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Regelwerk, Bau, Wasser SH

Ausführung des Wasserhaushaltsgesetzes in der Bauleitplanung und bei Einzelbauvorhaben
- Schleswig-Holstein -

Vom 27. Dezember 2010
(Amtsbl. Nr. 2 vom 10.01.2011 S. 19)
Gl.-Nr. 7520.8



Gemeinsamer Erlass des Innenministeriums - IV 2613 - 511.526.2 - und des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume - V 412.- 5201.60 - vom 27. Dezember 2010

Der Hochwasserschutz im Bereich der Binnengewässer ist in den vergangenen Jahren bei allen Beteiligten, einschließlich der Öffentlichkeit, zu einem bedeutenden Thema geworden. Insbesondere die Ereignisse der- Elbehochwasser im August 2002 und April 2006 haben mit ihren zum Teil verheerenden Folgen die Notwendigkeit des vorbeugenden Hochwasserschutzes verdeutlichet und den dringenden Handlungsbedarf aufgezeigt.

Bestandteil des Instrumentariums des vorbeugenden Hochwasserschutzes ist die zwingend erforderliche Beteiligung der für den Hochwasserschutz zuständigen Behörde an der Aufstellung eines Bauleitplans (Zulassungsverfahren) in einem Überschwemmungsgebiet. Diese Beteiligung ist ebenso erforderlich:1m Rahmen der Klärung der Zulässigkeit der Errichtung oder Erweiterung einer baulichen Anlage nach § 30, § 34 oder § 35 BauGB in einem Baugenehmigungsverfahren, in einem bauaufsichtlichen Zustimmungsverfahren und in einem sonstigen bauaufsichtlichen Verfahren einschließlich dem verfahrensfreien Bauen in einem solchen Gebiet.

Die Arbeitsgemeinschaft der für Städtebau, Bau- und Wohnungswesen zuständigen Minister und Senatoren (ARGEBAU) und .die Ländergemeinschaft Wasser (LAWA) haben im Jahre 2010 eine gemeinsame, "Handlungsanleitung für den Einsatz rechtlicher und technischer Instrumente zum Hochwasserschutz in der Raumordnung, der Bauleitplanung und bei der Zulassung von Einzelbauvorhaben" beschlossen. Sie gibt den planenden Gemeinden und den betroffenen Fachbereichen, insbesondere für das Wasserrecht, das Bauplanungsrecht und das Bauordnungsrecht, Hilfe und Unterstützung, indem die wasser- und baurechtlichen Instrumente näher betrachtet, ausführlich erläutert und ihre Wechselwirkungen dargestellt werden.. Insbesondere hinsichtlich der Abwägungsanforderungen, der Darstellungs- und Festsetzungsmöglichkeiten sowie der Kennzeichnungen und nachrichtlichen Übernahme wird auf Ziffer 3.ff. der Handlungsanleitung verwiesen.

Die Handlungsanleitung in der Form der Beschlussfassung der Fachkommission Städtebau vom 22. September 2010 ist als Anlage zu diesem Erlass abgedruckt.

Das Geste zur Neuregelung des Wasserrechts vom - 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585) beinhaltet u.a. in Artikel 1 eine Neufassung des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG). Das Gesetz ist am 1. März 2010 in Kraft getreten. Eine Anpassung der entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften erfolgte mit der Änderung des Landeswassergesetzes (LWG) vom 19. März 2010 (GVOBl. Schl.-H. S. 365), das am 26. März 2010 in Kraft getreten ist.

Abschnitt 6 der Neufassung des Wasserhaushaltsrechts überführt die geltenden Vorschriften zum Hochwasserschutz, die u.a. durch das Hochwasserschutzgesetz von 2005 in das WHG eingefügt wurden (§§ 31a bis 32), in modifizierter Form in das neue WHG. Es setzt zugleich die Vorgaben der EU-Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie von 2007 in nationales Recht um. Die §§ 72 bis 75, § 79 Abs. 1 und § 80 WHG dienen ausschließlich der Umsetzung dieser Richtlinie. Die §§ 76 bis 78, § 79 Abs. 2 und § 81 WHG überführen das bisherige Recht unter Berücksichtigung des neuen EU-Rechts als bundesrechtliche Vollregelungen in das neue WHG.

§ 73 Abs. 1 Satz 1 WHG schafft in Umsetzung von Artikel 5 Absatz 1 der Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie eine neue Gebietskategorie "Risikogebiete", die sowohl von Binnenhochwasser als auch von Küstenhochwasser bedrohte Gebiete erfasst, und enthält hierfür eine Legaldefinition. Diese nette Gebietskategorie umfasst u.a. die Überschwemmungsgebiete zwischen den Gewässern und Binnendeichen bzw. sonstigen Hochwasserschutzanlagen und auch die zusätzlich durch Verordnung feitzusetzenden Überschwemmungsgebiete, für die auch schon das bisherige WHG Regelungen traf. Risikogebiete umfassen auch die "überschwemmungsgefährdeten Gebiete" (§§ 31c WHG. a.F., § 59 LWG a.F.), die als eigenständiges Instrument nicht mehr im aktuellen WHG. und LWG enthalten sind.

Zum Verfahren der Beteiligung der wasserrechtlich zuständigen Behörden im Planaufstellungsverfahren (siehe Nummer 4) und bei der Genehmigung von Einzelvorhaben wird ergänzend zur Handlungsanleitung auf Folgendes hingewiesen:

1 Bestimmung der Überschwemmungsgebiete

Überschwemmungsgebiete sind Gebiete zwischen oberirdischen Gewässern und Binnendeichen oder sonstigen Hochwasserschutzanlagen (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LWG) sowie sonstige Gebiete, die bei Hochwasser überschwemmt oder durchflossen oder die für Hochwasserentlastung oder Rückhaltung beansprucht werden (§ 76 Abs. 1 WHG).

Nach § 76 Abs. 2 WHG sind bis zum 22. Dezember 2013 durch Landesrecht innerhalb der Risikogebiete oder der nach § 73 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 WHG zugeordneten Gebiete mindestens die Gebiete als Überschwemmungsgebiete festzusetzen, in denen ein Hochwasserereignis statistisch einmal in 100 Jahren zu erwarten ist.

Die oberste Wasserbehörde kann durch Verordnung Überschwemmungsgebiete auch abweichend von § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LWG festsetzen (§ 57 Abs. 2 LWG).

Entsprechend § 76 Abs. 3 WHG i.V.m. § 57 Abs. 4 LWG beginnt nach der Ermittlung eines Überschwemmungsgebietes die vorläufige Sicherung durch Veröffentlichung der Karten und endet nach 10 Jahren bzw. mit Inkrafttreten der endgültigen Überschwemmungsgebietsverordnung.

2 Schutzvorschriften für Überschwemmungsgebiete

Die in § 78 WHG enthaltenen besonderen Schutzvorschriften gelten nicht nur für die durch Verordnung festgesetzten Überschwemmungsgebiete, sondern auch für die Gebiete, die kraft gesetzlicher Definition als Überschwemmungsgebiete anzusehen sind (§ 58 Abs. 1 LWG i.V.m § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LWG).

3 Bauleitplanung in Überschwemmungsgebieten

In Überschwemmungsgebieten dürfen durch Bauleitplanung keine neuen Baugebiete mit Ausnahme von Häfen und Werften ausgewiesen werden (§ 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG). Die wasserrechtlich zuständige Behörde kann aber die Ausweisung neuer Baugebiete ausnahmsweise zulassen, wenn alle in § 78 Abs. 2 Nr. 1 bis 9 WHG aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sind (siehe Ziffer 3.2.2 der Handlungsanleitung).

In solchen Planaufstellungsverfahren ist Folgendes zu beachten:

4 Dreistufigkeit der Beteiligung der zuständigen Behörde

Aufgrund des Zulassungserfordernisses des § 78 Abs. 2 WHG erfordert das Verfahren der Beteiligung der wasserrechtlich zuständigen Behörde drei Stufen.,

In der ersten Stufe sollte der Planentwurf noch vor den frühzeitigen Beteiligungen der Behörden und sonstigen Trägern öffentlicher Belange (§ 4 Abs. 1 BauGB) und der Öffentlichkeit (§ 3 Abs. 1 BauGB) mit der wasserrechtlich zuständigen Behörde abgestimmt werden, um zu klären, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen die Planung zu gelassen werden kann.

Der zweiten Stufe im Rahmen der Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange nach § 4 Abs. 2 BauGB kommt eine gesteigerte Bedeutung zu, da der Planentwurf bereits alle erforderlichen Darstellungen oder Festsetzungen einschließlich gegebenenfalls wasserrechtlich notwendiger Ausgleichsflächen bzw. Maßnahmen aufweisen und die Begründung das Vorliegen aller Voraussetzungen des § 78 Abs. 2 WHG dokumentieren muss.

Der Zeitpunkt für die Prüfung der Erteilung der hochwasserrechtlichen Zulassung der Ausweisung des neuen Baugebiets (§ 78 Abs. 2 WHG) als dritte Stufe ist erreicht, nachdem die Gemeindevertretung abschließend über den Bauleitplan entschieden hat.

Wird die Zulassung nicht erteilt, ist ein Planerfordernis (§ 1 Abs. 3 BauGB) nicht gegeben. Für den Flächennutzungsplan kann eine Genehmigung nicht erteilt werden; eine Bebauungsplansatzung oder sonstige Satzung darf nicht ausgefertigt und nicht bekannt gemacht werden.

Die Zulassung bzw. ihre Versagung sind Verwaltungsakte (§ 106 LVwG), sie können daher im Verwaltungsstreitverfahren angegriffen werden.

4.1 Aufstellen oder Änderung eines Flächennutzungsplans

Aufgrund ihrer Grobmaschigkeit stellen Flächennutzungspläne nur Baugebiete dar. Vorgaben für eine hochwasserangepasste Bebauung können daher (noch) nicht Gegenstand der Planung sein. In der Begründung sollte aber bereits soweit als möglich auf zu erwartende Einschränkungen in . der Bebaubarkeit bzw. Auflagen der Wasserbehörde für eine Hochwasser angepasste Bauweise hingewiesen werden.

4.2 Aufstellen eines Bebauungsplans

Zu Möglichen Festsetzungsinhalten wird auf Ziffer 3.5 ff. der Handlungsanleitung verwiesen. Darüber hinausgehende Hochwasser angepasste bauliche Anforderungen der Wasserbehörde die nicht städtebaulich begründet sind, sollten aber als Hinweise auf die Planunterlage übernommen werden, um potenziellen Bauherrinnen und Bauherren möglichst frühzeitig Gelegenheit zu geben, sich mit diesen Notwendigkeiten vertraut zumachen.

Die Zulassung durch die Wasserbehörde ist in die Präambel der Satzung aufzunehmen (§ 66 Abs. 1 Nr. 3 LVwG). Nach erteilter Zulassung kann die Satzung ausgefertigt und bekannt gemacht werden.

5 Ausweisung von Überschwemmungsgebieten in den Regionalplänen

5.1 Vorranggebiete für den Binnenhochwasserschutz

In den Regionalplänen sind als Vorranggebiete für den vorbeugenden Binnenhochwasserschutz die in § 76 Abs. 1 Satz 1 WHG i.V.m. § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LWG definierten Überschwemmungsgebiete, die gemäß 76 Abs. 2 WHG durch Rechtsverordnung festgesetzten Überschwemmungsgebiete und die gemäß 76 Abs. 3 WHG i.V.m § 57 Abs. 4 LWG vorläufig gesicherten Gebiete als Überschwemmungsbereiche auszuweisen (vergleiche Landesentwicklungsplan Schleswig-Holstein 2010, Ziffer 5.5.1Absatz 1; im Folgenden: LEP S.-H. 2010). In Vorranggebieten sind bauliche Entwicklungen und andere raumbedeutsame Nutzungen ausgeschlossen, die mit den Funktionen, Nutzungen und Zielen des Vorranggebiets nicht vereinbar sind (vergleiche Ziffer 1.6 der Handlungsanleitung). Ein Bauleitplan wäre unzulässig (§ 1 Abs. 4 BauGB), ebenso würde einem raumbedeutsamen Einzelbauvorhaben im Außenbereich dieses Ziel entgegenstehen (§ 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB). Raumbedeutsam sind zumindest alle Gebäude., die dem auch nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen dienen.

5.2 Vorbehaltsgebiete für den Binnenhochwasserschutz

In den Regionalplänen ausgewiesene Vorbehaltsgebiete für den vorbauenden Binnenhochwasserschutz (vergleiche: LEP S.-H. 2010, Ziffer 5.5.2) können u.a. sowohl potenzielle als auch bestehende Siedlungsflächen umfassen. Eine Siedlungsentwicklung ist. hier nicht generell ausgeschlossen, rein förmliches Zulassungsverfahren für einen Bebauungsplan oder Genehmigungsverfahren für Einzelvorhaben durch die untere Wasserbehörde sind nicht vorgesehen. Ihren Empfehlungen insbesondere für die Bauleitplanung kommt aber ein wesentlich stärkeres Gewicht zu. Vorgaben sind umzusetzen.

6 Einzelbauvorhaben

In einem Baugenehmigungsverfahren und in einem bauaufsichtlichen Zustimmungsverfahren für die Errichtung oder Erweiterung einer baulichen Anlage holt die untere Bauaufsichtsbehörde die nach § 78 Abs. 3 WHG erforderliche Genehmigung ein und nimmt in der Baugenehmigung oder Zustimmung einen Hinweis auf die darin enthaltenen Anforderungen auf. In den anderen bauaufsichtlichen Verfahren, einschließlich denen des verfahrensfreien Bauens, obliegt es der Bauherrin oder dem Bauherrn, die für die Errichtung oder Erweiterung einer baulichen Anlage erforderliche Genehmigung nach dem WHG einzuholen. Über eine Versagung der Genehmigung nach dem WHG unterrichtet die wasserrechtlich zuständige Behörde die untere Bauaufsichtsbehörde.

Eine Genehmigung ist nicht erforderlich, wenn die Verordnung über die Festsetzung des Überschwemmungsgebietes Vorhaben allgemein zulässt (§ 78 Abs. 3 Satz 2 WHG). Die Vorhaben sind der wasserrechtlich zuständigen Behörde anzuzeigen (§ 78 Abs. 3 Satz 3 WHG).

7 Zuständige Behörden

Wasserrechtlich zuständige Behörden sind die Landrätinnen oder Landräte und die Bürgermeisterinnen oder Bürgermeister 'der kreisfreien Städte als untere Wasserbehörde (§ 105 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 107 Abs. 1 Nr. LWG).

Untere Bauaufsichtsbehörden sind neben den Landrätinnen oder Landräten der Kreise sowie den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern der kreisfreien Städte die in § 1 der Landesverordnung zur Übertragung von Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörden auf amtsfreie Gemeinden und Ämter (8. VOLBO) vorn 19. September 1974 (GVOBl. Schl.-H. S. 349), zuletzt geändert durch Landesverordnung vom 3. Dezember 2008 (GVOBl. Schl.-H. S. 741), genannten Behörden.

8 Bauleitplanungen im Küstenbereich von Nordund Ostsee

Für Bauleitplanungen an den Küsten von Nord- und Ostsee hat der Gesetzgeber eine Zulassung der Bauleitplanung durch die Wasserbehörde nicht vorgesehen. Es ist daher im Einzelfall mit dem Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz zu klären, ob die beabsichtigte Nutzung mit den Belangen des Hochwasserschutzes vereinbar ist.

9 Außerkrafttreten des Erlasses

Dieser Erlass tritt am 1. Januar 2011 in Kraft. Er tritt am 31. Dezember 2015 außer Kraft.

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 Handlungsanleitung für den Einsatz rechtlicher und technischer Instrumente zum Hochwasserschutz
in der Raumordnung, in der Bauleitplanung und bei der Zulassung von Einzelbauvorhaben
Anlage


UWS Umweltmanagement GmbHENDE