 s, so dass davon auszugehen ist, dass die für die Exposition relevante Höchstzeit tk = 1 s beträgt (siehe auch Anmerkung am Ende des Abschnittes 4.2.2).
Phase 4: Weitere Maßnahmen zur Reduzierung der Lichtbogenenergie und der Wahrscheinlichkeit von Verletzungen durch Störlichtbögen umsetzen
Im Ergebnis zeigt sich, dass im Beispielfall für die Arbeiten am Hausanschlusskasten PSAgS der Störlichtbogenschutzklasse APC 2 nicht ausreichend ist. Der hohe Erwartungswert der Lichtbogenenergie kommt durch die große Kurzschlussdauer zustande, aus der eine lange Expositionsdauer resultiert.
Um das Arbeiten in diesem Fall zu ermöglichen, können z.B.
werden.
Für die nachfolgende Betrachtung wird die erstgenannte Option ausgewählt. Dazu ist zu fordern, dass die im Kabelabzweig der speisenden Netzstation vorhandene Abzweigsicherung NH 250 A gG für die Dauer der Arbeiten gegen eine Arbeitssicherung mit geringerer Bemessungsstromstärke und/oder einer flinken oder superflinken Betriebscharakteristik ausgetauscht wird, so dass sich vor Beginn der Arbeiten ein Sicherungswechsel und nach Abschluss der Arbeiten ein Sicherungswechsel erforderlich machen. Setzt man eine Arbeitssicherung NH 160 A Betriebsklasse aR (flink: üf2; überflink: üf1; superflink: üf01; hyperflink: üf02) ein, ergibt sich in jedem Fall eine strombegrenzende Ausschaltung. Für die Berechnungen ist in diesem Fall eine Kurzschlussdauer von tk = 0,01 s anzusetzen. Im Beispielfall wird eine Sicherung NH 160 A aR/690 V - üf01 eingesetzt, woraus eine Ausschaltzeit von 6,87 ms resultiert.
Tabelle A 5-6: Ergebnis der Berechnung WLB und WLBS für Beispiel 5.3 bei Einsatz einer Arbeitsschutzsicherung (geöffneter Hausanschlusskasten)
Die Berechnung ergibt, dass die zu erwartende Lichtbogenenergie kleiner 50 kJ ist. Damit ist für die betrachtete Tätigkeit keine besondere PSAgS erforderlich. Eine handelsübliche Arbeitskleidung, bestehend aus langärmeliger Oberbekleidung und langer Hose ist ausreichend.
Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass zum Einsetzen der Arbeitsschutz-Sicherung eine PSAgS (APC 1 oder APC 2) benötigt wird.
A 5.4 Beispiel 5.4: Elektroinstallation bei vorgeschaltetem Hausanschlusskasten (Arbeitsort 4)
Werden Arbeiten unter Spannung oder Arbeiten in der Nähe unter Spannung stehender Teile in der elektrischen Hausinstallation (400 V), die über eine Sicherung mit maximal 63 A Nennstrom abgesichert ist, durchgeführt, ist handelsübliche Arbeitskleidung bestehend aus langärmeliger Oberbekleidung und langer Hose ausreichend (siehe Anwendungsbereich).
Anmerkung:
Der Vollständigkeit halber wird dieses Beispiel aus der ersten Auflage dieser DGUV Information (Ausgabe Oktober 2012) hier aufgeführt. Die Berechnungen der ersten Auflage zeigen, die abgeschätzten Werte für WLB deutlich (Faktor > 27) unterhalb des Schutzpegels einer PSAgS der Störlichtbogenschutzklasse APC 1 liegen.
Abb. A 5-10 Arbeiten hinter der Hauseinspeisung
wird nicht dargestellt *)
Gefährdungsbeurteilung der geplanten Tätigkeit
Phase 1: Besteht prinzipiell die Gefahr der Störlichtbogenexposition von Personen?
Phase 2: Erste Bewertung der Störlichtbogenenergie des Tätigkeits- bzw. Arbeitsplatzbereichs. Ist eine Berechnung erforderlich?
A 5.5 Beispiel 5.5: Entfernen von NH-Sicherungseinsätzen
Das Tätigkeitsfeld von Zählermonteuren kann Arbeitsbereiche mit unterschiedlicher Störlichtbogengefährdung umfassen:
a) | Arbeiten an Anlagen (Zähler) hinter einer Hausanschlusssicherung (vgl. Beispiel Arbeitsort 4): Diese Tätigkeiten umfassen z.B. Spannung prüfen, Wechsel von Zählern (im spannungsfreien Zustand oder unter Spannung). Entsprechend der Rechenergebnisse ist dazu PSAgS der Störlichtbogenschutzklasse APC 1 ausreichend. |
b) | Arbeiten am geöffneten Hausanschlusskasten (vgl. Beispiel Arbeitsort 3): Zur Vorbereitung von Arbeiten am Zähler müssen ggf. Hausanschlusssicherungen entfernt oder wieder eingesetzt werden. Entsprechend der Rechenergebnisse wird hier der rechnerische Schutzpegel der PSAgS Störlichtbogenschutzklasse APC 1 überschritten (WLB / WLBS = 1,3). |
Zählermonteure sind im Regelfall mit PSAgS der Störlichtbogenschutzklasse APC 1 ausgerüstet. Es ergibt sich die Frage, ob für das Entfernen und das Einsetzen von Hausanschlusssicherungen eine Ausrüstung mit PSAgS Störlichtbogenschutzklasse APC 2 zwingend erforderlich ist, oder ob diese Tätigkeit auch mit PSAgS der Störlichtbogenschutzklasse APC 1 ausgeführt werden kann?
Abb. A 5-11 Entfernen und Einsetzen von NH-Sicherungen am Hausanschlusskasten
Gefährdungsbeurteilung der geplanten Tätigkeit
Phase 1: Besteht prinzipiell die Gefahr der Störlichtbogenexposition von Personen?
Phase 2: Erste Bewertung des Störlichtbogenrisikos des Tätigkeits- bzw. Arbeitsplatzbereichs. Ist eine Berechnung erforderlich?
Phase 3: Berechnungsverfahren anwenden: WLB, WLBS ermitteln!
Die Berechnung von WLB ergibt 607 kJ (vgl. Tabelle A 5-5, Hausanschlusskasten). Ausgehend von einem Arbeitsabstand von a = 500 mm beträgt der Schutzpegel der PSAgS Störlichtbogenschutzklasse APC 1.467 kJ (bei kT = 1).
Da bei diesen Arbeiten mit fast gestrecktem Arm gearbeitet wird, wird von einem Arbeitsabstand von 500 mm ausgegangen.
Damit überschreitet WLB den Schutzpegel der Störlichtbogenschutzklasse APC 1 um den Faktor 1,3.
Phase 4: Weitere Maßnahmen zur Reduzierung der Lichtbogenenergie und der Wahrscheinlichkeit von Verletzungen durch Störlichtbögen umsetzen
Eine weitere Maßnahme zur Reduzierung der Wahrscheinlichkeit von Verletzungen durch Störlichtbögen wäre der Einsatz einer PSAgS der Störlichtbogenschutzklasse APC 2. Zur Untersuchung, ob diese Tätigkeit auch mit PSAgS der Störlichtbogenschutzklasse APC 1 ausgeführt werden kann, wird diese Abschätzung mit Phase 5 weiter betrachtet.
Phase 5: Eintrittswahrscheinlichkeit und Verletzungsschwere einer Störlichtbogenverletzung nach Anwendung der getroffenen Maßnahmen abschätzen; Restrisiko bewerten und entscheiden (Risikomatrix)
Abschätzung der Verletzungsschwere
Es wird für dieses Beispiel angenommen, dass die Berechnung (nach Kapitel 4) für die betrachteten Arbeitsbedingungen folgende Ergebnisse liefert:
Schutzpegel für PSAgS APC 1: | WLBS = 467 kJ (kT = 1; a = 500 mm) |
Lichtbogenenergie: | WLB = 607 kJ |
Aus dem Verhältnis WLB / WLBS = 1,3 ergibt sich dann entsprechend Tabelle A 4-2 eine erwartete Verletzungsschwere von "reversible Verletzung".
Abschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit einer Verletzung
Tabelle A 5-7: Abschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit einer Verletzung für 5.5
Bezeichnung | Bewertungspunkte | Erläuterung | |
a) | Art/Zustand der Anlage | 4 ... unwahrscheinlich | offene Bauweise in einer abgeschlossenen elektrischen Betriebsstätte;
Anlage in ordnungsgemäß gewartetem sauberen Zustand |
b) | Technische Maßnahmen | 2 ... denkbar, sehr unwahrscheinlich | Einsatz überbrückungssicherer Ausrüstung (AuS-Werkzeug; Spannungsprüfer, NH-Sicherungsaufsteckgriff mit Stulpe) |
c) | Organisatorische Maßnahmen | 2 ... denkbar, sehr unwahrscheinlich | Anwendung betrieblicher Regeln: Arbeits- und Betriebsanweisungen liegen vor Qualifikation Personal: Einsatz von für diese Tätigkeiten qualifiziertem Personal (Elektrofachkraft) |
d) | Persönliche Maßnahmen | 2 ... denkbar, sehr unwahrscheinlich | Einsatz PSAgS Störlichtbogenschutzklasse APC 1, Einsatz NH-Sicherungsaufsteckgriff mit Stulpe |
e) | Statistische Einflussfaktoren | 4 ... unwahrscheinlich | Begrenzter räumlicher Umfang kritischer Bereiche: übersichtliche Bauweise; kritische Bereiche sind klar erkennbar
Häufigkeit und Dauer von Tätigkeiten in Bereichen, in denen der Schutz durch PSAgS der Störlichtbogenschutzklasse APC 2 nicht gegeben ist: Mögliche zusätzliche Schutzwirkung durch langärmlige schwerentflammbare Unterbekleidung: |
f) | Ergonomische Einflussfaktoren | 2 ... denkbar, sehr unwahrscheinlich | Erfahrungen im Unternehmen mit verschiedener PSAgS oder Werkzeugen: PSAgS und AuS Werkzeug wurde unter Beteiligung der ausführenden Personen ausgewählt |
Summe: | 16
liegt im Bereich (10 ... 19) | Ergebnis: die erwartete Eintrittswahrscheinlichkeit für eine Verletzung durch Störlichtbogen liegt bei "denkbar, aber sehr unwahrscheinlich" |
Abb. A 5-12 Anwendung der Risikomatrix für Beispiel 5.5
Die Risikobewertung mit Verletzungsschwere WLB / WLBS = 1,3 "reversible Verletzung" und Eintrittswahrscheinlichkeit 16 Punkte "denkbar, aber sehr unwahrscheinlich" ergibt in der Risikomatrix (Abb. A 5-12) den grünen Bereich. Die Durchführung der Arbeiten mit PSAgS der Störlichtbogenschutzklasse APC 1 auf Basis der getroffenen Bewertungsansätze ist somit zulässig.
A 5.6 Beispiel 5.6: Industrieverteiler
Das nachfolgende Beispiel zeigt die Berechnung für eine typische Konfiguration hinter einer NH 315 A gG Sicherung.
An dieser Beispielanlage werden hinter der NH Sicherung unterschiedliche Tätigkeiten durchgeführt (siehe Abb. A 5-13). Dies geht vom Austausch von Betriebsmitteln bis hin zu einfachsten Einstellarbeiten an Schutzorganen und Betriebsmitteln.
Der Arbeitsort ist die elektrotechnische Ausrüstung der Kältemaschine und liegt hinter einem Kabel von 86 m.
Abb. A 5-13 Anlagenübersicht Industrieanlage
wird nicht dargestellt *)
Abb. A 5-14 Niederspannungsanlage in der Industrie (Schaltschrank Kältemaschine)
wird nicht dargestellt *)
Abb. A 5-15 Mittlere Zeit-Strom-Kennlinien der betrachteten Leitungssicherungen NH gL/gG AC 400 V
Gefährdungsbeurteilung der geplanten Tätigkeit
Phase 1: Besteht prinzipiell die Gefahr der Störlichtbogenexposition von Personen?
Phase 2: Erste Bewertung der Störlichtbogenenergie des Tätigkeits- bzw. Arbeitsplatzbereichs. Ist eine Berechnung erforderlich?
Phase 3: Berechnungsverfahren anwenden: WLB, WLBS ermitteln!
In der Abarbeitung der erforderlichen Arbeitsschritte ergeben sich folgende Ergebnisse (siehe Tabelle A 5-8).
Anmerkung: Bei genauer Berechnung ergibt sich aus der Kennlinie der Schutzeinrichtung eine Zeit < 10 ms; die Kurzschlussdauer wird deshalb auf 10 ms festgelegt.
Tabelle A 5-8: Ergebnis der Berechnung WLB und WLBS für Beispiel 5.6 (Niederspannungs-Anlage in der Industrie)
Anmerkung:
Bei genauer Berechnung ergibt sich aus der Kennlinie der Schutzeinrichtung eine Zeit < 10 ms; die Kurzschlussdauer wird deshalb auf 10 ms festgelegt.
Die Berechnung ergibt, dass die zu erwartende Lichtbogenenergie kleiner als WLB, min = 50 kJ ist. Damit ist für die hier betrachtete Arbeit keine besondere PSAgS erforderlich. Eine handelsübliche Arbeitskleidung bestehend aus langärmeliger Oberbekleidung und langer Hose ist ausreichend. Eine Schutzkleidung der Störlichtbogenschutzklasse APC 1 wird jedoch empfohlen.
Abb. A 5-16 Ersatzschaltbild Schaltanlage
A 5.7 Beispiel 5.7: Schalten an nicht störlichtbogengeprüften Anlagen älterer Bauart
Aufgrund des hohen Leistungsbedarfs im industriellen Bereich findet man dort häufig Anlagen mit hohen Kurzschlussleistungen. Gängige Transformatorgrößen für die Umspannung von Mittel- auf Niederspannung sind 1,0 MVA, 1,6 MVA, 2,0 MVA sowie 2,5 MVA, teilweise auch bis zu 4 MVA. Damit einhergehend treten sehr hohe Kurzschlussströme auf. Teilweise bestehen auch relativ lange Abschaltzeiten.
Im Weiteren wird der Fall betrachtet, wie ein Schaltfeld (Strahlennetz) freigeschaltet wird, damit z.B. an der unterlagerten Verteilung gearbeitet werden kann.
Hierzu wird zunächst von außen, mittels eines Hebels, der dem Abgang zugeordnete Lasttrennschalter betätigt (Betrachtung a). Danach werden die NH-Sicherungen entfernt (Betrachtung b) und die Spannungsfreiheit festgestellt (Betrachtung c).
Gefährdungsbeurteilung der geplanten Tätigkeit
Phase 1: Besteht prinzipiell die Gefahr der Störlichtbogenexposition von Personen?
Phase 2: Erste Bewertung der Störlichtbogenenergie des Tätigkeits- bzw. Arbeitsplatzbereichs. Ist eine Berechnung erforderlich?
Abb. A 5-17 Leistungsstarke Schaltanlage älterer Bauart; eingesetzt in der Industrie
Abb. A 5-18 Geöffnetes Feld
A 7.7.1 Betrachtung a - Öffnen des Lasttrennschalters
Abb. A 5-19 Öffnen des Lastrennschalters bei geschlossener Tür mittels Bedienhebel
Phase 3: Berechnungsverfahren anwenden: WLB, WLBS ermitteln!
Die Berechnung in Tabelle A 5-9 zeigt, dass für das Öffnen des Lastrennschalters Schutzkleidung APC 1 ausreichend ist. Bei der Berechnung wird die Schutzwirkung der Tür beim Auftreten eines Lichtbogens nicht berücksichtigt, da diese nicht quantifizierbar ist.
Anmerkung:
Lichtbogenversuche an realen Schaltanlagen habe eine große Schutzwirkung von Türen ergeben.
Im Falle eines starken Lichtbogens wird die Tür vorrausichtlich öffnen und die Lichtbogenenergie durch die entstehende Öffnung entweichen (Richtwirkung). Daher ist es sinnvoll, sich so vor der Anlage zu positionieren, dass man sich nicht im Bereich der entstehenden Öffnung befindet (seitliches Stehen). Hierdurch kann ein zusätzlicher Schutz für den Ausführenden erreicht werden.
Bei den Versuchen hat sich ebenfalls gezeigt, dass normalerweise die Bänder der Tür halten und die Öffnung im Bereich der Verriegelung entsteht.
Tabelle A 5-9: Ergebnis der Berechnung WLB und WLBS für Beispiel 5.7.1 (Öffnen des Lasttrennschalters)
A 7.7.2 Betrachtung b - Entnehmen der NH-Sicherungen
Abb. A 5-20 Entnehmen der NH-Sicherungseinsätze, zusätzlich mobile Trennstege um Potentiale gegeneinander zu isolieren
Phase 3 (Betrachtung b): Berechnungsverfahren anwenden:
WLB, WLBS ermitteln!
Das Ergebnis der Berechnung zeigt Tabelle A 5-10.
Phase 4: Weitere Maßnahmen zur Reduzierung der Lichtbogenenergie und der Wahrscheinlichkeit von Verletzungen durch Störlichtbögen umsetzen
Für die betrachtete Anlage und die Arbeitssituation ist keine geeignete Maßnahme zur Reduzierung der Lichtbogenenergie und der Wahrscheinlichkeit von Verletzungen durch Störlichtbögen möglich.
Folglich wird mit Phase 5 weiter verfahren.
Phase 5: Eintrittswahrscheinlichkeit und Verletzungsschwere einer Störlichtbogenverletzung nach Anwendung der getroffenen Maßnahmen abschätzen; Restrisiko bewerten und entscheiden (Risikomatrix)
Abschätzung der Verletzungsschwere
Es wird für dieses Beispiel angenommen, dass die Berechnung (nach Kapitel 4) für die betrachteten Arbeitsbedingungen folgende Ergebnisse liefert:
Schutzpegel für PSAgS APC 2: | WLBS_APC 2 = 1689 kJ (kT = 1,9; a = 500 mm) |
Lichtbogenenergie: | WLB = 3512 kJ |
Aus dem Verhältnis WLB / WLBS = 2,1 ergibt sich dann entsprechend Tabelle A 5-11 eine erwartete Verletzungsschwere von "reversible Verletzung".
Tabelle A 5-10: Ergebnis der Berechnung WLB und WLBS für Beispiel 5.7.2 (Entnehmen NH-Sicherungseinsätze)
Abschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit einer Verletzung
Tabelle A 5-11: Abschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit einer Verletzung für 5.7
Bezeichnung | Bewertungspunkte | Erläuterung | |
a) | Art/Zustand der Anlage | 4 ... unwahrscheinlich | Anlage leicht verstaubt (keine leitfähigen Ablagerungen); Zustandsbewertung durch Sichtprüfung |
b) | Technische Maßnahmen | 2 ... denkbar, sehr unwahrscheinlich | Einsatz überbrückungssicherer Ausrüstung (NH-Sicherungsaufsteckgriff mit Stulpe, mobile Trennstege zwischen Sicherungsträgern; Spannungsprüfer CAT IV) |
c) | Organisatorische Maßnahmen | 2 ... denkbar, sehr unwahrscheinlich | Anwendung betrieblicher Regeln: Arbeits- und Betriebsanweisungen liegen vor Qualifikation Personal: |
d) | Persönliche Maßnahmen | 2 ... denkbar, sehr unwahrscheinlich | Einsatz PSAgS Störlichtbogenschutzklasse 2 |
e) | Statistische Einflussfaktoren | 4 ... unwahrscheinlich | Begrenzter räumlicher Umfang kritischer Bereiche: übersichtliche Bauweise; kritische Bereiche sind klar erkennbar Häufigkeit und Dauer von Tätigkeiten in Bereichen, in denen der Schutz durch PSAgS der Störlichtbogenschutzklasse APC 2 nicht gegeben ist: |
f) | Ergonomische Einflussfaktoren | 2 ... denkbar, sehr unwahrscheinlich | Erfahrungen im Unternehmen mit verschiedener PSAgS oder Werkzeugen: PSAgS und AuS Werkzeug wurde unter Beteiligung der ausführenden Personen ausgewählt |
Summe: | 16
liegt im Bereich (10 ... 19) | Ergebnis: die erwartete Eintrittswahrscheinlichkeit für eine Verletzung durch Störlichtbogen liegt bei "denkbar, aber sehr unwahrscheinlich" |
Abb. A 5-21 Anwendung der Risikomatrix für Beispiel 5.7
Die Risikobewertung mit Verletzungsschwere WLB / WLBS = 2,1 "reversible Verletzung" und Eintrittswahrscheinlichkeit 16 Punkte "denkbar, aber sehr unwahrscheinlich" ergibt in der Risikomatrix (Abb. A 5-21) den grünen Bereich. Die Durchführung der Arbeiten mit PSAgS der Störlichtbogenschutzklasse APC 2 auf Basis der getroffenen Bewertungsansätze ist somit zulässig.
A 7.7.3 Betrachtung c - Spannungsfreiheit feststellen
Abb. A 5-22 Feststellen der Spannungsfreiheit
Zum Abschluss der Freischaltung muss nun noch die Spannungsfreiheit festgestellt werden. Hierbei muss im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung in der Phase 1 geprüft werden, ob eine Gefährdung durch Störlichtbogenexposition gegeben ist. Im vorliegenden Fall erfolgt die Prüfung mit einem Spannungsprüfer CAT IV mit verlängerten Spitzen. Diese sind hier nicht zwangsweise erforderlich, in dem Unternehmen für das Schaltpersonal aber Standard, da mit ihnen ein größerer Arbeitsabstand erreicht wird. Die Spitzen haben an ihren Enden nur einen sehr kurzen metallischen Teil, wodurch im vorliegenden Fall keine Überbrückung der potentiell unter Spannung stehender Teile erfolgen kann. Da somit das Entstehen eines Störlichtbogens ausgeschlossen werden kann, könnte das Feststellen der Spannungsfreiheit ohne PSAgS erfolgen. Da im vorherigen Arbeitsschritt (Entnehmen NH-Sicherungen) aber ohnehin PSAgS erforderlich war, wird der kurze Vorgang des Feststellens der Spannungsfreiheit ebenfalls mit dieser ausgeführt.
Da im Arbeitsschritt b - "Entnehmen der NH-Sicherungen" PSAgS APC 2 erforderlich ist, werden letztlich alle drei Arbeitsschritte mit dieser PSAgS durchgeführt. Durch die kurze Zeitdauer der gesamten Arbeiten von 5-10 Minuten ist das Tragen der PSAgS auch ergonomisch unproblematisch.
A 5.8 Beispiel 5.8: Arbeiten an DC-Anlagen (USV)
Abb. A 5-23 Prinzipschaltbild der USV-Anlage mit den Arbeitsorten 1 und 2 (Fehlerorte)
Arbeiten an einer USV-Anlage
Im Beispiel handelt es sich um Arbeiten an einer USV-Anlage (unterbrechungsfreie Stromversorgung) 200 kVA (Verschiebungsfaktor cos Φ = 0,9, Wirkungsgrad DC/AC = 0,9) mit einer leistungsstarken Batterie im Zwischenkreis des Wechselrichters. Die Zwischenkreisspannung beträgt 400 V (siehe Abb. A 5-23).
Aus der Ausgangsleistung des Wechselrichters, einer Entladeschlussspannung von 350 V und der vorgegebenen Entladezeit (Überbrückungszeit) von 15 min ergibt sich der Batterieentladestrom (maximaler Betriebsstrom) von 571 A. Für den Schutz der Batterie ist ein Sicherungslasttrennschalter mit DC-Batteriesicherung NH gR Bat 500 A (500 V, Baugröße NH3) vorgesehen.
Die Batterie besteht aus einer Reihenschaltung von 100 Batteriezellen 4 V. Der Hersteller gibt im Datenblatt dafür einen Innenwiderstand von 97,9 mΩ (0,98 mΩ/Zelle) an, woraus sich ein prospektiver Kurzschlussstrom von IkDC = 4,086 kA ergibt.
Gefährdungsbeurteilung der geplanten Tätigkeit
Phase 1: Besteht prinzipiell die Gefahr der Störlichtbogenexposition von Personen?
Phase 2: Erste Bewertung der Störlichtbogenenergie des Tätigkeits- bzw. Arbeitsplatzbereichs. Ist eine Berechnung erforderlich?
A 5.8.1 Arbeiten im Batteriebereich und direkt an den Batteriezellen (Arbeitsort 1)
Phase 3: Berechnungsverfahren anwenden: WLB, WLBS ermitteln!
Bei Arbeiten im Batteriebereich und direkt an den Batteriezellen ist bei Einleitung eines Lichtbogenkurzschlusses am Fehlerort von einem Leiterabstand von d = 30 mm auszugehen, woraus sich ein Strombegrenzungsfaktor von kB = 0,677 und ein tatsächlicher Fehlerstrom (Lichtbogenkurzschlussstrom) IkLB = 2,76 kA ergibt. Da der Arbeitsort nicht im Schutzbereich der Sicherung NH gR Bat liegt, ist vom ungünstigsten Fall der Einwirkzeit von tk = 1 s auszugehen (maximale Einwirkzeit bzw. Zeitdauer, in der sich die Person aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich zurückziehen kann).
Aus der Iterationsrechnung ergibt sich für die Lichtbogenleistung PLB = 358 kW, was einer bezogenen Lichtbogenleistung von kP = 0,219 entspricht. Mit der Kurzschlussdauer von tk = 1000 ms resultiert daraus ein Erwartungswert für die am Arbeitsort (Fehlerort) umgesetzte Lichtbogenleistung von WLB = 358 kJ.
Rechnet man die Lichtbogenleistung aus der Worst-Case-Abschätzung (ohne Berücksichtigung eines Elektrodenabstandes) über die Beziehung PLB = 0,25 PK mit den Netzkenngrößen Netzspannung und prospektiver Kurzschlussstrom und der Kurzschlussleistung PK = UN*IkDC aus, so folgt PLBmax = 0,25*1,634 MVA = 0,408 MW. Für den Erwartungswert der Lichtbogenenergie ergibt sich dann WLBmax = 408,5 kJ.
Der Schutzpegel der PSAgS wird aus den Prüfpegeln der Lichtbogenenergie unter Berücksichtigung der Transmissionsverhältnisse und des Arbeitsabstandes a ermittelt. Geht man hier entsprechend des Anlagenvolumens von Bedingungen aus, bei denen hauptsächlich eine Rückwandwirkung besteht, was einem Transmissionsfaktor von kT = 1,5 entspricht, und einem Abstand von a = 300 mm aus, so ergeben sich die Schutzpegel der PSAgS WLBS aus den Prüfpegeln WLBP gemäß WLBS = kT*(a / 300 mm) 2 *WLBP . Für Störlichtbogenschutzklasse APC 1 gilt WLBS_APC 1 = 252 kJ und für Störlichtbogenschutzklasse APC 2 WLBS_APC 2 = 480 kJ. Für die Arbeiten sind folglich PSAgS der Störlichtbogenschutzklasse APC 2 notwendig.
Die Berechnungen sind in der Übersicht Tabelle A 5-12 in Form der Arbeitsschritte dargestellt.
Tabelle A 5-12: Zusammenfassung für das Beispiel Arbeiten an USV-Anlage Arbeitsort 1
A 5.8.2 Arbeiten im Bereich des Wechselrichters (DC-Zwischenkreis, Arbeitsort 2)
Phase 3: Berechnungsverfahren anwenden:
WLB, WLBS ermitteln!
Am Fehlerort ist von einem Leiterabstand von d = 20 mm auszugehen, woraus sich ein Strombegrenzungsfaktor von kB = 0,710 und ein tatsächlicher Fehlerstrom (Lichtbogenkurzschlussstrom) IkLB = 2,9 kA ergibt.
Da der Fehler im Schutzbereich der Sicherung entsteht, wird er durch die Sicherung ausgeschaltet.
Ausgehend vom Datenblatt des Herstellers ergibt sich für die Sicherung NH gR Bat 500 A für den Fehlerstrom von 2,9 kA eine Ausschaltzeit von tk = 210 ms aus (siehe Abb. A 5-24).
Aus der Iterationsrechnung ergibt sich für die Lichtbogenleistung PLB = 337 kW, was einer bezogenen Lichtbogenleistung von kP = 0,206 entspricht. Mit der Kurzschlussdauer von tk = 210 ms resultiert daraus ein Erwartungswert für die am Arbeitsort (Fehlerort) umgesetzte Lichtbogenleistung von WLB = 70,7 kJ.
Rechnet man die Lichtbogenleistung aus der Worst-Case-Abschätzung (ohne Berücksichtigung eines Elektrodenabstandes) über die Beziehung PLB = 0,25 Pk mit den Netzkenngrößen Netzspannung und prospektiver Kurzschlussstrom und der Kurzschlussleistung PK = UN*IkDC aus, so folgt PLBmax = 0,25*1,634 MVA = 408,5 kW. Für den Erwartungswert der Lichtbogenenergie ergibt sich dann WLBmax = 85,8 kJ.
Abb. A 5-24 Mittlere Zeit-Strom-Kennlinien der betrachteten Sicherungen NH gR Bat
Der Schutzpegel der PSAgS wird aus den Prüfpegeln der Lichtbogenenergie unter Berücksichtigung der Transmissionsverhältnisse und des Arbeitsabstandes a ermittelt. Geht man hier von den Standardbedingungen eines kleinräumigen Anlagenvolumens (mit Seiten- und Rückwänden), was einem Transmissionsfaktor von kT = 1,0 entspricht, und einem Abstand von a = 300 mm aus, so ist der Schutzpegel WLBS mit dem Prüfpegel WLBP identisch. Der Schutzpegel beträgt unter diesen Bedingungen für PSAgS der Störlichtbogenschutzklasse APC 1 WLBP = 168 kJ, so dass Arbeiten am betrachteten Arbeitsort mit PSAgS der Störlichtbogenschutzklasse APC 1 ausgeführt werden können.
Im Falle abweichender Anlagenbedingungen würden sich größere Werte für den Transmissionsfaktor und für den Arbeitsabstand ergeben, sodass der Schutzpegel gemäß WLBS = kT * (a / 300 mm)2 * WLBP ebenfalls höhere Pegel besitzt. Die Arbeiten sind folglich auch für diese Verhältnisse mit PSAgS der Störlichtbogenschutzklasse APC 1 möglich.
Die Berechnungen sind in der Übersicht Tabelle 5-13 in Form der Arbeitsschritte dargestellt.
Tabelle A 5-13: Zusammenfassung für das Beispiel Arbeiten an USV-Anlage Arbeitsort 2
A 5.9 Beispiel 5.9: Arbeiten an DC-Anlagen (Bahnnetz)
Arbeiten in einem Gleichrichter-Unterwerk im Abgang nach dem Speise-Leistungsschalter
In dem DC-Versorgungssystem wird jeder Fahrleitungsabschnitt aus einer Parallelschaltung versorgt (siehe Abb. A 5-25). Es sind Arbeiten im Abgang in einem Unterwerk A vorgesehen. Das Unterwerk wird demnach zweiseitig gespeist: über die Speiseleitung SL A sowie mit der Leitung SL B über das Unterwerk B und die Fahrleitung FL.
Abb. A 5-25 Ersatzschaltbild Arbeitsort DC-Bahnstromversorgung
Gefährdungsbeurteilung der geplanten Tätigkeit
Phase 1: Besteht prinzipiell die Gefahr der Störlichtbogenexposition von Personen?
Phase 2: Erste Bewertung der Störlichtbogenenergie des Tätigkeits- bzw. Arbeitsplatzbereichs. Ist eine Berechnung erforderlich?
Phase 3: Berechnungsverfahren anwenden: WLB, WLBS ermitteln!
Betrachtet wird das arbeitsbedingte Einleiten eines Kurzschlusses im Abgangsbereich des UW A hinter dem Speiseschalter LS A. Bei beidseitiger Einspeisung entsteht ein Fehlerstromkreis, der über die Parallelschaltung des Zweiges mit Speiseleitung SL A und Leistungsschalter LS A und des Zweiges mit Speiseleitung SL B, Unterwerk B mit Leistungsschalter LS B, die Fahrleitung FL, die Fehlerstelle im UW A und die Parallelschaltung des Zweiges aus Rückleitung RL A des UW A und des Zweiges mit Rückleitung RL B des UW B und der Bahnschiene S führt.
Für Arbeiten im Unterwerk wird zunächst ein geeigneter Schaltzustand hergestellt, indem eine einseitige Einspeisung gewählt wird. In den Parallelschaltungen besitzen die Zweige mit Speiseleitung SL A und mit Rückleitung RL A des UW A jeweils den geringeren Widerstand. Vor Beginn der Arbeiten wird deshalb der Speiseschalter im UW A ausgeschaltet. Die Höhe des Stroms bei Kurzschluss wird damit herabgesetzt, so dass im Fehlerfall eine geringere Leistung und Energie in einem Störlichtbogen umgesetzt werden.
Die Speisung der Fehlerstelle am Arbeitsort wird dann bei Entstehen eines Kurzschlusses nur noch über das UW B vorgenommen (Kurzschlussstromkreis über Speiseleitung SL B, geschlossenen Leistungsschalter LS B und Fahrleitung FL, Fehlerort, Schiene S und Rückleitung RL B. Die Ausschaltung des Fehlers erfolgt durch den Leistungsschalter LS B im Unterwerk UW B.
Für den genannten Arbeits- bzw. Fehlerort ist ein prospektiver Kurzschlussstrom von IkDC = 6,54 kA bei einer Netzspannung von 807 V ermittelt worden, was auch durch einen durchgeführten Kurzschlussversuch messtechnisch bestätigt wurde. Am Fehlerort ist von einem Leiterabstand von d = 30 mm auszugehen, woraus sich ein Strombegrenzungsfaktor von kB = 0,826 und ein tatsächlicher Fehlerstrom (Lichtbogenkurzschlussstrom) IkLB = 5,4 kA ergibt. Der Leistungsschalter LS B im UW B (Einstellung statischer Auslöser 5 kA) schaltet den Fehlerstromkreis in der Kurzschlussdauer tk = 100 ms aus (bei einem di/dt-Schutz schaltet der Leistungsschalter im Allgemeinen noch schneller aus).
Aus der Iterationsrechnung ergibt sich für die Lichtbogenleistung PLB = 760 kW, was einer bezogenen Lichtbogenleistung von kP = 0,143 entspricht. Mit der Kurzschlussdauer von tk = 100 ms resultiert daraus ein Erwartungswert für die am Arbeitsort (Fehlerort) umgesetzte Lichtbogenenergie von WLB = 75,7 kJ.
Rechnet man die Lichtbogenleistung aus der Worst-Case-Abschätzung (ohne Berücksichtigung eines Elektrodenabstandes) über die Beziehung PLB = 0,25 PK mit den Netzkenngrößen Netzspannung und prospektiver Kurzschlussstrom und der Kurzschlussleistung PK = UN*IkDC aus, so folgt PLBmax = 0,25*5,3 MVA = 1,325 MW. Für den Erwartungswert der Lichtbogenenergie ergibt sich dann WLBmax = 133 kJ.
Der Schutzpegel der PSAgS wird aus den Prüfpegeln der Lichtbogenenergie unter Berücksichtigung der Transmissionsverhältnisse und des Arbeitsabstandes a ermittelt. Geht man hier von den Standardbedingungen eines kleinräumigen Anlagenvolumens (mit Seiten- und Rückwänden), was einem Transmissionsfaktor von kT = 1,0 entspricht, und einem Abstand von a = 300 mm aus, so ist der Schutzpegel WLBS mit dem Prüfpegel WLBP identisch. Der Schutzpegel beträgt unter diesen Bedingungen für PSAgS der Störlichtbogenschutzklasse APC 1 WLBP = 168 kJ, so dass Arbeiten am betrachteten Arbeitsort mit PSAgS der Störlichtbogenschutzklasse APC 1 ausgeführt werden können.
Im Falle abweichender Anlagenbedingungen würden sich größere Werte für den Transmissionsfaktor und für den Arbeitsabstand ergeben, sodass der Schutzpegel gemäß WLBS = kT * (a / 300 mm) 2 * WLBP ebenfalls höhere Pegel besitzt. Die Arbeiten sind folglich auch für diese Verhältnisse mit PSAgS der Störlichtbogenschutzklasse APC 1 möglich.
Die Berechnungen sind in der Übersicht Tabelle A 5-14 in Form der Arbeitsschritte dargestellt.
Tabelle A 5-14: Zusammenfassung für das Beispiel Arbeiten im Abgangsbereich eines GR-Unterwerkes der Bahnstromversorgung
Beispielhafte Arbeitsorte zur Festlegung des Transmissionsfaktors kT | Anhang 6 |
Abb. A 6-1 Arbeiten am Hausanschlusskasten: kT = 1,0
wird nicht dargestellt *)
Abb. A 6-2 Wechsel einer Sicherungsleiste im Schaltschrank (nahe der Seitenwand): kT = 1,0
wird nicht dargestellt *)
Abb. A 6-3 Arbeiten am Kabelverteilerschrank: kT =1,5
wird nicht dargestellt *)
Abb. A 6-4 Arbeiten an einer Kompaktstation: kT =1,7
wird nicht dargestellt *)
Abb. A 6-5 Muffenmontage: kT = 1,9
wird nicht dargestellt *)
Abb. A 6-6 Arbeiten auf dem Mast: kT = 2,4
Koordination von PSAgS und Vorsicherung | Anhang 7 |
A 7.1 Praktische Anwendungsregeln zur koordinierten Wahl von PSAgS und Vorsicherung
Nachfolgend sind Anwendungsregeln für einen koordinierten Einsatz von PSAgS in Verbindung mit Kurzschlussschutzeinrichtungen in Form von Schmelzsicherungen für den Niederspanungsbereich in AC-Systemen dargestellt.
Die Anwendungsregeln sind für 400-V-Anlagen (Drehstromsystem) und Standardexpositionsbedingungen gültig:
Arbeitsabstand: | a = 300 mm |
Transmissionsfaktor: | kT = 1 (kleines Anlagenvolumen). |
Anwendungsregeln existieren in 3 verschiedenen Formen, die optional genutzt werden können:
A1: | Auswahlmatrix |
A2: | Mindestüberstromfaktor |
A3: | Zulässige Ausschaltzeit der NH-Sicherung. |
Sie unterscheiden sich im Vereinfachungsgrad, der Genauigkeit und der Art der manuellen Handhabung. Betrachtungen sind getrennt für dreipolige und für zweipolige Kurzschlüsse (Lichtbogenfehler) möglich.
Als Ausgangsgröße dient jeweils lediglich der prospektive, vom Störlichtbogen unbeeinflusste Kurzschlussstrom (metallischer Kurzschluss), der aus der Kurzschlussstromberechnung resultiert; es ist der Anfangs-Kurzschlusswechselstrom Ik,max anzusetzen 4 .
A 7.2 Auswahlmatrix
Die nachfolgenden Auswahldiagramme gelten für unterschiedliche Betriebsklassen von NH-Sicherungen für zweipolige und dreipolige Kurzschlüsse:
Abb. A 7-1 ... A 7-4 | Sicherungen für den Leitungsschutz, Betriebsklasse NH gG |
Abb. A 7-5 ... A 7-6 | Sicherungen für den Transformatorschutz, Betriebsklasse NH gTr |
Abb. A 7.7 | für Arbeitsschutzsicherungen (Betriebsklasse aR, gR, ...). |
Die Auswahl oder Überprüfung der Sicherung erfolgt anhand der Zuordnung von Sicherungsbemessungsströmen und Kurzschlussstrombereichen in Matrixform (Bedingung: Standardexpositionsbedingungen). Es kann jeweils der kleinste Wert des zulässigen Kurzschlussstroms (Mindestkurzschlussstroms) abgelesen werden, der erforderlich ist, um mit einer bestimmten Sicherung Schutz mit der betreffenden PSAgS zu erreichen. Zulässige Bedingungen (Schutz gewährleistet) sind jeweils "grün" gekennzeichnet; rote Felder zeigen dagegen unzulässige Verhältnisse (Schutz besteht nicht) an.
Generell ist anzumerken, dass Personenschutz (Verhinderung von Hautverbrennungen) unter Standardexpositionsbedingungen bei Kurzschlussströmen unter 1 kA unabhängig vom Bemessungsstrom als gegeben angesehen werden kann.
A 7.3 Leitungsschutzsicherungen
Abb. A 7-1 Auswahl NH gG-Sicherungen mit PSAgS-Störlichtbogenschutzklasse APC 1 für dreipolige Kurzschlüsse
Abb. A 7-2 Auswahl NH gG-Sicherungen mit PSAgS-Störlichtbogenschutzklasse APC 2 für dreipolige Kurzschlüsse
Abb. A 7-3 Auswahl NH gG-Sicherungen mit PSAgS-Störlichtbogenschutzklasse APC 1 für zweipolige Kurzschlüsse
Abb. A 7-4 Auswahl NH gG-Sicherungen mit PSAgS-Störlichtbogenschutzklasse APC 2 für zweipolige Kurzschlüsse
Beispiel für Leitungsschutzsicherungen NH gG:
Der prospektive dreipolige Kurzschlussstrom beträgt 3,614 kA. Der Bereich von 2,5 ... 4,5 kA ist zutreffend; gemäß Abb. A 7-1 bietet PSAgS Störlichtbogenschutzklasse APC 1 Schutz mit Sicherungen mit Bemessungsströmen von bis zu maximal 200 A. Liegt eine Sicherung 224 A vor, dann besteht mit PSAgS Störlichtbogenschutzklasse APC 1 kein Schutz mehr (gemäß Abb. A 7-2 ist Schutz dann mit PSAgS Störlichtbogenschutzklasse APC 2 gegeben).
A 7.4 Transformatorschutzsicherungen
Bei dreipoligen Kurzschlüssen (unter Standardexpositionsbedingungen):
Für zweipolige Kurzschlüsse gelten die Aussagen in Abb. A 7-5 und Abb. A 7-6.
Abb. A 7-5 Auswahl NH gTr-Sicherungen mit PSAgS-Störlichtbogenschutzklasse APC 1 für zweipolige Kurzschlüsse
Abb. A 7-6Auswahl NH gTr-Sicherungen mit PSAgS-Störlichtbogenschutzklasse APC 2 für zweipolige Kurzschlüsse
A 7.5 Arbeitsschutzsicherungen
Die Grenzen für die Bedingungen, unter denen Schutz durch PSAgS der Störlichtbogenschutzklasse APC 1 und PSAgS der Störlichtbogenschutzklasse APC 2 sowohl bei dreipoligen als auch bei zweipoligen Kurzschlüssen besteht, sind identisch. Das bedeutet, dass in den zulässigen Bereichen PSAgS der Störlichtbogenschutzklasse APC 1 ausreichend schützt und sich durch PSAgS Störlichtbogenschutzklasse APC 2 keine Erweiterung der Anwendungsbereiche ergibt. Das Auswahldiagramm ist sowohl für zweipolige als auch dreipolige Kurzschlüsse zutreffend. Es ist hierbei anzumerken, dass sich die Kurzschlussströme für ein- und dieselbe Anlage bei dreipoligem und zweipoligem Kurzschluss in der Höhe um den Faktor 2 / √3 ≈ 1,155 unterscheiden.
Abb. A 7-7 Auswahl NH Arbeitsschutz-Sicherungen mit PSAgS-Störlichtbogenschutzklasse APC 1 und APC 2 für zweipolige und dreipolige Kurzschlüsse
A 7.6 Mindestüberstromfaktor
Tabelle A 7-1: Mindestüberstromfaktor
NH-Sicherung Betriebsklasse | PSAgS Störlichtbogenschutzklasse | Mindestüberstromfaktor kÜ mind | ||
Zweipoliger Kurzschluss | Dreipoliger Kurzschluss | |||
gG | APC 1 | 20 | ||
APC 2 | 18 | 19 | ||
gTr | APC 1 | 28 | ||
APC 2 | 25 | |||
Arbeitsschutz | APC 1 | 6 | 8 | |
APC 2 |
Mit Hilfe des Mindestüberstromfaktors kÜ,mind und des prospektiven Kurzschlussstromes I''k lässt sich für Standardexpositionsbedingungen eine sehr grobe Bestimmung des (maximal) zulässigen Bemessungsstroms InSi,max der Vorsicherung vornehmen, die in Verbindung mit PSAgS zu Personenschutz führt:
mit
InSi,max | Maximalwert des Sicherungsbemessungsstroms in A |
I''k | prospektiver Kurzschlussstrom (2-polig oder 3-polig) in A |
kÜ,mind | Mindestüberstromfaktor |
Der Bemessungsstrom der Vorsicherung darf diesen Wert nicht übersteigen, dann ist der Personenschutz durch die PSAgS der betreffenden Störlichtbogenschutzklasse gegeben.
Beispiel:
Bei einem prospektiven Kurzschlussstrom von I''k3p = 5,472 kA ergibt sich für die Einhaltung des Personenschutzes durch PSAgS Störlichtbogenschutzklasse APC 1 für den Einsatz von gG-NH-Sicherungen ein Maximalwert für den zulässigen Bemessungsstrom von
Es ist eine Sicherung mit InSi ≤ 273,6 A auszuwählen; die größtmögliche Sicherung ist folglich NH gG 250 A.
A 7.7 Zulässige Ausschaltzeit der Sicherung
Für Standardexpositionsbedingungen wird anhand des prospektiven Kurzschlussstroms mit Hilfe des Kennlinienfaktors ƒKL (siehe Tabelle A 7-2) die zulässige Ausschaltzeit tkzul der Sicherung.
mit
tkzul | zulässige Ausschaltzeit in s |
ƒKL | Kennlinienfaktor in As |
I''k | zweipoliger oder dreipoliger Kurzschlussstrom in A |
a | Arbeitsabstand in mm |
kT | Transmissionsfaktor |
bestimmt.
Tabelle A 7-2: Kennlinienfaktor von Sicherungseinsätzen
Kennlinienfaktor ƒKL in As | ||
PSAgS Störlichtbogenschutzklasse | Zweipolige Kurzschlüsse | Dreipolige Kurzschlüsse |
APC 1 | 1000 | 500 |
APC 2 | 2000 | 1000 |
Beispiel:
Unter der Voraussetzung eines zweipoligen Kurzschlusses, bei dem der Kurzschlussstrom 5 kA beträgt, ergibt sich bei PSAgS der Störlichtbogenschutzklasse APC 1 für die zulässige Ausschaltzeit der Sicherung tkzul = 1000 A s/5000 A = 0,2 s = 200 ms.
Die Sicherung ist so zu wählen, dass ihre Ausschaltzeit 200 ms nicht übersteigt 5 .
Weitere Informationen zur Koordination von PSAgS und Vorsicherungen können [22] entnommen werden.
Formular zur Auswahlhilfe | Anhang 8 |
Unter der Internetadresse www.dguv.de; Webcode: d1183022 werden zwei Excel-Dateien zur Unterstützung der Gefährdungsbeurteilung zum Download zur Verfügung gestellt. Nachfolgend sind die einzelnen Reiter der beiden Dateien dargestellt. |
Abb. A 8-1 Eingabeformular zur Berechnung (AC)
Abb. A 8-2 Darstellung der einzelnen Berechnungsergebnisse (AC)
Abb. A 8-3 Eingabeformular zur Beurteilung der Eintrittswahrscheinlichkeit (AC)
Abb. A 8-4 Ergebnisausdruck (AC)
Abb. A 8-5 Eingabeformular zur Berechnung (DC)
Abb. A 8-6 Darstellung der einzelnen Berechnungsergebnisse (DC)
Abb. A 8-7 Eingabeformular zur Beurteilung der Eintrittswahrscheinlichkeit (DC)
Abb. A 8-8 Ergebnisausdruck (DC)
Titel, Abb. 5-6, 5-8, 5-10, 5-10, 6-1, 6-3, 6-5:
© Viktor Strasse;
Abb. 2-1:
© Dr. Holger Schau, TU Ilmenau;
Abb. 2-5:
© Paulson Intl Ltd;
Abb. 3-1, 5-17, 5-18, 5-19, 5-20, 5-22:
© Infraserv GmbH & Co. Höchst KG;
© BG ETEM;
© Michael Schäfer;
© Thomas Lanzki
________
1 Korrelation: 1 cal/cm2 = 41,868 kJ/m2, 1 kJ/m2 = 0,023.885 cal/cm2
2 Machbarkeitsuntersuchung zur Prüfung und Bewertung von Schutzhandschuhen gegen thermische Gefahren von Störlichtbögen (AG: BGFE; AN: STFI/TU Ilmenau), Abschlussbericht STFI v. 30.05.2005
1"The author thanks the International Electrotechnical Commission (IEC) for permission to reproduce Information from its International Standard. All such extracts are copyright of IEC, Geneva, Switzerland. All rights reserved. Further information on the IEC is available from www.iec.ch. IEC has no responsibility for the placement and context in which the extracts and contents are reproduced by the author, nor is IEC in any way responsible for the other content or accuracy therein".
4die tatsächlich fließenden Lichtbogenkurzschlussströme besitzen kleinere Werte.
5Zur praktischen Anwendung ist der Vergleich der zulässigen Ausschaltzeit mit der zu erwartenden Ausschaltzeit der ausgewählten bzw. vorhandenen NH-Sicherung vorzunehmen. Die zu erwartende Ausschaltzeit ist anhand des tatsächlichen Fehlerstroms (Lichtbogenkurzschlussstrom, nicht prospektiver Kurzschlussstrom, siehe 4 bzw. Anhang 3) aus der Strom-Zeit-Kennlinie des Herstellers der Sicherung zu bestimmen.
ENDE |