umwelt-online: VDI 3673 - Druckentlastung von Staubexplosionen (1)
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VDI 3673 - Druckentlastung von Staubexplosionen
- Ausgabe 1995-07 -
- Niedersachsen -
Vom 3.5.2004
(MBl.Nds. Nr. 17 vom 26.05.2004 S. 342)
Der Entwurf dieser Richtlinie wurde mit Ankündigung im Bundesanzeiger einem öffentlichen Einspruchsverfahren unterworfen. Die deutsche Version dieser Richtlinie ist verbindlich.
Vorbemerkung
In der Kommission Reinhaltung der Luft im VDI und DIN erarbeiten Fachleute aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung selbstverantwortlich Richtlinien und DIN-Normen, die im Vorfeld der Gesetzgebung und als Grundlage für Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften auf dem Gebiet der Luftreinhaltung Anwendung finden. Als anerkannte Regeln der Technik informieren diese Richtlinien über den Stand der Wissenschaft und Technik auf den die Luftreinhaltung beeinflussenden Wissensgebieten. Die Richtlinien sind im Handbuch Reinhaltung der Luft zusammengefaßt.
Die Richtlinien werden als Entwurf (Gründruck) veröffentlicht, der mit Ankündigung im Bundesanzeiger und in der Fachpresse einem öffentlichen Einspruchsverfahren unterworfen wird. Hierdurch wird sichergestellt, daß die oft verschiedenen Meinungen der beteiligten Kreise vor der endgültigen Fassung (Weißdruck) berücksichtigt werden.
Die vorliegende Richtlinie beschreibt eine der möglichen Maßnahmen zur Minderung der Auswirkungen von Staubexplosionen und gibt Hinweise für die Auswahl und die Bemessung von Druckentlastungseinrichtungen. Die in dieser Richtlinie angegebene Methode zur Auswahl und Dimensionierung derartiger Einrichtungen ist allgemein anwendbar. Sofern für bestimmte Anwendungsfälle zusätzliche sicherheitstechnische Forderungen (z.B. explosionstechnische Entkopplung [1; 2]) in speziellen Vorschriften festgelegt sind, müssen diese ebenfalls beachtet werden. Die "Explosionsdruckentlastung" gilt als Schutzmaßnahme für Apparate, in denen brennbare Stäube gehandhabt werden. Stäube im Sinne dieser Richtlinie sind feinkörnige Feststoffe, die mit Luft explosionsfähige Gemische bilden können, z.B. Pulver, Puder und Mehle. Explosionsgefährliche Stoffe im Sinne des Sprengstoffgesetzes unterliegen besonderen Vorschriften.
Eine Explosionsdruckentlastung nach Richtlinie VDI 3673 sollte nicht durchgeführt werden, wenn dabei Stoffe oder Zubereitungen ausgeworfen werden, die nach der GefStoffV [3] als sehr giftig, giftig, ätzend, reizend, kanzerogen, fruchtschädigend oder erbgutverändernd einzustufen sind.
Aus Gründen der Luftreinhaltung und der Produktionstechnik ist trotz Einbau von Druckentlastungseinrichtungen anzustreben, Zündquellen zu vermeiden und dadurch eine der Vorbedingungen für das Entstehen von Explosionen einzuschränken.
Spricht eine Druckentlastung an, so kann dies schädliche Umwelteinwirkungen zur Folge haben. Es ist nicht Aufgabe dieser Richtlinie, zu Fragen der rechtlichen Priorität von Explosionsschutz oder Immissionsschutz Stellung zu nehmen. Diese Richtlinie soll die staatlichen und berufsgenossenschaftlichen Vorschriften durch technische Einzelheiten ergänzen.
Dem Ingenieur, der sich mit den Fragen der Druckentlastung an den Apparaten seines Betriebs befassen muß, soll diese Richtlinie die Mittel in die Hand geben, solche Aufgaben zu lösen. Bei der Vielseitigkeit der Betriebsverhältnisse läßt sich nicht jeder in der Industrie vorkommende Fall behandeln. Die ausführliche Darstellung des Themas erlaubt jedoch dem planenden Ingenieur, für alle Fälle eine günstige Lösung zu finden.
Von den in dieser Richtlinie angegebenen Entlastungsflächen und Maßnahmen kann abgewichen werden, wenn durch praxisorientierte Untersuchungen nachgewiesen wird, daß die gleiche Sicherheit gewährleistet ist.
Anlagen lassen sich gegen die gefährlichen Auswirkungen von Detonationen nicht durch Explosionsdruckentlastung schützen.
Bestehen Schwierigkeiten bei der Anwendung der Richtlinie, sind Fachleute zu Rate zu ziehen.
Auskunft erteilt:
Kommission Reinhaltung der Luft im VDI und DIN,
Postfach 101139, 40002 Düsseldorf,
% (0211) 6214-451, Fax: (0211) 6214-157
1 Begriffsbestimmungen
Abblasrohr
Ein der Druckentlastungseinrichtung (Berstscheibe, Explosionsklappe) nachgesetztes Rohr (Kanal) zur gefahrlosen Ableitung der Druckwelle, der Flamme und der Verbrennungsprodukte.
Äquivalenter Durchmesser DE in m
Durchmesser eines Kreises, der den gleichen Flächeninhalt wie eine beliebig geformte Vergleichsfläche A* hat:
DE = 2 × (A* / π)0,5 | (1) |
Ansprechüberdruck in bar Statischer Ansprechüberdruck pstat Druck bei dem eine Berstscheibe oder Explosionsklappe unter langsamem Druckanstieg (≤ 0,1 bar min-1) anspricht.
Dynamischer Ansprechüberdruck pdyn
Druck, bei dem eine Berstscheibe oder Explosionsklappe im Explosionsfall anspricht. Er kann höher sein als der statische Ansprechüberdruck. Da die in dieser Richtlinie angegebenen Nomogramme und Rechenverfahren aus den Ergebnissen von experimentellen Untersuchungen abgeleitet sind, ist in ihnen der Einfluß des dynamischen Ansprechüberdruckes bereits berücksichtigt.
Behälterfestigkeit (Explosionsfestigkeit) p in bar
Explosionsdruckfeste Behälter
Behälter, Apparate und dazugehörige Rohrleitungen, die nach den AD-Merkblättern [4] so gebaut sind, daß sie dem bei einer Explosion zu erwartenden Explosionsüberdruck ohne bleibende Verformungen standhalten.
Explosionsdruckstoßfeste Behälter
Behälter, Apparate und zugehörige Rohrleitungen, die nach Richtlinie VDI 2263 Bl. 3 [5] so gebaut sind, daß sie dem bei einer Explosion zu erwartenden Explosionsüberdruck standhalten. Bleibende Verformungen können auftreten. Bei der Auslegung solcher Behälter wird eine höhere Ausnutzung der Werkstoffestigkeit zugrunde gelegt.
Behälter
Kubische Behälter
Behälter, bei denen das Verhältnis von Länge (Höhe) zu Durchmesser < 2 ist.
Langgestreckte Behälter
Liegende oder stehende Behälter, bei denen das Verhältnis von Länge (Höhe) zu Durchmesser ≥ 2 ist.
Silos
Stehende Lagerbehälter, bei denen das Verhältnis von Höhe zu Durchmesser ≥ 2 ist.
Druckentlastungseinrichtungen
Berstscheibe
Einrichtung, die bei einem definierten Ansprechüberdruck zerstört wird und die Entlastungsfläche bleibend freigibt.
Explosionsklappe
Einrichtung, die bei einem definierten Ansprechüberdruck die Entlastungsöffnung freigibt und im allgemeinen anschließend wieder verschließt.
Entlastungsfläche A in m2
Fläche einer Öffnung zur Explosionsdruckentlastung. Sie kann aus mehreren Teilflächen bestehen.
Entlastungsfähigkeit EF in %
Maß zur Beurteilung der Wirksamkeit einer Druckentlastungseinrichtung im Vergleich zu einer Berstscheibe gleicher Entlastungsfläche.
Explosionsdruckentlastung
Schutzmaßnahme, die den Explosionsüberdruck unter Ausschub von unverbranntem Gemisch und von Verbrennungsprodukten durch Freigabe von vorgegebenen Öffnungen so begrenzt, daß der Behälter nicht über seine vorgegebene Festigkeit (Explosionsfestigkeit) beansprucht wird.
Explosionskenngrößen
Alle im folgenden definierten Explosionskenngrößen werden nach einem standardisierten Verfahren [1; 6; 7] bestimmt.
Explosionsüberdruck pex in bar
Bei der Explosion eines Staub/Luft-Gemisches gegebener Konzentration auftretender Überdruck in einem geschlossenen Behälter (Bild 1).
Zeitlicher Druckanstieg dp/dt in bar × s-1
Der zeitliche Druckanstieg im Wendepunkt des aufsteigenden Teils der Druck-Zeit-Kurve bei der Explosion eines Staub/Luft-Gemisches beliebiger Konzentration in einem geschlossenen Behälter (Bild 1).
Maximaler Explosionsüberdruck pmax in bar
Bei der Explosion eines Staub/Luft-Gemisches auftretender höchster Überdruck pex bei systematischer Veränderung der Konzentration in einem geschlossenen Behälter [4] (Bild 2).
Bild 1. Definition des Explosionsüberdruckes pex und des zeitlichen Druckanstiegs dp/dt (beliebige Staubkonzentration)
Bild 2. Definition des maximalen Explosionsüberdruckes pmax und des maximalen zeitlichen Druckanstiegs (dp/dt)max am Beispiel eines ausgewählten Staubes
V = 1 m3, E = 10 kJ
Maximaler zeitlicher Druckanstieg (dp/dt)max in bar × s -1
Bei der Explosion eines vorgegebenen Staub/Luft-Gemisches auftretender höchster zeitlicher Druckanstieg dp/dt bei systematischer Veränderung der Staubkonzentration in einem geschlossenen Behälter [6] (Bild 2).
KSt-Wert in bar× m × s -1
Staub- und prüfverfahrensspezifische Kenngröße, die sich mit Hilfe des kubischen Gesetzes errechnet. Sie ist gleich dem Zahlenwert für den maximalen zeitlichen Druckanstieg im 1-m3 - Behälter [6].
Flugförderung
Pneumatischer Transport von Produkt durch eine Rohrleitung bei Fördergeschwindigkeiten von vF = 15 bis 40 m × s-1. Hierbei bewegen sich die Feststoffteilchen homogen über den Rohrquerschnitt verteilt durch das Förderrohr.
Hybride Gemische
Gemische, die gleichzeitig brennbare Stäube, brennbare Gase bzw. Dämpfe und Luft enthalten.
Kenngrößen der Flammenausbreitung und der Druckwirkung außerhalb eines explosionsdruckentlasteten Behälters
Maximale Flammenreichweite LF in m
Größte Reichweite der Flamme im Außenraum. In der Regel ist in Entlastungsrichtung die größte Reichweite zu erwarten.
Maximalwert des Spitzenüberdruckes pmax, a in bar
Höchster Wert des Spitzenüberdruckes im Außenraum, der im Abstand RS von der Entlastungsöffnung auftritt.
Spitzenüberdruck der Explosion im Außenraum pr in bar
Wert des Spitzenüberdruckes im Außenraum im Abstand r ≥ RS von der Entlastungsöffnung.
Kubisches Gesetz
Beschreibung des Zusammenhanges zwischen dem maximalen zeitlichen Druckanstieg (dp/dt)max und einem geometrisch ähnlichen Behältervolumen V bei volumenunabhängiger Flammengeschwindigkeit:
(dp/dt)max × V 1/3 = const = KSt (2)
Reduzierte Explosionskenngrößen
Reduzierter Explosionsüberdruck pred in bar Bei der Explosion eines Staub/Luft-Gemisches gegebener Konzentration auftretender Überdruck in einem explosionsdruckentlasteten Behälter (Bild 3).
Bild 3. Definition des reduzierten Explosionsüberdruckes prell und des reduzierten zeitlichen Druckanstiegs (dp/dt)red (beliebige Staubkonzentration)
Reduzierter zeitlicher Druckanstieg (dp/dt)red in bar × s -1
Steigung der Tangente im Wendepunkt des aufsteigenden Teils der Druck-Zeit-Kurve bei gegebener Konzentration in einem explosionsdruckentlasteten Behälter (Bild 3).
Maximaler reduzierter Explosionsüberdruck pred,max in bar
Bei einer Explosion eines Staub/Luft-Gemisches auftretender höchster Überdruck pred bei systematischer Veränderung der Staubkonzentration in einem explosionsdruckentlasteten Behälter (Bild 4).
Bild 4. Definition des maximalen reduzierten Explosionsüberdruckes pred,max und des maximalen reduzierten zeitlichen Druckanstiegs (dp/dt)red, max am Beispiel eines ausgewählten Staubes
V = 2,4 m3; A = 0,13 m2; pstat = 0,1 bar
Maximaler reduzierter zeitlicher Druckanstieg (dp/dt)red, max in bar × s-1
Bei der Explosion eines Staub/Luft-Gemisches auftretender höchster reduzierter zeitlicher Druckanstieg bei systematischer Veränderung der Staubkonzentration in einem explosionsdruckentlasteten Behälter (Bild 4).
Rückstoßdauer tD in s
Zeit vom Ansprechen der Druckentlastungseinrichtung bis zum Druckausgleich mit der Atmosphäre.
Rückstoßkraft FR in kN
Kraft, die bei der Explosionsdruckentlastung entgegen der Abströmrichtung wirkt [17 bis 22].
Staubexplosionsklasse St
Die Klassifizierung von Stäuben aufgrund der KSt-Werte ist in der folgenden Tabelle wiedergegeben.
Staubexplosionsklasse | KSt-Wert in bar × m × s-1 |
St 1 | > 0 bis 200 |
St 2 | > 200 bis 300 |
St 3 | > 300 |
Staub/Luft-Gemische
Homogene Gemische
Im Sinne dieser Richtlinie Staub/Luft-Gemische, in denen die Staubkonzentration vom Ort unabhängig ist. Sie können in Behältern nach raschem Ausblasen von brennbarem Staub aus unter Druck stehenden Vorratsbehältern über Verteilungsanordnungen nach dem Normverfahren erzeugt werden.
Inhomogene Gemische
Im Sinne dieser Richtlinie Staub/Luft-Gemische, in denen die Staubkonzentration vom Ort abhängig ist. Sie können durch axiale, zentrale Einführung von brennbarem Staub in Behälter durch pneumatische Flugförderung oder bei Befüllung von Behältern mit brennbarem Staub im freien Fall erzeugt werden.
Bild 5. Übertragung einer Staubexplosion aus einer Rohrleitung in ein explosionsdruckentlastetes Filtergehäuse
Versuchsanordnung | Staubexplosion im Filtergehäuse |
2 Explosionsablauf in Behältern, Rohrleitungen und deren Kombinationen
Bei der Ausbreitung der Flammenfront und der Drucksteigerung bei Staubexplosionen ist zu unterscheiden zwischen:
Bei Staubexplosionen in kubischen Behältern bleibt die Geschwindigkeit der Flammenausbreitung in der Regel klein gegenüber der Schallgeschwindigkeit, so daß in geschlossenen Behältern keine örtlichen Druckunterschiede auftreten. Der maximale Explosionsüberdruck kann dabei etwa das 10fache des Anfangsdruckes erreichen, ein Wert, der bei einigen Stäuben auch deutlich überschritten werden kann [1]. Einbauten können die Explosionsheftigkeit erhöhen.
In Rohrleitungen beschleunigt sich die Flammenausbreitung mit zunehmender Rohrlänge. Bei einem Teil der Stäube, vor allem bei Stäuben mit mittleren und hohen KSt, Werten, kann es zu detonationsähnlichen Vorgängen kommen, z.B. wenn eine Explosion aus einem Behälter in eine angeschlossene Rohrleitung übertragen wird. Hierbei schreitet die Flammenfront mit Überschallgeschwindigkeit fort. Der Druck auf die Rohrwand kann dabei örtlich und kurzzeitig ein Mehrfaches des maximalen Explosionsdruckes erreichen. Insbesondere an Abschlußflanschen und Krümmern von Rohrleitungen können darüber hinaus weitere Druckerhöhungen auftreten, weil an diesen Stellen explosionsfähiges Gemisch vor dem Eintreffen der Flammenfront vorkomprimiert wird.
In der Praxis überwiegen Kombinationen von Behältern und Rohren. Beispiele hierfür sind:
Eine Staubexplosion, die in einer derartigen Kombination von einem Behälter über eine Rohrleitung in einen anderen übertragen wird, kann in diesem Behälter heftiger und mit höherer Druckentwicklung verlaufen (Bild 5) als eine Staubexplosion in einem Einzelbehälter. Die Explosionsübertragung kann durch Maßnahmen der "explosionstechnischen Entkopplung" [1; 2] verhindert werden.
3 Explosionsdruckentlastung von Apparaturen
Durch die Schutzmaßnahme Explosionsdruckentlastung soll der Aufbau eines unzulässig hohen Druckes infolge einer Staubexplosion im Innern von Behältern und Apparaturen durch rechtzeitige Freigabe definierter Öffnungen verhindert werden. Entlastungseinrichtungen begrenzen den Explosionsüberdruck durch Entlassen von unverbranntem Gemisch und von Verbrennungsprodukten. Der auftretende maximale reduzierte Explosionsüberdruck darf dabei die Explosionsfestigkeit der Apparatur nicht überschreiten. Die Explosion selbst wird nicht verhindert, sondern es werden nur deren gefährliche Auswirkungen begrenzt. Mit Nachfolgebränden muß jedoch gerechnet werden.
Druckentlastungseinrichtungen können sowohl für einmalige Verwendung, z.B. als Berstscheiben, als auch für wiederholten Einsatz, z.B. als Explosionsklappen, ausgeführt werden. Die Anwendung von Druckentlastungseinrichtungen setzt voraus, daß Behälter und Apparate für einen bestimmten Entlastungsdruck (maximaler reduzierter Explosionsüberdruck pred,max) ausgelegt sind.
Dabei sind sämtliche dem Explosionsdruck ausgesetzten Teile der Apparatur, z.B. Armaturen, Schaugläser, Einstiegs- und Reinigungsöffnungen sowie Rohrverbindungen, in die Festigkeitsüberlegungen einzubeziehen. Erfolgt die Explosionsdruckentlastung nicht unmittelbar, sondern über ein Abblasrohr ins Freie, so erhöht sich der maximale reduzierte Explosionsüberdruck pred,max im zu schützenden Behälter, so daß höhere Anforderungen an die Explosionsfestigkeit der Apparatur gestellt werden müssen. Die Verstärkung der Explosionswirkung hängt nicht nur von der Abblasrohrlänge, sondern auch davon ab, ob mit homogenen oder inhomogenen Staub/ Luft-Gemischen zu rechnen ist. Näheres ist Abschnitt 10.3 zu entnehmen. Die Ermittlung der Explosionsfestigkeit der Behälter und Apparate bei Druckaufbau im Innern durch eine Staubexplosion muß nach den bestehenden Vorschriften geschehen [4; 5]. Die Druckentlastungseinrichtungen sind so zu installieren, daß eine Gefährdung von Menschen und eine Beeinträchtigung der Wirksamkeit von sicherheitstechnisch bedeutsamen Anlageteilen ausgeschlossen ist.
4 Explosionsdruckentlastung von Räumen
Auch Räume oder Gebäudeteile können durch Explosionsdruckentlastung geschützt werden. Die Explosionsdruckentlastung dient in diesem Fall auch dem Schutz des übrigen Gebäudes. Sie kann beispielsweise über Fenster, Außenwände oder über das Dach des zu schützenden Raumes erfolgen. Durch eine ausreichend bemessene Schutzzone im Bereich der Druckentlastungseinrichtung außerhalb des Raumes muß eine Gefährdung von Menschen, eine Beeinträchtigung der Wirksamkeit von sicherheitstechnisch bedeutsamen Anlagenteilen und möglichst auch von wesentlichen Sachgütern ausgeschlossen sein.
Bei einer seitlich angeordneten Druckentlastungseinrichtung muß ggf. als Absturzsicherung ein festes Geländer vorhanden sein. Als Material für Druckentlastungsflächen von Räumen sollen wegen der Splitterwirkung kein Fensterglas oder ähnliche Werkstoffe verwendet werden. Zu bevorzugen sind Materialien, die keine großen und scharfkantigen Bruchstücke ergeben. Bei Anwendung von z.B. Sicherheitsglas ist die Schrotwirkung zu beachten.
In solchen explosionsdruckentlasteten Räumen oder Gebäudeteilen gelten besondere Anforderungen bezüglich der Zugangs- und Aufenthaltsmöglichkeiten von Personen. Es sollten Fachleute zur Beratung hinzugezogen werden.
5 Druckentlastungseinrichtungen
Als Druckentlastungseinrichtungen können Berstscheiben oder Explosionsklappen verwendet werden. Diese Einrichtungen müssen hinsichtlich ihres Ansprechüberdruckes der schwächste Teil der Anlage sein. Da alle grundlegenden Untersuchungen zur Frage der Explosionsdruckentlastung mit Berstscheiben mit Membranen aus Polyethylen oder Aluminium durchgeführt wurden, müssen alle andersgearteten Entlastungseinrichtungen auf ihre Entlastungsfähigkeit geprüft werden. Eine Erhöhung des statischen Ansprechüberdruckes durch Verschmutzung, Schneelast oder Schwergängigkeit bzw. eine Verringerung durch Korrosion oder Materialermüdung stellt die einwandfreie Funktion der Entlastungseinrichtung in Frage. Deshalb ist eine ausreichende Wartung von Druckentlastungseinrichtungen unerläßlich.
5.1 Berstscheiben
Massearme Berstscheiben sprechen nahezu trägheitslos an. Sie können lageunabhängig eingebaut werden und gewährleisten einen staubdichten Abschluß. Im Explosionsfall geben sie nach ihrer Zerstörung die Entlastungsfläche frei.
Übliche Werkstoffe für duktile Berstscheiben sind Metalle oder Metall-Legierungen. Ebenfalls geeignet sind Kunststoffmembranen. Berstscheiben können auch mit Signalgebern, z.B. Reißdrähten, kombiniert werden, die nach dem Ansprechen Verriegelungs- oder Regelprozesse auslösen.
Bei spröden Berstscheiben ist die Splitterwirkung zu beachten. Dies muß für den Personenschutz berücksichtigt werden. Durch Lastwechsel kann Materialermüdung eintreten. Wechselnde Temperaturbelastungen können zum Erweichen oder Verspröden spezieller Berstscheibenmaterialien führen. Auch ist an Einflüsse durch Korrosion, Erosion, Schneelast oder Vereisung zu denken, die eine Änderung des Ansprechüberdruckes von Berstscheiben bewirken können. Es sind nur Berstscheiben zu verwenden, bei denen konstruktionsbedingt das Wegfliegen verhindert wird.
Sonderausführungen von Berstscheiben zur Mehrfachverwendung sind durch Gummiklemmprofile oder andere Vorrichtungen gehaltene Explosionsscheiben. Der Explosionsüberdruck drückt die Scheibe an dem Profil heraus, wobei die Scheibe durch Drahtseile ausreichender Festigkeit oder Halterungen sicher am Wegfliegen gehindert werden muß. Die Entlastungsfähigkeit und die Sicherung gegen Wegfliegen sind nachzuweisen.
Für spezielle Anwendungsfälle gibt es spröde Berstscheiben aus harzimprägniertem Graphit [1] oder sogenannte Knickstabsicherungen sowie Berstscheiben aus Panzerglas, die nicht durch den Explosionsüberdruck, sondern gesteuert durch Fremdenergie zerstört werden.
5.2 Explosionsklappen
Explosionsklappen geben im Explosionsfall die Entlastungsöffnungen frei. Je nach Anwendungsfall können nach einer Explosion offenbleibende oder selbständig schließende Explosionsklappen gewählt werden.
Durch das Trägheitsmoment und das Öffnungsverhalten des beweglichen Deckels einer Explosionsklappe und abhängig von seiner Anordnung (horizontal, vertikal) kann der Entlastungsvorgang behindert werden. Dies bewirkt für homogene und inhomogene Staubverteilung einen höheren maximalen reduzierten Explosionsüberdruck im zu schützenden Behälter (Bild 6). Die Entlastungsfähigkeit EF und damit die wirksame Entlastungsfläche AW einer Explosionsklappe ist daher geringer als die einer Berstscheibe mit gleicher Entlastungsfläche. Solche Entlastungseinrichtungen sind deshalb vor ihrem Einsatz durch Explosionsversuche auf mechanische Festigkeit zu prüfen und entsprechend ihrer Anordnung (horizontal, vertikal) die Entlastungsfähigkeit bzw. Druckerhöhung im Vergleich zum maximalen reduzierten Explosionsüberdruck einer gleich großen Berstscheibe festzulegen.
Untersuchungen [8] haben ergeben, daß die Entlastungsfähigkeit EF bei Erhöhung des maximalen reduzierten Explosionsüberdruckes pred,max im allgemeinen steigt und mit zunehmendem Klappengewicht fällt. Dies muß beim Einsatz solcher Entlastungseinrichtungen in der Praxis berücksichtigt werden. Dabei muß für einen vorgegebenen Anwendungsfall (Behältervolumen, Staubexplosionsklasse) die Entlastungsfähigkeit bekannt sein und der Behinderung des Entlastungsvorganges entweder durch Erhöhung der Behälterfestigkeit oder Vergrößerung der Entlastungsfläche begegnet werden. Hierbei ist zu beachten, daß die mechanische Festigkeit einer Explosionsklappe auf die Behälterfestigkeit abgestimmt sein muß.
Bild 6. Definition der Entlastungsfähigkeit EF einer Explosionsklappe (Entlastungsfläche AK) im Vergleich zu Berstscheiben
1 | Meßwerte Berstscheibe |
2 | Meßwert Explosionsklappe (A = AK) |
3 | wirksame Entlastungsfläche der Explosionsklappe (A = A ...) |
Die beim Ansprechen einer Explosionsklappe am Anschlag wirksam werdenden Kräfte sind bei der Einbindung der Explosionsklappe in die zu druckentlastende Struktur zu berücksichtigen.
Es ist zu beachten, daß Korrosionseinflüsse, unsachgemäß ausgeführte Farbanstriche an den beweglichen Teilen einer Explosionsklappe sowie Vereisungen (Schneelast) eine Erhöhung des Ansprechüberdruckes bewirken können. In festgelegten Zeitabständen müssen daher die Beweglichkeit dieser Entlastungselemente und der statische Ansprechüberdruck überprüft werden.
5.3 Unterdrucksicherungen
Bei Anwendung von Explosionsklappen, die nach der Druckentlastung die Entlastungsöffnung wieder verschließen, kann infolge Abkühlung der heißen Verbrennungsgase in der Apparatur ein Unterdruck entstehen und zu ihrer Verformung führen (Bild 7). Um dies zu verhindern, sind Unterdrucksicherungen vorzusehen [9].
Zur Vermeidung eines unzulässig hohen Unterdruckes kann dem in Bild 8 gezeigten Nomogramm die erforderliche Ansaugfläche für Unterdrucksicherungen in Abhängigkeit vom Volumen des zu schützenden Behälters (Silos) und seiner Beulfestigkeit entnommen werden.
Bild 7. Durch Unterdruck zerstörter 60-m3-Behälter, der mit einer Explosionsklappe abgesichert war
Bild 8. Nomogramm zur Bestimmung der Ansaugfläche von Unterdrucksicherungen an Behältern (Silos) Parameter: Beulfestigkeit
6 Dimensionierung von Druckentlastungseinrichtungen
Für die Dimensionierung von Entlastungseinrichtungen müssen die folgenden Explosionskenngrößen bekannt sein, die den Explosionsablauf im geschlossenen kubischen Behälter (Höhen/Durchmesser-Verhältnis von H/D < 2) beschreiben
Sie sind in der Regel vom Behältervolumen unabhängig und werden nach einem vereinbarten und standardisierten Verfahren bestimmt [1; 6; 12].
Die im folgenden angegebenen Gleichungen stellen eine optimierte mathematische Anpassung lediglich für die Beschreibung einer Vielzahl von experimentellen Untersuchungen unter Variation der Einzelgrößen innerhalb der angegebenen Grenzwerte dar. Die Verknüpfungen der Einzelgrößen in den Gleichungen beruhen nicht auf deren physikalisch-chemischen Abhängigkeiten.
Die den Gleichungen zugrunde liegenden experimentellen Untersuchungen wurden unter Randbedingungen (z.B. nach der Homogenität der Staub/Luft-Gemische) durchgeführt, die die Verhältnisse der betrieblichen Praxis, auch für ungünstige Fälle, erfahrungsgemäß abdecken.
Bei der Anwendung der Gleichungen wird unter anderem unterschieden, ob im zu schützenden Behälter mit homogener oder inhomogener Staubverteilung zu rechnen ist. Im Hinblick auf die Staubverteilung gelten folgende Grundsätze:
Homogene Staubverteilung
Wie die Versuche mit kubischen Behältern gezeigt haben, ergeben sich bei (annähernd) homogener Staubverteilung die größten erforderlichen Entlastungsflächen. Eine homogene Staubverteilung ist in der Praxis immer dann zu unterstellen, wenn keine inhomogene Staubverteilung vorliegt.
Inhomogene Staubverteilung
Eine inhomogene Staubverteilung kann in der Praxis dann unterstellt werden, wenn folgende Randbedingungen vorliegen:
Die mit den Gleichungen innerhalb ihres Gültigkeitsbereiches ermittelten erforderlichen Entlastungsflächen können für die Praxis unmittelbar Anwendung finden. Dabei werden die in Abschnitt 1 definierten Größen nur als Zahlenwerte in die Gleichungen eingesetzt.
Der statische Ansprechüberdruck Pstat der Entlastungseinrichtung muß mit der Behälterfestigkeit p (entspricht dem zu erwartenden maximalen reduzierten Explosionsüberdruck pred,max) übereinstimmen oder geringer sein.
6.1 Kubische Behälter
6.1.1 Homogene Staubverteilung
Die folgenden Ausführungen gelten für Stäube der Staubexplosionsklassen St 1 und St 2 mit einem maximalen Explosionsüberdruck pmax ≤ 10 bar und der Staubexplosionsklasse St 3 mit einem maximalen Explosionsüberdruck pmax ≤ 12 bar bei homogener Gemischverteilung im gesamten zu schützenden Volumen V und bis zu einem Betriebsüberdruck von 0,2 bar.
Bei Behältern ohne Einbauten ist bei der Bemessung von Entlastungsflächen im Normalfall das Leervolumen zugrunde zu legen. Sind Einbauten vorhanden (z.B. Filterschläuche oder Filtertaschen), so kann in der Regel das Hüllvolumen der Filterelemente vom Behältervolumen abgezogen werden. Es muß jedoch gewährleistet sein, daß der Entlastungsvorgang von den Einbauten nicht behindert wird. Daher dürfen z.B. Filterschläuche die Entlastungsfläche nicht verdecken. Im Zweifelsfall muß eine ausreichende Entlastungsfähigkeit nachgewiesen werden.
Bei Vorhandensein von Berstscheiben als Entlastungseinrichtung ermöglicht die folgende empirische Zahlenwertgleichung die Berechnung der Größe der erforderlichen Entlastungsfläche A bei Kenntnis der Explosionsfestigkeit p des Behälters [4; 5] (des zu erwartenden maximalen reduzierten Explosionsüberdruckes pred,max), des statischen Ansprechüberdruckes pstat der Berstscheibe, des Behältervolumens V und der Explosionskenngrößen (maximaler Explosionsüberdruck pmax, staubspezifische Kenngröße KSt). Im Bedarfsfall kann die errechnete Druckentlastungsfläche in mehrere Einzelflächen aufgeteilt werden:
A = [3.264 × 10-5 × pmax × KSt ⋅p | - 0.569 | + 0.27 (pstat - 0.1) p | - 0.5 | ] ⋅ V0.753 in m2 (3) |
red,max | red,max |
Die Gleichung gilt für
Die Begrenzung des maximalen reduzierten Explosionsüberdruckes in kubischen Behältern nach oben ist nach dem heutigen Erkenntnisstand erforderlich, weil umfangreiche Untersuchungen gezeigt haben, daß bei sehr kleinen Entlastungsflächen die Streuung der Meßwerte deutlich zunimmt.
Für einen statischen Ansprechüberdruck der Entlastungseinrichtung von pstat = 0,1 bar und für Stäube mit einem maximalen Explosionsüberdruck von pmax = 9 bar kann die erforderliche Größe der Entlastungsfläche auch dem in Bild 9 gezeigten Nomogramm entnommen werden.
Hierbei wird zunächst auf der Abszisse des rechten Teils des Nomogramms der Wert für das zu schützende Behältervolumen V gesucht. Von dort geht man senkrecht nach oben bis zum Schnittpunkt mit der Isobaren, die den gewünschten Wert für den maximalen reduzierten Explosionsüberdruck pred,max (Explosionsfestigkeit des zu schützenden Behälters) angibt. Von hier wird eine Parallele zur Abszisse bis zum Schnittpunkt mit der im linken Nomogrammteil gelegenen geneigten Geraden gezogen, die alle Punkte des gleichen KSt-Wertes verbindet. Der Abszissenwert dieses Schnittpunktes gibt für Berstscheiben unmittelbar die Größe der erforderlichen Entlastungsfläche A an.
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