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Schutz des Menschen vor den Gefahren solarer UV-Strahlung und UV-Strahlung in Solarien
Empfehlung der Strahlenschutzkommission
Vom 18. Juli 2018
(BAnz AT vom 27.11.2018 B3)
Archiv 2001
Siehe FN *
Verabschiedet in der 280. Sitzung der Strahlenschutzkommission am 11./12. Februar 2016
Empfehlung der Strahlenschutzkommission
1 Einleitung
Vor dem Hintergrund einer stetig steigenden Inzidenz der durch Ultraviolettstrahlung verursachten Hautkrebserkrankungen gibt die Strahlenschutzkommission (SSK) seit 1990 Empfehlungen und Informationen zum Schutz des Menschen vor UV-Strahlung heraus. 1990 erschien die Empfehlung "Schutz des Menschen bei Sonnenbestrahlung und Anwendung von UV-Bestrahlungsgeräten". Ihr folgten u. a. im Jahr 1993 die "Praktische Verhaltensempfehlung zum Schutz vor Hautkrebs durch UV-Strahlung" sowie die im Jahr 1997 von der SSK verabschiedete Empfehlung "Schutz des Menschen vor solarer UV-Strahlung". Ergänzt wurden diese Schriften im Jahr 2001 durch eine weitere Empfehlung "Schutz des Menschen vor den Gefahren der UV-Strahlung in Solarien" (SSK 1990, SSK 1993, SSK 1997, SSK 2001).
In den Empfehlungstexten der SSK wurden in wissenschaftlichen Anhängen der Stand der Forschung referiert und, hierauf basierend, Empfehlungen für einen risikoarmen Umgang mit solarer und künstlicher UV-Strahlung gegeben.
Im Jahr 2009 wurde nach solarer UV-Strahlung auch UV-Strahlung aus künstlichen Quellen von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als karzinogen für Menschen eingestuft. Des Weiteren stehen eine breitere Datenbasis und neue wissenschaftliche Befunde zur Verfügung, die in die bestehenden Empfehlungen zum Schutz des Menschen vor solarer UV-Strahlung und UV-Strahlung aus künstlichen Quellen mit einfließen sollen.
Der vorliegende Text stellt das Ergebnis dieser Arbeit dar. Er ersetzt die oben angeführten Empfehlungen und wissenschaftlichen Begründungen aus den Jahren 1990, 1993, 1997 und 2001. Die übrigen Informationen, Stellungnahmen und Empfehlungen der SSK zur UV-Strahlung heben Einzelaspekte hervor und bleiben davon unberührt. Dies gilt insbesondere auch für die Stellungnahme der SSK aus dem Jahr 2006 "Gesundheitliche Gefährdung durch UV-Exposition von Kindern und Jugendlichen", die den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor den Gefahren von UV-Strahlung thematisiert (SSK 2006). Die SSK spricht sich in dieser Stellungnahme dafür aus, die Aufklärung von Kindern und Jugendlichen über mögliche Risiken der UV-Strahlung zu intensivieren und regelmäßig durchzuführen. Die darin enthaltene Forderung des Gesetzgebers, die Nutzung von Solarien durch Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre zu verbieten, wurde im Jahr 2009 mit dem Gesetz zum Schutz vor nicht-ionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen (NiSG) umgesetzt.
Wie im Beratungsauftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU, jetzt Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, BMUB) für die Erstellung der vorliegenden Empfehlung gefordert, wurde besonders das Problemfeld "Die Wirkung von UV-Strahlung auf die Bildung des körpereigenen Vitamin D" bearbeitet. Dies lag daran, dass Veröffentlichungen aus dem letzten Jahrzehnt dahingehend interpretiert wurden, dass ein konsequent betriebener UV-Schutz zu einem Defizit in der Vitamin-D-Versorgung größerer Teile der Bevölkerung beitragen könnte. In diesem Zusammenhang wird auch diskutiert, ob eine Vitamin-D-Defizienz die Entstehung verschiedener Erkrankungen inklusive Krebserkrankungen in verschiedenen Organen fördert bzw. deren Verlauf negativ beeinflusst.
Die Diskussion um die Vitamin-D-Defizienz hat dazu geführt, dass in den letzten Jahren vermehrt die Nutzung von Solarien und/oder stärkere Expositionen durch solare UV-Strahlung beworben werden. Dabei wird davon ausgegangen, dass mögliche biopositive Effekte einer UV-induzierten Vitamin-D-Synthese die bekannten gesundheitlichen Risiken von UV-Strahlung überwiegen.
Diese Entwicklung verfolgt die SSK kritisch und hat deshalb ihre UV-Empfehlungen vor dem Hintergrund neuen Wissens überprüft. Als Ergebnis dieser Überprüfung sieht die SSK im Zusammenhang mit der Debatte um gesundheitliche Wirkungen von UV-induziertem Vitamin D keine Notwendigkeit, die bisherigen Empfehlungen, die zum UV-Schutz und zur Minimierung des Hautkrebsrisikos gegeben wurden, im Grundsatz zu ändern.
2 Empfehlungen
Die folgenden Empfehlungen werden für die Hauttypen I bis IV gegeben.
2.1 Allgemeine Empfehlungen
Im Oktober 2014 wurde der im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erstellte European Code against Cancer (ECAC) veröffentlicht (IARC 2015).
Die SSK schließt sich den darin enthaltenen international gemeinsam getragenen, allgemeinen Empfehlungen zum Schutz vor Sonne/UV-Strahlung, die von der International Agency for Research on Cancer (IARC) erarbeitet wurden, an. Diese lauten:
Unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Empfehlungen wurden von der SSK Empfehlungen an die Bevölkerung zum Schutz vor UV-Strahlung unter besonderer Berücksichtigung von UV-Schutz bei Kindern erarbeitet.
2.2 Empfehlungen zum Schutz vor solarer UV-Strahlung
Die Höhe der solaren UV-Strahlungsexposition einer Person hängt von der Tageszeit, der Jahreszeit, der geografischen Lage, den Wetterbedingungen und dem individuellen Verhalten ab. Ein Maß für die solare sonnenbrandwirksame UV-Einstrahlung ist der UV-Index (siehe Nummer 4 der wissenschaftlichen Begründung). UV-Schutzmaßnahmen sollen sich an der Höhe des jeweiligen UV-Indexes und den diesbezüglichen WHO-Empfehlungen orientieren.
Bei der Anwendung von Sonnenschutzmaßnahmen wird folgende Reihenfolge empfohlen:
Zur Vermeidung starker solarer UV-Strahlungsexposition sollten folgende Maßnahmen ergriffen werden:
Bei Tragen geeigneter Kleidung und einer Sonnenbrille ist besonders zu beachten:
Bei der Anwendung von Sonnenschutzmitteln ist besonders zu beachten:
Bei Aufenthalt in der Sonne sollte auf die Verwendung von Parfüms, Deodorants und Kosmetik verzichtet werden.
Wer Medikamente einnimmt, sollte vor Aufenthalten in der Sonne die Packungsbeilage beachten und gegebenenfalls den behandelnden Arzt oder einen Apotheker befragen.
Neben den oben angegebenen Verhaltenspräventionsmaßnahmen sollten technische Maßnahmen zur Reduzierung der solaren UV-Strahlungsexposition im Sinne einer Verhältnisprävention ergriffen werden (Abschattung durch Überdachung, Markisen usw.). Über solche technischen Maßnahmen hinaus sollten auch organisatorische Maßnahmen, besonders während der Mittagsstunden (z.B. Terminierung von Sportveranstaltungen), umgesetzt werden.
2.2.1 Schutz von Kindern vor UV-Strahlung
Beim Schutz von Kindern vor UV-Strahlung ist zusätzlich zu beachten:
Zur Verhältnisprävention bei Kindern wird insbesondere empfohlen:
2.3 Empfehlungen zum Schutz des Menschen vor den Gefahren der UV-Strahlung in Solarien
In Deutschland wird mit der UV-Schutz-Verordnung (UVSV) eine Vielzahl von Anforderungen an den Betrieb von Solarien geregelt. So dürfen seit Januar 2012 nur UV-Bestrahlungsgeräte eingesetzt werden, deren erythemgewichtete Bestrahlungsstärke 0,3 W/m2 nicht übersteigt. Rechtsgrundlage für diese Verordnung ist das NiSG. Dieses untersagt seit August 2009 Solarienbetreibern, Minderjährigen die Nutzung von Solarien zu gestatten. Ein Verstoß gegen die gesetzlichen Vorgaben kann mit hohen Bußgeldern belegt werden.
Die SSK begrüßt diese gesetzliche Regelung, welche erheblich zur Reduktion von UV-induzierten Risiken, insbesondere dem Auftreten von Hautkrebs, beitragen kann. Die SSK ist aber in Sorge, dass deutsche Rechtsvorschriften und Konzepte, die auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen und den Empfehlungen zum Schutz der Bevölkerung vor den Gefahren von UV-Strahlung beruhen, über Normungsgremien auf nationaler und internationaler Ebene vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Interessen wesentlich in Frage gestellt werden. Insbesondere beunruhigt die SSK auch, dass Solarien immer noch damit beworben werden, bestimmte Krankheiten (z.B. Psoriasis, Neurodermitis, Akne) mit Solarienbesuchen zu behandeln.
Aufgrund der Tatsachen, dass die Nutzung eines Solariums eine zusätzliche, vermeidbare Belastung des menschlichen Körpers mit UV-Strahlung bedeutet, und UV-Strahlung eindeutig nachgewiesen ein Kanzerogen ist (El Ghissassi et al. 2009), empfiehlt die SSK:
2.4 Besondere Berücksichtigung der Vitamin-D-Problematik
Für eine ausreichende Vitamin-D-Synthese genügt es, Gesicht, Hände, Arme und Unterschenkel unbedeckt und ohne Sonnenschutz zwei- bis dreimal pro Woche der Hälfte der minimalen sonnenbrandwirksamen UV-Dosis (0,5 MED) auszusetzen. Dies entspricht z.B. für Menschen mit Hauttyp II bei täglichem Aufenthalt in der Sonne ca. einer Viertelstunde bei einem UV-Index 7 (der in Deutschland im Hochsommer erreicht werden kann) oder ca. einer halben Stunde bei einem UV-Index 3. Im Winterhalbjahr zwischen Mitte Oktober und Mitte März bei UV-Index < 3 ist eine Vitamin-D-Bildung praktisch nicht möglich. Selbst bei Verdacht auf Vitamin-D-Mangel aus gesundheitlichen Gründen und/oder aufgrund jahreszeitlich bedingter zu geringer solarer UV-Exposition rät die SSK wegen der damit verbundenen Erhöhung des Hautkrebsrisikos dringend davon ab, Solarien zu nutzen. Ein nachgewiesener Vitamin-D-Mangel sollte durch geeignete Medikation ärztlich therapiert werden.
Wissenschaftliche Begründung zur Empfehlung der Strahlenschutzkommission
1 Einleitung
Ohne Sonnenlicht wäre ein Leben auf unserem Planeten nicht möglich. Teile des von der Sonne emittierten sichtbaren Lichts sind für die Photosynthese notwendig und beeinflussen unsere biologischen Rhythmen. Infrarot-Strahlung (IR-Strahlung) der Sonne erwärmt die Erde. Ca. 4 % der optischen Strahlung der Sonne, die die Erde erreichen, entfällt auf den ultravioletten Bereich (UV-Strahlung). Dieser ist für die Vitamin-D-Produktion in der menschlichen Haut notwendig. Allerdings ist auch nachgewiesen, dass UV-Strahlung als Mutagen wirkt und beim Menschen karzinogene Wirkung entfaltet. Der Grund hierfür liegt in der Tatsache, dass UV-Strahlung in der Erbsubstanz (DNA) und anderen zellulären Komponenten menschlicher Hautzellen und des Auges Schädigungen hervorruft. Darüber hinaus schwächt UV-Strahlung das Immunsystem. Daraus resultiert eine Vielzahl UV-abhängiger Krankheitsbilder, deren Ätiologie teilweise noch nicht vollständig aufgeklärt ist. Nachgewiesenermaßen ist UV-Strahlung aber der entscheidende umweltbedingte Risikofaktor für die Entstehung von Hautkrebs, dessen Häufigkeit in den letzten Jahrzehnten in Deutschland stark zugenommen hat. Die Kenntnis dieses Hauptrisikofaktors (UV-Strahlung) erlaubt es, dass der Entstehung von Hautkrebs durch Verhaltens- bzw. Verhältnis-Prävention (primäre Prävention) entgegengewirkt werden kann. Darüber hinaus ist Hautkrebs im Frühstadium sehr gut heilbar, sodass dieser Krebs auch einen Zielkrebs für die Früherkennung (sekundäre Prävention) darstellt.
2 Solare und künstliche UV-Strahlung
2.1 Definition optische Strahlung/UV-Strahlung
2.1.1 Optische Strahlung - eine Energieform im elektromagnetischen Spektrum
Als Ultraviolettstrahlung bezeichnet man einen Wellenlängenbereich der optischen Strahlung innerhalb des elektromagnetischen Spektrums.
Abbildung 1: UV-Wellenlängenbereich als Teil der optischen Strahlung im elektromagnetischen Spektrum (BMAS 2015)
Als ultraviolette Strahlung (UV-Strahlung) wird elektromagnetische Wellenstrahlung mit Wellenlängen im Bereich zwischen 100 nm und 400 nm bezeichnet (siehe Abbildung 1). Der Wellenlängenbereich der UV-Strahlung ist weiter unterteilt. Die Grenzen dieser Bereiche sind in Tabelle 1 angegeben. Es existieren unterschiedliche Definitionen für die Grenzen zwischen UVB und UVA (315 nm bzw. 320 nm) und zwischen UVA und sichtbarem Licht (VIS) (380 nm bzw. 400 nm). Die in Tabelle 1 angegebenen Werte folgen dem "International lighting vocabulary" der International Commission on Illumination (CIE 1987) und werden dieser wissenschaftlichen Begründung zugrunde gelegt.
Tabelle 1: Wellenlängenbereiche der UV-Strahlung
Wellenlängenbereich | λ in nm |
UVA | von 315 bis 400 |
UVB | von 280 bis 315 |
UVC | von 100 bis 280 |
2.1.2 Emissionsspektren von UV-Strahlungsquellen
Die Emissionsspektren von UV-Strahlungsquellen können abhängig von der Strahlenquelle einen kontinuierlichen oder einen diskontinuierlichen Spektralverlauf aufweisen. Ein diskontinuierliches Spektrum kann einerseits ein "Linienspektrum" mit diskreten Emissionslinien oder ein Bandenspektrum sein, bei dem in bestimmten Wellenlängenabschnitten Strahlung emittiert wird. Einen speziellen Fall eines Linienspektrums stellt das monochromatische Spektrum mit nur einer singulären Emissionswellenlänge dar.
2.1.3 Charakterisierung von UV-Strahlung - Beziehungen, Größen, Symbole, Maßeinheiten
Die Größe zur Messung der auf eine Fläche auftreffenden optischen Strahlung ist die Bestrahlungsstärke E. Die Exposition auf das bestrahlte Objekt ergibt sich aus der Expositionsdauer Δtexp (in s) einer Bestrahlungsstärke E (in W/m2) als Bestrahlung H ("Dosis" in J/m2):
H= E · Δtexp. (1)
Bei variierender Bestrahlungsstärke gilt:
oder | (2) |
Die Emission einer optischen Strahlenquelle ist durch die spektrale Strahldichteverteilung charakterisiert. Die Wellenlängenabhängigkeit der Stärke der Strahlung ist durch die Spektralverteilung der Bestrahlungsstärken je Wellenlängenintervall - die spektrale Bestrahlungsstärke E ) [W/(m2 hm)] - charakterisiert.
Durch UV-Strahlungseinwirkung ausgelöste photobiologische Effekte hängen in starkem Maße von der Wellenlänge und damit Photonenenergie ab (siehe Nummer 2.2.3). Diese Wellenlängenabhängigkeit der biologischen Wirksamkeit wird als Wirkungsspektrum oder Aktionsspektrum bezeichnet. Zur mathematischen Beschreibung und messtechnischen Bewertung nähert man dieses Wirkungsspektrum eines photobiologischen Effektes durch eine spektrale Wichtungsfunktion sbiol (λ) für die UV-Strahlung an - beispielsweise für das UV-Erythem durch ser(λ).
Die photobiologisch gewichtete Bestrahlungsstärke Ebiol berücksichtigt durch Integration über alle Wellenlängenintervalle die spektrale Bestrahlungsstärke Eλ (λ) verrechnet mit der spektralen Wichtungsfunktion sbiol(λ) des photobiologischen Effektes im betrachteten Wellenlängenbereich zwischen λ1 und λ2
Mathematisch beschrieben ergibt sich die photobiologisch gewichtete Bestrahlungsstärke aus:
(3)
Diese Formel wird auch zur Ermittlung der erythemwirksamen Bestrahlungsstärke solarer UV-Strahlung während eines Tages eingesetzt, um den UV-Index (siehe Nummer 4) zu bestimmen. Eine UV-Strahlung, die mit einer gewichteten Bestrahlungsstärke Ebe über eine Expositionsdauer texp einwirkt, resultiert in einer biologisch effektiven Bestrahlung Hbloi (auch häufig als "UV-Dosis" bezeichnet):
(4)
Die photobiologisch gewichtete Bestrahlungsstärke, die auf eine Person einwirkt, kann sich im Zeitverlauf ändern: Ebiol(t). Verursacht werden kann das durch Änderung der Distanz zur UV-Strahlenquelle oder durch intermittierende Aufenthaltsdauer im Strahlungsfeld oder durch Änderung der Emission der UV-Strahlenquelle selbst.
Ein Überblick zu photobiologischen Größen, die der Charakterisierung der UV-Strahlung und Exposition dienen, und deren Beschreibung, Symbole und Maßeinheiten sind im Anhang 1 aufgelistet, einschließlich der Referenzen für weitergehende Informationen.
Für photobiologische Bewertungen sind ungewichtete physikalische Größen kein geeignetes Maß. Bei ungewichteten Messungen werden alle Wellenlängen gleichberechtigt im Messergebnis berücksichtigt. Die photobiologische Wirkung auf Strukturen, aus denen auch Mikroorganismen bzw. organische Gewebe bestehen, ist in sehr starkem Maße, oft über mehrere Größenordnungen von der Strahlungswellenlänge abhängig. Das wird durch die oben beschriebenen photobiologischen Gewichtungen berücksichtigt, die sich je nach betrachtetem Effekt unterscheiden.
2.2 Physikalische Grundlage der photobiologischen Effekte von UV-Strahlung
2.2.1 Abhängigkeit der Bestrahlungsstärke vom Einfallswinkel
Die Bestrahlungsstärke hängt vom Einfallswinkel θ ab. Bei senkrechtem Einfall (θ = 0°) ist der Strahlungsfluss pro Fläche maximal. Mit steigendem Einfallswinkel, bis hin zum streifenden Einfall, wird die bestrahlte Fläche immer größer und damit die Bestrahlungsstärke immer geringer. Die Einfallswinkelabhängigkeit der Bestrahlungsstärke folgt dem Kosinusgesetz
E = Eo cosθ (5)
mit
Eo Bestrahlungsstärke E auf eine ebene Fläche für θ = 0°
θ Winkel zwischen einfallendem Strahl und der Normalen auf der Oberfläche.
Die Haut wird je nach anatomischer Region des Körpers bzw. seiner momentanen Lage unter verschiedenen Einfallswinkeln von der Sonne bestrahlt. Die sogenannten Sonnenterrassen (z.B. Nase, Schulter) mit steilstem Einfall solarer UV-Strahlung erreichen bei gleicher Expositionsdauer zuerst die Sonnenbrandschwellendosis - eine Folge der oben genannten Winkelabhängigkeit.
2.2.2 Wellenlängenabhängige Eindringtiefe von UV-Strahlung in Gewebe
Die Eindringtiefe von UV-Strahlung ist von der Wellenlänge abhängig und wird von dem Absorptionsverhalten sogenannter Chromophore (lichtabsorbierende Moleküle) und der Reflexion im Gewebe beeinflusst. Die Dicke der Haut und der einzelnen dargestellten Hautschichten ist sehr variabel und hängt unter anderem von der Lokalisation der betrachteten Hautareale ab. Die In-vivo-Transmission kann für die verschiedenen Hautschichten deshalb immer nur als Annäherung angegeben werden (siehe Abbildung 2).
Abbildung 2: Eindringtiefe von UV-Strahlung in die Haut (Grafik: Bundesamt für Strahlenschutz)
Die Eindringtiefe steigt mit steigender Wellenlänge. Bei 250 nm (UVC, nur durch künstliche UV-Strahlungsquellen) werden etwa 82 % der Strahlung in den ersten 20 pm absorbiert. Bei 297 nm (UVB) werden etwa 90 % der Strahlung in den ersten 40 pm absorbiert. UVA-Strahlung mit 365 nm durchdringt zu mehr als 20 % die Epidermis. Im Übergangsbereich zwischen UVA und sichtbarem Licht erreichen ca. 60 % der Strahlung die Cutis (Oberhaut + Lederhaut). Noch etwa 1 % erreicht die Subcutis (Unterhaut) (siehe auch Abbildung 3).
Abbildung 3: Genäherte In-vivo-Transmission (in %) in unterschiedlichen Gewebetiefen für verschiedene Wellenlängen (nach Bruls et al. 1984)
Auch die Eindringtiefe von UV-Strahlung in das Auge ist wellenlängenabhängig (siehe Abbildung 4). Grob lässt sich die Eindringtiefe in etwa folgendermaßen angeben (siehe Tabelle 2; die Übergänge sind allerdings fließend):
Tabelle 2: Eindringtiefe von UV-Strahlung in das Auge (Erwachsene)
Strahlungsart | dringt im Auge ein bis zur |
UVC | Hornhaut/Bindehaut |
UVB | Augenlinse |
UVA (98 - 99 %) | Augenlinse |
UVA (1 - 2 % > 365 nm) | Netzhaut |
UV-B-Strahlung wird von der menschlichen Augenlinse vollständig absorbiert. Dies gilt ebenso für UVA-Strahlung mit Wellenlängen unter 365 nm. 1 bis 2 % der UVA-Strahlung oberhalb von 365 nm erreichen jedoch noch die Retina (Glickman 2011, Krutmann et al. 2014, Mainster und Turner 2010). Eine Ausnahme bildet hier das Kinderauge (siehe Nummer 3.3.1).
Abbildung 4: Eindringtiefe von UV-Strahlung in das Auge (Grafik: Bundesamt für Strahlenschutz)
2.2.3 Wirkungsspektren - Beschreibung der Wellenlängenabhängigkeit der Strahlungswirkung
UV-Strahlung wirkt auf Mikroorganismen, Pflanzen, Tiere oder Menschen über die Absorption der Strahlungsenergie in bestimmten Molekülen, die als Chromophore bezeichnet werden. Diese Moleküle in Organismen oder im Gewebe (z.B. in der menschlichen Haut oder den Augen) absorbieren die Strahlungsenergie, generieren Photoprodukte und bewirken biochemische Änderungen, die beispielsweise zu Zelländerungen oder zum Zelltod führen und eine Reaktion des betroffenen Organs hervorrufen können (siehe Abschnitt 3.1). Ein wesentliches Chromophor ist die DNA. Deren spektrale Absorption sinkt vom Maximum (etwa bei 265 nm) bis zu 320 nm um fünf Größenordnungen (etwa auf 1/100.000). Wegen der begrenzten Eindringtiefe in menschliches Gewebe wirkt UV-Strahlung im Wesentlichen nur auf zwei Organe: die Augen und die Haut (siehe Kapitel 3).
Die UV-induzierte Kaskade von biochemischen Reaktionen startet mit der wellenlängenabhängigen Absorption durch die Chromophore und endet mit einer wellenlängenabhängigen Organreaktion. Ein Wirkungsspektrum beschreibt die Effektivität optischer Strahlung (z.B. UV-Strahlung), um für den betrachteten photobiologischen Effekt eine festgelegte Antwortreaktion/einen festgelegten Endpunkt für jedes (quasi) monochromatische Wellenlängenintervall auszulösen/zu erreichen. Für einige photobiologische Endpunkte existieren zur mathematischen Beschreibung (siehe Nummer 2.1.3) standardisierte spektrale Wichtungsfunktionen (siehe Abbildung 5). Sie dienen der Vergleichbarkeit der Wirksamkeit zwischen UV-Strahlungsquellen - weniger der rechnerischen Bestimmung physiologischer Ergebnisse im Organismus/ Menschen.
Bei der Verwendung von Wirkungsspektren ist zu beachten, dass diese mit monochromatischer Strahlung ermittelt und Wechselwirkungen von Effekten bei verschiedenen Wellenlängen/Wellenlängenbereichen nicht berücksichtigt werden.
Abbildung 5: Normierte spektrale Wichtungsfunktionen sbiol(λ) für verschiedene photobiologische Prozesse
ser: UV-Erythem (Daten aus ISO 17166)
spp: persistierende Pigmentierung (entspricht im Wesentlichen der Erythemwichtungsfunktion)
svd: Bildung von Prä-Vitamin D3 aus Pro-Vitamin D3 in der Haut (Daten aus CIE 2006a, CIE 2006b)
snmsc: Photokarzinogenese nicht melanozytärer Hautkrebs (NMSC, non-melanoma skin cancer) (Daten aus CIE 2006b)
seff*: Gefährdung durch UV-Strahlung (Daten aus ACGIH 2008, EU 2006, ICNIRP 2004)
sTT: Ausbildung von Thymin-Dimeren (Daten aus Freeman et al. 1989, Young et al. 1998)
spi Sofortpigmentierung, photooxidative Dunkelung vorhandenen Melanins
* Das "artifizielle" Wirkungsspektrum für die "UV-schädigende Wirkung auf den Menschen" dient der Prävention im Arbeitsschutz. Es wurde als Hüllkurve aus spektralen Schwellenwertkurven zur Auslösung von akuten UV-Effekten an Augen und Haut abgeleitet. Einbezogen wurden für das Auge die Photokeratitis (UV-strahlungsbedingte Hornhautentzündung) und die Photokonjunktivitis (UV-strahlungsbedingte Bindehautentzündung) sowie für die Haut das UV-Erythem (siehe Nummer 3).
2.2.3.1 Veranschaulichung der Überlagerung von UV-Strahlungsspektrum und Wirkungsspektrum zur photobiologisch gewichteten Bestrahlungsstärke
Für die Bewertung photobiologischer Effekte und Prozesse müssen über die physikalischen Größen hinaus die Wellenlängenabhängigkeiten biologischer Effekte berücksichtigt werden. Allein im UVB-Bereich kann sich die Wirksamkeit für photobiologische Effekte um mehr als den Faktor 100 ändern (siehe Abbildung 5). Die photobiologischen Wirksamkeiten gehen kontinuierlich von UVA in UVB und UVC über. Die Angabe von physikalischen UVA- oder UVB-Messwerten für die Charakterisierung photobiologischer Prozesse ist nur bei exakt gleichem Strahlungsspektrum (und gleichem Messgerät) ein möglicher Vergleichsanhalt. Für photobiologisch gewichtete Messwerte muss ein adäquater UV-Sensor in seiner relativen spektralen Empfindlichkeit mit hoher Präzision der Wichtungsfunktion des untersuchten Photoeffektes entsprechen (Breitbandradiometer). Oder aber die Bestrahlungsstärke wird Wellenlänge für Wellenlänge mit einem Spektroradiometer gemessen, diese Messwerte je Wellenlängenintervall dann mit dem zugehörigen Wirksamkeitswert der spektralen Wichtungsfunktion des betrachteten Effektes multipliziert und alle Werte der Einzelintervalle aufaddiert (integrative Faltung von Strahlungsspektrum und spektraler Wirkungsfunktion: siehe Nummer 2.1.3 Formel 4).
Wie in Abbildung 6 gezeigt, können geringe Unterschiede im Spektrum zwischen UV-Strahlungsquellen, wie hier für die Sommer- und Wintersonne dargestellt, in erheblichen Änderungen der photobiologischen Wirksamkeit resultieren.
Abbildung 6: UV-Strahlungsspektrum, spektrale Wichtungsfunktion und photobiologisch gewichtete UV-Wirksamkeit.
Die physikalische, ungewichtete Bestrahlungsstärke E für Mittagsonne im Sommer ist um einen Faktor 4 höher als im Winter.
Eine photobiologische Wichtung (siehe Nummer 2.1.3 Formel 4) mit der spektralen Wichtungsfunktion für das UV-Erythem s,( zeigt, dass die erythemwirksame Bestrahlungsstärke Eer im Sommer (bei Sonnenhöhenwinkel γs = 60°) um einen Faktor 40 höher ist als im Winter (bei Sonnenhöhenwinkel γs = 15°), siehe auch Legende zu Abbildung 5
Wie in Abbildung 7 grafisch dargestellt, können für jeden photobiologischen Effekt (für den eine Wichtungsfunktion bekannt ist) und für jede UV-Strahlenquelle, die diesen Effekt auslöst, die photobiologisch gewichteten UV-Expositionsgrößen Ebiol sowie Hbiol (siehe Nummer 2.1.3 Formeln 3 und 4 und Anhang 1) bestimmt werden.
Abbildung 7: UV-Strahlungsspektrum, spektrale Wichtungsfunktion und photobiologisch gewichtete UV-Wirksamkeit für einen photodermatologischen UVB-Breitbandstrahler:
2.2.3.2 MED, SED - individuelle Empfindlichkeit und Maßeinheit zur Bewertung der UV-Erythemwirkung
Das UV-Erythem (dermatitis solaris oder "Sonnenbrand") ist eine traumatische Reaktion nach einer Überexposition der Haut durch UV-Strahlung (siehe Nummer 3.1.6). Die Rötung ist ein sichtbarer Endpunkt zur Ableitung eines Wirkungsspektrums. Abhängig vom gewählten Rötungsgrad (gerade wahrnehmbar, mild, moderat, deutlich) als Endpunkt verschiebt sich die wellenlängenabhängige Effektivität. Standardisierte spektrale Wichtungsfunktionen zum UV-Erythem (z.B. ISO 17166) basieren auf Mittelwerten aus verschiedenen Studien.
MED - Minimale Erythemdosis:
Die minimale Erythemdosis (MED) ist der Wert der Bestrahlung H (1 MED), die bei einem Individuum nach festgelegter Kontrollzeit (typischerweise 24 Stunden) zu einer zur Umgebung scharf begrenzten, beginnenden Hautrötung führt. Die MED wird als Maß zur Charakterisierung der individuellen, momentanen UV-Empfindlichkeit eines einzelnen Menschen genutzt.
Die MED hängt von folgenden Faktoren ab:
Tabelle 3: MED in Abhängigkeit von der anatomischen Lokalisation, bestimmt mit monochromatischer UV-Strahlung λ = 297 nm. Die Angaben wurden für dreizehn verschiedene, vermutlich hellhäutige Erwachsene gemacht (Daten aus Olson et al. 1966)
Körperregion | MED (297 nm) in J/m2 |
Rücken | 256 ± 111 |
Bauch | 206 ± 56 |
Brust | 204 ± 84 |
Stirn | 204 ± 53 |
Wange | 211 ± 42 |
Nacken | 218 ± 93 |
Vorderer Oberarm | 380 ± 105 |
Hinterer Oberarm | 325 ± 101 |
Vorderer Unterarm | 424 ± 104 |
Hinterer Unterarm | 481 ± 191 |
Handrücken | 856 ± 177 |
Unterschenkel | 691 ± 272 |
Um unabhängig von der Individualität der Erythemempfindlichkeit der menschlichen Haut die Strahlungswirkung von UV-Quellen unterschiedlicher spektraler Bestrahlungsstärkeverteilungen bezüglich deren Erythem-Wirksamkeit einheitlich bewerten und vergleichen zu können, wurde eine standardisierte spektrale Erythemwirksamkeitskurve vereinbart (siehe unten).
SED - Standard-Erythemdosis:
Die Standard-Erythemdosis (SED) wird als Maßeinheit für die erythemgewichtete Bestrahlung Her benutzt (siehe Nummer 2.1.3 und Anhang 1):
Her = 100 J/m2 = 1 SED.
Die erythemgewichtete Bestrahlung Her dient dem Vergleich der Erythemwirksamkeit von UV-Strahlungsquellen, bezogen auf das "Erythema Reference Action Spectrum" (ISO 17166). Mittelwerte der MED für Individuengruppen (z.B. UV-Hauttypen, siehe Nummer 3.1.4, Tabelle 13) können in Vielfachen der Einheit SED angegeben werden (siehe Tabelle 4).
Die MED einer einzelnen Person kann für ein spezifisches Strahlerspektrum in SED angegeben werden. Zu beachten ist jedoch, dass die individuelle MED angegeben in SED nur dann auch für eine UV-Quelle mit deutlich abweichender spektraler Strahlungsverteilung zutreffend ist, wenn das individuelle Erythemempfindlichkeitsspektrum der Person weitgehend mit dem Referenzspektrum (siehe oben) übereinstimmt. Bei der durchaus vorhandenen Variationsbreite für die individuellen spektralen Erythemempfindlichkeiten kann in einem solchen Fall deutlicher spektraler Unterschiede zwischen beiden UV-Strahlungsquellen die MED ausgedrückt in Einheiten SED vom Ergebnis der ersteren Strahlenquelle abweichen.
Tabelle 4: Standardisierte Richtwerte der minimalen Erythemdosis am Rücken für verschiedene Hauttypen (Daten aus DIN 5050-1:2010-01) als Her in J/m2 und SED
UV-Hauttyp | Individuelle UV-Dosis | Minimale Erythemdosis | |
in J/m2 | in SED | ||
I | 1 MED | 200 | 2,0 |
II | 1 MED | 250 | 2,5 |
III | 1 MED | 350 | 3,5 |
IV | 1 MED | 450 | 4,5 |
2.3 Solare UV-Strahlung
2.3.1 Sonnenspektrum
Die Sonne ist eine thermische Strahlenquelle. Die Stärke der Strahlenemission, die Verteilung des Strahlungsspektrums sowie das Maximum des Strahlungsspektrums hängen nach dem Planck'schen Strahlungsgesetz von der Oberflächentemperatur des Körpers ab. Bei idealen Schwarzen Körpern (Körper, die Strahlung zu 100 % absorbieren und emittieren) gilt das Planck'sche Strahlungsgesetz exakt. Bei realen Körpern ist die Strahlenemission geringer als das theoretische Maximum. Die durch heiße Körper emittierte Strahlung wird auch als Schwarzkörperstrahlung oder Temperaturstrahlung bezeichnet.
Abbildung 8: Strahlungsspektrum der Sonne. (AMO = Air Mass 0: Sonnenstrahlung oberhalb der Lufthülle, AM1,5: Sonnenstrahlung auf der Erdoberfläche bei einem Sonnenstand über dem Horizont von ca. 42°) (Wikipedia 2016)
In Abbildung 8 ist das Strahlungsspektrum der Sonne zu sehen. Es gleicht dem Spektrum eines idealen Schwarzen Körpers mit einer Temperatur von ca. 5.900 K (5.600 °C) (Grenzlinie der gelben Fläche). Die Grenzlinie der orange gefärbten Fläche zeigt das Sonnenspektrum außerhalb der Erdatmosphäre. Man sieht, dass die Sonnenstrahlung dort neben sichtbaren und infraroten Anteilen auch Anteile im UVC-, UVB- und UVA-Wellenlängenbereich enthält. Das Spektrum der Sonne auf der Erdoberfläche (Grenzlinie der inneren bunten Fläche) ist gegenüber dem extraterrestrischen Sonnenspektrum wesentlich verändert. Durch Bestandteile der Erdatmosphäre, wie Ozon, Sauerstoff, Wasserdampf und Kohlendioxid, wird die Sonnenstrahlung teilweise reflektiert, wie auch gestreut und absorbiert. Insbesondere der kurzwellige UV-Anteil wird durch Ozon stark vermindert. Daher gibt es in der Sonnenstrahlung auf der Erdoberfläche praktisch keine Anteile mit einer Wellenlänge von unter 290 nm, d. h. keine UVC-Strahlung (FS 2012). Eine weitere, stark variierende Schwächung der Sonnenstrahlung tritt in der Erdatmosphäre durch Wolkenbildung und durch Aerosole auf.
In Abhängigkeit vom Stand der Sonne über dem Horizont (Sonnenhöhe) variiert das Sonnenspektrum auf der Erde. Je nach Jahreszeit, Tageszeit und Beobachtungsort hat die Sonnenstrahlung eine unterschiedlich dicke Luftschicht zu durchlaufen, bis sie auf die Erdoberfläche trifft. Die Strahlung wird daher unterschiedlich stark absorbiert, was sowohl für die gesamte Bestrahlungsstärke als auch selektiv für verschiedene Wellenlängenbereiche gilt. Die gesamte solare Einstrahlung auf eine horizontale, ebene Fläche wird als Globalstrahlung bezeichnet. Sie setzt sich aus der direkten Strahlung in Sichtlinie der Sonne, aus der in der Atmosphäre gestreuten Strahlung und der am Erdboden gestreuten bzw. reflektierten Strahlung zusammen und umfasst UV-Strahlung sowie sichtbare und infrarote Strahlung.
Abbildung 9: An einem wolkenlosen Sommertag gemessene Sonnenspektren. Messort: Sankt Augustin (N 50,8'; E 7,2°); Messzeiten (Sonnenhöhenwinkel): 08:30 Uhr (26,91, 13:30 Uhr (62,2°) und 17:30 Uhr MESZ (36,51. (IFA 2011)
Abbildung 9 zeigt die Abhängigkeit des auf der Erdoberfläche gemessenen Sonnenspektrums von der Sonnenhöhe (IFA 2011). Je höher die Sonne über dem Horizont steht, desto höher ist die Gesamtbestrahlungsstärke. Das Maximum des Spektrums verschiebt sich bei höherem Sonnenstand zu kleineren Wellenlängen hin. Im UV-Wellenlängenbereich ändert sich das Spektrum sehr stark mit der Sonnenhöhe. Zum einen ist in Abbildung 9 zu erkennen, dass es keine Strahlungsanteile mit Wellenlängen unter 290 nm gibt. Zum anderen steigen der UVB-Anteil (280 nm bis 315 nm) und der UVA-Anteil (315 nm bis 400 nm) mit zunehmendem Sonnenhöhenwinkel stark an. Je höher die Sonne über dem Horizont steht, desto höher ist der UV-Anteil und desto höher ist auch die Gefährdung, wenn sich Personen ungeschützt der Sonnenstrahlung aussetzen. Aber auch bei niedrigen Sonnenständen enthält die Sonnenstrahlung UV-Anteile, die zu einer Gefährdung führen können. Nur unmittelbar bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang sind UV- und andere Spektralanteile so gering, dass mit keinen akuten Augen- und Hautschädigungen zu rechnen ist. In Tabelle 5 sind die Anteile von UV-Strahlung an der gesamten ultravioletten und sichtbaren Sonnenstrahlung sowie das Verhältnis von UVA- zu UVB-Strahlung jeweils in Abhängigkeit vom Sonnenstand zu sehen.
Tabelle 5: Verhältnis UVA zu UVB und von UV zu UV + VIS bei verschiedenen Sonnenständen, berechnet aus den Spektren in Abbildung 9
Sonnenhöhenwinkel [°] | UVB (280 - 315 nm): E [W/m2] | UVA (316 - 400 nm): E [W/m2] | Verhältnis UVB/UVA | Verhältnis UV/(UV + VIS) |
26,9 | 0,22 | 14,1 | 0,015 | 0,069 |
36,5 | 0,37 | 20,8 | 0,018 | 0,049 |
62,2 | 1,27 | 42,7 | 0,030 | 0,076 |
Durchdringt Sonnenstrahlung die Atmosphäre, dann wird ein Teil der Strahlung an Luftmolekülen gestreut. Es handelt sich dabei um Rayleigh-Streuung, die auftritt, wenn die Wellenlänge der Strahlung größer als der Durchnnesser der Teilchen ist, an denen gestreut wird. Der Anteil gestreuter Sonnenstrahlung ist umso höher, je niedriger die Wellenlänge und je dicker die zu durchdringende Luftschicht ist. Es werden daher bevorzugt ultraviolette und blaue Anteile der Sonnenstrahlung gestreut. Dies geschieht ann stärksten bei Sonnenaufgang und bei Sonnenuntergang, d. h. bei einem Sonnenhöhenwinkel nahe 0°, wenn die Sonnenstrahlung die längste Luftschicht zu durchdringen hat. Während bei hohen Sonnenständen die Überlagerung vieler verschiedener Wellenlängen im Sonnenspektrum einen weißen Eindruck der Sonne erzeugt, wirkt die Sonne bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang rötlich, da die blauen Anteile aus dem sichtbaren Teil des Spektrums durch Streuung weitgehend verschwunden sind und die roten Anteile dominieren.
Die aus der direkten Sonnenstrahlung gestreuten Anteile können an Luftmolekülen der Atmosphäre nochmals gestreut und so für einen Beobachter auf der Erdoberfläche als blaues Licht sichtbar werden. Man sieht daher tagsüber bei klarem Wetter in allen Himmelsrichtungen einen blauen Himmelshintergrund. Da die Stärke der Rayleigh-Streuung mit kleiner werdender Wellenlänge zunimmt, enthält dieser zusätzlich für den Menschen unsichtbare ultraviolette Anteile (UVA- und UVB-Strahlung). Könnte man UV-Strahlung sehen, dann erschiene der Himmelshintergrund gleißend hell.
Für den Schutz vor solarer UV-Strahlung ist es daher wichtig zu wissen, dass sich die Globalstrahlung, der eine Person im Freien ausgesetzt ist, aus mehreren Komponenten zusammensetzt: der direkten Sonnenstrahlung in der Sichtlinie zur Sonne, der aus dem Himmelshintergrund gestreuten und der vom Boden reflektierten Strahlung. Das Verhältnis solchermaßen rückgestreuter Strahlung zur direkten Sonnenstrahlung wird als Albedo bezeichnet. Die vom Himmelshintergrund kommende UV-Strahlung kann bis zu 50 % der Globalstrahlung erreichen. Es reicht daher als Schutzmaßnahme nicht aus, nur die direkte Sonnenstrahlung, z.B. durch einen Sonnenschirm, abzuschirmen. Auch die Strahlung aus dem Himmelshintergrund muss abgeschirmt werden.
2.3.2 Sonnenstand
Die Höhe der solaren UV-Strahlungsbelastung auf der Erde hängt neben anderen Faktoren wesentlich von der Stellung der Sonne am Himmel ab. Je höher die Sonne am Himmel steht, desto stärker ist die UV-Bestrahlungsstärke auf der Erde (wenn man von Einflussfaktoren wie dem Wetter absieht, die allerdings dominieren können). Es ist daher von Interesse zu wissen, wie hoch die Sonne an einem betrachteten Ort zu einer bestimmten Zeit steht. Dies hängt von der Erdrotation und von der Bewegung der Erde um die Sonne ab. Diese Zusammenhänge sind bekannt und können berechnet werden.
Die für einen Betrachter erscheinende Höhe der Sonne über dem Horizont wird als Höhenwinkel zwischen der Richtung zum Horizont und der Richtung, in der die Sonne zu sehen ist, angegeben. Die Sonne steht in Deutschland auf dem 50. Breitengrad (geografische Breite von Mainz) zur Sommersonnenwende (20./21. Juni) maximal 63,4° über dem Horizont. Aufgrund der Neigung (Ekliptik) der Erdachse um 23,4° zur Achse der Erdbewegung um die Sonne variiert der tägliche Sonnenhöchststand im Laufe eines Jahres. Der geringste Sonnenhöchststand liegt zur Wintersonnenwende (21./22. Dezember) bei 16,6° vor. Daraus erklärt sich, dass die Gefährdung durch solare UV-Strahlung im Sommerhalbjahr höher als im Winter ist (siehe Nummer 2.2.3.1, Abbildung 6). Im Winter können jedoch andere Faktoren, wie z.B. der Aufenthalt beim Wintersport in großen Höhen auf schneebedecktem Boden, die Gefährdung durch solare UV-Strahlung wieder erhöhen. In Abbildung 11 rechts ist die jahreszeitliche Schwankung der UV-Strahlungsbelastung im Freien zu sehen. Es zeigt die monatlichen Mittelwerte der täglichen Maximalwerte des UV-Index, einem Maß für die über das UV-Messnetz ermittelte erythemwirksame Bestrahlungsstärke solarer UV-Strahlung (siehe Kapitel 4). Man sieht, dass zwischen März und Oktober bei entsprechender Wetterlage die UV-Belastungen im Freien so hoch sein können, dass Schutzmaßnahmen zu empfehlen sind. Beim Wintersport in großer Höhenlage kann es auch zwischen November und Februar nötig sein, z.B. das Gesicht vor starker Sonnenstrahlung zu schützen.
Die Festlegung der Uhrzeit ist zwar mit der Sonnenbewegung verknüpft, der örtliche Sonnenhöchststand ist aber dennoch nur mit Korrekturen ableitbar. Dies sollte wegen der Bedeutung für die Strahlungsbelastung erläutert werden. Zur Bestimmung von Positionen auf der Erde wird die Erdoberfläche in 360 Längengrade und 180 Breitengrade (jeweils 90 Breitengrade gemessen vom Äquator nach Norden und Süden) eingeteilt. Da sich die Erde in 24 Stunden einmal um ihre Achse dreht, überstreicht die Sonne am Tag 360 Längengrade. Die Sonne bewegt sich scheinbar um 15 Längengrade pro Stunde von Ost nach West. (In Wirklichkeit dreht sich die Erde. Für einen Beobachter auf der Erdoberfläche erscheint es jedoch so, als bewegte sich die Sonne in einem Bogen über dem Horizont.) Die Basis für die Zeitmessung auf der Erde ist der Nullmeridian (λ = 0° W/E) durch Greenwich, einen Stadtteil Londons (siehe Abbildung 10). Wenn in Greenwich der Sonnenhöchststand erreicht wird, ist die koordinierte Weltzeit mit der Bezeichnung UTC (Universal Time Coordinated, früher auch als Greenwich Mean Time GMT bezeichnet) genau 12:00 Uhr. Es gibt Abweichungen davon, die jahreszeitlich bedingt sind. Die in Deutschland und anderen europäischen Ländern verwendete mitteleuropäische Zeit MEZ bezieht sich auf den 15. Längengrad Ost. Steht dort die Sonne am höchsten, ist es definitionsgemäß 12:00 Uhr MEZ. Es gilt MEZ = UTC + 1 Stunde. Im Sommerhalbjahr wird die Zeitzählung umgestellt und es gilt die Mitteleuropäische Sommerzeit MESZ: MESZ = UTC + 2 Stunden. Der 15. Längengrad Ost liegt am äußersten östlichen Rand von Deutschland, etwa bei Görlitz. Da viele Orte in Deutschland weiter westlich liegen, stimmt für die meisten Orte in Deutschland die Uhrzeit nicht mit der Sonnenzeit, die durch den örtlichen Sonnenhöchststand bestimmt wird, überein.
Abbildung 10: Zeitzonen in Europa. Die gelbe Zeitzone entspricht der koordinierten Weltzeit UTC = GMT. Die Länder mit mitteleuropäischer Zeit (GMT + 1h) sind grün eingefärbt (aus EC 2014)
Es ist von Interesse zu wissen, wann am Tag der Sonnenhöchststand (die Kulmination) auftritt. Der Zeitpunkt der Kulmination hängt vom Standort auf der Erde, von der Zeitzone und von der Jahreszeit ab. Zwischen der östlichen Grenze Deutschlands bei Görlitz und der westlichen Grenze bei Aachen liegen 8,9 Längengrade. Dafür braucht die Sonne auf ihrem scheinbaren Weg 36 Minuten. Der Sonnenhöchststand variiert daher in Deutschland allein aufgrund der Erddrehung zwischen 12:00 Uhr und 12:36 Uhr MEZ im Winterhalbjahr und zwischen 13:00 Uhr und 13:36 Uhr MESZ während der Sommerzeit-Periode. Es kommt hinzu, dass an einem Standort aufgrund der elliptischen Bewegung der Erde um die Sonne und der schrägen Lage der Erdachse (Ekliptik) im Jahresverlauf eine Schwankung des Zeitpunktes des Sonnenhöchststandes von - 14 Minuten bis + 16 Minuten im Vergleich zum mittleren Zeitpunkt der Kulmination auftritt. Die größten Abweichungen sind im Winterhalbjahr zu finden. In der Sommerzeit-Periode (im Jahr 2014 vom 30. März bis 26. Oktober) liegen die Abweichungen zwischen - 7 Minuten und + 15 Minuten. Der Sonnenhöchststand liegt daher in Deutschland je nach Ortslage und Datum im Winter zwischen 11:46 Uhr und 12:52 Uhr MEZ und im Sommer zwischen 12:53 Uhr und 13:51 Uhr MESZ. Der genaue Zeitpunkt der Kulmination sowie der zugehörige Sonnenhöhenwinkel können für jeden Standort und für jeden Tag mit Hilfe der Nautischen Tafeln (Köhne und Wößner 2005) und mit dem "Erde und Sonne Applet" (Giesen 2000) berechnet werden.
Noch größer als in Deutschland fallen die Schwankungen des Zeitpunktes des Sonnenhöchststandes in einigen anderen Ländern der mitteleuropäischen Zeitzone (siehe Abbildung 10) aus. Die Extreme sind Norwegen, Polen, Slowakei, Ungarn, Serbien und Mazedonien im Osten und Spanien im Westen. In Tabelle 6 sind die Zeitbereiche genannt, in denen die Sonnenhöchststände während des Jahres variieren können.
Tabelle 6: Im Jahresverlauf variierende Zeitpunkte der Sonnenhöchststände in verschiedenen Ländern der mitteleuropäischen Zeitzone
Land | Tägliche Sonnenhöchststände im Bereich von | |
im Winter | im Sommer | |
Deutschland | 11:46 - 12:52 Uhr MEZ | 12:53 - 13:51 Uhr MEZ |
Norwegen | 10:42 - 12:48 Uhr MEZ | 11:49 - 13:57 Uhr MEZ |
Polen | 11:10 - 12:20 Uhr MEZ | 12:17 - 13:19 Uhr MEZ |
Spanien | 12:33 - 13:53 Uhr MEZ | 13:40 - 14:52 Uhr MEZ |
Der Zeitpunkt, an dem an einem Tag die Sonne am höchsten steht, ist für den Schutz vor UV-Strahlung von Bedeutung. Eine der Empfehlungen lautet, sich bei einer Wetterlage mit klarem oder wenig bewölktem Himmel nicht in der Mittagszeit im Freien aufzuhalten, um eine Überexposition durch solare UV-Strahlung zu vermeiden. Solare UV-Einstrahlungen variieren stark mit der Tageszeit und der Jahreszeit, wie dies in Abbildung 11 zu sehen ist. Im Bild links ist der UV-Index (siehe Nummer 4) im Tagesverlauf dargestellt (gemessen vom Deutschen Wetterdienst am 23. Juni 2005 in Lindenberg). Man sieht, dass die solare UV-Bestrahlungsstärke vom Sonnenaufgang an stark ansteigt und am Messort gegen 13:00 Uhr MESZ ihr Maximum erreicht. Danach fällt sie bis zum Sonnenuntergang wieder steil ab. Hält sich eine Person im Freien auf, dann ist die Höhe der möglichen solaren UV-Dosis auf der Haut das Produkt aus der Höhe der UV-Bestrahlungsstärke und der Einwirkungsdauer (siehe Nummer 2.1.3). In Abbildung 11 links ist die Fläche unter der Kurve ein Maß für die UV-Dosis. Bei einem Kurvenverlauf wie in Abbildung 11 links liegt etwa die Hälfte der Fläche, die unter der gesamten Kurve liegt, im Bereich von - 2 Stunden (um 11:00 Uhr) bis + 2 Stunden (um 15:00 Uhr) um das Maximum herum. Etwa ein Viertel der Fläche unter der Kurve liegt zwischen dem Sonnenaufgang (ca. 5:00 Uhr) und zwei Stunden vor dem Maximum (um 11:00 Uhr), ein weiteres Viertel liegt zwischen zwei Stunden nach dem Maximum (um 15:00 Uhr) und dem Sonnenuntergang (ca. 21:00 Uhr). Zur Verringerung der möglichen UV-Dosis ist es daher effektiv, die Zeit von zwei Stunden vor bis zwei Stunden nach dem Tagesmaximum bei extremen UV-Belastungen nicht im Freien zu verbringen. Dazu empfiehlt die WHO: Schon im Bereich von UV-Index 3 bis UV-Index 7 soll zusätzlich zu textilem Sonnenschutz, Sonnenbrille und der Nutzung von Sonnencreme Schatten aufgesucht werden. Ab UV-Index 8 wird empfohlen, den Aufenthalt im Freien zu meiden. Aber auch vorher und nachher kann die UV-Bestrahlungsstärke noch hohe Werte annehmen. Im Beispiel der Abbildung 11 links liegt der maximale UV-Index bei etwas über 8. Zwei Stunden vor dem Maximum ist er aber bereits bei 6 bis 7 und zwei Stunden nachher auch noch bei 6 bis 7. Auch das sind Werte, die einen entsprechenden UV-Schutz verlangen (siehe UV-Index und Schutzmaßnahmen in Nummer 4). Die WHO empfiehlt die Anwendung von Schutzmaßnahmen ab einem UV-Index 3 (WHO 2002). Im Beispiel von Abbildung 11 links sind an diesem Tag daher UV-Schutzmaßnahmen zwischen etwa 9:00 Uhr und 17:00 Uhr zu empfehlen.
Abbildung 11: Links: Typischer Verlauf des UV-Index während eines Tages. Messung des Deutschen Wetterdienstes am 23. Juni 2005 in Lindenberg. Kurve geglättet, Tageszeit in MESZ umgerechnet. Rechts: Typischer Verlauf des UV-Index während des Jahres. Berechnete Maximalwerte des UV-Index am 21. Tag jedes Monats im Jahr 2014. Verwendetes Strahlungstransfermodell: Quick TUV-Calculator (NCAR 2016), Parameter: Standort: N 50° E 10° (Nähe Arnstein/Main), Himnnel: wolkenlos, Ozon: 300 DU, Höhe: 0,0 knn, Albedo: 0,1
Zur Vermeidung einer Überexposition bei Urlauben im Ausland sind die Empfehlungen dem Aufenthaltsort anzupassen. Abgeleitet von der geografischen Lage und der Ost-West-Ausdehnung verschiedener Länder und von der Variation des täglichen Sonnenhöchststandes (Tabelle 6) sind in Tabelle 7 beispielhaft die Zeiträume angegeben, in denen mit den höchsten UV-Belastungen zu rechnen ist. Auch vorher und nachher können hohe solare UV-Strahlungsbelastungen (UV-Index A) auftreten und entsprechende Schutzmaßnahmen beim Aufenthalt im Freien nötig sein.
Tabelle 7: Zeiträume möglicher erhöhter Sonnenexpositionen in verschiedenen Ländern der mitteleuropäischen Zeitzone; berücksichtigt sind die geografische Lage der Länder, ihre Ost-West-Ausdehnung und die Variation der Uhrzeit des Sonnenhöchststands im Jahresverlauf
Land | Hohe Sonnenexpositionen im Zeitraum |
Polen, Slowakei, Ungarn, Serbien, Mazedonien | 10:30 - 15:30 Uhr MESZ |
Deutschland | 11:00 - 16:00 Uhr MESZ |
Frankreich | 11:30 - 16:30 Uhr MESZ |
Spanien (Festland) | 11:30 - 17:00 Uhr MESZ |
2.3.3 Solare UV-Einstrahlung und individuelle Personendosis
2.3.3.1 Methoden zur Ermittlung der photobiologisch wirksamen UV-Exposition
Sowohl für die Klärung wissenschaftlicher Fragestellungen als auch im Zusammenhang mit der Aufklärung der Bevölkerung über die Risiken solarer UV-Strahlung ist es notwendig, verlässliche Daten über die solare UV-Strahlungsbelastung zu erfassen und zur Verfügung zu stellen.
Eine Übersicht sowie Festlegungen von Verfahren zur Messung oder zur Schätzung sowie für die Beurteilung von solaren UV-Expositionen sind in der Norm DIN-EN 14255-3:2008-06 gegeben. Darin sind einfache Methoden zur groben Einschätzung des möglichen UV-Expositionsausmaßes, Links auf Modelldatenberechnungen zur solaren Immission und messtechnische Möglichkeiten sowohl zur Messung der solaren Bestrahlungsstärke auf eine ebene Fläche als auch zur Messung an Personen genannt, die hier in Folge aufgeführt werden.
Die solare UV-Strahlenimmission kann mittels ortsfester Spektroradiometer (bei nachfolgender Gewichtung mit den erforderlichen spektralen Wichtungsfunktionen) (siehe Abbildung 12a) oder durch Breitbandradiometer (mit UV-Sensoren, deren spektrale Response an die spektrale Wichtungsfunktion angepasst wurde) (siehe Abbildung 12b) gemessen werden. Mit derartiger Messtechnik kann auch lokal der UV-Index bestimmt werden.
Abbildung 12: Messung solarer UV-Strahlung mittels (a) Spektroradiometer und (b) photobiologisch gewichtender Breitbandradiometer (Knuschke et al. 2007)
UV-Immissionen werden in Deutschland durch ein UV-Messnetz vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), Umweltbundesamt (UBA) und von weiteren Institutionen durch die kontinuierliche Messung der terrestrischen UV-Strahlung an verschiedenen Standorten (siehe Abbildung 13) ermittelt und aufgezeichnet.
Abbildung 13: Standorte für die Vermessung solarer terrestrischer UV-Strahlung in Deutschland, UVI-Werte vom 4. Juni 2014 (Grafik: Bundesamt für Strahlenschutz, http://www.bfs.de/DE/themen/opt/uv/uv-index/uv-index_node.html)
Für detaillierte Erfassungen der individuellen UV-Expositionen können mobile, von der Person getragene elektronische Datenlogger-Dosimeter (siehe Abbildung 14 A/B) oder kumulativ messende Filmdosimeter (siehe Abbildung 14 C/D) eingesetzt werden.
Abbildung 14: UV-Personendosimeter (links) und "4in1-Dosimeter" (rechts) zur Interkalibrierung bei der Erfassung der solaren photo-biologisch gewichteten UV-Exposition.
(A) X-2000-Datenlogger-Dosimeter, (B) UVDAN-Datenlogger-Dosimeter, (C) Polysulfonfilm-Dosimeter, (D) VioSpor-Dosimeter (Basis:
Biofilm)
So ermöglichen die kleinen, leichten Filmdosimeter fixiert an charakteristischen Körperpositionen die Messung der solaren UV-Bestrahlung in der Verteilung über den Körper gemittelt über Stunden, Tage oder Wochen und unter Berücksichtigung der Bewegung der exponierten Person. Vergleicht man personenbezogene (erythemgewichtete) UV-Expositionen von typisch UV-exponierten Körperarealen, wie Gesicht, Arme, Hände oder Brust, mit den Ergebnissen von stationären Messungen, dann zeigt sich, dass an verschiedenen Stellen auf der Körperoberfläche bis zu 30 % des erythemwirksamen Anteils der ortsbezogenen Sonneneinstrahlung auftreffen können (Knuschke et al. 2004, Knuschke et al. 2007).
Für die Bewertung der Gefährdung durch solare UV-Strahlung wird die Akutreaktion der Haut gegen UV-Strahlung, das UV-Erythem, herangezogen. Dafür nutzt man das Referenz-Erythemwirkungsspektrum (ISO 17166), siehe Abbildung 5.
Zum Zwecke des Schutzes vor solarer UV-Exposition ist nicht immer eine genaue Bestimmung der personenbezogenen solaren UV-Exposition notwendig. Häufig ist eine eher allgemeine Information über die Gefährdung beim Aufenthalt im Freien ausreichend. Als einheitliches Maß zur Information der Öffentlichkeit über die solare UV-Bestrahlungsstärke wurde der UV-Index durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Weltmeteorologische Organisation (WMO), das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) sowie die Internationale Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung (ICNIRP) eingeführt (siehe CIE 2003). Der solare UV-Index (UVI) ist ein Maß für den erythemwirksamen Anteil der UV-Bestrahlungsstärke auf der Oberfläche der Erde, der unter den bestehenden oder erwarteten Wetterbedingungen bezogen auf eine horizontale Fläche gemessen oder vorhergesagt wird. Da der UV-Index üblicherweise für größere regionale Bereiche bestimmt wird, kann die örtliche solare UV-Exposition infolge unterschiedlicher Bewölkung und anderer Gründe abweichen. Auf den UV-Index als orientierendes Maß zur Einschätzung der Gefährdung durch solare UV-Strahlung, sein Vermögen und seine Grenzen wird in Nummer 4 eingegangen.
Eine ähnliche Herangehensweise ist die Bestimmung von Haut- und Augen-Expositionsfaktoren (Diffey 1984, ICNIRP 2007), wie in Anhang 2 aufgeführt. Sie ermöglicht eine näherungsweise Schätzung der örtlichen solaren UV-Exposition unter Berücksichtigung örtlicher Faktoren (Bewölkung, Albedo) sowie individueller Faktoren (Bekleidung und Schutzmaßnahmen). Da sie nicht auf Messungen beruht, kann die Unsicherheit größer sein als eine Schätzung auf Grundlage des UV-Index.
Die "Schattenregel" wird als Möglichkeit gesehen, ohne Messtechnik grob abzuschätzen, ob mit einer gefährdenden Sonnenexposition vor Ort zu rechnen ist und Schutzmaßnahmen angezeigt sind. Ist der Schatten kürzer, als der Prüfgegenstand hoch ist - also die Sonnenhöhe > 45° - sind Schutzmaßnahmen anzuwenden. Es sei darauf hingewiesen, dass diese Orientierung praktikabel ist, aber nicht dem UV-Index-basierten Schutzkonzept entspricht: Bei einer Sonnenhöhe von 45° kann bereits ein UV-Index 5 erreicht werden. Ein UV-Index 3, ab dem Schutzmaßnahmen angeraten werden, kann bereits im Extremfall bei klarem Himmel ab 32° Sonnenhöhe erreicht sein (Knuschke et al. 2015). Es ist deshalb ratsam, wenn ein Zugang möglich ist, UV-Indexwerte und UV-Indexprognosen, die für Orte weltweit beispielsweise unter http://www.wetter-online.de bereitgestellt werden, zu berücksichtigen. Über diese Möglichkeit hinaus kann bei klarem Himmel über Anpassungsfaktoren (Anhang 3) aus der Schattenlänge auf den aktuellen, lokalen UV-Index geschlossen werden.
Darüber hinaus kann bei der Planung von Vorkehrungen zum Schutz vor solarer UV-Strahlung bei Reisen eine Berechnung der Exposition gegenüber der globalen Sonnenstrahlung in Abhängigkeit von Jahreszeit, Tageszeit, geografischen Position usw. hilfreich sein. Es gibt Rechenprogramme, die derartige Berechnungen ermöglichen (http://cprm.acom.ucar.edu/ModelsTTUV/Interactive_TUV/, http://nadir.nilu.no/~olaeng/ fastrt/fastrt.html).
In einigen Fällen ist es erforderlich, die solare UV-Immission und die personenbezogene solare UV-Exposition genauer zu bestimmen. Das kann durch Messungen der erythemwirksamen, der bezüglich gesundheitsschädigender Wirkung ICNIRP-effektiven und/oder der NMSC-effektiven Bestrahlung gemäß DIN-EN 14255-3:2008-06 mit den entsprechenden spektralen Wichtungsfunktionen (siehe Abbildung 5) erfolgen. Diese Daten können zur Bestimmung individueller Risiken verwendet werden.
2.3.3.2 Ausmaß der solaren UV-Exposition der Bevölkerung in Urlaub, Freizeit und im Beruf
Das Ausmaß der personenbezogenen solaren UV-Expositionen wird zum einen durch globale Faktoren, die die solare UV-Immission beeinflussen, und zum anderen durch individuelles Verhalten bestimmt. Die globalen Faktoren sind insbesondere die Jahreszeit, die Tageszeit, der geografische Breitengrad, das Wetter und die Höhenlage des Aufenthaltsortes der Person (siehe die Nummern 2.3.1 und 2.3.2). Die meteorologische Situation hat einerseits Einfluss als globaler Faktor auf die solare UV-Bestrahlungsstärke am Boden, u. a. über Bewölkung und Trübung. Andererseits beeinflusst sie u. a. über Niederschlag oder Temperatur den Aufenthalt von Personen im Freien. Untersuchungen von verschieden charakterisierten Personengruppen in Deutschland zeigen, dass die Aufenthaltsdauern im Freien und damit die im Gruppenmittel akkumulierten UV-Personendosen mit den Tageshöchsttemperaturen korrelieren (Knuschke et al. 2004).
Die Körperregion und deren Orientierung zur Sonne sind für die Bestrahlungsstärke auf der Haut maßgeblich. Es ergibt sich eine Körperverteilung der Sonnenexposition. Für Untersuchungen zur Körperverteilung werden verschiedene Methoden, wie Modellrechnungen zu maximalen UV-Expositionen bei fixer Orientierung der Körperregionen zur Sonne, Messungen an statischen oder rotierenden Mannequins mit Personendosimetern, Kurzzeitmessungen an Personen im Freien (zwei bis drei Stunden) bzw. Messungen kumulativ über mehrere Tage unter Alltagsbedingungen herangezogen. Als Orientierung ist aus diesen Untersuchungen abzuleiten, dass die Brust, das Gesicht und das Handgelenk grob 30 % der Bestrahlung der Scheitelregion akkumulieren. Für Sonnenterrassen liegen die momentanen, sich mit der Bewegung ständig ändernden Bestrahlungsstärken höher (z.B. für Schultern bei 60 % bis 70 %). Bei fixer Position (z.B. Sonnenbad) können Hautareale, auf die die Sonnenstrahlung senkrecht einfällt, von höheren Bestrahlungsstärken beauflagt werden, als die auf eine ebene Fläche einfallende gemessene Bestrahlungsstärke. Tabellen zur Körperverteilung und zu Abhängigkeiten von Sonnenstand im Jahresverlauf sind in verschiedenen Publikationen zu finden (Diffey et al. 1977, Herlihy et al. 1994, Hoeppe et al. 2004, Knuschke et al. 2004, Knuschke et al. 2015, Knuschke et al. 2007). Diese Körperverteilung der solaren UV-Exposition muss berücksichtigt werden, wenn zur Bestimmung der UV-Exposition eines Individuums UV-Messdaten zugrunde gelegt werden, die die UV-Einstrahlung auf einer ebenen Fläche wiedergeben, wie es z.B. bei der Bestimmung des UV-Index (siehe Nummer 4) der Fall ist.
Bisher gibt es immer noch national (und international) wenige Untersuchungen mit messtechnisch abgesicherten Daten für die individuelle UV-Belastung in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen. Abschätzungen der Personenexpositionen bzw. personendosimetrische Messungen, wie von verschiedenen Arbeitsgruppen in den letzten 30 Jahren ausgeführt wurden, dienten der Abschätzung kumulativer solarer UV-Expositionen in kürzeren oder längeren Perioden, um Rückschlüsse auf mittlere UV-Jahresexpositionen und gegebenenfalls auf kumulative UV-Lebensdosen zu erhalten. Hintergrund sind epidemiologische Ergebnisse, die einen Zusammenhang zwischen beispielsweise Plattenepithelkarzinomrisiko und kumulativer UV-Lebensdosis belegen. Die methodisch auf die Auswertung kumulativer Bestrahlungsdaten ausgelegten personendosimetrischen Messungen nivellieren dadurch kurzzeitige, sehr hohe UV-Expositionen. Das ist bei der Bewertung der im Weiteren aufgeführten Abschätzungen und Messdaten zu berücksichtigen. In einem Review stellt Godar (Godar 2005) UV-Personendosen für Innenbeschäftigte, Außenbeschäftigte, Kinder und Jugendliche prozentual in Relation zur erythemwirksamen solaren UV-Immission (bezogen auf eine ebene Fläche) zusammen (siehe Tabelle 8). Einbezogen wurden Studien mit Abschätzungen der UV-Personendosis aus Befragungen (Airey et al. 1997, Boldeman et al. 2004, Diffey et al. 1996, Godar 2001, Godar et al. 2001) und Studien, bei denen UV-Personendosimeter zum Einsatz kamen (Challoner et al. 1976, Gies et al. 1998, Kimlin et al. 1998, Leach et al. 1978, Munakata et al. 1998, Parisi et al. 2000, Schothorst et al. 1985, Slaper 1987, Thieden et al. 2004). In den Daten zeigt sich ein erheblicher Einfluss auf das Ausmaß der individuellen solaren UV-Exposition, wenn der Urlaub in die Betrachtung einbezogen wird.
Tab. 8: Prozentualer Anteil der UV-Personendosen (ohne bzw. - wenn angegeben - mit Urlaubsexpositionen sowie mit Angabe des betrachteten Zeitraums) von Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen bezogen auf die solare Immission auf eine horizontale Fläche (modifiziert nach Godar 2005)
Zeitraum | UV-Personendosis prozentual zur solaren UV-Immission | Studie | ||||
Innenbeschäftigte | Außenbeschäftigte | Kinder | Jugendliche | |||
Gesamteinschätzung weltweit ohne Urlaub | 3 % (2 - 4 %) | 10 % (6,6 - 17,7 %) | 3 % (2 - 4 %) | |||
Schweden 58 - 60°N | Sommer | 6 % | 10 % | (Munakata et al. 1998)* | ||
Sommer | 6,4 % (0 - 5 J.) | (Boldeman et al. 2004) | ||||
Dänemark 55,41 °N | gesamtes Jahr | 3,1 % | 6,6 % (Gärtner) | (Thieden et al. 2004) | ||
mit Urlaub | 4,2 % | 4,1 % (4 - 15 J.) | 4,7 % (16 - 19 J.) | |||
England 50 - 55°N | gesamtes Jahr | 3 % (2 - 4%) | (Challoner et al. 1976), Leach et al. 1978) | |||
gesamtes Jahr | 10 % | (Challoner et al. 1976) | ||||
Sommer | 6,1 % Mädchen 6,9 % Jungen (je 9 - 10 J.) | 4 % Mädchen 4,2 % Jungen (je 14 - 15 J.) 4,7 % | (Diffey et al. 1996) | |||
Niederlande 52,5°N | gesamtes Jahr | 2,5 % | 7 % | (Schothorst et al. 1985, Slaper 1987) | ||
Japan 40°N | gesamtes Jahr | 3,1 % (9 - 12 J.) | (Kimlin et al. 1998)** | |||
USA 44°N | 3,1 % ( > 21 J.) | 3,1 % | 2,6 % | (Godar 2001, Godar et al. 2001) | ||
USA 34°N | 3,1 % ( > 21 J.) | 3,1 % (0 - 12 J.) | 2,6 % (13 - 19 J.) | (Godar 2001, Godar et al. 2001) | ||
Australien 21 - 28°S | Sommer | 4,2 % (27,5°S) | 9,8 % (Gärtner, 27,5°S) | 4,7 % (15 - 16 J., 27,5°S) | (Kimlin et al. 1998) | |
Sommer | 14 % (Farmer, 27,5°S) | (Airey et al. 1997) | ||||
Sommer | 4,1 % (7 - 12 J.) | 4,5 % (13 - 19 J.) | (Parisi et al. 2000) | |||
3/4 Jahr mit Urlaub | 8 % (Jungen 12 J, 21 - 28°S); 4,9 % | (Gies et al. 1998) | ||||
* In der Originalpublikation von Godar wurde den Angaben zu Schweden (Innenbeschäftigte, Außenbeschäftigte) eine japanische Arbeit (Munakata et al. 1998) als Quelle - offensichtlich fälschlich - zugeordnet.
Richtig wäre wahrscheinlich die Arbeit unter Quelle (Boldeman et al. 2004).
** In der Originalpublikation von Godar wurde den Angaben zu Japan (Kinder) eine australische Arbeit (Kimlin et al. 1998) als Quelle - offensichtlich fälschlich - zugeordnet. Richtig wäre wahrscheinlich die Arbeit unter Quelle (Munakata et al. 1998). |
Um das Ausmaß der solaren UV-Exposition bewerten zu können, sind neben prozentualen Relationen von UV-Personendosen zur UV-Immission, insbesondere Absolutwerte wie z.B. die mittleren täglichen UV-Expositionen in SED/d für die verschiedenen Verhaltensgruppen in der Bevölkerung wesentlich.
In den Tabellen 9, 10 und 11 sind personendosimetrische Messungen im Jahresverlauf für Innenbeschäftigte (n = 18, UV-Personendosimeter am Handgelenk) in Dänemark (Thieden et al. 2006) sowie in Deutschland für Innenbeschäftigte (n = 120, UV-Personendosimeter an der Brust) und Außenbeschäftigte (n = 120, Dosimeter an der Brust), aber auch für Kinder im letzten Kindergartenjahr und im folgenden ersten Grundschuljahr (n = 60, UV-Personendosinneter an der Brust) differenziert nach arbeitstäglichen und freizeittäglichen UV-Expositionen dargestellt. Für die Medianwerte der UV-Personendosen pro Tag je Personengruppe wurde in der dänischen Studie aus der individuellen Monatssumme (aus Arbeitstagen bzw. aus Freizeittagen) die mittlere UV-Tagesdosis für jede Person bestimmt. In der deutschen UV-Personenmonitoring-Studie wurden die Medianwerte je Gruppe aus kumulativen UV-Personendosimeter-Messwerten über zehn Arbeitstage sowie über sechs Freizeit-/Wochenendtage je Person im genannten Monat ermittelt. Die dargestellten Messungen von Personendosen sind sehr aufwändig und können deshalb nur in einer zur Gesamtbevölkerung (82 Millionen, davon 40 Millionen Arbeitnehmer und 20 Millionen Kinder) vergleichsweise geringen Zahl durchgeführt werden. Die Daten aus der untersuchten Stichprobe geben deshalb nur Hinweise auf den Zusammenhang zwischen der Tätigkeit bzw. der Gruppenzugehörigkeit und der Höhe der solaren UV-Exposition.
Bereits die Alltagsexpositionen zeigen deutliche Unterschiede im Ausmaß der UV-Personendosen aus Arbeitstagen gegenüber denen aus Freizeittagen. Insbesondere bei den Freizeittagen spielt das individuelle Verhalten in Bezug auf die Häufigkeit von Aufenthalten im Freien eine wesentliche Rolle für die Höhe der UV-Personendosis. Dabei ist festzustellen, dass innerhalb von Personengruppen, wie Innenbeschäftigten und Außenbeschäftigen, zwischen Personen mit geringen Freizeitaktivitäten im Freien und mit betonten Freizeitaktivitäten im Freien, wie Wandern, Radfahren, Joggen usw. zu unterscheiden ist (Knuschke 2011).
Die Stichprobe der 120 Innenbeschäftigten und 120 Außenbeschäftigten weist anhand der gemessenen UV-Personendosen an Freizeittagen aus, dass es beim Freizeitverhalten im Freien für beide Personengruppen kaum Unterschiede gibt. Sowohl die Medianwerte der UV-Personendosen (siehe die Tabellen 9 und 10) als auch die statistische Verteilung der individuellen Personendosen um den Median sind, auch zu den verschiedenen Jahreszeiten, zwischen den beiden Personengruppen vergleichbar (Knuschke et al. 2004).
Die UV-Personendosen in Personengruppen folgen einer logarithmischen Normalverteilung (Knuschke et al. 2004). Für die Verteilung der UV-Personendosen innerhalb einer gleich charakterisierten Personengruppe wurde festgestellt, dass für den Expositionswert zwischen 5. Perzentil und 95. Perzentil sich jeweils etwa ein Faktor 15 bis 20 ergibt. Während Medianwerte von Gruppen unter vergleichbaren Bedingungen relativ reproduzierbar sind, ist der persönliche Einfluss auf den individuellen UV-Personendosiswert hoch (Knuschke et al. 2004). Das ist bei Vergleichen der Medianwerte zwischen Personengruppen zu berücksichtigen.
Die Medianwerte der UV-Personendosen bei einer Personengruppe mit verschiedenen Außentätigkeiten liegen im Sommerhalbjahr um das Zweieinhalb- bis Dreifache höher als für Innenbeschäftigte, im Winterhalbjahr um das Drei- bis Vierfache höher. Personengruppen mit betonten Freizeitaktivitäten im Freien weisen gegenüber Personengruppen mit "normalen", geringen Freizeitaktivitäten im Freien unabhängig von der Jahreszeit einen dreifach höheren Medianwert für die UV-Personendosen an Freizeittagen aus (siehe die Tabellen 9 und 10).
Tabelle 9: Innenbeschäftigte: Median der UV-Personendosen in SED/d im Jahresverlauf von Arbeitstagen und von Freizeittagen in Dänemark (gemessen am Handgelenk) (Daten aus Thieden et al. 2006) und in Deutschland (gemessen in Brustposition) bei zusätzlicher Differenzierung nach A: geringen Freizeitaktivitäten im Freien (80 % der untersuchten Innenbeschäftigten) und B: betonten Freizeitaktivitäten im Freien (20 % der untersuchten Innenbeschäftigten) (Daten aus Knuschke et al. 2004 und Thieden et al. 2006)
Innenbeschäftigte - UV-Personendosis in SED/d | ||||||
Monat | Arbeitstag | Freizeittag | ||||
Dänemark | Deutschland | Dänemark | Deutschland | |||
A | B | A | B | |||
Februar/März* | 0,005/0,067 | 0,040 | 0,055 | 0,008/0,10 | 0,067 | 0,23 |
Mai | 0,19 | 0,23 | 0,41 | 1,06 | 0,71 | 2,1 |
September | 0,21 | 0,073 | 0,13 | 0,48 | 0,25 | 0,91 |
Dezember |
0,002 |
0,014 |
0,018 |
0,007 |
0,021 |
0,049 |
* Dänemark: Februar/März; Deutschland: 19. Februar bis 6. März |
Tabelle 10: Außenbeschäftigte: Median der UV-Personendosen in SED/d im Jahresverlauf von Arbeitstagen und von Freizeittagen in Deutschland (gemessen in Brustposition bei Differenzierung nach A: geringen Freizeitaktivitäten im Freien (70 % der untersuchten Außenbeschäftigten) und B: betonten Freizeitaktivitäten im Freien (einschließlich Arbeitsweg und nach Feierabend) (30 % der untersuchten Außenbeschäftigten). Einbezogene Tätigkeitsfelder: Straßenbau, Garten- und Landschaftsbau, Gärtner, Postboten, Ordnungsamt "Politessen" (Daten aus Knuschke et al. 2004).
Außenbeschäftigte - UV-Personendosis in SED/d | ||||
Monat | Arbeitstag | Freizeittag | ||
Deutschland | Deutschland | |||
A | B | A | B | |
Februar/März* | 0,15 | 0,26 | 0,069 | 0,15 |
Mai | 0,72 | 1,15 | 0,51 | 1,6 |
September | 0,25 | 0,39 | 0,23 | 0,88 |
Dezember |
0,040 |
0,067 |
0,021 |
0,041 |
* 19. Februar bis 6. März |
Tabelle 11: Kinder (A: Kindergarten letztes Jahr, B: Grundschule 1. Klasse): Median der UV-Personendosen in SED/d im Jahresverlauf von Arbeitstagen und an Freizeittagen (Wochenendtagen) in Deutschland (gemessen in Brustposition) (Daten aus Knuschke et al. 2004)
Kinder - UV-Personendosis in SED/d | ||||
Monat | Arbeitstag | Freizeittag | ||
Deutschland | Deutschland | |||
A | B | A | B | |
Februar/März* | 0,094 | 0,12 | 1,10 | 1,05 |
Mai | 0,51 | 0,72 | 0,84 | 1,1 |
September | 0,24 | 0,15 | 0,29 | 0,31 |
Dezember |
0,037 |
0,034 |
0,020 |
0,037 |
* 19. Februar bis 6. März |
Die Mediane der UV-Personendosen aus personendosimetrischen Untersuchungen von Innenbeschäftigten können, abhängig von der Zuordnung der Aktivität im Freien, auch auf Gruppen von Schülern (älter als 14 Jahre), Studenten, Hausfrauen und Altenheimbewohnern übertragen werden (Knuschke und Krins 2000).
Kindergruppen aus Kindergärten, die jahreszeitlich über ein Jahr personendosimetrisch untersucht wurden, wiesen im Folgejahr, nach dem Wechsel in die Grundschule, im Wesentlichen keine Unterschiede in den Verteilungen der UV-Personendosen für Arbeitstage (mit Kindergarten- bzw. Schulbesuch) und Freizeittagen (im elterlichen Umfeld) auf (siehe Tabelle 11). Dabei sind die Mediane der UV-Personendosen der Wochenenden (Freizeittage) mit denen von Innenbeschäftigten mit geringen Freizeitaktivitäten im Freien sehr gut vergleichbar - also denen der Eltern, die mehrheitlich diesem Verhaltenstyp zuzurechnen sind.
Kumulative UV-Personendosen im Jahresverlauf ermöglichen Bestimmungen bzw. Abschätzungen von UV-Jahresdosen und mit individuellen Lebenslaufangaben Abschätzungen zu kumulativen UV-Lebensdosen, die dann in Relation zu mittleren UV-Bevölkerungsexpositionen betrachtet werden können. Derartige Abschätzungen werden beispielsweise auch im Rahmen der Bewertung einer fraglichen Berufserkrankung Hautkrebs durch solare UV-Strahlung der BK 5103 (BKV) 3 herangezogen. Jedoch nivellieren kumulative Messungen von UV-Personendosendaten in den Messperioden auftretende Spitzenwerte der individuellen UV-Exposition durch verschiedene Einflüsse (u. a. Verhalten und Wetter). Die um etwa das Drei- bis Fünffache über den Medianwerten liegenden UV-Expositionen um den 95-Perzentil (selbst bei kumulativer Messung) weisen auf die in den Messintervallen auftretenden Expositionsspitzen hin.
Mit Datenlogger-Personendosimetern ausgeführte Messungen können derartige erhöhte individuelle UV-Expositionen nachweisen (siehe Tabelle 12). Am Handgelenk ausgeführte Messungen der UV-Expositionen (siehe Tabelle 12) sind etwa vergleichbar mit Gesichtsexpositionen (Knuschke et al. 2015). Ohne Lichtschutzmaßnahmen an der Haut stellen erythemeffektive Bestrahlungen > 10 ED eine fünffache Überschreitung einer mittleren MED für den Hauttyp I dar und selbst für den nicht adaptierten Hauttyp IV das Zweifache. Derartige Überexpositionen ein oder mehrmals im Jahr wurden in dieser Stichprobe bei 40 % bis 50 % der untersuchten Probanden gefunden.
Tabelle 12: Anzahl der Fälle pro Untersuchungsgruppe mit Personendosen (gemessen am Handgelenk) mindestens an einem Tag > 10 SED je Anzahl Datensätze pro Jahr dieser Gruppe (Daten aus Thieden et al. 2004)
Personen | Anzahl | % der Gruppe |
Gesamt | 160/346 | 46 |
Kinder (5 - 15a) | 38/68 | 56 |
Jugendliche | 17/22 | 77 |
Innenbeschäftigte | 42/111 | 38 |
Sonnenanbeter | 27/49 | 55 |
Golfer | 12/31 | 39 |
Gärtner | 24/65 | 37 |
Diese Fakten zeigen - insbesondere für Kinder - die Wichtigkeit verhältnispräventiver Maßnahmen, wie die Schaffung von Schattenplätzen generell und im Besonderen in Kindertagesstätten, Kindergärten und Schulen, sowie darüber hinaus die Anwendung organisatorischer Maßnahmen, die z.B. durch entsprechende Tageseinteilung, Arbeitsorganisation bzw. Stundenplangestaltung oder Terminierung von Sportveranstaltungen eine hohe UV-Exposition vermeiden können. Gleichzeitig sind auch verhaltenspräventive Maßnahmen, wie Informationskampagnen zu UV-Strahlungswirkungen und individuellen Schutzmaßnahmen oder die Einbeziehung der UV-Index-Informationen in die Tagesplanung erforderlich.
Deutlich über den Alltagsexpositionen an Arbeitstagen und Freizeittagen liegen die UV-Personendosen im Urlaub. Für den überwiegenden Teil der Bevölkerung als nicht im Freien Beschäftigte macht/machen der/die Urlaub(e) bis zu 50 % der UV-Jahresexposition aus (Knuschke 2006). Wie Abbildung 15 zeigt, spielen hierbei die Jahreszeit sowie das Urlaubsziel eine große Rolle. So wird in einem Fernurlaub im Winter (z.B. Kanaren, Karibik, Malaysia) eine sehr hohe UV-Personendosis akkumuliert. Aber bereits die UV-Gesichtsexpositionen bei einer Woche Wintersport liegen über der Wochenexposition von Straßenbauarbeitern im Gesicht im Sommer. Bemerkenswert ist auch, dass sich die UV-Personendosen, die im Sommerurlaub an Nord- und Ostsee gemessen wurden, nicht von denen im Sommerurlaub am Mittelmeer mit durchschnittlich 5 SED pro Tag gemessenen unterscheiden. Ein Grund hierfür könnte sein, dass vergleichsweise kühlere Tagestemperaturen an Nord- und Ostsee eher dazu verleiten, die Wärme um die Mittagszeit für den Strandbesuch zu nutzen. Demgegenüber wird beim Strandurlaub am Mittelmeer wahrscheinlich eher die Mittagshitze gemieden. (Anmerkung: Bei einer typischen Person des UV-Hauttyps II mit nicht-adaptierter Haut entspricht 1 MED ≈ 2,5 SED).
Aus den individuellen UV-Expositionsbeiträgen im Jahresverlauf von Arbeitstagen, Freizeittagen und Urlaubstagen ergibt sich die kumulative UV-Jahresdosis. Aus personendosimetrischen Messungen am Handgelenk über eine (n = 340), zwei (n = 39) bzw. drei (n = 14) Jahreszeit(en) schätzten Thieden und Mitarbeiter in Dänemark die UV-Jahresexposition für Innenbeschäftigte (n = 89) auf 132 SED/a, für Gärtner (n = 47) auf 224 SED/a, für Golfspieler (n = 24) auf 217 SED/a, für "Sonnenanbeter" (n = 53) auf 181 SED/a, für Jugendliche: weiblich auf 175 SED/a, männlich auf 116 SED/a und für Kinder auf 147 SED/a (Thieden et al. 2004). Vergleichbare Werte ergaben sich in einem kontinuierlichen UV-Personenmonitoring in Deutschland über 52 Wochen in verschiedenen Berufsgruppen mit einem kleinen Stichprobenumfang je Gruppe von n = 5. Die Messungen mit Dosimetern in Brustposition ergaben für Hochbauarbeiter 353 SED/a, für Landarbeiter (auf Landmaschinen) 235 SED/a, für Beschäftigte der Müllabfuhr 266 SED/a, für Kindergärtnerinnen 173 SED/a, für Sportlehrer 148 SED/a, für Fensterputzer (Brust zur Fassade) 133 SED/a (Nacken im Sommer: 450 % der UV-Exposition der Brust) und für Innenbeschäftigte 114 SED/a (Knuschke et al. 2007, Unverricht et al. 2006).
Abbildung 15: Mittlere UV-Personendosis von sieben Urlaubstagen in Relation zu einer Alltagswoche (fünf Arbeitstage mit zwei Wochenend-/Freizeittagen) von Innen- sowie Außenbeschäftigten im Sommer bzw. im Winter (nach Knuschke 2006)
Basierend auf einer Datenbank mit UV-Personendosiswerten aus 1.100 Personenjahren verschiedenster Personengruppen der Bevölkerung und Daten des Statistischen Bundesamtes wurde eine mittlere UV-Jahresexposition für die Bevölkerung in Deutschland mit 130 SED/a bezogen auf die Brustposition abgeschätzt (Knuschke 2011). Frühere Messungen geben auch höhere Werte von z.B. 200 SED pro Jahr für Kinder in Nordeuropa (Diffey 1999, SSK 2006). Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass die personendosimetrische Erfassung der UV-Exposition von vielen Bedingungen beeinflusst wird, wie z.B. der Art der eingesetzten Dosimeter, dem Erfassungszeitraum oder von klimatischen Schwankungen, aber auch von zum Teil verwendeter Modellierung. Darüber hinaus hängt die individuelle UV-Exposition stark vom individuellen Verhalten ab, und UV-Expositionen in der Bevölkerung weisen deshalb eine große Variationsbreite auf, die allein in einem Jahresmittelwert nicht abgebildet werden kann. Erst die Kenntnis einer Häufigkeitsverteilung von UV-Expositionen in der Bevölkerung ergibt ein vollständiges Bild.
2.4 Künstliche UV-Strahlungsquellen
UV-Strahlungsexpositionen durch künstliche Strahlungsquellen können sowohl im privaten Bereich als auch an Arbeitsplätzen auftreten. Solche Expositionen im Privatbereich sind mit Ausnahme von Solarien und medizinischen Anwendungen meist gering. Solarien werden aufgrund ihrer Bedeutung für die UV-Exposition der Bevölkerung detailliert in Nummer 5 behandelt. Zu künstlichen Strahlungsquellen im privaten Bereich, die in geringem Maße UV-Strahlung emittieren können, gehören beispielsweise Glühlampen, Halogenglühlampen, Leuchtstofflampen, Energiesparlampen und lichtemittierende Dioden (LED). Weitere Einzelheiten können u. a. der Stellungnahme der SSK "Moderne Lichtquellen" (SSK 2010) entnommen werden. Im kosmetischen Bereich werden UV-Lampen bei der Aushärtung von Gel-Fingernägeln eingesetzt. Im Vergleich zur solaren UV-Exposition der Hände wird diese Exposition als unbedeutend eingestuft (Diffey 2012, Markova und Weinstock 2013).
An Arbeitsplätzen kann die UV-Strahlungsexposition durch künstliche UV-Strahler jedoch zum Teil hohe Werte erreichen. Insbesondere ist hier die UV-Belastung beim Schweißen zu nennen. Je nach angewendetem Verfahren und Schweißparametern kann die UV-Bestrahlungsstärke beim Elektroschweißen das 1.500-fache der stärksten auf der Erde jemals auftretenden solaren UV-Bestrahlungsstärke erreichen (IFA 2011). Die zulässigen UV-Expositionsgrenzwerte können im Extremfall schon nach 0,3 s überschritten werden. Anders als das Spektrum der Sonnenstrahlung auf der Erdoberfläche enthalten Schweißspektren neben UVB- und UVA- auch UVC-Anteile. Schweißen gehört daher unter dem Gesichtspunkt des Strahlenschutzes zu den gefährlichsten Verfahren. Ein ausreichender Strahlenschutz ist unabdingbar, und es gibt schon seit Langem entsprechende Schutzvorschriften. Weitere Einzelheiten können dem BGIA-Report 3/2007 "UV-Strahlungsexpositionen an Arbeitsplätzen" (IFA 2007) entnommen werden.
Als weitere künstliche UV-Strahler im beruflichen Bereich sind zu nennen: Gasflammen bei der Bearbeitung von Glas (IFA 2010), UVC-Quellen zur Entkeimung, UV-Strahler zur Rissprüfung, UV-Strahler zur Trocknung von Farben, Lacken und Klebern und UVA-Lampen zur Sichtbarmachung von Markierungen.
Da die meisten künstlichen Strahlungsquellen an Arbeitsplätzen eingesetzt werden, erfolgt die Bewertung der Gefährdung durch solche Quellen nach Arbeitsschutzvorschriften. Weitere Informationen hierzu können dem Praxishandbuch optische Strahlung (Reidenbach et al. 2012) entnommen werden.
3 Wirkung von UV-Strahlung
Da der UVC-Anteil des solaren UV-Spektrums die Ozonschicht nicht durchdringen kann, sind für biologische Effekte auf der Erde nur der UVA- und UVB-Anteil des solaren UV-Spektrums relevant (siehe Abbildung 16). Auch in Solarien werden (auch auf Grund von gesetzlichen Vorgaben) nur diese spektralen Bereiche eingesetzt. Bei einigen technischen Anwendungen (z.B. Entkeimungslampen, Schweißen) können auch UVC-Emissionen auftreten. Die Wirkung von UVC in diesen Bereichen ist zu beachten (siehe Nummer 2.4), sie ist jedoch nicht Bestandteil dieser Empfehlung.
Die Wirkung von UV-Strahlung wird beim Menschen über die Haut und das Auge vermittelt. Bei den UV-abhängigen Effekten lässt sich zwischen kurzfristig und langfristig auftretenden Wirkungen unterscheiden. Erstere treten unmittelbar oder Minuten, Stunden und Tage nach UV-Exposition auf, während Letztere die Spätfolgen (Jahre, Jahrzehnte nach Exposition) charakterisieren. Zu den kurzfristig auftretenden Effekten gehören die Pigmentierung (Bräunung) der Haut, Hautrötung/Sonnenbrand (Erythem), Immunsuppression und die Vitamin-D3-Photosynthese, Hornhaut- und Bindehautentzündung (Photokeratitis/Photokonjunktivitis) sowie teilweise photochemische Netzhautschäden der Augen, während Hautalterung, Linsentrübungen (Katarakte) und vor allem Hautkrebs Spätfolgen einer UV-Exposition darstellen. Mit Ausnahme der Vitamin-D3-Photosynthese (und mit Einschränkungen der Immunsuppression) sind sowohl akute Hautreaktionen als auch Spätfolgen an der Haut ursächlich in einer UV-induzierten DNA-Schädigung begründet (Eaton 1994, Heenen et al. 2001, Melnikova und Ananthaswamy 2005, Phan et al. 2006, Tadokoro et al. 2005).
Abbildung 16: UV-Strahlung auf der Erdoberfläche. Während UVC vollständig von der Ozonschicht absorbiert wird, dringen UVB (teilweise) und UVA (fast vollständig) durch die Atmosphäre. In die Haut dringt UVA tiefer (bis zur Unterhaut) ein als UVB, das die Oberhaut bis zur Basalzellschicht durchdringt. (0 Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention, ADP e. V., http://www.unsere-haut.de/de/sonne/UV-Strahlung.php)
3.1 Biologische Wirkung von UV-Strahlung an der Haut
Die Haut stellt das größte Organ des Menschen dar und ist durch ihre Struktur (siehe Abbildung 17) zugleich physikalische Barriere für die Einwirkung von Umweltnoxen auf den Organismus als auch selber (als Organ) von den schädigenden Einflüssen (z.B. UV-Strahlung) betroffen.
Abbildung 17: Schematischer Aufbau der menschlichen Haut. Die oberste Hautschicht wird als Epidermis oder Oberhaut bezeichnet (1), gefolgt von der Lederhaut (Dermis) und der Unterhaut (Subcutis) (3). Haarfollikel (4) mit Talgdrüse (5) reichen bis tief in die Dermis. Hier finden sich auch die Schweißdrüsen (6). (O Beiersdorf AG)
In Abhängigkeit von der Wellenlänge dringt UV-Strahlung unterschiedlich tief in die Haut ein (siehe Nummer 2.2.2). UVB-Strahlung kann aufgrund ihrer Wechselwirkungscharakteristika mit molekularen Komponenten der Haut (Streuung, Absorption, Reflexion) die Oberhaut (Epidermis) bis zur Basalzellschicht durchdringen. UVA-Strahlung dringt tiefer in die Haut ein und kann bis zur Lederhaut (Dermis) und zur Unterhaut gelangen (siehe die Abbildungen 2, 3 und 16). UV-Strahlung kann von einer Vielzahl von Chromophoren absorbiert werden, deren Absorptionsspektren im UV-Bereich liegen. Hierzu gehören auch zelluläre Komponenten wie Proteine, intrazelluläre photosensible Moleküle, wie z.B. Flavine oder Porphyrine (Cadet et al. 2012). Von größter Bedeutung ist aber die Absorption von UV-Photonen durch das DNA-Molekül.
3.1.1 Kinderhaut
In Bezug auf die Schädigung der Hautzellen durch UV-Strahlung und dem damit verbundenen Hautkrebsrisiko muss Kinderhaut gesondert betrachtet werden. Dies ist insbesondere im Zusammenhang epidemiologischer Daten zu sehen, die auf ein erhöhtes Auftreten von Hautkrebs im Erwachsenenalter in Abhängigkeit von der UV-Exposition in der Kindheit hinweisen (siehe Nummer 3.2.1.3) (Autier und Dorö 1998, Green et al. 2011a, Oliveria et al. 2006). Betrachtet man akute Reaktionen der Haut in Folge einer UV-Exposition, wie Bräunung oder Sonnenbrand, so zeigt sich zwischen Erwachsenen- und Kinderhaut kein Unterschied bezüglich der UV-Sensitivität. Bereits wenige Wochen nach der Geburt ist die Fähigkeit zur Pigmentierung ausgereift (Höger 2007, Loomis et al. 2001) und die minimale UV-Dosis, die einen Sonnenbrand auslösen kann (MED), ist im Mittel für Erwachsene und Kinder gleich (Cox et al. 1992). Ein Unterschied findet sich jedoch in der Struktur der Kinderhaut (Höger 2007). Betrachtet man die Epidermiszapfen, die in die Dermis hineinreichen, so unterscheidet sich die Epidermisdicke nicht von der Erwachsenenhaut, allerdings dringen die dermalen Papillen, die zusammen mit den Epidermiszapfen die epidermodermale Junktionszone bilden, weiter in die Epidermis ein. Dies führt dazu, dass ein Teil der Basalzellschicht, in der die mutmaßlichen Targetzellen für die UV-induzierte Hautkrebsentstehung (interfollikuläre epidermale Stammzellen sowie die pigmentbildenden Melanozyten) lokalisiert sind, stärker der eindringenden UV-Strahlung ausgesetzt ist (siehe Abbildung 18).
Abbildung 18: Schematische Darstellung von Erwachsenenhaut und Kinderhaut. In der Kinderhaut ragen die dermalen Papillen weit in die Epidermis hinein. Ein Teil der epidermalen Stammzellen, die sich in der Basalzellschicht befinden, liegen dadurch dichter unter der Hautoberfläche als in der Erwachsenenhaut und sind der UV-Strahlung stärker ausgesetzt. (© Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention, http://www.unserehaut.de/de/unsere-haut/Kinderhaut.php)
Ein weiterer Stammzellpool, der mit der Hautkrebsentstehung in Zusammenhang gebracht wird, befindet sich am Haarfollikel ("bulge region") (siehe Abbildung 19). Hierzu wird ein weiterer Unterschied zwischen Erwachsenenhaut und Kinderhaut beschrieben. In der Kinderhaut liegen Vellushaare vor, die sich erst in der Pubertät zu Terminalhaaren entwickeln (Randall 2008). Die empfindliche "bulge region", in der sich auch Vorläufer der Pigmentzellen befinden, liegt bei Vellushaaren dichter unter der Hautoberfläche als beim Terminalhaar und ist der schädigenden UV-Strahlung stärker ausgesetzt (Garcia et al. 2011). Die beschriebenen Phänomene weisen darauf hin, dass epidermale Stammzellen aufgrund ihrer Lokalisation in Kinderhaut einer erhöhten UV-Exposition ausgesetzt sein können, die das Risiko, im Erwachsenenalter an Hautkrebs zu erkranken, erhöht (Volkmer und Greinert 2011). Um dieses Risiko zu minimieren, ist es sinnvoll, gerade auch im Kindesalter einen konsequenten Sonnenschutz anzuwenden.
Abbildung 19: Lokalisation der Stammzellregion (bulge region) im Vellushaar und Terminalhaar. In der Kinderhaut liegen überwiegend Vellushaare vor, die sich erst in der Pubertät zu Terminalhaaren entwickeln. Die Stammzellregion ("bulge region") liegt bei Vellushaaren dichter unter der Hautoberfläche und ist deshalb stärker der UV-Strahlung ausgesetzt. (C) Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention, Abbildung nach (Garcia et al. 2011), http://www.unserehaut.de/de/unsere-haut/Kinderhaut.php)
3.1.2 DNA-Schäden
Induktion - direkter Reaktionsweg (hauptsächlich UVB)
In diesem Reaktionsweg werden vornehmlich UVB-Photonen direkt vom DNA-Molekül absorbiert und die hierbei aufgenommene Energie für eine Photodimerisierungs-Reaktion benachbarter Pyrimidin-Basen genutzt. Hierbei entstehen hauptsächlich zwei UV-spezifische Photoprodukte: das Cyclobutan-Pyrimidindimer (CPD) und das 6-Pyrimidin-4-Pyrimidonprodukt (6-4PP) (siehe Abbildung 20). Entsprechend dem Wirkungsspektrum für die Erzeugung von CPDs (siehe Nummer 2.2.3, Abbildung 5) ist UVB-Strahlung ca. 1.000-mal effektiver als UVA-Strahlung (Mouret et al. 2012). CPDs werden dabei im Verhältnis 3:1 im Vergleich zu 6-4PP induziert (Mouret et al. 2006). Bei der Bestrahlung von Zellkulturen reicht schon eine UVB-Dosis, die beim Menschen (Hauttyp II, siehe Nummer 3.1.4, Tabelle 13) einen Sonnenbrand auslösen kann aus, um mehrere 100.000 CPDs im Genom menschlicher Keratinozyten in vitro zu erzeugen (Greinert et al. 2000).
Abbildung 20: Schematische Darstellung der häufigsten UV-induzierten DNA-Schäden. Cyclobutan Pyrimidindimere (CPD) und 6-Pyrimidin-4-Pyrimidonprodukte ((6-4)PP) entstehen nach UV-Einwirkung auf benachbarte Pyrimidine
Induktion - indirekter Reaktionsweg (hauptsächlich UVA)
UVA-Strahlung entfaltet ihre schädigende Wirkung auf das DNA-Molekül hauptsächlich über indirekte Reaktionswege. Dabei wird die Energie von UVA-Photonen von endogenen zellulären photosensiblen Chromophoren (Photosensitizer) wie z.B. Riboflavinen und NADH absorbiert. Im angeregten elektronischen (Triplet-) Zustand können diese dann über sog. Photoreaktionen des Typs I und II in Wechselwirkung mit molekularem Sauerstoff zur Bildung reaktiver Sauerstoffspezies (ROS), wie z.B. Superoxid-Anionen, H2O2, OH-Radikalen oder Singulett-Sauerstoff führen. Diese reaktiven Sauerstoffspezies können dann in der DNA zum Auftreten von DNA-Einzelstrangbrüchen (ssb) und DNA-Doppelstrangbrüchen (dsb), DNA-Proteinvernetzungen, alkalilabilen Stellen oder Basenmodifikationen, wie dem UVA-spezifischen 8-oxo-Guanin, führen (Matsumura und Ananthaswamy 2002b).
Neue Arbeiten zeigen darüber hinaus, dass UVA-Strahlung ebenfalls in der Lage ist (wenn auch mit kleinerer Ausbeute als UVB-Strahlung), CPDs zu erzeugen. Die Entstehungsmechanismen der CPDs nach UVA-Bestrahlung sind noch nicht vollständig geklärt (Cadet et al. 2012, Mouret et al. 2012). Allerdings sind prämutagene CPDs die häufigsten UVA-induzierten DNA-Schäden in menschlicher Haut (Mouret et al. 2006). Vor dem Hintergrund, dass 95 % der solaren UV-Strahlung im UVA-Bereich liegen, kommt diesem Befund eine besondere Bedeutung für die Risikobewertung solarer (aber auch künstlicher) UV-Strahlung zu.
Reparatur UV-induzierter DNA-Schäden
In Säugetierzellen können "sperrige" DNA-Läsionen (sogenannte "bulky lesions") wie CPD und 6-4PP durch die Nukleotid-Exzisionsreparatur (NER) aus dem Genom eliminiert werden. Dabei handelt es sich um ein komplexes Zusammenspiel einer Vielzahl von Proteinen (bis zu 30), die für die Schadenserkennung, DNA-Entwindung, das Schneiden der DNA, die Prozessierung der DNA etc. verantwortlich sind. Letztendlich wird der Schaden in einem 28 bis 31 Nukleotide langen, einzelsträngigen DNA-Abschnitt aus der Doppelhelix enzymatisch herausgetrennt und die entstandene Lücke (mit dem gegenüberliegenden Strang als Matrix) wieder aufgefüllt (Lagerwerf et al. 2011, van der Wees et al. 2007).
UV-induzierte oxidative Schäden wie das 8-oxo-Guanin und auch andere oxidative DNA-Schäden können, je nach Art des Schadens und seiner Prozessierung, durch eine Zahl enzymatischer Reparaturwege aus dem Genom eliminiert werden (Peterson und Cötö 2004), zu denen die Basen-Exzisionsreparatur (BER) (Dianov und Parsons 2007, Robertson et al. 2009), die DNA-Einzelstrangbruch-Reparatur (ssb-Reparatur) (Dianov und Parsons 2007, Horton et al. 2008, Wilson 2007), die DNA-Doppelstrangbruch-Reparatur (dsb-Reparatur) (Shrivastav et al. 2008, Valerie und Povirk 2003, Weinstock et al. 2006), die mismatch-Reparatur (Skinner und Turker 2005, Slupphaug et al. 2003) aber auch die Nukleotid-Exzisionsreparatur (NER) (Lindahl 1993, Satoh et al. 1993, Wang 2008) gehören.
Insgesamt sind diese kurz skizzierten Reparatursysteme in der Lage, DNA-Schäden effektiv aus dem Genom zu eliminieren (innerhalb von Minuten bis Tagen, abhängig vom Schadenstyp und der Menge der induzierten Schäden). Wenn man aber bedenkt, dass eine minimale Erythemdosis (siehe Nummer 2.2.3.2) einige 100.000 CPDs pro Genom jeder einzelnen exponierten Zelle erzeugt (Greinert et al. 2000), so wird einerseits deutlich, wie effektiv z.B. die NER arbeitet, aber andererseits auch, wie es bei Überlastung, Defizienz und/oder eingeschränkter Reparatur zu Störungen (Nicht-Reparatur) kommen kann, die dann den Ursprung für Mutationen legen können.
Die DNA-Reparaturmechanismen sind genetisch determiniert. Ein Defekt der entsprechenden Gene liegt bei der Erkrankung Xeroderma pigmentosum vor und führt bei den betroffenen Individuen zu einer stark erhöhten UV-Empfindlichkeit sowie zu einem bis zu 1.000-fach erhöhten Hautkrebsrisiko (Emmert et al. 2011, Kraemer et al. 2007, van Steeg und Kraemer 1999).
UV-spezifische Mutationen
Wenn UVA- oder UVB-induzierte CPDs im Genom der Zelle nicht durch zelluläre Reparaturmechanismen beseitigt werden, führen sie zum Auftreten von C → T bzw. CC → TT Transitions-Mutationen, welche als "UV-signature mutations" bekannt sind, da sie im breiten Spektrum aller möglichen DNA-Mutationen hauptsächlich nur nach UV-Strahlung auftreten (Matsumura und Ananthaswamy 2002b, Pfeifer und Besaratinia 2012, Sage et al. 2012). Der überwiegende Anteil an Mutationen, die in Hauttumoren identifiziert wurden, sind UV-spezifisch (Aszterbaum et al. 1999, Benjamin und Ananthaswamy 2007, Brellier et al. 2004, de Gruip et al. 2001). Die Mutationen treten in einer Vielzahl von Tumorsuppressor-Genen und Onkogenen (z.B. patched, p16, ras, p53) auf, welche insbesondere in der Ätiologie des Basalzellkarzinoms (BCC) und des Plattenepithelkarzinoms (SCC) eine entscheidende Rolle spielen. Im Zusammenhang mit Hautkrebs sind CPDs die wichtigsten UV-induzierten DNA-Schäden. Darüber hinaus können auch UVA-spezifische DNA-Läsionen zum Auftreten von Mutationen (wie z.B. T → G Transversionen infolge von 8-oxo-Guanin) beitragen, die für die Entstehung von Hautkrebs verantwortlich gemacht werden können (de GruijI et al. 1993, Dumaz et al. 1997, Matsumura und Ananthaswamy 2002b).
3.1.3 Immunsuppression
Eine der Hauptwirkungsweisen von UV-Strahlung ist ihre Fähigkeit, die Immunantwort auf Antigene zu unterdrücken. So zeigen z.B. In-vivo-Experimente an Mäusen, dass (UV-induzierte) Hauttumoren nach subkutaner Transplantation nur bei solchen Tieren anwachsen, die zuvor durch UV-Strahlung immunsupprimiert wurden, während sie von der Haut nicht bestrahlter Mäuse abgestoßen werden (Norval 2000). In der Haut wird nach UV-Bestrahlung eine Kaskade von Reaktionen ausgelöst, die zu einer lokal begrenzten, möglicherweise auch systemischen Immunsuppression führen kann. An diesen Reaktionen sind eine ganze Zahl verschiedener Zelltypen, wie z.B. Keratinozyten, Antigen präsentierende Zellen, Langerhanszellen und T-Helfer-Zellen (Th-Zellen) sowie eine Vielzahl zellulärer Botenstoffe und Mediatoren, wie z.B. Interleukine (IL-1, IL-2, IL-10) oder Interferone wie z.B. Interferon γ (INF-γ), in komplizierter Wechselwirkung beteiligt. Die genauen Mechanismen sind noch nicht vollständig verstanden. Obwohl eine Vielzahl von Untersuchungen zur Immunsuppression im Tiermodell durchgeführt wurden, geht man mittlerweile davon aus, dass lokale und systemische Suppression des Immunsystems beim Menschen durch vergleichbare Mechanismen hervorgerufen werden (Bataille et al. 2000, Duthie et al. 1999, Kelly et al. 1998, Moyal und Fourtanier 2002), was auch durch Studien am Menschen belegt wird (Ruegemer et al. 2002). Da eine Aufgabe des Immunsystems die Erkennung und Eliminierung entarteter Zellen ist, kann die Immunsuppression durch UV-Strahlung als ein weiterer Risikofaktor für die Entstehung von Hautkrebs beim Menschen angesehen werden (Yoshikawa et al. 1990). In diesen Zusammenhang ist auch das erhöhte Hautkrebs-Risiko therapeutisch immunsupprimierter (Transplantations-) Patienten einzuordnen.
3.1.4 Bräunung
Bräunung ist das Resultat der UV-induzierten Melanogenese (Maddodi et al. 2012), welche in zwei wellenlängenabhängige Mechanismen unterteilt werden kann (Sklar et al. 2013)
Für beide Strahlungsqualitäten (UVA und UVB) ist Melanin der Chromophor, der UV-Strahlung absorbiert und der nach UV-Exposition über die melanozytären Dendriten in die benachbarten Keratinozyten ausgeschüttet wird, um deren Zellkern vor den schädigenden Effekten von UVA- und UVB-Strahlung zu schützen.
UVA-Strahlung erzeugt ein intensives PD erst nach sehr hohen Dosen ( > 100.000 J/m2) und mit besonderer Effektivität bei Wellenlängen um 340 nm. Dabei bewirkt UVA die Oxidation von Melaninvorstufen, die in kleinen Zellorganellen der Melanozyten, den Melanosomen, gespeichert sind. Die oxydierte Form des Melanins wird dann über die Melanosomen in benachbarte Keratinozyten ausgeschüttet und legt sich schützend über den Zellkern. Die UVA-induzierte Pigmentierungsveränderung erfolgt, dosisabhängig, biphasisch. Bei Dosen > 10.000 J/m2 bis 20.000 J/m2 wird innerhalb von Minuten ein "immediate pigment darkening" (IPD) induziert, welches schon nach wenigen Minuten bis Stunden ausbleicht. Wenn die UVA-Dosen Werte von 100.000 J/m2 bis 200.000 J/m2 übersteigen, wird ein intensiveres IPD induziert, welches innerhalb von Stunden ausbleicht und ein "persistent pigment darkening" (PPD) zurücklässt, das mehr als 24 Stunden bestehen bleiben kann und schon in die UVA-induzierte verzögerte Bräunung (delayed tanning, DT) übergehen kann (Sklar et al. 2013). Im Gegensatz zu IPD und PPD kommt es zum DT aufgrund photochemischer Reaktionen, die eine Neusynthese von Melanin generieren. Die UVA-abhängige Melanin-Akkumulation ist dabei wellenlängenabhängig. Im Bereich von 340 nm bis 400 nm wird eine Zunahme der Melanindichte in der Basalzellschicht der Epidermis hervorgerufen. Dagegen kommt es im Wellenlängenbereich von 315 nm bis 340 nm (durch die geringere Eindringtiefe in die Epidermis) zu einer Zunahme von Melanin-Granulaten in weiter oben liegenden Zellschichten. Es konnte aber gezeigt werden, dass die durch UVA erzeugte IPD, PPD oder das DT keinen (oder nur sehr geringen) Schutz gegenüber einer nachfolgenden UV-Exposition bietet (Miyamura et al. 2011). So wird z.B. der Schutzfaktor (sun protection factor, SPF) von UVA-induzierter Bräune in Bezug auf die Erythembildung in der Literatur mit 1,5 angegeben und ist damit relativ gering (Gange et al. 1985).
UVB-Strahlung erzeugt eine verzögerte Bräunung (DT). Sie tritt initial ca. 24 Stunden nach Bestrahlung auf und erreicht ihre maximale Intensität drei bis sechs Tage später. Ohne erneute Bestrahlung bleicht diese Bräunung innerhalb von Wochen aus (ca. drei bis vier Wochen, infolge der Zellproliferation in menschlicher Haut). UVB-induzierte Bräune ist das Resultat einer de-novo-Synthese von Melanin und der Erhöhung der Zahl der Melanosomen in den Melanozyten, die dann in benachbarte Keratinozyten transportiert werden. Photoprotektion durch die so erlangte Bräune ist stark von der genetisch bestimmten Fähigkeit zur Melaninbildung, die den Hauttyp (siehe Tabelle 13) bedingt, abhängig. Speziell wird das Verhältnis zwischen Pheo- und Eumelanin (zwei möglichen Formen des Melanins) als wichtiger Indikator für das Vorliegen einer schwachen Melano-Protektion (Hauttyp I, Pheo/Eu = groß) oder einer effektiven Melano-Protektion (Hauttyp IV, Pheo/Eu = klein) angesehen (Kadekaro et al. 2003). SPF-Werte für UVB/SSR-induzierte Bräune werden in der Literatur im Bereich von zwei bis drei angegeben (Gange et al. 1985, Sheehan et al. 2002). Es ist jedoch zu beachten, dass sich diese Werte auf die Erythembildung beziehen und keine Aussage über den Einfluss von DT auf hautkrebsrelevante DNA-Schäden machen.
Tabelle 13: Definition der Hauttypen
Eigenschatten | Akute Reaktion auf hohe UV-Exposition | Fähigkeit zur Melaninbildung | |
Hauttyp I (Kaukasier) | - sehr helle Haut
- häufig Sommersprossen - extrem empfindliche Haut - helle Augen - rotblondes Haar | keine Bräunung meistens Sonnenbrand | eingeschränkte Melanogenese |
Hauttyp II (Kaukasier) | - helle Haut
- oft Sommersprossen - empfindliche Haut - helle Augen - helles Haar | langsame Bräunung oft Sonnenbrand | eingeschränkte Melanogenese |
Hauttyp III (Kaukasier) | - mittelhelle Haut
- helle oder dunkle Augen - braunes Haar | einfache und langsame Bräunung manchmal Sonnenbrand | normale Melanogenese |
Hauttyp IV (Kaukasier) | - bräunliche, wenig empfindliche Haut
- dunkle Augen - dunkelbraunes oder schwarzes Haar | schnelle und tiefe Bräunung selten Sonnenbrand | normale Melanogenese |
Hauttyp V (z.B. Asiat) | - dunkle, wenig empfindliche Haut
- dunkle Augen - schwarzes Haar | selten Sonnenbrand | durch Melanin geschützt |
Hauttyp VI (negroider Hauttyp) | - schwarze, wenig empfindliche Haut
- dunkle Augen - schwarzes Haar | sehr selten Sonnenbrand | durch Melanin geschützt |
3.1.5 Lichtschwiele
Die Lichtschwiele beruht auf einer UV-induzierten erhöhten Zellteilung in der Epidermis, die sich histologisch als Akanthose darstellt, gefolgt von einer vermehrten Hornbildung, also Verdickung der Hornschicht. Sowohl UVB als auch UVA können eine Lichtschwiele erzeugen, wobei UVB einen stärkeren Effekt zeigt (Gambichler et al. 2005, Pearse et al. 1987). Die UV-induzierte Proliferation der epidermalen Keratinozyten tritt 24 bis 48 Stunden nach Bestrahlung auf (Matsumura und Ananthaswamy 2002a). Eine wichtige Rolle spielt dabei die Aktivierung des EGFR (epidermal growth factor receptor), über den ein wichtiger Signalweg zur Regulation von Proliferation, Differenzierung und Überleben der Zelle gesteuert wird (El-Abaseri et al. 2006). Da die EGFR-Aktivierung bei vielen Krebsentitäten eine wichtige Rolle spielt, kann dieser Mechanismus auch im Zusammenhang mit der Hautkrebsentstehung gesehen werden. Andererseits bieten die UV-induzierte Hyperkeratose und die insgesamt verdickte Epidermis den Epidermiszellen, insbesondere auch der Basalzellschicht, und der darunter befindlichen Cutis einen gewissen natürlichen UV-Schutz. Jedoch setzt die Lichtschwielereaktion erst bei UV-Expositionen ein, die der momentanen, individuellen minimalen Erythemdosis entsprechen bzw. diese überschreiten, wie Untersuchungen zur Dosis-Wirkungs-Beziehung zeigten (Knuschke et al. 2010). Alltagsexpositionen bei Vermeidung von Sonnenbränden (auch beispielsweise bei ständig im Freien Beschäftigten) führen zu keiner nachweisbaren Lichtschwielereaktion. Damit ist der Schutzeffekt gemessen an der Erythem-empfindlichkeit vernachlässigbar (Knuschke et al. 2010). Extreme, über längere Zeit wiederholte UV-Expositionen (täglich über 20 Tage bis in das UV-Erythem) führen im Mittel zu einer Erhöhung der MED um einen Faktor 40. Ein analoges Procedere bei einem Albino erhöhte die MED auf das Viereinhalbfache, was durch die Histologie bestätigt der ausgelösten reaktiven Akanthose zugeschrieben wurde. Daraus zog man den Schluss: Nach exzessiven UV-Expositionen vermag die Haut von Kaukasiern die individuelle MED um einen Faktor 40 zu erhöhen. Der Anteil der darunter ausgelösten reaktiven Akantose trägt mit etwa einem Viertel der MED-Erhöhung bei (Jung und Anton-Lamprecht 1971).
3.1.6 Sonnenbrand (Inflammation, Erythema solare)
Entzündliche (inflammatorische) hauptsächlich durch UVB ausgelöste, frühe Effekte sind in vitro und in vivo gut untersucht. Sie sind durch eine kompliziert regulierte Änderung der Konzentration von Molekülen charakterisiert, die das interzelluläre Kommunikationsnetzwerk zwischen unterschiedlichen Zelltypen (Keratinozyten, Melanozyten, Mastzellen, Granulozyten und Makrophagen) in der menschlichen Epidermis aufrechterhalten (Bleck et al. 1980, Clydesdale et al. 2001, Krutmann und Grewe 1995, Urbanski et al. 1990). UV-induzierte Änderungen in den Konzentrationen dieser Molekülklassen können zwei bis 72 Stunden nach Bestrahlung festgestellt werden. Histamin-Ausschüttung von Mastzellen scheint ein sehr frühes Ereignis nach Bestrahlung darzustellen, und Vasodilatation ist ein früh detektierbarer klinischer Parameter und führt schließlich zum klinisch wahrnehmbaren Erythem. Bei diesem handelt es sich aus morphologischer Sicht um eine 24 Stunden nach Bestrahlung (subjektiv) gerade noch wahrnehmbare Rötung der Haut, die nach Tagen abklingt. Diese Form der leichten Rötung stellt die mildeste Form des Sonnenbrandes dar. Mit steigender UV-Bestrahlung können jedoch auch schwere Sonnenbrände mit Blasenbildung auftreten. Das Auftreten von Erythemen ist immer noch das dermatologische Maß für eine UV-Überexposition der Haut. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass auch schon vor Erreichen der Erythemschwelle hautkrebsrelevante Schäden in der DNA erzeugt werden.
3.1.7 Vitamin D
3.1.7.1 Kutane Vitamin-D3-Synthese
Vitamin D3, der Vorläufer des natürlich vorkommenden biologisch aktiven Vitamin-D-Metaboliten 1α,25-Dihydroxyvitamin-D3 (1α,25(OH)2D3), entsteht in der menschlichen Haut aus 7-Dehydrocholesterol (7-DHC) (Provitamin D3) durch Absorption von UVB-Strahlung (280 nm bis 315 nm) (Holick 2007, Reichrath 2009) (siehe Abbildung 21). 7-DHC wird aus Cholesterol gebildet. Unter den Lebensbedingungen in Deutschland und vielen anderen Ländern mit vergleichbarer Sonnenexposition werden schätzungsweise 80 % bis 90 % des im Körper vorhandenen Vitamin D durch endogene Synthese in der Haut gebildet, etwa 10 % bis 20 % des Vitamin D werden mit der Nahrung (Vitamin D3 aus tierischen, Vitamin D2 aus pflanzlichen Nahrungsmitteln und Pilzen) aufgenommen (Holick 2007).
Die UVB-getriggerte Synthese von Vitamin D3 aus seinen Vorstufen geschieht in einem komplexen Netzwerk photochemischer Reaktionen, welches nach derzeitigem Kenntnisstand durch Konversionsraten in vier photoreversiblen und einer nicht reversiblen Phototransformation gekennzeichnet ist und insgesamt neun unterschiedliche biochemische Gleichgewichtsreaktionen involviert (Lehmann et al. 1999, Schlumpf et al. 2010). Neben anderen Faktoren, wie der Dauer der UV-Exposition und der Fläche des exponierten Hautareals, hängt die Bildung von Vitamin D3 in der Haut wesentlich von der Wellenlänge und der Bestrahlungsstärke der UV-Strahlung ab, auch vom Verhältnis von UVB-(280 nm bis 315 nm) zu UVA-Strahlung (315 nm bis 400 nm) (Holick et al. 1980). Wird unter UVB-Einfluss in der Haut Prävitamin D3 gebildet, kommt es über einen zusätzlichen Reaktionsweg nach wenigen Minuten zu einer ebenfalls UVB-abhängigen Photoisomerisierung von Prävitamin D3 und es entstehen die (bzgl. des Kalziumstoffwechsels) inaktiven Isomere Tachysterol und Lumisterol (Holick 1981, Wacker und Holick 2013). Hierbei stellt sich ein stabiles Gleichgewicht ein. Auch Vitamin D3 absorbiert UVB und wird durch einen Photodegradationsprozess zu verschiedenen Photoprodukten wie 5,6-Transvitamin D3 oder Suprasterole abgebaut (Wacker und Holick 2013). Photoisomerisierung und Photodegradation verhindern eine Überproduktion von Vitamin D3 (siehe Nummer 3.2.2).
Abbildung 21: Schematische Darstellung der Vitamin-D-Synthese (nach Asmuß und Baldermann 2012)
3.1.7.2 Der humane Vitamin-D-Stoffwechsel
Das in der Haut gebildete oder mit der Nahrung aufgenommene Vitamin D gelangt über die Blutbahn gebunden an Vitamin-D-bindendes Protein (DBP oder GC) zur Leber, wo es durch Cytochrom P450 Enzyme (Vitamin D-25-Hydroxylase, CYP27A1; CYP2R1), in C-25-Position ein erstes Mal hydroxyliert wird (Holick et al. 1980) (siehe Abbildung 21). 25-Hydroxyvitamin D [25(OH)D] ist der Hauptmetabolit des Vitamin D im Blut, wo es ebenfalls überwiegend gebunden an DBP vorliegt. Im Tubulusapparat der Niere erfolgt eine zweite Hydroxylierung in C-1-Position durch ein weiteres Cytochrom P450 Enzym, die 25-Hydroxyvitamin D-1α-Hydroxylase (CYP27B1). Dadurch entsteht 1 925(OH)2D3, der biologisch aktive Metabolit des Vitamin D. Während die Hydroxylierung in C-25-Position in der Leber im Alter nicht beeinträchtigt zu sein scheint (Harris und Dawson-Hughes 2002), ist die Fähigkeit zur Hydroxylierung in C-1-Position durch altersbedingte Funktionseinschränkungen der Niere vermutlich reduziert, wobei die Nierenfunktion hierzu allerdings sehr stark eingeschränkt sein muss (Armbrecht et al. 1980, Gallagher et al. 2007).
Die Konzentration des 1α,25(OH)2D3 im Blut wird über einen Rückkopplungsmechanismus durch 1α,25(OH)2D3 selbst (über eine Induktion des 1 '25(OH)2D3-metabolisierenden Enzyms [1α,25(OH)2D3-24-Hydroxylase, CYP24A1D, sowie über Parathormon (Parathyrin, PTH), Calcium und verschiedene Cytokine wie Interferon AFN ) oder Tumornekrosefaktor α (TNFα) reguliert (Holick 2003, Holick 2007).
Lange Zeit wurde angenommen, dass nur die Niere in der Lage ist, 25(OH)D in die aktive Form 1α,25(OH)2D3 umzuwandeln. In-vitro-Versuche und Studien an nephrektomierten Patienten haben aber gezeigt, dass auch zahlreiche extrarenale Zellen, u. a. Keratinozyten, Monozyten, Makrophagen, Osteoblasten, Prostata- und Dickdarmzellen, durch die Expression der 1α-Hydroxylase befähigt sind, 25(OH)D in die aktive Form 1α,25(OH)2D3 zu verwandeln (Bikle et al. 1986, Holick 2007, Lehmann et al. 1999). In Keratinozyten konnte sowohl die 1 %-Hydroxylase (CYP27B1) als auch die 25-Hydroxylase (CYP27A1) nachgewiesen werden (Fu et al. 1997, Lehmann et al. 1999, Seifert et al. 2009). Damit besitzen Keratinozyten die enzymatischen Voraussetzungen zur vollständigen Synthese von 1α,25(OH)2D3 aus 7-DHC. Dies konnte von Lehmann et al. (Lehmann et al. 2001) auch an einem In-vivo-Hautmodell bestätigt werden. Das in extrarenalen Geweben gebildete 1α,25(OH)2D3 wird nach heutiger Auffassung überwiegend nicht ins Blut abgegeben und ist nicht an der Regulation des Knochen- und Calciumstoffwechsels beteiligt, sondern reguliert ortsständig neben Proliferation und Differenzierung eine Vielzahl von unterschiedlichen gewebsspezifischen Funktionen (Holick 2007).
Der Abbau von 1α,25(OH)2D3 wird in den Zielzellen und in den Nierentubuluszellen über eine dritte Hydroxylierung in C-24-Position durch CYP24A1 eingeleitet (Holick 2007). Es entsteht 24,25-Dihydroxycholecalciferol, welches biologisch nur schwach wirksam ist (Henry 2001, Holick 2007). Nach heutigem Kenntnisstand hat 1α,25(OH)2D3 eine 100- bis 1.000-fach höhere biologische Aktivität als andere bekannte, natürliche Vitamin-D-Metabolite (Holick 2007).
Diese Stoffwechselschritte gelten für Vitamin D2 und Vitamin D3 gleichermaßen. Die biologische Wirksamkeit von Vitamin D2, das beim Menschen ausschließlich über die Nahrung oder durch Substitution aufgenommen wird, ist allerdings möglicherweise geringer als die von Vitamin D3 (Trang et al. 1998).
3.2 Gesundheitliche Wirkung von UV-Strahlung und Langzeiteffekte an der Haut
UV-Strahlung dringt in die Haut ein und führt dort, wie in Nummer 3.1 dargestellt, zu sofort messbaren Effekten, wie z.B. zu DNA-Schäden und Stunden später zu häufig daraus resultierenden, lokalen oder systemischen Reaktionen des Körpers wie z.B. Bräunung, Sonnenbrand oder Immunsuppression. Bedingt durch wiederholte akute Schädigung, als deren Indiz z.B. eine UV-bedingte Hautalterung sichtbar wird, können im Laufe der Jahre gesundheitliche Spätfolgen wie Hautkrebs auftreten. Den schädigenden Effekten von UV-Strahlung ist als einziger bisher identifizierter positiver Effekt die Vitamin-D3-Synthese (siehe Nummer 3.1.7) gegenüberzustellen, da ein dauerhafter Vitamin-D-Mangel negative gesundheitliche Folgen in Bezug auf Knochenaufbau und Knochenerhalt hat.
Bei gesundheitlichen Wirkungen von UV-Strahlung muss man zwischen deterministischen und stochastischen Effekten unterscheiden. Deterministische Wirkungen treten nach Überschreitung einer Schwellendosis immer auf (wie z.B. der Sonnenbrand), die Auswirkung ist oberhalb der Schwellendosis umso stärker, je höher die Exposition ist. Bei stochastischen Effekten hängt nur die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von der Dosis ab (wie z.B. der Hautkrebs). Das Ausmaß (der klinische Verlauf bei Hautkrebs) des Effektes ist dosisunabhängig. Nach aktuellem Stand des Wissens ist eine Schwellendosis für die Entstehung von Hautkrebs nicht bekannt.
3.2.1 Hautkrebs
Hautkrebs stellt die schwerwiegendste Spätfolge übermäßiger Exposition gegenüber solarer und/oder künstlicher UV-Strahlung dar. Einem weltweiten Trend folgend steigt die Anzahl der Hautkrebserkrankungen in Deutschland seit Jahren stark an (siehe die Abbildungen 22 und 23). Als Gründe für diesen Anstieg werden eine erhöhte Sonnenexposition in der Freizeit sowie auch eine vermehrte Solariennutzung genannt. Auch der Einfluss einer in Europa zeitlich und lokal begrenzten Ausdünnung der Ozonschicht könnte dabei eine Rolle spielen. Darüber hinaus lässt die Einführung des Hautkrebsscreenings für gesetzlich Versicherte im Jahr 2008 einen Anstieg der Hautkrebsinzidenz erwarten. Das Institut für Krebsepidemiologie führt regelmäßig eine Hochrechnung der Hautkrebsinzidenz in Deutschland durch. Da bei der Datenerfassung zu Hautkrebs in Schleswig-Holstein nahezu Vollzähligkeit erreicht wird, werden diese Daten als Berechnungsbasis verwendet. Die altersspezifischen Inzidenzraten der verschiedenen Hautkrebsformen (Datenquelle: Krebsregister Schleswig-Holstein, www.krebsregister-sh.de) werden jeweils auf die entsprechenden Altersgruppen der Gesamtbevölkerung von Deutschland (Datenquelle: Statistisches Bundesamt) übertragen und aufsummiert. Die Hochrechnung ergibt damit die Hautkrebsinzidenz in Deutschland unter der Annahme, dass die Erkrankungsraten aus SH für Deutschland repräsentativ sind. Die Annahme scheint gerechtfertigt, da weitere Schätzungen (Zentrum für Krebsregisterdaten, GEKID) für das maligne Melanom zu vergleichbaren Ergebnissen führen. Die so ermittelten Daten der Hautkrebsneuerkrankungen für das Jahr 2012 sind in Tabelle 14 dargestellt. Betrachtet man alle drei Hautkrebsarten, das Basalzellkarzinom, das Plattenepithelkarzinom und das maligne Melanom zusammen, so stellt Hautkrebs mit ca. 260.000 Neuerkrankungen im Jahr 2012 die häufigste Krebserkrankung in Deutschland dar. In Deutschland wird seit vielen Jahren eine nachhaltige Aufklärung der Bevölkerung über die Risiken von UV-Strahlung betrieben. Eine daraus resultierende verminderte UV-Exposition sollte zu einem Absinken der Neuerkrankungen an Hautkrebs führen. Ein solcher Trend könnte sich für das maligne Melanom andeuten (siehe Abbildung 22). Allerdings kann zurzeit nicht ausgeschlossen werden, dass es sich um eine zufällige Schwankung handelt.
Abbildung 22: Zeitlicher Verlauf der altersstandardisierten Inzidenzraten für das maligne Melanom in Deutschland, Europastandard (EASR) (Epidemiologisches Krebsregister Saarland 2016, GEKID 2014)
Abbildung 23: Zeitlicher Verlauf der altersstandardisierten Inzidenzraten für nicht-melanozytären Hautkrebs (Plattenepithelkarzinome und Basalzellkarzinome) in Deutschland, Europastandard (EASR) (Epidemiologisches Krebsregister Saarland 2016, GEKID 2014)
Tabelle 14: Hochrechnung der Hautkrebsneuerkrankungen Deutschland 2012 (altersstandardisiert), (Katalinic 2015)
Hautkrebsentität | Gesamt | Männer | Frauen |
Malignes Melanom, invasiv | 21.180 | 10.640 | 10.540 |
Malignes Melanom, in situ | 9.420 | 4.780 | 4.640 |
Malignes Melanom, gesamt | 30.600 | 15.420 | 15.180 |
Basalzellkarzinom | 149.920 | 74.970 | 74.950 |
Plattenepithelkarzinom, invasiv | 45.140 | 25.200 | 19.940 |
Plattenepithelkarzinom, in situ | 38.210 | 17.410 | 20.800 |
Plattenepithelkarzinom, gesamt | 83.350 | 42.610 | 40.740 |
Hautkrebs gesamt | 263.870 | 133.000 | 130.870 |
Datenquelle: Krebsregister Schleswig-Holstein, 2015
3.2.1.1 Basalzellkarzinom (BCC)
Das Basalzellkarzinom ist ein langsam wachsender Tumor, der meist als kleines Knötchen beginnt, lokal das Gewebe zerstört (siehe Abbildung 24) und nur in sehr seltenen Ausnahmefällen metastasiert. Es geht vermutlich vom Epithel der Haarfollikel aus und tritt hauptsächlich im ständig der UV-Strahlung ausgesetzten Kopf-Hals-Bereich auf. Es kann aber auch an anderen Körperstellen, die normalerweise von Kleidung bedeckt sind, vorkommen. Eine Vorläuferform existiert nicht. Je nach Lokalisation können die Konsequenzen schwerwiegend und erheblich belastend sein. Das Risiko, an einem BCC zu erkranken, wird sowohl von der Lebenszeitdosis an UV-Strahlung als auch von intermittierenden UV-Expositionen, wie z.B. bei Urlauben im Süden sowie Sonnenbränden in der Kindheit und Jugend, mitbeeinflusst (Armstrong und Kricker 2001, Gallagher et al. 1995b, Kricker et al. 1991, Kricker et al. 1995b, Kricker et al. 1995a, Rosso et al. 1996, Vitasa et al. 1990, Wu et al. 2014a, Wu et al. 2014b, Zanetti et al. 1996).
Abbildung 24: Basalzellkarzinom
In bis zu 100 % aller auftretenden BCCs werden Mutationen (häufig "UV-signature" C → T Transitionsmutationen) in Genen des wichtigen Sonic-Hedgehog-Patched-Smoothened Signalweges, der in der Haut in Haarfollikel-Wachstum und Morphogenese involviert ist, beschrieben (Aszterbaum et al. 1999, Brellier et al. 2004). Eine Vielzahl von Untersuchungen weist darauf hin, dass die Störung dieses Signalweges den Hauptgrund für die Entwicklung des BCC darstellt, und dass BCCs aus Zellen des Haarfollikels entstehen (Boehnke et al. 2012, Boukamp 2005).
Das BCC stellt den häufigsten Hautkrebs dar. Nach Tabelle 14 erkrankten im Jahr 2012 in Deutschland 74.970 Männer und 74.950 Frauen neu an einem BCC. Der Altersgipfel für das BCC liegt im sechsten und siebten Lebensjahrzehnt. Eine Metastasierung ist sehr selten (Di Lernia et al. 2013). Die Mortalitätsrate ist niedrig und liegt für nicht melanozytären Hautkrebs (BCC und SCC) bei < 0,6 pro 100.000 Einwohner (Männer) und 0,3 pro 100.000 Einwohner (Frauen) (GEKID 2014).
3.2.1.2 Plattenepithelkarzinom (Spinozelluläres Karzinom, SCC)
Plattenepithelkarzinome wachsen lokal das Gewebe zerstörend und treten zu ca. 90 % an UV-exponierten Arealen wie Gesicht, Ohren, Unterlippe und Handrücken auf (siehe Abbildung 25). Das Risiko an einem SCC zu erkranken steigt mit der UV-Lebenszeitdosis an (Armstrong und Kricker 2001, Wu et al. 2014a, Wu et al. 2014b). SCC entstehen zumeist in einer chronisch UV-geschädigten Haut (z.B. solare Elastose), in der sich als Vorstufe die aktinische Keratose bildet: Sie erscheint als eine scharf begrenzte Rötung mit rauer, Sandpapier ähnlicher Oberfläche. Im Verlauf bilden sich festanhaftende bräunlichgelbe Verhornungen, die wie Schorf aussehen können. In bis zu 10 % der Fälle gehen die Veränderungen schließlich in ein Plattenepithelkarzinom über: An der Basis der Verhornung bildet sich das Plattenepithelkarzinom in Form einer Infiltration der Haut, die im weiteren Verlauf knötchenförmig wird, an Größe zunimmt und schließlich geschwürartig aufbrechen kann. Diese Umwandlung kann sich sehr schnell, unter Umständen innerhalb von Tagen oder Wochen vollziehen.
Abbildung 25: Plattenepithelkarzinom
Für die Ätiologie des SCCs existiert ein relativ gut beschriebenes Modell, bei dem früh auftretende UV-spezifische Mutationen im p53-Gen in der Phase der Tumor-Initiation die Entstehung einer präkanzerösen Vorstufe des SCCs, der aktinischen Keratose (AK), begünstigen. Es wird angenommen, dass in der AK zunächst nur ein Allel des p53-Gens mutiert ist. Hierdurch wird die p53-abhängige Apoptose UV-geschädigter Zellen (sog."sunburn cells") eines Teils der Zellen verhindert. Da gleichzeitig "benachbarte" Zellen normale Apoptose zeigen, haben p53-mutierte Zellen einen "Selektionsvorteil" und können klonal zur AK expandieren. Wird in diesen Zellen das zweite p53-Allel in der Phase der Tumorpromotion mutiert, ist die p53-abhängige Zellzyklus-Checkpoint-Funktion ausgeschaltet. Es kommt zum Auftreten unkontrollierten Zellwachstums und durch Induktion weiterer (evtl. UV-bedingter) Mutationen in anderen Genen (z.B. ras) in der Phase der Tumorprogression zur Bildung invasiver SCCs (Brash 1997, Cleaver und Crowley 2002, Ziegler et al. 1994). In mehr als 90 % der Patienten mit In-situ-SCC (also noch nicht invasiv wachsenden SCC) wurden im p53-Gen "UV-signature-mutation" nachgewiesen (Ortonne 2002).
Das SCC ist der zweithäufigste Hautkrebs. In Deutschland erkrankten im Jahr 2012 42.610 Männer und 40.740 Frauen neu an einem SCC (siehe Tabelle 14). Der Altersgipfel für das SCC liegt im sechsten und siebten Lebensjahrzehnt, allerdings können auch jüngere Menschen erkranken. Die Mortalitätsrate ist niedrig und liegt für nicht melanozytären Hautkrebs (BCC und SCC) bei 0,6 pro 100.000 Einwohner (Männer) und 0,3 pro 100.000 Einwohner (Frauen). Je nach Ausmaß des Tumors treten bei Patienten mit einem SCC der Haut in etwa 0,5 % bis 5 % der Fälle Metastasen auf (Lund 1965, Moller et al. 1979), beim Vorliegen besonders fortgeschrittener Tumore in ca. 16 % (Brantsch et al. 2008). Das Auftreten von Metastasen ist mit einer schlechten Prognose verbunden.
3.2.1.3 Malignes Melanom (MM)
Das maligne Melanom (siehe Abbildung 26) ist ein in der Regel pigmentierter Hauttumor, der für etwa 90 % der Sterbefälle an Hautkrebs verantwortlich ist. Dies liegt unter anderem daran, dass häufig (bei 25 % aller Erkrankten) Metastasen auftreten (Garbe und Lasithiotakis 2006). Das MM tritt in unterschiedlichen klinischen Erscheinungsformen auf. Manche Melanome wachsen langsam in die Fläche, während andere sich sehr schnell und in die Tiefe ausbreiten. Das MM kann an allen Bereichen der Haut auftreten: Auch die behaarte Kopfhaut, die Schleimhäute und die Haut unter Fuß- und Fingernägeln kann betroffen sein. Ein Zusammenhang zwischen UV-Exposition und Induktion von MM der Haut wird immer wieder in Frage gestellt, da MM auch an Körperstellen auftreten, die in der Regel nicht UV-exponiert sind. Die überwiegende Mehrheit der MM (94 %) lokalisiert allerdings an Körperregionen, die häufig oder intermittierend UV-Strahlung ausgesetzt sein können (Gesicht, sonstiger Kopf, Hals, Brust, Rücken, Oberarm, Unterarm, Hand, Oberschenkel, Unterschenkel, Fuß) (Blum et al. 2004).
Abbildung 26: Malignes Melanom (Skala in mm)
Es gibt zahlreiche Hinweise, dass MM aufgrund intermittierender UV-Exposition und schwerer Sonnenbrände in der Kindheit und Jugend auftreten (Armstrong und Kricker 2001, Blum et al. 2004, Dulon et al. 2002). Dies wird auch durch sogenannte Einwandererstudien unterstützt, in denen untersucht wurde, ob sich das Risiko, an einem MM zu erkranken, bei Migration in ein Land mit einem im Vergleich zum Geburtsort hohen Erkrankungsrisiko ändert. Die Studiendaten, die für europäische Einwanderer mit hellem Hauttyp nach Israel oder Australien erhoben wurden, zeigten, dass das Risiko, an einem MM zu erkranken, nur dann dem höheren Risiko im Einwanderungsland entsprach, wenn die Migration bereits in der Kindheit stattfand (Cooke 1985, Katz et al. 1982, Khlat et al. 1992, Levine et al. 2013, McCredie und Coate 1989, Steinitz et al. 1989). Hellhäutige Individuen (Hauttyp I; siehe Abschnitt 3.1.4, Tabelle 13) mit roten oder blonden Haaren, die zu Sommersprossen-Bildung neigen, nicht bräunen und sehr leicht einen Sonnenbrand erleiden, tragen ein hohes Risiko, an einem MM zu erkranken. Es gibt Hinweise darauf, dass dies im Zusammenhang mit der Bildung des Pigmentes Pheomelanin steht. Pheomelanin wirkt photosensibilisierend, da nach Absorption von UVA-Strahlung durch dieses Molekül schädigende reaktive Sauerstoffspezies entstehen (Ranadive et al. 1986). Neuere Arbeiten weisen darüber hinaus darauf hin, dass durch die Bildung von Pheomelanin der Gehalt an reaktiven Sauerstoffspezies in der Zelle auch ohne UV-Einwirkung erhöht ist (Morgan et al. 2013) und Pheomelanin deshalb eine potenziell mutagene Wirkung zugeschrieben werden kann (Mitra et al. 2012). Im Gegensatz zu SCC und BCC scheinen UV-induzierte Mutationen im p53-Gen von untergeordneter Bedeutung zu sein. Nur ca. 20 % maligner Melanome weisen p53-Mutationen auf (Zerp et al. 1999).
Mutationen im BRAF-Gen sind von großer Bedeutung für die Entstehung des MM (Daniotti 2004, Sasaki et al. 2004). Diese Mutationen führen zu einer dauerhaften Aktivierung des wichtigen MAPK (mitogen-activated protein kinase)-Reaktionsweges (Sondak und Smalley 2009). Pleasance und Mitarbeiter katalogisierten 2010 zum ersten Mal das gesamte Spektrum somatischer Mutationen im Gesamt-Genom einer Melanom-Metastase (Pleasance et al. 2010). Dabei stellte sich heraus, dass die Mehrzahl (ca. 70 %) der detektierten Einzelbasen-Substitutionen vom Typ C → T und ca. 70 % der Dinukleotid-Substitutionen vom Typ CC → TT waren. Da bekannt ist, dass es sich hierbei um UV-spezifische Mutationen ("signature-mutations") handelt (siehe Nummer 3.1.2), stellt dieser Befund eine starke Korrelation zwischen malignem Melanom und UV-Exposition her (Pfeifer und Besaratinia 2012).
Für das maligne Melanom gibt es Hinweise, dass die Prädisposition autosomal dominant vererbbar ist, da ca. 3 % bis 5 % der erkrankten Patienten einen oder mehrere Verwandte 1. Grades aufweisen, die ebenfalls am malignen Melanom erkrankt sind (Fallah et al. 2014, Olsen et al. 2010). Eine wichtige Rolle spielen dabei Mutationen im p16INK4A-Gen (Hussussian et al. 1994, Kamb et al. 1994).
In Deutschland erkrankten 15.420 Männer und 15.180 Frauen im Jahr 2012 neu an einem malignen Melanom (siehe Tabelle 14), etwa 3.000 Menschen verstarben daran. Der Altersgipfel liegt um das 50. Lebensjahr, eine Erkrankung kann aber auch früher auftreten.
3.2.1.4 Risikofaktoren für Hautkrebs
Die Beschreibung der Risikofaktoren basiert auf der aktuellen S3-Leitlinie Prävention von Hautkrebs mit einer systematischen Literaturrecherche von Januar 1995 bis April 2012 (AWMF 2014).
Bei den Risikofaktoren muss für alle Hautkrebsarten zwischen konstitutionellen (angeborenen), erworbenen und Expositions-Risikofaktoren unterschieden werden.
Als konstitutioneller Risikofaktor für nicht-melanozytären Hautkrebs (BCC und SCC) ist der Hauttyp (siehe Nummer 3.1.4, Tabelle 13) zu nennen (Gallagher et al. 1995a, Gallagher et al. 1995b) (siehe Tabelle 15), zu den erworbenen Risikofaktoren zählen die chronisch UV-geschädigte Haut (Moon und Oh 2001), das Vorhandensein aktinischer Keratosen (Dodson et al. 1991), die Erkrankung an einem BCC oder SCC in der Vorgeschichte (Eigenanamnese) (Marcil und Stern 2000), Immunsuppression (z.B. im Rahmen einer Organtransplantation) (Berg und Otley 2002, Dantal et al. 1998, Espaiia et al. 1995, Jensen et al. 1999, Otley 2002, Preciado et al. 2002) oder eine durch Strahlentherapie geschädigte Haut (Karagas et al. 1996, Lichter et al. 2000, Travis und Arndt 1986).
Für die aufgeführten erworbenen Risikofaktoren für nicht-melanozytären Hautkrebs werden in der Literatur in unterschiedlichen Studien Werte für relative Risiken (RR), bzw. Lebenszeitrisiken, angegeben. Im Folgenden werden exemplarisch einige dieser Werte für den nicht-melanozytären Hautkrebs aufgelistet:
Das Vorhandensein multipler aktinischer Keratosen über einen 10-Jahresabschnitt ist mit einem Lebenszeitrisiko für die Entstehung eines Plattenepithelkarzinoms (SCC) im Bereich von 6 % bis 10 % angegeben. Das Risiko, bei einem SCC in der Eigenanamnese innerhalb von fünf Jahren ein weiteres SCC zu entwickeln, liegt bei 30 %, ein Basalzellkarzinom (BCC) zu entwickeln bei ca. 40 %. Das Risiko bei einem BCC in der Eigenanamnese innerhalb von drei Jahren ein weiteres BCC zu entwickeln liegt bei 44 %, ein SCC zu entwickeln bei ca. 6 %. SCC entstehen bis zu fünfundsechzigmal häufiger bei immunsupprimierten Transplantationspatienten im Vergleich zu Kontrollen. Immunsupprimierte Transplantationspatienten entwickeln mehr SCC als BCC (4 : 1).
Bezüglich der Expositions-Risikofaktoren unterscheiden sich SCC und BCC. Während die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung eines SCCs mit steigender, lebenslang erworbener UV-Dosis (kumulativer Dosis) korreliert, ist die UV-Dosis-Wirkungsbeziehung für das BCC noch nicht vollständig geklärt. Für das BCC scheint die kumulative UV-Exposition nur von untergeordneter Bedeutung zu sein, die intermittierende UV-Belastung spielt eine größere Rolle (Armstrong und Kricker 2001, Khalesi et al. 2013) (siehe Tabelle 17).
Tabelle 15: Relative Risiken für nicht-melanozytären Hautkrebs (SCC, BCC): Konstitutioneller Risikofaktor "Hauttyp" (siehe Nummer 3.1.4, Tabelle 13) (Daten aus Gallagher et al. 1995a, Gallagher et al. 1995b)
Risikofaktor | Relatives Risiko Zahlen in Klammern: 95 % KI |
Hauttyp I vs IV (BCC) | 5,1 (1,4 - 11,3) |
Hauttyp II vs IV (BCC) | 5,3 (1,7 - 10,6) |
Hauttyp I vs IV (SCC) | 1,4 (0,5 - 3,0) |
Hauttyp II vs IV (SCC) | 2,2 (0,7 - 3,8) |
Konstitutionelle Risikofaktoren des MM sind der Hauttyp (siehe Nummer 3.1.4, Tabelle 13) (Gandini et al. 2005c) und die Anzahl angeborener, insbesondere großer und sehr großer Pigmentmale (DeDavid et al. 1997, Greeley et al. 1965, Grob et al. 1990, Hendrickson und Ross 1981, Illig 1986). Zu den wichtigsten erworbenen Risikofaktoren für das MM zählen die Anzahl erworbener Pigmentmale (Bataille et al. 1996, Breitbart et al. 1997, Gandini et al. 2005a, Naldi et al. 2000), die Anzahl klinisch atypischer Pigmentmale (Gandini et al. 2005a, Halpern et al. 1991), die Erkrankung an einem MM in der Vorgeschichte (Tucker et al. 1985) und die Erkrankung eines Verwandten 1. Grades (Eltern, Kinder) am MM (Ford et al. 1995, Hemminki et al. 2001). Risikofaktoren für das maligne Melanom, die in einer großen Metaanalyse identifiziert wurden, sind in Tabelle 16 dargestellt. Für das MM stellen intermittierende UV-Expositionen (z.B. Urlaube mit hoher Sonnenexposition) und Sonnenbrände den größten Expositions-Risikofaktor dar (Armstrong und Kricker 2001, Gandini et al. 2005b) (siehe Tabelle 17). Auch die Exposition im Sonnenstudio ist ein Risikofaktor. So erhöht sich das Risiko an einem MM zu erkranken durch die regelmäßige Nutzung von Sonnenstudios (einmal im Monat) vor denn 35. Lebensjahr um 60 % (Boniol et al. 2012a, Boniol et al. 2012b).
Tabelle 16: Relative Risiken für das maligne Melanom (konstitutionell und erworben) (Daten aus Gandini et al. 2005a, Gandini et al. 2005b, Gandini et al. 2005c)
Risikofaktoren | RR (95 % KI) |
Hauttyp I (siehe Abschnitt 3.1.4) | 2,09 (1,67 - 2,58) : I vs. IV |
Anzahl der erworbenen Nävi | 6,89 (4,63 - 10,25) : 101 - 120 vs. < 15 |
Anzahl der atypischen Nävi | 6,36 (3,80 - 10,33) : 5 vs. 0 |
Melanom in Familienanamnese | 1,74 (1,41 - 2,14) |
Viele Sommersprossen | 2,10 (1,80 - 2,45) |
Hautfarbe: hell vs. dunkel | 2,06 (1,68 - 2,52) |
Augenfarbe: blau vs. dunkel | 1,47 (2,80 - 2,55) |
Haarfarbe: rot vs. dunkel | 2,02 (1,24 - 3,29) |
Vorstufe und Hautkrebs-Läsionen* | 4,28 (2,8 - 6,55) |
Aktinischer Schaden** | 2,02 (1,24 - 3,29) |
* aktinische Keratose, Plattenepithelkarzinom, Basalzellkarzinom
** solare Lentigines, Elastose |
Tabelle 17: Relative Risiken für das Auftreten von BCC, SCC und MM bei unterschiedlichen Sonnenexpositionsmustern (Armstrong und Kricker 2001). Das relative Risiko bezieht sich jeweils auf den Vergleich der niedrigsten mit der höchsten UV-Exposition innerhalb der untersuchten Gruppen mit unterschiedlichen Expositionsmustern
Art der Exposition | BCC - AR (95 % KI) | SCC - RR (95 % KI) | MM - RR (95 % KI) |
Gesamt (kumulativ) | 0,98 (0,68 - 1,41) | 1,53 (1,02 - 2,27) | 1,20 (1,00 - 1,44) |
Beruflich | 1,19 (1,07 - 2,27) | 1,64 (1,26 - 2,13) | 0,86 (0,77 - 0,96) |
Nicht-beruflich oder intermittierend | 1,38 (1,24 - 1,54) | 0,91 (0,68 - 1,22) | 1,71 (1,54 - 1,90) |
Sonnenbrand in jedem Alter | 1,40 (1,29 - 1,51) | 1,23 (0,90 - 1,69) | 1,91 (1,69 - 2,17) |
3.2.2 Bedeutung von Vitamin D
3.2.2.1 Die UV-Vitamin-D-Gesundheitsdiskussion
In den letzten 10 Jahren wird in der Fachwelt, aber auch vermehrt in der Öffentlichkeit, diskutiert, ob durch eine UV-induzierte Vitamin-D-Synthese in der Haut und die dadurch bedingte Bio-Verfügbarkeit des Vitamins im Körper gesundheitliche Verbesserungen erzielt werden können, die über den bekannten positiven Einfluss auf den Knochenaufbau und Knochenerhalt hinausgehen. Demgegenüber steht die Forderung eines konsequenten UV-Schutzes zur Minimierung des Hautkrebsrisikos. Hier bedarf es also einer sorgfältigen Nutzen-Risiko-Analyse.
Die Diskussion wurde durch epidemiologische Befunde aus geographischen Korrelationsstudien (ökologischen Studien) und aus experimentellen Studien angestoßen, die die Hypothese unterstützen, dass das Auftreten von Krebserkrankungen und auch anderer Krankheitsbilder im Zusammenhang mit einer verminderten Vitamin-D-Produktion in Folge reduzierter UV-Exposition stehen könnte (Deeb et al. 2007, Garland und Garland 1980, Grant 2009b, Grant und Mohr 2009). Einen guten Überblick über die veröffentlichte Literatur zu diesem Thema geben die beiden großen Analysen von International Agency for Research on Cancer und Institute of Medicine (IOM 2011, IARC 2008) und eine Übersichtsarbeit von Lucas et al. 2015 (Lucas et al. 2015).
Auf der Basis dieser Datenlage resultierte in den letzten Jahren die verstärkte Forderung (z.B. der WHO (Lucas et al. 2006a)) nach ausgewogeneren, "balancierten" Botschaften des Strahlenschutzes (an die Bevölkerung), welche neben den Risiken der UV-Strahlung auch gesundheitlich positive Wirkungen von UV-Strahlung (vor allem im Zusammenhang mit der Vitamin-D-Produktion) berücksichtigen sollten.
Bei der Bewertung der Datengrundlage zu den gesundheitlichen Wirkungen von UV-Strahlung, insbesondere im Zusammenhang mit der Vitamin-D-Produktion, bzw. der Vitamin-D-Spiegel (im Blut oder Serum), die als "gesund" angesehen werden, gibt es zumindest 3 Punkte zu beachten:
A Wirkungsspektren Vitamin-D-Produktion/HautkrebsentstehungB Optimale 25(OH)D-Konzentration und notwendige UV-Exposition
C Studiendesign Studienqualität
Diese Punkte werden im Folgenden erläutert.
A Wirkungsspektren Vitamin-D-Produktion/Hautkrebsentstehung:
Prinzipiell kann keine UV-induzierte Vitamin-D-Synthese ohne die Erhöhung des Risikos für das Auftreten prämutagener DNA-Läsionen und Hautkrebs auftreten (de Gruijl 1999, IARC 2008, Wolpowitz und Gilchrest 2006), da die Wirkungsspektren für das Auftreten UV-induzierter DNA-Läsionen (z.B. Thymin-Dimere siehe Nummer 2.2.3, Abbildung 5), für die Entstehung des (nicht-melanozytären) Hautkrebses, für die Induktion des Erythems sowie für die UV-abhängige Synthese von Prävitamin D in der Haut nahezu identisch sind (siehe Abbildung 27). Diese für den Strahlenschutz wichtige Tatsache muss in den Empfehlungen an die Bevölkerung maßgeblich berücksichtigt werden.
Abbildung 27: Die kutane Vitamin-D-Synthese kann nicht getrennt von den schädigenden Effekten der UV-Strahlung betrachtet werden, da sich die spektralen Wirkungsspektren überlagern. Dargestellt sind die Wirkungsspektren für die kutane Synthese von Prävitamin D (blau) (Matsuoka et al. 1987), für die Induktion von Plattenepithelkarzinomen und von DNA-Schäden (grün) (de Gruijl 1999) sowie für die Induktion des Erythenns (rot) (Adams et al. 1982). Für alle Endpunkte liegt die maximale Effektivität innerhalb des UVB-Bereichs. (Wolpowitz und Gilchrest 2006)
B Optimale 25(OH)D-Konzentration und notwendige UV-Exposition:
Es besteht immer noch große Unsicherheit über den quantitativen Zusammenhang der UV-Dosis, der Vitamin-D-Produktion in der Haut und darüber, inwieweit Faktoren wie das Alter, der Pigmentierungsgrad der Haut, die Verwendung von Sonnenschutzmitteln, der anatomische Ort der exponierten Hautfläche, das tages- und jahreszeitlich variierende UVA/UVB-Verhältnis und andere Einflussgrößen die Vitamin-D-Synthese beeinflussen, siehe z.B. (Fioletov et al. 2009, Fioletov et al. 2010, Godar et al. 2011, Godar et al. 2012, Tsiaras und Weinstock 2011). Aufgrund einer großen interindividuellen Variabilität von gemessenen Serumkonzentrationen von 25(OH)D gibt es darüber hinaus keine Evidenz für einen bestimmten Wert der Vitamin-D-Serumkonzentration, welcher allgemein den gesunden Menschen charakterisiert. Unterschiedliche Bestimmungsmethoden können darüber hinaus zu abweichenden Ergebnissen führen (z.B. Roth et al. 2008).
Aufgrund großer Studien (vor allem zum Sturz- und Fraktur-Risiko) und publizierter Referenzwerte in einer großen Übersichtsarbeit des Institute of Medicine (IOM 2011) und in Übereinstimmung mit z.B. der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE 2011) wird eine Serumkonzentration von 25(OH)D von mindestens 50 nmol/l (20 ng/ml) als ausreichend zur Deckung des Bedarfs der Bevölkerung angesehen. Bei einer Konzentration von kleiner als 30 nmol/l (12 ng/ml) spricht die DGE von einer Mangelversorgung (DGE, ÖGE und SGE 2015).
Vor diesem Hintergrund erregen Daten, die vom Robert Koch-Institut erhoben und im Jahr 2008 veröffentlicht wurden, großes öffentliches Interesse. In einer repräsentativen deutschlandweiten Studie des Robert Koch-Instituts wurden die 25(OH)D-Konzentrationen im Serum bei 3.917 Erwachsenen (Teilnehmende des in den Bundes-Gesundheitssurvey 1998 integrierten Ernährungssurveys, der von Oktober 1997 bis März 1999 durchgeführt wurde (Mensink et al. 1999)) im Alter von 18 bis 79 Jahren bestimmt (RIA-Testkit, DiaSorin, Stillwater, USA). Daneben wurden bei 10.015 Kindern und Jugendlichen im Alter von ein bis 17 Jahren (Teilnehmende des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys, KiGGS) die 25(OH)D-Werte im Serum gemessen. Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund waren entsprechend ihres Anteils in der Bevölkerung vertreten.
Etwa 62 % der Jungen und 64 % der Mädchen im Alter von ein bis 17 Jahren sowie 57 % bzw. 58 % der 18- bis 79-jährigen Männer und Frauen wiesen im Jahresmittel suboptimale 25-Hydroxyvitamin-D-Konzentrationen unter 50 nmol/l (20 ng/ml) auf (siehe Tabelle 18). Bei der Auswertung und Interpretation der Studienergebnisse wurde für eine Mangelversorgung ein Wert von 25 nmol/l(10 ng/ml) zugrunde gelegt (Hintzpeter et al. 2008a), der auch in der Stellungnahme der DGE aus dem Jahr 2011 als Referenzwert für eine Vitamin-D-Mangelversorgung angegeben wird (DGE 2011). Demnach lagen bei 19 % der Jungen und Mädchen sowie 16 % der Männer und 17 % der Frauen eine Mangelversorgung mit 25(OH)D-Werte im Bereich unter 25 nmol/l (10 ng/ml) (siehe Tabelle 18) vor.
Die 25(OH)D-Konzentrationen im Serum unterliegen einer großen saisonalen Abhängigkeit. Sie sind im Bevölkerungsdurchschnitt niedriger im Winter und höher im Sommer. Im Winter fanden sich 25(OH)D-Konzentrationen im Serum unter 50 nmol/l (20 ng/ml) bei ca. 50 % der Ein- bis Zweijährigen, bei über 60 % der 18- bis 79-Jährigen und bei über 80 % der 11- bis 17-Jährigen. Sogar im Sommer wies die Mehrzahl der Frauen im Alter von 65 bis 79 Jahren (75 %) und der Migranten im Alter von drei bis 17 Jahren (65 %) 25(OH)D-Konzentrationen im Serum unter 50 nmol/l (20 ng/ml) auf (Hintzpeter et al. 2008a, Hintzpeter et al. 2008b).
Bei Annahme einer Mangelversorgung bei 25(OH)D-Werten unter 25 nmol/l (10 ng/ml) fielen im Winter 31 % der Frauen im Alter zwischen 65 und 79 Jahren in diese Kategorie, während dies im Sommer bei 23 % der Fall war. Die entsprechenden Anteile bei elf- bis 17-jährigen Jungen mit Migrationshintergrund lagen bei 51 % im Winter und 15 % im Sommer, bei gleichaltrigen Mädchen mit Migrationshintergrund bei 50 % im Winter und 17 % im Sommer (DGE 2011).
Tabelle 18: 25(OH)D-Konzentrationen im Serum nach Alter und Geschlecht im Jahresmittel (DGE 2011, ergänzt durch Spalte 2 mit Daten aus Hintzpeter et al. 2008a, Hintzpeter et al. 2008b)
25-Hydroxyvitamin D | Alle (1 - 17 Jahre) | Jungen (1 - 17 Jahre) | Mädchen (1 - 17 Jahre) | Alle (18 - 79 Jahre) | Männer (18 - 79 Jahre) | Frauen (18 - 79 Jahre) | |
[nmo/l] | [ng/ml] | n = 10.015 | n = 5.107 | n = 4.908 | n = 3.917 | n = 1.706 | n = 2.211 |
< 12,5 | < 5,0 | 3,8 % | 3,60 % | 4,00 % | 2,0 % | 2,20 % | 1,9 % |
12,5 bis < 25 | 5,0 bis < 10 | 15,50 % | 15,60 % | 15,40 % | 14,3 % | 13,40 % | 15,1 % |
25 bis < 50 | 10 bis < 20 | 43,70 % | 42,90 % | 44,50 % | 41,0 % | 41,20 % | 40,8 % |
50 bis < 75 | 20 bis < 30 | 22,80 % | 23,3 % | 22,30 % | 20,8 % | 22,60 % | 19,1 % |
> 75 | > 30 | 14,20 % | 14,60 % | 13,8 % | 21,9 % | 20,60 % | 23,1 % |
Diese Daten wurden teilweise zum Anlass genommen zu empfehlen, einem suboptimalen Vitamin-D-Status ( < 50 nmol/l, entsprechend < 20 ng/ml 25(OH)D) großer Teile der Bevölkerung (mehr als 50 % laut den Ergebnissen der RKI-Studien) mittels einer intensiveren UV-Exposition sowohl gegenüber solarer als auch künstlicher UV-Strahlung zu begegnen. Es wurde auch die Vermutung geäußert, dass ein konsequenter UV-Schutz im Sinne der Risikominimierung für Hautkrebs einen Vitamin-D-Mangel herbeiführe und mit einem erhöhten Risiko für diverse andere Erkrankungen - auch Krebserkrankungen - einherginge. In einigen Veröffentlichungen einer Arbeitsgruppe wurde davon gesprochen, dass dies zu einer deutlichen Erhöhung der Todesfälle durch Krebserkrankungen insgesamt führe und dass die ökonomischen Belastungen im Gesundheitswesen durch Vitamin-D-Mangel weit höher liegen als die, welche durch UV-induzierte Hautkrebserkrankungen hervorgerufen würden (Grant 2002, Grant 2008, Grant 2009a, Grant 2011, Grant und Garland 2006, Grant et al. 2005, Grant et al. 2010).
Bis vor kurzem lagen keine gesicherten Ergebnisse zur UV-abhängigen Vitamin-D-Syntheseleistung der menschlichen Haut in vivo vor. Bekannt war, dass das Lebensalter für die Vitamin-D-Synthese-Leistung der Haut von Bedeutung ist - sie nimmt mit dem Alter deutlich ab und kann auf weniger als die Hälfte abfallen (MacLaughlin und Holick 1985). Neben der abnehmenden Hautdicke im Alter (Need et al. 1993) wird ein reduzierter 7-DHC-Gehalt als mögliche Ursache für die in der Altershaut verminderte Vitamin-D-Synthese angesehen (MacLaughlin und Holick 1985). Holick et al. (Holick et al. 1989) zeigten, allerdings mit sehr geringen Probandenzahlen (n), dass bei jüngeren Probanden (20 bis 30 Jahre, n = 6) eine einzelne UV-Ganzkörperbestrahlung einen deutlich stärkeren Anstieg der 25(OH)D-Serumkonzentration bewirkt [von 6,5 nmol/l (2,6 ng/ml) auf 75 nmol/l (30 ng/ml)] als bei älteren Probanden [62 bis 80 Jahre, n = 6; Anstieg von 3,2 nmol/l(1,5 ng/ml) auf 19 nmol/l(7,6 ng/ml)]. Neuere Untersuchungen bestätigen diese altersabhängigen Trends (bis zu einem Alter von 65 Jahren) sowohl in Bezug auf den 7-DHC-Gehalt der Haut als auch in Bezug auf die 25(OH) D3-Bildungseffektivität nicht (Knuschke et al. 2012).
Eine Reihe von Untersuchungen und daraus resultierende Abschätzungen, vor allem der Arbeitsgruppe um Holick (an einem kleinen Probandenkollektiv) deuten darüber hinaus an, dass in vielen Regionen der Erde kurzzeitige und begrenzte UV-Expositionen durch die Sonne genügen, um eine ausreichende kutane Vitamin-D-Synthese zu gewährleisten (Holick 2007). Diese Abschätzungen zeigen, dass die kutane Produktion von Vitamin D bei einer Sonnenexposition des menschlichen Körpers in Badekleidung mit einer minimalen Erythemdosis (1 MED) - jener UV-Dosis, die eine gerade sichtbare Hautrötung hervorruft - in etwa der oralen Einnahme von 10.000 bis 25.000 IE (250 pg bis 635 pg) Vitamin D entspricht (Matsuoka et al. 1987). Deshalb wird von einigen Autoren die Exposition von weniger als 18 % der Körperoberfläche (z.B. Hände, Arme und Gesicht) zwei- bis dreimal pro Woche mit einer Dosis von bis zu einem Drittel oder der Hälfte der MED im Frühjahr, Sommer und Herbst als ausreichend angesehen, um eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung zu gewährleisten (Holick 2007, Holick 2008).
Neue Untersuchungen, die zum ersten Mal die Vitamin-D-Serumkonzentration nach UV-Exposition unter kontrollierten Bedingungen in einem Kollektiv von Probanden in "Sommerbekleidung" bestimmten, bestätigen diese Abschätzungen nun experimentell:
Rhodes et al. (Rhodes et al. 2010) und Webb et al. (Webb et al. 2011) exponierten in einer Studie Kaukasier (Hauttyp I, II und III, siehe Abschnitt 3.1.4, Tabelle 13), bekleidet nur mit T-Shirt und Shorts ( K35 % Haut), ungeschützt durch ein UV-Bestrahlungsgerät mit sonnenähnlichem UV-Spektrum (95 % UVA, 5 % UVB) über sechs Wochen dreimal wöchentlich mit 1,3 SED (ca. 0,5 MED für Hauttyp II). Die 1,3 SED waren, im beschriebenen zeitlichen Expositionsmuster, ausreichend, eine 25(OH)D-Serumkonzentration von 50 nmol/l (20 ng/ml) aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Exposition in dieser Studie in einem Gerät erfolgte, bei dem die exponierte Person liegend UV exponiert wird, korrigierten Webb et al. die Expositionsdauer für den realistischeren Fall einer aufrecht gehenden (stehenden) Person. Unter diesen Bedingungen sind dann dreimal wöchentlich 33 Minuten oder täglich 17 Minuten solare UV-Exposition in der Sommer-Mittagssonne in Manchester von 35 % der Haut (T-Shirt, Shorts) genug, den ausreichenden 25(OH)D-Spiegel zu erhalten. Wie Rhodes et al. und Webb et al. zeigen, gilt diese Expositionsdauer im Mittel für die untersuchten Hauttypen I bis III. Es ist zu beachten, dass die Exposition der Sonnenterrassen (Hoeppe et al. 2004) deutlich höher sein kann und damit für die Hauttypen I bis III die Gefahr besteht, dass ein UV-Erythem ausgelöst wird.
Diese Zahlen belegen, dass für eine ausreichende 25(OH)D-Serumkonzentration nur kurze Expositionen im Freien, bei Sommerbekleidung und UV-Indizes, die für die Sommerzeit charakteristisch sind, nötig sind.
Da die Produktion von Vitamin D von der Höhe der UV-Bestrahlung (also dem Produkt aus Bestrahlungsstärke und Expositionsdauer) auf der Haut abhängig ist (siehe Nummer 4), reicht bei höheren UV-Bestrahlungsstärken, die bei höheren UVI-Werten als in Manchester im Sommer zur Mittagszeit auftreten können, (siehe oben) eine kürzere Expositionsdauer aus. Bei kleineren UVI-Werten wird eine entsprechend längere Expositionsdauer benötigt.
Über diese relativ kurzen Zeiten hinaus verlängerte UV-Expositionen führen nicht zu einer vermehrten Bildung von Vitamin D. IARC weist in ihrem 2008 Report (IARC 2008) darauf hin, dass für hellhäutige Menschen die maximale Prävitamin-D3-Synthese schon bei suberythemalen UV-Dosen rasch (innerhalb von Minuten) erreicht ist (Holick 1981) und sich ein Gleichgewicht zwischen Photo-Isomerisierungs-Produkten (Tachysterol, Lumisterol), Photodegradation und Prävitamin D3 schon nach kurzen UVB-Expositionen einstellt (Holick 2004). Wird dieser Expositionsbereich überschritten, führt dies nur noch zu einer Erhöhung der UV-induzierten DNA-Schäden und somit zu einer Erhöhung des Hautkrebsrisikos und nicht zu einer Erhöhung von Prävitamin D3 in der Epidermis (Gilchrest 2008, Wolpowitz und Gilchrest 2006).
Anwendung von Sonnencremes und Vitamin-D-Produktion
Zur Prävention von Hautkrebs wird nach der Vermeidung extremer UV-Exposition und textilem UV-Schutz die Nutzung von Sonnencremes empfohlen. Da die modernen Sonnencremes bei optimaler Anwendung (Auftrag von 2 mg/cm2 Körperfläche) die UVB- und UVA-Exposition reduzieren und das Hautkrebsrisiko senken (Green et al. 2011b), ist häufig diskutiert worden, ob der Einsatz von Sonnencremes zur Vitamin-D-Defizienz und zu möglichen gesundheitlichen Risiken (siehe oben und Nummer 3.2.2.2) beiträgt.
In der Tat konnten kleinere experimentelle und Patienten-Studien von Matsuoka et al. zeigen, dass die Vitamin-D-Produktion durch den Einsatz von Sonnencremes beeinträchtigt wird (Matsuoka et al. 1987, Matsuoka et al. 1988, Matsuoka et al. 1990). Dieselbe Arbeitsgruppe berichtet in einer Fall-Kontroll-Studie, dass Langzeitnutzer (1 Jahr) von Sonnencremes 25(OH)D-Konzentrationen von ca. 40 nmol/l (16 ng/ml) im Vergleich zu ca. 90 nmol/l (36 ng/ml) in der Kontrollgruppe aufwiesen, also zwar einen niedrigeren Vitamin-D-Serumspiegel, aber keine Vitamin-D-Mangelversorgung zeigten (Matsuoka et al. 1988). Die Ergebnisse konnten auch in einer prospektiven randomisiert kontrollierten Studie von Marks et al. bestätigt werden, die zeigte, dass die Nutzung von Sonnencreme mit LSF 17 ausreichte, das Auftreten aktinischer Keratosen zu vermeiden, ohne zur Vitamin-D-Mangelversorgung zu führen (Marks et al. 1995). Dieser Befund wurde von weiteren anderen Studien gestützt (Farrerons et al. 1998, Sollitto et al. 1997). Neuere Arbeiten sind widersprüchlich. Das Auftragen von Sonnencreme erniedrigt und unterbindet bei einer Auftragung von 2 mg/cm2 die Vitamin-D-Produktion konzentrationsabhängig (Faurschou et al. 2012), während eine neue australische Studie zeigt, dass Sonnencremeanwendung den Vitamin-D-Status nicht beeinflusst (Jayaratne et al. 2012). Diese widersprüchlichen Befunde werden durch eine große Untersuchung im US National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES 2006 bis 2009) nachvollzogen und eher im Zusammenhang mit dem Aufenthalt im Schatten und dem Tragen langärmeliger Bekleidung gesehen (Linos et al. 2012). Der Einfluss eines möglichen veränderten Verhaltens der Sonnencreme-Nutzer, die dazu tendieren, sich länger in der Sonne aufzuhalten (Autier et al. 2000), wurde in den Studien berücksichtigt.
Trotz dieser teilweise widersprüchlichen Befunde wird davon ausgegangen, dass die Nutzung von Sonnencremes zu keiner Vitamin-D-Mangelversorgung führt (Wolpowitz und Gilchrest 2006). Dies hat zum einen damit zu tun, dass selbst bei Verwendung einer Sonnencreme mit LSF 20 noch 5 % der UVB-Strahlung die Haut erreichen. Zum anderen ist jedoch auch bekannt, dass Sonnencremes vom Anwender nicht in der Art und Weise genutzt werden, wie dies für einen optimalen, dem LSF entsprechenden UV-Schutz notwendig wäre. Studien zeigen, dass Sonnencremes ungleichmäßig und in nicht genügender Menge aufgetragen werden (nur ca. 50 % der notwendigen 2 mg/cm2) (Bech-Thomsen und Wulf 1992, Wolpowitz und Gilchrest 2006). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass auf diese Weise auch kein Schutz vor Hautkrebs erreicht wird (IARC 2001).
Vitamin-D-Supplementierung
Zu bestimmten Jahreszeiten (z.B. im Winter) ist es praktisch nicht möglich, aufgrund der nicht ausreichenden UV-Bestrahlungsstärke Vitamin D über die kutane Photosynthese in genügender Konzentration oder überhaupt zu synthetisieren (Hanwell et al. 2010, Thieden et al. 2009, Webb et al. 2010).
Viele große Studien haben jedoch in den letzten Jahren gezeigt, dass eine Supplementierung mit Vitamin D möglich ist, um ausreichende Vitamin-D-Konzentrationen im Serum aufrechtzuerhalten oder aufzubauen (DGE 2011, IOM 2011, IARC 2008). Die Supplementierung mit Vitamin D stellt somit sicherlich einen, wenn nicht den Ausweg aus der immer noch geführten Debatte im Bereich UV-Hautkrebsrisiko und Vitamin-D-Mangel dar. Internationale Studien gehen davon aus, dass eine tägliche Supplementierung mit Vitamin D in der Größenordnung von 200 IE bis 600 IE (abhängig vom Alter) eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung gewährleistet (Weinstock und Moses 2009). Andere Studien sprechen allerdings von bis zu notwendigen 5.000 IE pro Tag (Aloia et al. 2008, Heaney et al. 2003). Dabei wird ein toxischer Effekt der Vitamin-D-Supplementierung durch Hyperkalzämie und/oder Hypercalciurie bis zu 4.000 oder sogar 10.000 IE (Hathcock et al. 2007) ausgeschlossen.
Es besteht aktuell keine Übereinkunft darüber, in welcher Menge (IE) Vitamin D zugeführt werden soll (DGE 2011, IOM 2011, IARC 2008, Zeeb und Greinert 2010).
C Studiendesign
Die Aussagekraft einer Studie hängt vom Studiendesign ab. So sind im Allgemeinen Interventionsstudien mit einer hohen, ökologische Studien dagegen mit einer niedrigen Evidenz korreliert.
Neben einer Vielzahl ökologischer Studien wurde der Zusammenhang zwischen UV-Exposition und Hautkrebsentstehung in zahlreichen experimentellen Studien und durch die Aufklärung von Wirkungsmechanismen bestätigt. Die SSK hat darum in einer vergleichenden Bewertung der Evidenz von Krebsrisiken durch Strahlung (SSK 2011) die Evidenz für den Zusammenhang zwischen UV-Exposition und Hautkrebs als überzeugend eingestuft, und die IARC hat basierend auf diesen wissenschaftlichen Nachweisen UVA- und UVB-Strahlung als Karzinogen der Klasse I ("carcinogenic for humans") klassifiziert (El Ghissassi et al. 2009).
In Bezug auf die gesundheitlichen Auswirkungen von Vitamin D wurde in aussagekräftigen Interventionsstudien der positive Effekt der oralen Substitution mit Vitamin D auf das Sturzrisiko bei Älteren mit überzeugender Evidenz gezeigt (siehe Nummer 3.2.2.2) (DGE 2011). Viele der Studien, welche in den letzten Jahren bei der Diskussion über einen Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Mangel (aufgrund zu niedriger UV-Exposition) und Erhöhung der Krebsmortalität (bei verschiedenen Krebserkrankungen) herangezogen wurden, sind ökologischer Natur (siehe z.B. Grant und Mohr 2009). Die vorliegenden ökologischen Studien beruhen im Allgemeinen auf der Erfassung von Krebsmortalitäten in unterschiedlichen geographischen Regionen, in denen bestimmte Annäherungen für die UV-Exposition der Bevölkerung herangezogen wurden. Wie IARC mit Nachdruck aufzeigt, können auf diese Weise lediglich Hypothesen über mögliche Effekte von UV-Expositionen generiert werden (IARC 2008), da ökologische Studien bekannte Limitationen in Bezug auf den Nachweis kausaler Zusammenhänge aufweisen. Diese Limitationen sind vor allem dann gegeben, wenn Assoziationen für Gruppen von Individuen (z.B. in unterschiedlichen geographischen Regionen) nicht dieselben sind wie für einzelne Individuen selbst. So wurde z.B. in einigen Studien angenommen, dass alle Personen in einer bestimmten Region der gleichen UV-Exposition ausgesetzt sind. Dies ist, bei den bekannten Einflüssen des persönlichen Verhaltens auf z.B. die akkumulierte UV-Dosis bei gegebenem UV-Index, eine irreführende Verallgemeinerung. Das führt IARC in dem Report "Vitamin D and cancer" (IARC 2008) zusammenfassend zu der Einschätzung, dass "...ecological studies have many potential biases that affect the ability to draw conclusions from them about causality at the level of the individual person".
Diese Auffassung teilt die SSK seit langem: "Die SSK betrachtet ökologische Studien aufgrund der erheblichen Problematik der Kontrolle von Confoundern und der Einbeziehung von Interaktionen auf dem Niveau der aggregierten Daten in der Regel als ungeeignet für die Untersuchung epidemiologischer Zusammenhänge. Risikoabschätzungen, die nur oder ganz wesentlich auf ökologischen Studien beruhen, sind nur in seltenen Ausnahmefällen aussagekräftig (Strahlungsexposition ist der wesentliche Risikofaktor, es liegt eine große Anzahl kleinräumiger Expositionsmessungen vor, etc.)" (SSK 2007b, SSK 2007a).
3.2.2.2 Krankheitsrisiken im Zusammenhang mit dem Vitamin-D-Status
Um den Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Status, Krankheitsrisiken und dem Auftreten von verschiedenen Krankheitsbildern (inklusive Krebs) aufzuklären, ist in den letzten Jahren eine Vielzahl von Studien (unterschiedlicher Qualität) durchgeführt worden, die sich hauptsächlich mit dem Einfluss einer Vitamin-D-Supplementierung unter kontrollierten Bedingungen auf Inzidenz, Morbidität und Mortalität von Krankheiten beschäftigen. Die deutsche Gesellschaft für Ernährung hat zusammengestellt, mit welcher Evidenz für bestimmte Krankheiten sowie Stürze und Frakturen, basierend auf der vorliegenden Literatur, Zusammenhänge sichtbar werden oder nicht (siehe Tabelle 19).
Mit überzeugender Evidenz geht eine Supplementierung von Vitamin D bzw. ein ausreichender Vitamin-D-Status bei Älteren mit einem verringerten Risiko für Stürze und Frakturen einher. Mit wahrscheinlicher Evidenz verringert eine gute Vitamin-D-Versorgung bei Älteren das Risiko für Funktionseinbußen des Bewegungsapparates (Kraft, Mobilität, Gleichgewicht) und senkt das Risiko für vorzeitigen Tod. Diese Beurteilung stützt sich auf Ergebnisse von Interventionsstudien und Meta-Analysen von Interventionsstudien. Für alle anderen untersuchten Krankheiten wurde die Evidenz für eine präventive Wirkung von Vitamin D nur als möglich oder unzureichend bewertet (siehe Tabelle 19). Dieses gilt auch für die ökologischen Studien zu Krebserkrankungen, die dahingehend interpretiert wurden, dass es einen Zusammenhang zwischen UV-Exposition, Vitamin-D-Produktion und verminderter Krebsinzidenz und -mortalität gibt.
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