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Epidemiologische Untersuchungen zum Lungenkrebsrisiko nach Exposition gegenüber Radon
- Stellungnahme der Strahlenschutzkommission -
Vom 29. Januar 2001
(BAnz. 2001 S. 2639)
Verabschiedet in der 169. Sitzung der Strahlenschutzkommission am 31. Oktober 2000
Zur Erläuterung der Expositions- und Konzentrationsangaben in epidemiologischen Studien zum Radonrisiko
1 Einleitung
Die Strahlenschutzkommission hat bereits auf ihrer 124. Sitzung am 21./22. April 1994 Grundsätze zur Begrenzung der Strahlenexposition der Bevölkerung durch Radon und seine Zerfallsprodukte empfohlen. Zudem hat die EU-Kommission am 21. Februar 1990 eine Empfehlung zum Schutz der Bevölkerung vor Radonexposition innerhalb von Gebäuden veröffentlicht (90/143). Diese beruht zum Teil noch auf der ICRP-Veröffentlichung Nr. 39 von 1984. In der Zwischenzeit wurden zahlreiche neue epidemiologische Studien veröffentlicht, in denen das Krebsrisiko nach Radonexposition untersucht wurde. Die Ergebnisse wurden 1999 von einer Arbeitsgruppe der National Academy of Science (USA) im BEIR VI-Report zusammengefasst und bewertet [1]. Außerdem tagte im Jahre 2000 eine Arbeitsgruppe der International Agency for Research on Cancer (IARG) der Weltgesundheitsorganisation. (WHO), die eine Bewertung verschiedener Radionuklide, darunter Radon, vorgenommen hat. Auch in Deutschland wurden verschiedene Studien zur Untersuchung der gesundheitlichen Auswirkungen von Radon durchgeführt. Aus diesem Grunde hat sich die Strahlenschutzkommission erneut mit der Thematik befasst. Sie hält es für sinnvoll und notwendig, den derzeitigen Kenntnisstand in der vorliegenden Stellungnahme aktualisiert darzustellen und zu bewerten.
Im Jahre 1988 wurde Radon durch eine Arbeitsgruppe der IARC en ein eingestuft. Diese Bewertung erfolgte aus epidemiologischer Sicht auf der Grundlage von Daten aus acht Kohortenstudien von Beschäftigten im Uranbergbau [3]. Seit dieser Zeit sind zahlreiche weitere Veröffentlichungen erschienen, die neben qualitativen Analysen auch genauere quantitative Aussagen zum Zusammenhang zwischen Radonexposition und Lungenkrebsrisiko erlauben. Bei diesen Studien handelt es sich einerseits um Kohortenstudien bei Beschäftigten im Bergbau, zum anderen um Fall-Kontrollstudien zur Untersuchung der Wirkung von "in-door" Radon, d. h. von Radonexpositionen in Wohnräumen.
Vor dem Hintergrund der häufig großen Unterschiede in den Ergebnissen einzelner epidemiologischer Studien - bedingt durch die unterschiedlichen Studiendesigns und -größen, Einflüsse durch Confounder, Expositionsbedingungen usw. -zeichnen sich die Radon-Studien in ihrer Gesamtheit durch eine vergleichsweise große Konsistenz bzgl. ihrer qualitativen und quantitativen Aussagen aus.
2 Kohortenstudien im Uranbergbau ("hoch-exponierte" Personengruppen)
Weltweit wurden bis heute 12 Kohortenstudien und eine aus diesen Daten gepoolte Auswertung [6] durchgeführt, in denen das Krebsrisiko durch Radonexposition untersucht wurde (Tabelle 1). Die Qualität der Daten zur Exposition ist in den verschiedenen Studien zwar unterschiedlich, doch liegen aus fast allen Arbeiten für mindestens einen Teil der Beschäftigten Expositionsmessungen und detaillierte Berufsbiographien vor. Für Lungenkrebsstudien sind Angaben zum Raucherstatus essentiell. In vielen der oben aufgeführten Studien wurden daher Daten zum Raucherstatus erfasst. Allerdings ist diese Information nicht immer vollständig, in einigen Studien fehlt sie sogar ganz.
Tabelle 1: Kohortenstudien
Personenjahre | Durch schnittliche Anzahl von exponierten Jahren | Lungenkrebsfälle | |||||||
Veröffentlichung (neueste) | Land | Art des Bergbaus | exponierte Personen | nicht- exponierten Personen | WLM* | exponierte Personen | nicht exponierte Personen | ERR** /WLM 95 % KI | |
Yao, 1994 | China | Zinn | 135.357 | 39.985 | 277,4 | 12,9 | 936 | 44 | 0,0016 |
0,001- 0,002 | |||||||||
Tomasek & Placek, 1999 | Tsche- chische Repubik | Uran | 103.652 | 4216 | 198,7 | 7,3 | 656 | 5 | 0,0034 |
0,002-0,006 | |||||||||
Stram et al., 1999 | USA/ Colorado | Uran | 73.509 | 7403 | 595,7 | 4,0 | 292 | 2 | 0,0042 |
0,003-0,007 | |||||||||
Kusiak et al., 1993 | Kanada | Uran | 319.701 | 61.017 | 30,8 | 3,0 | 282 | 2 | 0,0089 |
0,005-0,015 | |||||||||
Morrison et al., 1998 | Kanada | Flussspat | 35.029 | 13.713 | 367,3 | 4,8 | 112 | 6 | 0,0076 |
0,004-0,013 | |||||||||
Radford & St. Clair Renard, 1984 | Schweden | Eisen | 32.452 | 841 | 80,6 | 17,8 | 79 | 0 | 0,0095 |
0,001-0,041 | |||||||||
Samet et al., 1994 | USA/ Neu Mexiko | Uran | 46.797 | 12.152 | 110,3 | 7,4 | 68 | 1 | 0,0172 |
0,006- 0,067 | |||||||||
Chambers et al., 1999 | Kanada | Uran | 68.040 | 50.345 | 17,2 | 1,9 | 56 | 9 | 0,0221 |
0,009-0,056 | |||||||||
Howe et al., 1987 | Kanada | Uran | 30.454 | 22.222 | 242,8 | 3,2 | 39 | 18 | 0,0019 |
0,001-0,006 | |||||||||
Woodward et al., 1991 | Australien | Uran | 25 549 | 26 301 | 7,6 | 1,1 | 32 | 22 | 0,0506 |
0,010-0,122 | |||||||||
Timarche et al., 1993 | Frank- reich | Uran | 39.487 | 4556 | 68,7 | 13,2 | 45 | 0 | 0,0036 |
0,001-0,013 | |||||||||
Meta-Analyse Lubin et al., 1994 | gepoolte Analyse | 907.459 | 242.332 | 158,0 | 5,7 | 2597 | 109 | 0,0049*** | |
0,002-0,010 | |||||||||
Studie, die nicht in die Metaanalyse einging: Hodgson & Jones, 1990 | U.K. | Zinn | 2535 | - | 65 | 11 | |||
* WLM = Working Level Month; Mittlerer Wert aller exponierten Personen * * ERR = Excess Relative Risk (zusätzliches relatives Risiko) * * * dies entspricht etwa einem Risikoschätzer von ERR/100 Bq/m3 = 0,07 (siehe Anhang) |
Tabelle 2: Publizierte Fall-Kontrollstudien und RR für Lungenkrebs
Veröffentlichung | Land | Fälle | Kontrollen | RIR* * * bei 100 Bq/m3 | 95 % KI* | ||
männlich | Weiblich | männlich | weiblich | ||||
Schoenberg et al., 1990 | New Jersey, USA* | - | 480 | - | 442 | 1,49 | 0,89-1,89 |
Blot et al., 1990 | Shenyang, China* | - | 308 | - | 356 | 0,95 | (undefined 1,08) |
Pershagen et al., 1992 | Stockholm, Schweden* | - | 201 | - | 378 | 1,16 | 0,89-1,92 |
Pershagen et al, 1994 | Schweden* | 729 | 552 | 1317 | 1259 | 1,10 | 1,01-1,22 |
Letourneau et al., 1994 | Winnipeg, Canada* | 488 | 250 | 488 | 250 | 0,98 | 0,87-1,27 |
Alavanja et al., 1994 | Missouri, USA* | - | 538 | - | 1183 | 1,08 | 0,95-1,24 |
Ruosteenoja et al., 1996 | Süd-Finnland* | 164 | - | 331 | - | 1,80 | 0,90-3,50 |
Auvinen et al., 1996, 1998 | Finnland* | 479 | 38 | 479 | 38 | 1,11 | 0,94-1,31 |
Darby et al., 1998 | Süd-West-England | 607 | 315 | 2108 | 1 077 | 1,08 | 0,97-1,20 |
Alavanja et al., 1999 | Missouri, USA | 247 | 299 | - | - | 0,85 | 0,73-1,00 |
372 a) | 471 | - | - | 1,63 | 1,07-2,93 | ||
Field et al., 2000 | Iowa, USA | 413 | - | 614 | - | 1,29 | 1,20-1,40 |
Wichmann et al., 1998 | West-Deutschland | 869 | 154 | 1354 | 272 | 0,97 | 0,82-1,14 |
Wichmann et al., 1999 | Ost-Deutschland | 658 | 85 | 1079 | 139 | 1,10 | 0,98-1,24 |
Gesamt | 4654 | 3220 | 7770 | 5394 | 1,08 | 1,00-1,16 | |
* In die Mete-Analyse von Lubin und Boice (1997) eingeschlossene Studien; RR = 1,10; 95 % KI = 1,00-1,20 * * KI = Konfidenzintervall *** Bei den Fall-Kontrollstudien wird das Relative Risiko in der folgenden Form modelliert: log RR (x, x0) = β(x, x0) wobei x0 die Referenzkategorie angibt. In der Tabelle wird das RR für 100 Bq/m3 angegeben. Für die Auswertung wird die Radonexposition im Allgemeinen als durchschnittliche Exposition über ein Zeitfenster von 25 Jahren ermittelt. ERR/100 Bq/m3 kann berechnet werden nach der Formel: ERR = R-1. Zum Vergleich mit Tabelle 1 siehe Fußnote dort und Anhang. a) Surface monitor, sonst α-track monitor |
Für alle Studien zusammen beträgt die Zahl der Personenjahre 1,15 Millionen, davon 900.000 Personenjahre von exponierten Personen. Die durchschnittliche Exposition schwankt in den einzelnen Studien von unter 10 WLM (Australien) bis fast 600 WLM in Colorado (USA). Während für einige Studien nur eine Expositionszeit von wenigen Jahren vorliegt, wurden in der chinesischen, der französischen und der schwedischen Studie die Personen durchschnittlich weit mehr als 10 Jahre exponiert. Diese große Variation zwischen den Studien hat den Vorteil, dass das Krebsrisiko bei unterschiedlicher Exposition beobachtet werden kann und somit die Dosiswirkungsbeziehung über einen breiten Expositionsbereich modelliert werden kann. Ausführlich werden die einzelnen Studien im BEIR VI-Report [1] beschrieben, dem auch die entsprechenden Referenzen zu entnehmen sind.
Alle bis zum Jahre 1994 vorhandenen Daten von 11 einzelnen Kohortenstudien wurden von Lubin und Kollegen in einer gepoolten Analyse gemeinsam ausgewertet [6]. Diese Auswertung umfasst 907.459 Personenjahre unter Risiko und 2597 Lungenkrebsfälle bei exponierten Personen. Die Vergleichskohorte enthielt 242.332 Personenjahre unter Risiko und 109 Lungenkrebsfälle. Es wurden für alle Kohorten einheitliche Methoden zur statistischen Auswertung und Modellbildung verwendet, so dass eine gute Vergleichbarkeit der Ergebnisse der Einzelstudien gewährleistet ist. Insgesamt ergab sich ein zusätzliches relatives Risiko (ERR) von 0,0049/WLM mit einem 95 %-Konfidenzintervall von (0,002-0,010) /WLM. Die Autoren analysierten getrennt die Daten von Beschäftigten mit einer kumulativen Exposition von unter 50 WLM. Dadurch sollte der Einfluss des Dosisrateneffekts auf die Schätzung der Risikokoeffizienten verringert und eine bessere Vergleichbarkeit mit den Daten aus den "in-door" Studien erreicht werden [7]. Zu dieser Teilgruppe trugen etwa 50 % der Personenjahre und 12 % der Lungenkrebsfälle bei. Ein Vergleich dieser Personengruppe mit allen nichtexponierten Personen ergab ein ERR von 0,017/WLM (95 % KI (0,002-0,025) / WLM).
Da ein großer Teil der Beschäftigten rauchte, wurde zusätzlich untersucht, ob Radon als davon unabhängiger Risikofaktor angesehen werden kann oder ob der beobachtete Zusammenhang durch das Rauchverhalten erklärt werden kann (Confounding). Für einzelne Studien konnte eine getrennte Auswertung für Raucher und Nichtraucher vorgenommen werden, und es zeigte sich, dass das durch Radon induzierte zusätzliche relative Lungenkrebsrisiko für Nichtraucher höher ist als für Raucher, d. h. dass es eine Interaktion zwischen Radonexposition und Rauchen gibt. Die Feststellung, dass Raucher ein deutlich höheres Lungenkrebsrisiko haben als Nichtraucher, bleibt davon aber unberührt. In der gepoolten Auswertung von Lubin und Kollegen [6] waren 2798 Personen eingeschlossen, die angaben, lebenslang nicht geraucht zu haben. Von ihnen erkrankten 64 Personen an Lungenkrebs. Für diese wurde ein ERR von 0,0103/WLM (95 % KI (0,002-0,057) /WLM) ermittelt. Dieser Wert ist etwa doppelt so groß wie der entsprechende Wert für die Raucher.
3 Studien zur Untersuchung des Lungenkrebsrisikos nach häuslicher Radonexposition (In-door Radonstudien)
Neben den Kohortenstudien wurden seit Anfang der 90er Jahre ein Reihe von Fall-Kontrollstudien durchgeführt, in denen der Zusammenhang zwischen häuslicher Radonexposition und dem Lungenkrebsrisiko untersucht wurde (Tabelle 2). In allen Studien wurde versucht, die Radonexposition in der jetzigen und den vorhergehenden Wohnungen der Fälle und der Kontrollen durch Messungen, durch Befragung (z.B. zum Lüftungsverhalten) oder aufgrund sonstiger Annahmen abzuschätzen. Zusätzlich wurden Daten in persönlichen Interviews erfasst, sowohl zur Ermittlung bestimmter Lebensgewohnheiten, welche die Radonexposition beeinflussen, als auch über das Rauchverhalten. In der Regel wurden sowohl Langzeit- als auch Kurzzeitmessungen der Radonexposition in verschiedenen Wohn- und Schlafräumen vorgenommen. Die Angaben zur Radonexposition werden jedoch umso unsicherer, je weiter der Expositionszeitpunkt zurückliegt, da retrospektive Messungen selten durchgeführt werden konnten und Befragungen mit zunehmender Ausrichtung in die Vergangenheit ungenauer werden. Diese Unsicherheit zu Expositionsangaben ist allen diesen Studien gemeinsam. Auch der Einfluss der Messunsicherheit auf die Risikokoeffizienten wurde abgeschätzt [11]. Es zeigte sich, dass durch die Fehler bei der Expositionserfassung im Allgemeinen eine Unterschätzung der Risikoeffizienten zu erwarten ist.
Die statistische Auswertung der Daten wurde jeweils unter Berücksichtigung des Raucherstatus vorgenommen (adjustiert). Ein Teil der Studien schließt nur Frauen mit ein, um den Anteil der Raucher geringer zu halten. Einige Studien betrachten nur Nichtraucher. Für fast alle Studien sind auch getrennte Ergebnisse für Raucher und Nichtraucher publiziert worden.
Der Umfang der Studien variiert stark, wobei in einigen Studien mehrere hundert Fälle und Kontrollen eingeschlossen werden. Insgesamt liegen weltweit heute Daten von ca. 10.000 Personen mit Lungenkrebs und von mehr als 13.000 Kontrollen vor. Für die Einzelstudien schwankt das Relative Risiko bei 100 Bq/m3 zwischen 0,85 (d. h. ERR negativ; Studie aus Missouri, USA) und 1,80 (d. h. ERR = 0,80/100 Bq/m3 Finnland). Eine gepoolte Auswertung von 8 Fall-Kontrollstudien [8] ergab ein Relatives Risiko von 1,10 (95 %-Konfidenzintervall von 1,00-1,20) für eine Exposition von durchschnittlich 100 Bq/m3 pro Jahr über 25 Jahre (ERR = 0,10/100 Bq/m3).
4 Probleme bei der Interpretion der Ergebnisse einzelner Fall-Kontrollstudien
Ein Problem bei den Fall-Kontrollstudien ergibt sich durch die geringe statistische Teststärke jeder einzelnen Studie und die Unsicherheit bei der Expositionserfassung. Diese Probleme wurden ausführlich in Lubin et al. [9] dargestellt. Unter der sehr vereinfachten Annahme, dass die Hälfte der Personen exponiert ist (z.B. mit mehr als 200 Bq/m3) und das Relative Risiko der Exponierten den Wert 1,3 annimmt, ist eine Fall-Kontrollstudie mit mehr als 1000 Fällen und 1000 Kontrollen notwendig, um mit einer Teststärke von 90 % die Null-Hypothese ("die Radonexposition erhöht nicht das Lungenkrebsrisiko) zu verwerfen (Irrtumswahrscheinlichkeit = 0,05). Sollen kleinere Risiken entdeckt werden oder ist die Anzahl von exponierten und nichtexponierten Personen in der Population nicht gleich groß, so ist ein größerer Stichprobenumfang erforderlich. In der genannten Arbeit [9] wird auch gezeigt, dass sich die Teststärke erheblich reduziert, wenn man noch die Unsicherheit in der Expositionsermittlung berücksichtigt. Es ist daher nicht überraschend, dass die einzelnen Studien recht heterogene Ergebnisse zeigen. Durch die gepoolte Auswertung der Einzelstudien ergibt sich jedoch im Gesamtbild eine gute Übereinstimmung mit den Risikokoeffizienten aus den Kohortenstudien. Somit liefern die Fall-Kontrollstudien eine Bestätigung, dass die Extrapolationen aus den Kohortenstudien zu akzeptablen Ergebnissen führen.
Die BEIR VI-Kommission [1] hat auf der Grundlage der gepoolten Bergarbeiterdaten [6, 7] (Tab. 1) und der "in-door"-Fall-Kontrollstudien [8] (Tab. 2) Risikoabschätzungen für das Lungenkrebs-Lebenszeitrisiko nach Radonexposition durchgeführt. Hierbei kamen unterschiedliche Modelle zur Lebenszeitprojektion, zur Altersabhängigkeit und zum Dosisrateneffekt zur Anwendung. Je nach Modell werden Relative Risiken (RE) bei 100 Bq/m3 für Raucher von 1,2 bis 1,3 und für Nichtraucher von 1,5 bis 1,8 angegeben (Lebenszeitrisiko bei lebenslanger Exposition). Diese Werte sind weitgehend unabhängig vom Geschlecht.
Beim Vergleich der Ergebnisse aus den Bergarbeiterstudien und den "in-door" Studien ist zu beachten, dass sich die ermittelten RR in der Regel im ersten Fall auf WLM (d. h. auf eine Expositionsangabe, die einer "Dosis" entspricht), im zweiten Fall auf Bq/m3 (d. h. auf eine Konzentrationsangabe, die einer "Dosisleistung" entspricht) beziehen und daher nicht unmittelbar vergleichbar sind. Kann man allerdings die Expositionszeiten abschätzen, so lässt sich für Wohnungen grob die Beziehung ansetzen, dass 1 WLM/Jahr ca. 200 bis 250 Bq/m3 entspricht (vgl. Anhang).
Eine Bewertung der ermittelten Risikowerte hängt entscheidend von der statistischen Signifikanz (d. h. die Breite der Konfidenzintervalle) ab. Diese wiederum ist abhängig u. a. vom Umfang einer Studie, dem Anteil der exponierten Personen und der durchschnittlichen Exposition. Unter Einbeziehung aller Daten, die heute zur Verfügung stehen, kann von einer statistisch signifikanten Erhöhung des Relativen Risikos oberhalb von etwa 250 Bq/m3 ausgegangen werden.
5 Ökologische Studien
Neben den zahlreichen analytischen Studien wurden auch verschiedene geographische Korrelationsstudien durchgeführt (sogenannte " ökologische Studien"), in denen eine Korrelation berechnet wurde zwischen der durchschnittlichen Radonexposition in einer Region und den durchschnittlichen Lungenkrebsraten. Diese Studien gelten als die schwächste Form der epidemiologischen Evidenz, in erster Linie, weil die Exposition eines Individuums nicht ermittelt oder geschätzt werden kann. Es kann kein direkter Bezug hergestellt werden zwischen den Personen, die tatsächlich exponiert waren, und denen, die an Lungenkrebs erkrankt waren. Es ist also nicht bekannt, ob die Personen, die an Lungenkrebs erkrankt sind, auch diejenigen sind, die gegenüber Radon exponiert waren. Wegen der Mobilität der Bevölkerung sagt die Radonexposition in der Wohnregion zum Zeitpunkt des Todes oder in den Jahren davor wenig aus über die individuelle kumulative Exposition einer Person. Dies gilt um so mehr, da auch innerhalb kleiner geographischer Einheiten eine hohe Variation der Exposition vorhanden ist und der mittlere Wert einer Region eine unzureichende Schätzung der individuellen Exposition darstellt. Andere wichtige Einflussvariablen, wie insbesondere das Rauchen, können nicht angemessen berücksichtigt werden.
Weltweit wurden mehr als 50 ökologische Studien durchgeführt. Die bekannteste der letzten Zeit ist die Studie von Cohen in den USA [14]. In dieser Studie wird ein negativer Zusammenhang zwischen der Radonbelastung und den Lungenkrebsraten berichtet. Als Kritik an dieser Studie wird neben den oben beschriebenen allgemeinen Schwächen von ökologischen Studien angeführt, dass die US-Population sehr mobil ist und das Rauchen bei diesen Auswertungen nicht berücksichtigt wurde. Zudem wurde an der Auswertung von Cohen kritisiert, dass in den USA die Radonkonzentration in ländlichen Gebieten erhöht ist und die Raucherprävalenz in diesen Gebieten unter dem Landesdurchschnitt liegt. Es konnte gezeigt werden, dass auch andere Tumorarten, die mit Rauchen assoziiert sind, negativ mit der Radonexposition korreliert sind. In diesem Zusammenhang ist auch bemerkenswert, dass in einigen anderen Studien (z.B. Schweden, England, Iowa) zunächst berechnete negative Korrelationen durch eine verbesserte Berücksichtigung von Störvariablen verschwinden [1]. Daher muss insgesamt davon ausgegangen werden, dass Aussagen aus ökologischen Studien keinen Beitrag zur Risikoabschätzung für Radon liefern können.
6 Deutsche Studien
In Deutschland wurden in den letzten Jahren zwei große Fall-Kontrollstudien durchgeführt [4, 12, 13]. In der ersten Studie [4, 12] wurden 1449 Lungenkrebsfälle eingeschlossen, die zwischen 1990 und 1996 in Teilen von NRW, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Bayern aufgetreten sind. Für 1023 Fälle und 1626 Kontrollen liegen vollständige - jedoch mit Unsicherheiten behaftete - Radonmessungen vor. Das Relative Risiko wurde für 100 Bq/m3 mit 0,97 (95 %-KI: 0,82-1,14) angegeben. Bei der Betrachtung von Teilregionen mit erhöhter Radon-Exposition wurden etwas höhere Risikowerte beobachtet. Die zweite Fall-Kontrollstudie [13] umfasst 743 Fälle und 1218 Kontrollen aus Thüringen und Sachsen. Hier wurde für 100 Bq/m3 ein RR von 1,10 (95 %-KI: 0,98-1,24) ermittelt. Damit liegen beide Studien in dem erwarteten Bereich, der sich auch in den vorhergehenden Studien aus anderen Ländern gezeigt hatte.
1999 wurde ein EU-Bericht über eine Fall-Kontrollstudie zur Untersuchung des Lungenkrebsrisikos infolge häuslicher Radonexposition bei Frauen der Region Schneeberg-Aue ("SchneebergStudie") vorgestellt (bisher unveröffentlichte Studie; EU-Bericht Contract N FI4P-CT95-0027) [2]. Grundlage der Studie bilden 72 Fälle und 288 Kontrollen aus den Jahren 1952 bis 1997, von denen allerdings tatsächlich lediglich 38 Fälle (histologisch gesichert) weibliche Nichtraucher mit 172 Kontrollen sind. Die durchschnittliche Radonexposition der untersuchten Gruppe liegt bei ca. 200 Bq/m3. Die Studie hat durch den extrem geringen Stichprobenumfang und die retrospektive Expositionserfassung eine sehr geringe Teststärke, um eine Erhöhung des Risikos festzustellen. Hinzu kommt, dass die Datensammlung und -analyse sowie die Erfassung der Confounder erhebliche Mängel aufweisen, was zum Teil auch dadurch bedingt ist, dass Fälle in die Studie eingeschlossen werden, die vor mehr als 50 Jahren aufgetreten sind. Die Studie wurde bisher nicht in einer internationalen Fachzeitschrift publiziert. Die Präsentation im vorliegenden Bericht ist unzureichend, es lassen sich darin aber Mängel bei der Durchführung, Auswertung und Interpretation der Studie erkennen. Zur Gesamtbeurteilung des Radonrisikos trägt diese Studie wegen der extrem geringen Fallzahl und der mangelnden Qualität nur wenig bei, z.B. beträgt die Zahl der Lungenkrebsfälle weniger als 0,5 % aller bisherigen Fälle in Fall-Kontrollstudien und weniger als 5 % aller Fälle unter den Nichtraucherinnen. Die Ergebnisse stehen nicht im Widerspruch zu den Ergebnissen anderer Studien. Die Aussage der Autoren, dass die Resultate nicht in Übereinstimmung mit der LNT-Hypothese seien und einen "sicheren Dosisschwellenwert" zeigten, lässt sich auf der Grundlage der vorgestellten Daten nicht halten.
Zur Zeit wird in Deutschland vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) eine sehr umfangreiche Kohortenstudie bei den Beschäftigten der ehemaligen Wismut AG durchgeführt. Diese Studie umfasst 60.000 Personen, ist also fast so groß wie alle bisherigen Studien gemeinsam [5]. Zusätzlich zu der vergleichsweise großen Fallzahl ist die große Variationsbreite bezüglich der Expositionshöhe und -dauer bei relativ einheitlicher Datenerfassung von Vorteil. Aus dieser Studie erwartet man einerseits eine Überprüfung und Belastbarkeit der oben genannten quantitativen Beziehungen, genauere Aussagen zu den Wechselwirkungen zwischen Radonexposition und Rauchen, sowie Aussagen zum Zusammenhang zwischen der Radonexposition und dem Auftreten anderer Tumorarten.
7 Zusammenfassung
Die Ergebnisse bisheriger epidemiologischer Studien zeigen einen klaren Zusammenhang zwischen der Radonexposition und dem Lungenkrebsrisiko und sind mit einer linearen DosisWirkungsbeziehung ohne Schwellenwert (so genannte LNT-Hypothese Linear No-Threshold Hypotheses) konsistent. Bemerkenswert ist die gute Übereinstimmung zwischen den Ergebnissen aus den Kohortenstudien (hoch-exponierte Personen) und den Fall-Kontrollstudien, in denen das Lungenkrebsrisiko nach eher niedriger Exposition untersucht wird. Obwohl jede einzelne Studie alleine nicht ausreicht, genaue Schätzer für die Bewertung des Risikos auch nach geringer Strahlenexposition zu liefern, rechtfertigen die Studien doch in ihrer Gesamtheit, von einer LNT-Hypothese auszugehen. Abweichende Ergebnisse in einzelnen Studien, besonders in solchen mit geringem Stichprobenumfang, sind nicht überraschend und führen daher nicht zu einer anderen Beurteilung des Gesamtbildes.
Aus der Gesamtheit aller vorliegenden Studien kann für Nichtraucher ein zusätzliches relatives Risiko hinsichtlich der natürlichen Lungenkrebsrate von etwa 0,01 pro WLM bzw. 0,14 pro 100 Bq/m3 abgeschätzt werden. Für Raucher ist das relative Zusatzrisiko durch Radon etwa halb so groß. Auf Grundlage der Fallzahlen aller bisherigen Studien kann von einer statistisch signifikanten Erhöhung oberhalb von 250 Bq/m3 ausgegangen werden.
[1] BEIR VI. Effects of Exposure to Radon. Washington DC, National Academy Press (1998).
[2] Contract N F14P-CT95-0027 Summary of the Final Report "Analysis of the likelihood of female inhabitants of Schneeberg and Schlema (Saxony) contracting lung cancer as a result of radon exposure in dwelling arising from mining and geologically induced factors and studies concerning the reconstruction of exposure (Schneeberg-study) Coordinator: K. Martin, principle investigator: J. Conrady et al. (ohne Datum).
[3] IARC Monographs on the evaluation of carcinogenic risks to humans. Vol 43. Man-Made Mineral Fibres and Radon, IARG; Lyon (1988).
[4] Kreienbrock L, Kreuzer M, Gerken M, Dingerkus G, Weilmann J, Keller G, Wichmann HE: Case-control study on lung cancer and residential radon in West Germany. American Journal of Epidemiology (in press) (2001).
[5] Kreuzer M, Grosche B, Brachner A, Martignoni K, Schnelzer M, Schopka HJ, Bruske-Hohlfeld 1, Wichmann HE, Burkart W: The German uranium miners cohort study: feasibility and first results. Radiat Res. (1999) 152(Suppl); S. 56-8.
[6] Lubin JH, Boice JD, Edling C, Hornung RW, Howe G, Kunz E, Kusiak RA, Morrison HI, Radford EP Samet JM, Tirmarche M, Woodward A, Yao SX Pierce DA: Radon and Lung Cancer Risk: A joint Analysis of 11 Underground Studies (NIH Publication No 94-3644) (1994).
[7] Lubin TH, Tomasek, L. Edling, C., Hornung, RW, Howe, G. Kunz E. Kusiak RA, Morrison H, Radford EF, Samet JM, Tirmache M, Woodward A & Yao, SX: Estimating lung cancer mortality from residential radon using data from bw exposure of miners. Radiat. Res. (1997) 147; 126-134.
[8] Lubin JH, Boice JD Jr: Lung cancer risk from residential radon: meta-analysis of eight epidemiologic studies. J Natl Cancer Inst. (1997) 89; 49-57.
[9] Lubin JH, Boice JD, Samet JM: Errors in Exposure Assessment, Statistical Power and the Interpretation of Residential Radon Studies. Radiation Research (1995) 144; 329-341.
[10] Lubin JH, Samet JM, Weinberg C: Design issues in epidemiobogic studies of indoor exposure to Rn and risk of lung cancer. Health Phys. (1990) 59; 807-17.
[11] Reeves GK, Cox DR, Darby SC, Whitley E: Some aspects of measurement error in explanatory variables for continuous and binary regression models. Stat Med. (1998) 19; 2157-77.
[12] Wichmann HE, Kreienbrock L, Kreuzer M, Gerken M, Dingerkus G, Wellmann J, Keller G: Lungenkrebsrisiko durch Radon in der Bundesrepublik Deutschland (West) in der Reihe "Fortschritte in der Umweltmedizin" herausgegeben von H. E. Wichmann, H. W. Schlipköter und G. Fülgraff (1998).
[13] Wichmann HE, Gerken M, Wellmann J, Kreuzer M, Kreienbrock L, Keller G, Woelke G, Heinrich J: Lungenkrebsrisiko durch Radon in der Bundesrepublik Deutschland (Ost) -Thüringen und Sachsen. ecomed, Landsberg/Lech (1999).
[14] Cohen BL: Relationship between exposure to radon sud vanions types of cancer. Health Physics, 65: 529-537 (1993).
Zur Erläuterung der Expositions- und Konzentrationsangaben in epidemiologischen Studien zum Radonrisiko | Anhang |
Für die Angabe des durch Radon verursachten Risikos sind unterschiedliche Bezugsgrößen zur Kennzeichnung der Radonexposition bzw. -konzentration gebräuchlich. Auf Grund einiger Besonderheiten im Zuge der historischen Entwicklung, aber auch unterschiedlicher messtechnischer Datenerfassung, sind diese Größen häufig nicht unmittelbar vergleichbar und die entsprechenden Risikoangaben erläuterungsbedürftig. Um eine bessere Vergleichbarkeit der in dieser Stellungnahme beschriebenen Risikowerte aus den verschiedenen epidemiologischen Studien zu erreichen, werden hier einige Beziehungen zwischen den einzelnen Radonmessgrößen zusammengestellt und erläutert.
In den meisten Fall-Kontrollstudien zum Risiko durch häusliche Radonexposition bezieht sich die Angabe des Risikos auf die Radon-Aktivitätskonzentration in Einheiten Bq/m3. Damit ist die Aktivität des Radionuklids Rn-222 pro m3 Raumluft ohne seine Zerfallsprodukte gemeint. Unter Exposition wird i. Allg. das Produkt aus Aktivitätskonzentration und Einwirkungsdauer verstanden. Eine Exposition führt zu einer Dosis und eine Konzentrationsangabe entspricht einer Dosisleistung. Risikoangaben, die sich auf eine Aktivitätskonzentration beziehen, müssen also prinzipiell auch eine Expositionszeit einbeziehen, so dass auch häufig von "zeitgewichteten" Expositionen gesprochen wird. Die Exposition muss daher konsequenterweise als Aktivitätskonzentration mal Zeit, d. h. z.B. in Bq⋅a/m3, angegeben werden.
Da in der Regel davon ausgegangen wird, dass zwar die Beobachtungszeiten in den verschiedenen Studien durchaus unterschiedlich sind, die Einwirkungsdauer durch häusliches Radon aber auf Grund der Wohnsituation entweder konstant oder auf geeignete Weise normierbar ist, ist eine Risikoangabe, die sich auf eine Aktivitätskonzentration bezieht, zum Vergleich ausreichend. Hierbei muss allerdings darauf geachtet werden, dass in epidemiologischen Studien die Expositionsangaben häufig in Form von durchschnittlichen Expositionen angegeben werden, d.h. z.B. in Bq×a/m3 pro Jahr.
Soll dagegen eine Lungendosis oder eine effektive Dosis ermittelt werden oder sollen die Radonrisiken unter verschiedenen Expositionsbedingungen miteinander verglichen werden, sind zusätzliche Informationen bzw. Annahmen erforderlich: Radon-222 tritt z.B. in der Raumluft in der Regel nur zusammen mit seinen kurzlebigen Zerfallsprodukten in einem bestimmten Mischungsverhältnis auf. Befindet sich das Radon mit den Zerfallsprodukten im radioaktiven Gleichgewicht oder lassen sie sich darauf normieren, so lässt sich eine sog. gleichgewichtsäquivalente Radonkonzentration (Rn-äquiv., engl. EEC) angeben. Diese setzt sich aus den Aktivitätskonzentrationen der einzelnen Radontöchter zusammen, die nach deren (festen) Beiträgen zur sog. potentiellen α-Energie-Konzentration (beim vollständigen Zerfall aller Radontöchter im radioaktiven Gleichgewicht emittierte Energie durch α-Strahlung) gewichtet sind.
In einer realen Expositionsumgebung wird die Abweichung vom radioaktiven Gleichgewicht durch den sog. Gleichgewichtsfaktor F angegeben. Dieser ist stark von den aktuellen Bedingungen in der Umgebung abhängig (z.B. Feuchte, Aerosolkonzentration in der Luft usw.) und kann in Wohnräumen üblicherweise Werte von F = 0,2 bis 0,6 annehmen. Die mit dem Gleichgewichtsfaktor multiplizierte reale Radon-222-Aktivitäts-konzentration, also die gleichgewichtsäquivalente Radonkonzentration, charakterisiert mit ihrem Wert die gleiche (biologische) Wirkung, wie sie eine Radon-Aktivitätskonzentration mit gleichem Wert im radioaktiven Gleichgewicht mit den Zerfallsprodukten hätte.
Damit kann eine Beziehung zwischen der gleichgewichtsäquivalenten Aktivitätskonzentration (Rn-äquiv.) und der LungenOrgandosis bzw. effektiven Dosis angegeben werden. Diese Beziehung wird durch sog. Dosisfaktoren bzw. Dosiskonversionsfaktoren ausgedrückt.
Als Beispiel soll folgende Rechnung dienen: In einer Wohnung herrsche eine Radonkonzentration von 50 Bq/m3. Unter Berücksichtigung eines Gleichgewichtsfaktors von F = 0,4 erhält man eine gleichgewichtsäquivalente Radonkonzentration von 20 Bq/m3 (Rn-äquiv.). Eine Person halte sich in einem Jahr zu 80 % (ca. 7000 h) in der Wohnung auf, so dass eine jährliche Exposition von 16 Bq×a/m3 resultiert. Für die Lunge gilt ein Dosisfaktor von 9·10-6 mSv/Bq. Mit einer Atemrate von 0,7 m3/h (entsprechend 5000 m3/a) ergibt sich für die Person eine effektive Dosis von 0,88 mSv/a (vgl. hierzu die "Dosiskonversion" von ICRP 65: Protection against Radon-222 at Home and Work. ICRP Publication 65, 23/2, 1993).
In epidemiologischen Studien zum Risiko durch Radonexposition bei Bergarbeitern wird als Bezugsgröße häufig das sog. Working Level Month (WLM) verwendet. Diese (historische) Größe entstand in den 50er Jahren unter der Annahme, dass ein gesundheitsschädigender Effekt erst ab einer gewissen Konzentrationsschwelle einsetze und somit ein sicherer "Working Level" (WL) existiere. 1 WL (in Einheiten Energie pro Volumen) entspricht der potentiellen α-Energie-Konzentration, die durch 100 pCi/l (in den damals üblichen Einheiten) gleichgewichts-äquivalente Radonkonzentration erzeugt wird. Dies entspricht in SI-Einheiten 3,7 kBq/m3 (Rn-äquiv.). Bei einer monatlichen Arbeitszeit von 170 h ergibt sich hieraus für das Working Level Month:
1 WLM entspricht also einer gleichgewichtsäquivalenten Radonkonzentration von 72 Bq×a/m3, der eine Person ein Jahr lang permanent ausgesetzt ist. Das WLM ist ein Maß für die Exposition, beinhaltet also bereits die Einwirkungsdauer und kann damit in eine Dosis umgerechnet werden, wenn der Dosisfaktor bekannt ist. Risikoangaben, die sich auf das WLM beziehen, können demzufolge mit Risiken pro Dosiseinheit in Beziehung gebracht werden.
Obschon das Konzept der WLM ursprünglich aus dem beruflichen Strahlenschutz stammt, kann es auch auf die Bedingungen bei häuslicher Radonexposition der Allgemeinbevölkerung angewendet werden. Hierzu müssen allerdings veränderte Annahmen zur Atemrate und zur mittleren Aufenthaltszeit gemacht werden.
Geht man von einer Aufenthaltsdauer von 7000 h/a aus, so entspricht 1 WLM für die Allgemeinbevölkerung etwa 90 Bq×a/m3 Rn-äquiv. bzw. 225 Bq×a/m3 Rn-222-Aktivitätskonzentration (F = 0,4). Die mit dieser Exposition verbundene effektive Dosis beträgt etwa 4 mSv.
Eine Radonkonzentration von 50 Bq/m3 (gleichgewichtsäquivalente Radonkonzentration: 20 Bq/m3) führt, wie oben beschrieben, zu einer effektiven Dosis von 0,88 mSv/a. Unterstellt man eine mittlere Expositionszeit von 30 Jahren (1,5 kBq×a/m3), so entspricht dies etwa 6,7 WLM (6,7 WLM×4 mSv/WLM = 26,8 mSv = 30a×0,88 mSv/a) und 1 WLM entspricht einer 30-jährigen Exposition mit 7,5 Bq/m3 Radonkonzentration.
In Bezug auf die Risikoangaben in epidemiologischen Studien bedeutet dies folgendes:
Ist ein zusätzliches relatives Risiko ERR pro WLM angegeben, so kann umgerechnet werden:
ERR/WLM = ERR/7,5 Bq×m-3 = 13,5.ERR/100 Bq×m-3.
Einem Risikowert von ERR/WLM = 0,005 (vgl. Tab. 1) entspricht also ERR/100 Bq×m-3 = 0,07 (vgl. Tab. 2).