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Entschließung MSC.255(84)
Beschlussfassung über den Code über internationale Normen und empfohlene Verfahrensweisen für die Sicherheitsuntersuchung eines Seeunfalls oder eines Vorkommnisses auf See
(Unfall-Untersuchungs-Code)
Vom 17. November 2010
(VkBl. Nr. 23 vom 15.12.2010 S. 632)
(angenommen am 16. Mai 2008)
(siehe auch Entschließung A.1075(28) - Richtlinien zur Unterstützung von Untersuchern bei der Umsetzung des Unfall-Untersuchungs-Codes)
Der Schiffssicherheitsausschuss -
in Anbetracht des Artikels 28 Buchstabe b des Übereinkommens über die Internationale Seeschifffahrts-Organisation betreffend die Aufgaben des Ausschusses,
besorgt darüber, dass sich trotz aller diesbezüglichen Bemühungen der Organisation weiterhin Unfälle und Vorkommnisse ereignen, bei denen es zu Todesfällen, zum Verlust von Schiffen und zur Verschmutzung der Meeresumwelt kommt,
unter Hinweis darauf, dass durch zeitnahe und sorgfältige Berichte mit einer Darstellung der näheren Umstände und Ursachen von Seeunfällen und Vorkommnissen auf See die Sicherheit von Seeleuten und Fahrgästen sowie der Schutz der Meeresumwelt verbessert werden kann,
unter Anerkennung der Bedeutung des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen, abgeschlossen am 10. Dezember 1982 in Montego Bay, sowie des internationalen Seegewohnheitsrechts,
sowie unter Anerkennung der Verantwortung der Flaggenstaaten nach dem Internationalen Übereinkommen von 1974 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (Regel I/21) (im Folgenden als "Übereinkommen" bezeichnet), dem Internationalen Freibord-Übereinkommen von 1966 (Artikel 23) und dem Internationalen Übereinkommen von 1973 zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (Artikel 12) für die Durchführung von Unfalluntersuchungen und die Übermittlung der entsprechenden Ergebnisse an die Organisation,
angesichts der Notwendigkeit, sicherzustellen, dass alle sehr schweren Seeunfälle untersucht werden,
sowie angesichts der Leitlinien über die faire Behandlung von Seeleuten bei einem Seeunfall (Entschließung A.987(24)),
in der Erkenntnis, dass die Untersuchung und sachbezogene Analyse von Seeunfällen und Vorkommnissen auf See zu einem besseren Verständnis der Unfallursachen und zu entsprechenden Abhilfemaßnahmen, einschließlich der Verbesserung der Ausbildung, führen können, deren Zweck die Erhöhung der Sicherheit des menschlichen Lebens auf See und ein besserer Meeresumweltschutz sind,
in Anerkennung der Notwendigkeit eines Codes, der, im Rahmen des nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften Zulässigen, eine einheitliche Vorgehensweise bei der Untersuchung von Seeunfällen und Vorkommnissen auf See vorgibt, deren Ziel es ist, Seeunfälle und Vorkommnisse auf See in Zukunft zu verhindern,
sowie in Anerkennung des internationalen Charakters der Seeschifffahrt und der Notwendigkeit der Zusammenarbeit zwischen Regierungen, die ein begründetes Interesse an einem Seeunfall oder einem Vorkommnis auf See haben, zum Zwecke der Ermittlung seiner Umstände und Ursachen,
unter Hinweis auf Entschließung MSC.257(84), mit der er Änderungen des Kapitels XI-1 des Übereinkommens angenommen hat, um Teil I und II des Codes über internationale Normen und empfohlene Verfahrensweisen für die Sicherheitsuntersuchung eines Seeunfalls oder eines Vorkommnisses auf See als nach dem Übereinkommen verbindlich einzuführen,
nach der auf seiner vierundachtzigsten Tagung erfolgten Prüfung des Wortlauts des vorgeschlagenen Unfall-Untersuchungs-Codes
Unfall-Untersuchungs-Code
Code über internationale Normen und empfohlene Verfahrensweisen für die Sicherheitsuntersuchung eines Seeunfalls oder eines Vorkommnisses auf See
1 Dieser Code beinhaltet die und basiert auf den bewährten Verfahrensweisen zur Untersuchung von Seeunfällen und Vorkommnissen auf See des im November 1997 von der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (im Folgenden als "Organisation" bezeichnet) mit Entschließung A.849(20) angenommenen Codes für die Untersuchung von Unfällen und Vorkommnissen auf See. Ziel des Codes für die Untersuchung von Unfällen und Vorkommnissen auf See war die Förderung der Zusammenarbeit sowie einer einheitlichen Vorgehensweise zwischen den Staaten bei der Untersuchung von Seeunfällen und Vorkommnissen auf See.
2 Die Organisation hat durch eine Reihe von Entschließungen die Zusammenarbeit und die Anerkennung gemeinsamer Interessen gefördert. Die erste war Entschließung A.173(ES.IV) (Teilnahme an amtlichen Untersuchungen von Seeunfällen 1), die im November 1968 angenommen wurde. Es folgten weitere Entschließungen, darunter: Entschließung A.322(IX) (Die Durchführung von Unfalluntersuchungen 2), angenommen im November 1975; Entschließung A.440(XI) (Informationsaustausch bei Untersuchungen von Seeunfällen 3) und Entschließung A.442(XI) (Personal- und Mittelbedarf von Verwaltungen für die Untersuchung von Unfällen und Verstößen gegen Übereinkommen 4), beide angenommen im November 1979; Entschließung A.637(16) (Zusammenarbeit bei der Seeunfalluntersuchung 5), angenommen 1989.
3 Diese einzelnen Entschließungen wurden von der Organisation mit der Annahme des Codes für die Untersuchung von Unfällen und Vorkommnissen auf See zusammengeführt und erweitert. Die im November 1999 angenommene Entschließung A.884(21) (Änderungen des Codes für die Untersuchung von Unfällen und Vorkommnissen auf See, Entschließung A.849(20)) verbesserte den Code durch die Vorgabe von Richtlinien für die Untersuchung menschlicher Einflussfaktoren.
4 Das Internationale Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (SOLAS) von 1948 beinhaltete eine Bestimmung, welche die Verwaltungen der Flaggenstaaten dazu verpflichtete, jeden Unfall eines ihre Flagge führenden Schiffes zu untersuchen, wenn eine Untersuchung dabei behilflich sein kann, einschlägige Rechtsinstrumente als mitursächlichen Faktor zu erkennen. Diese Bestimmung wurde in den SOLAS-Übereinkommen von 1960 und 1974 beibehalten. Sie wurde zudem Bestandteil des Internationalen Freibord-Übereinkommens von 1966. Darüber hinaus sind Flaggenstaaten dazu verpflichtet, bestimmte Seeunfälle und Vorkommnisse auf See zu untersuchen, die sich auf Hoher See ereignen *.
5 Die Souveränität eines Küstenstaats erstreckt sich über seine Landmasse und seine Binnengewässer hinaus auf sein Küstenmeer **. Aus diesem Hoheitsbereich ergibt sich für den Küstenstaat implizit das Recht zur Untersuchung von Seeunfällen und Vorkommnissen auf See, die mit seinem Hoheitsgebiet im Zusammenhang stehen. Die meisten innerstaatlichen Verwaltungen verfügen über Rechtsvorschriften, die flaggenunabhängig die Untersuchung eines Schifffahrtsereignisses innerhalb ihrer Binnengewässer und ihres Küstenmeers abdecken.
Behandlung von Seeleuten
6 Als jüngste Rechtsvorschrift enthält das (noch nicht in Kraft getretene) Seearbeitsübereinkommen, 2006, der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), neben Vorschriften zu den Arbeitsbedingungen von Seeleuten, auch eine Vorschrift zur Untersuchung bestimmter schwerer Seeunfälle In Anerkennung der besonderen Schutzbedürftigkeit von Seeleuten während einer Untersuchung nahm die Organisation im Dezember 2005 mit Entschließung A.987(24) die "Leitlinien über die faire Behandlung von Seeleuten bei einem Seeunfair an. Die Leitlinien wurden am 1. Juli 2006 von der NO und der ILO bekannt gemacht.
Annahme des Codes
7 Seit der Annahme des ersten SOLAS-Übereinkommens ist es zu starken strukturellen Veränderungen in der internationalen Seeverkehrswirtschaft und zu Veränderungen im Völkerrecht gekommen. Durch diese Veränderungen hat sich die Anzahl der Staaten mit einem Interesse an der Durchführung und den Ergebnissen von Sicherheilsuntersuchungen bei Seeunfällen oder Vorkommnissen auf See möglicherweise erhöht, wodurch die Wahrscheinlichkeit des Auftretens rechtssystematischer und sonstiger verfahrenstechnischer Unterschiede zwischen betroffenen Staaten größer geworden ist.
8 Dieser Code legt eine Reihe verbindlicher Vorschriften fest, erkennt jedoch zugleich die Abweichungen zwischen internationalen und innerstaatlichen Rechtsvorschriften im Hinblick auf die Untersuchung von Seeunfällen und Vorkommnissen auf See an. Mit diesem Code wird das Ziel verfolgt, objektive Sicherheitsuntersuchungen zu ermöglichen, die Flaggenstaaten, Küstenstaaten, der Organisation und der Schifffahrtsindustrie im Allgemeinen zugutekommen.
Teil I
Allgemeine Bestimmungen
Kapitel 1
Zweck
1.1 Ziel dieses Codes ist es, Staaten ein einheitliches Verfahren für die Verwendung bei der Durchführung von Sicherheitsuntersuchungen von Seeunfällen und Vorkommnissen auf See an die Hand zu geben. Sicherheitsuntersuchungen haben nicht den Zweck, Schuldzuweisungen zu treffen oder Haftungsfragen zu klären. Eine Sicherheitsuntersuchung ist nach der Begriffsbestimmung dieses Codes vielmehr eine Untersuchung, deren Durchführung dazu dient Seeunfälle und Vorkommnisse auf See in Zukunft zu verhindern. Dieser Code sieht vor dass dieses Ziel dadurch erreicht wird, dass Staaten
1.2 Eine Sicherheitsuntersuchung soll getrennt und unabhängig von Untersuchungen jeder anderen Art durchgeführt werden. Mit dem Code wird jedoch nicht das Ziel verfolgt, Untersuchungen anderer Art, wie solche im Zusammenhang mit zivilrechtlichen, strafrechtlichen oder verwaltungsrechtlichen Verfahren, zu verhindern. Weiterhin liegt es nicht in der Absicht dieses Codes, dass sich der Staat oder die Staaten, der oder die eine Sicherheitsuntersuchung durchführt oder durchführen, deshalb von der uneingeschränkten Darstellung der ursächlichen Faktoren eines Seeunfalls oder eines Vorkommnisses auf See abhalten lässt oder lassen, weil aus den Untersuchungsergebnissen Rückschlüsse auf ein schuldhaftes Verhalten oder auf eine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit gezogen werden könnten.
1.3 Dieser Code erkennt an, dass nach den Rechtsinstrumenten der Organisation jeder Flaggenstaat verpflichtet ist, alle Unfälle, die allen seinen Schiffen zustoßen, zu untersuchen, wenn er der Auffassung ist, dass eine solche Untersuchung dabei hilfreich sein könnte, festzustellen, welche Änderungen bestehender Vorschriften wünschenswert sein könnten, oder wenn ein solcher Unfall schädliche Auswirkungen erheblichen Ausmaßes auf die Umwelt gehabt hat. Bei diesem Code wird auch berücksichtigt dass ein Flaggenstaat verpflichtet ist *, bestimmte Seeunfälle oder Vorkommnisse bei der Schifffahrt auf Hoher See von oder vor einer oder mehreren entsprechend qualifizierten Personen untersuchen zu lassen. Auf der anderen Seite erkennt der Code auch das Recht eines jeden Staates an, bei einem Seeunfall oder einem Vorkommnis auf See in seinem Hoheitsgebiet einschließlich seines Küstenmeeres ** , die Ursachen solcher Seeunfälle oder Vorkommnisse auf See zu untersuchen, die Menschenleben oder die Umwelt gefährden, zu einem Einsatz der Such- und Rettungsdienste des Küstenstaats führen oder den Küstenstaat in sonstiger Art und Weise betreffen könnten.
Kapitel 2
Begriffsbestimmungen
Werden folgende Begriffe in den verbindlichen Normen und empfohlenen Verfahrensweisen für Sicherheitsuntersuchungen verwendet, so haben sie nachstehende Bedeutung.
2.1 Der Ausdruck "Agent" bezeichnet jede natürliche oder juristische Person, die im Auftrag des Eigners, Charterars oder Betreibers des Schiffes oder des Ladungseigentümers Transportdienstleitungen einschließlich Verwaltungsleistungen auf Rechnung des Schiffes erbringt, das Gegenstand einer Sicherheitsuntersuchung ist.
2.2 Der Ausdruck "ursächlicher Faktor" bezeichnet Handlungen, Unterlassungen, Ereignisse oder Umstände, ohne die
2.3 Der Ausdruck "Küstenstaat" bezeichnet einen Staat, in dessen Hoheitsgebiet einschließlich seines Küstenmeeres sich ein Seeunfall oder ein Vorkommnis auf See ereignet.
2.4 Der Ausdruck "ausschließliche Wirtschaftszone" bezeichnet die ausschließliche Wirtschaftszone im Sinne von Artikel 55 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen.
2.5 Der Ausdruck "Flaggenstaat" bezeichnet einen Staat, dessen Flagge ein Schiff zu führen berechtigt ist.
2.6 Der Ausdruck "Hohe See" bezeichnet die Hohe See im Sinne von Artikel 86 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen.
2.7 Der Ausdruck "Interessierte Partei" bezeichnet eine Organisation oder Person, die, nach Festlegung durch den (die) die Sicherheitsuntersuchung durchführende(n) Staat(en) ein erhebliches Interesse, Rechte oder berechtigte Erwartungen im Hinblick auf die Ergebnisse einer Sicherheitsuntersuchung hat.
2.8 Der Ausdruck "Internationaler Sicherheitsmanagement-Code (ISM-Code bezeichnet den von der Organisation mit Entschließung A.741(18) angenommenen Internationalen Code für Maßnahmen zur Organisation eines sicheren Schiffsbetriebs und zur Verhütung der Meeresverschmutzung, in seiner jeweils geltenden Fassung.
2.9 Der Ausdruck "Seeunfall" bezeichnet ein Ereignis oder eine Ereigniskette, das beziehungsweise die eine der nachstehenden Folgen hatte, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Betrieb eines Schiffes eingetreten sind:
Der Ausdruck "Seeunfall" umfasst hingegen nicht die Folgen vorsätzlicher Handlungen oder Unterlassungen, die es zum Ziel haben, der Sicherheit eines Schiffes, einem Menschen oder der Umwelt zu schaden.
2.10 Der Ausdruck "Vorkommnis auf See" bezeichnet ein Ereignis oder eine Ereigniskette, das beziehungsweise die keinen Seeunfall darstellt, in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Betrieb eines Schiffes eingetreten ist und die Sicherheit des Schiffes, der Menschen an Bord oder eines anderen Menschen oder aber die Umwelt gefährdet hat beziehungsweise ohne die Einleitung von Gegenmaßnahmen gefährden würde.
Der Ausdruck "Vorkommnis auf See umfasst hingegen nicht die Folgen vorsätzlicher Handlungen oder Unterlassungen, die es zum Ziel haben, der Sicherheit eines Schiffes, einem Menschen oder der Umwelt zu schaden.
2.11 Der Ausdruck "Sicherheitsuntersuchung" bezeichnet eine Untersuchung oder Ermittlung (e nach der vom jeweiligen Staat gewählten Bezeichnung) bei Seeunfällen oder Vorkommnissen auf See, die mit dem Ziel durchgeführt wird, Seeunfälle und Vorkommnisse auf See in Zukunft zu verhindern. Die Untersuchung umfasst die Sammlung und Auswertung von Beweismitteln, die Ermittlung der ursächlichen Faktoren und erforderlichenfalls das Herausgeben von Sicherheitsempfehlungen.
2.12 Der Ausdruck "Untersuchungsbericht" bezeichnet einen Bericht, der Folgendes beinhaltet:
2.13 Der Ausdruck "Seeunfalluntersuchungsbehörde" bezeichnet eine innerhalb eines Staates für die Durchführung von Untersuchungen nach diesem Code zuständige Behörde.
2.14 Der Ausdruck "die Sicherheitsuntersuchung durchführende(r) Staat(en)" bezeichnet den Flaggenstaat oder gegebenenfalls einen oder mehrere Staaten, die entsprechend diesem Code einvernehmlich vereinbart haben, die Verantwortung für die Durchführung der Sicherheitsuntersuchung zu übernehmen.
2.15 Der Ausdruck "Sicherheitsakte" bezeichnet die folgenden, für eine Sicherheitsuntersuchung gesammelten Arten von Aufzeichnungen:
2.16 Der Ausdruck "Sachschaden" bezeichnet im Zusammenhang mit einem Seeunfall
2.17 Der Ausdruck "Seeleute" bezeichnet jegliche Personen, die in irgendeiner Eigenschaft an Bord eines Schiffes angestellt oder beschäftigt sind oder arbeiten.
2.18 Der Ausdruck "schwere Verletzung" bezeichnet eine von einem Menschen erlittene Verletzung, die im Verlauf der ersten sieben Tage nach Eintritt der Verletzung zu einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als 72 Stunden Dauer führt, während der dieser Mensch seine Aufgaben nicht regulär erfüllen kann.
2.19 Der Ausdruck "schwerer Umweltschaden" bezeichnet einen Schaden an der Umwelt, der nach Einschätzung des (der) betroffenen Staates (Staaten) beziehungsweise des Flaggenstaats schädliche Auswirkungen erheblichen Ausmaßes auf die Umwelt hat.
2.20 Der Ausdruck "Staat mit begründetem Interesse" bezeichnet einen Staat,
2.21 Der Ausdruck "Küstenmeer" bezeichnet das Küstenmeer im Sinne von Abschnitt 2 von Teil II des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen.
2.22 Der Ausdruck "sehr schwerer Seeunfall" bezeichnet einen Seeunfall, bei dem es zu einem Totalverlust des Schiffes, zum Tod eines Menschen oder zu einer schweren Umweltschädigung kommt.
Kapitel 3
Anwendung der Kapitel in Teil II und III
3.1 Teil II dieses Codes enthält verbindliche Normen für Sicherheitsuntersuchungen. Manche Bestimmungen gelten nur für bestimmte Kategorien von Seeunfällen und sind nur für Sicherheitsuntersuchungen solcher Seeunfälle verbindlich.
3.2 Bestimmungen in Teil III dieses Codes können Verweise auf Bestimmungen in Teil II enthalten, die nur für bestimmte Seeunfälle gelten. Die Bestimmungen in Teil III können dann die Empfehlung enthalten, solche Bestimmungen bei Sicherheitsuntersuchungen anderer Seeunfälle oder Vorkommnisse auf See anzuwenden.
Teil II
Verbindliche Normen
Kapitel 4
Seeunfalluntersuchungsbehörde
4.1 Die Regierung jedes Staates stellt der Organisation die genauen Kontaktinformationen der Seeunfalluntersuchungsbehörde(n) zur Verfügung, die in ihrem Staat Sicherheitsuntersuchungen durchführt (durchführen).
Kapitel 5
Unterrichtung
5.1 Kommt es auf Hoher See oder in einer ausschließlichen Wirtschaftszone zu einem Seeunfall, so unterrichtet der Flaggenstaat des oder der beteiligten Schiffe(s) andere Staaten mit begründetem Interesse, sobald dies mit vertretbarem Aufwand durchführbar ist.
5.2 Kommt es im Hoheitsgebiet einschließlich des Küstenmeers eines Küstenstaats zu einem Seeunfall, so unterrichten der Flaggenstaat und der Küstenstaat einander und in gegenseitiger Absprache andere Staaten mit begründetem Interesse, sobald dies mit vertretbarem Aufwand durchführbar ist.
5.3 Die Unterrichtung darf nicht deshalb verzögert werden, weil keine vollständigen Angaben vorliegen.
5.4 Form und Inhalt: Die Unterrichtung umfasst so viele der folgenden Informationen wie unmittelbar zur Verfügung stehen:
Kapitel 6
Verpflichtung zur Untersuchung sehr schwerer Seeunfälle
6.1 Eine Sicherheitsuntersuchung ist bei jedem sehr schweren Seeunfall durchzuführen.
6.2 Vorbehaltlich etwaiger Einigungen nach Kapitel 7 liegt es in der Zuständigkeit des Flaggenstaats eines an einem sehr schweren Seeunfall beteiligten Schiffes, sicherzustellen, dass eine Sicherheitsuntersuchung nach diesem Code durchgeführt und abgeschlossen wird.
Kapitel 7
Vereinbarung zwischen dem Flaggenstaat und einem anderen Staat mit begründetem Interesse über die Durchführung einer Sicherheitsuntersuchung
7.1 Unbeschadet des Rechts jedes Staates zur Durchführung seiner eigenen gesonderten Sicherheitsuntersuchung haben, im Falle eines Seeunfalls im Hoheitsgebiet einschließlich des Küstenmeeres eines Staates, der (die) an dem Seeunfall beteiligte(n) Flaggenstaat(en) und der Küstenstaat einander zu konsultieren, um sich um eine Vereinbarung darüber zu bemühen, welche(r) Staat(en) in Erfüllung beziehungsweise Umsetzung einer nach diesem Code bestehenden Verpflichtung beziehungsweise Empfehlung der (die) die Sicherheitsuntersuchung durchführende(n) Staat(en) sein wird (werden).
7.2 Unbeschadet des Rechts jedes Staates zur Durchführung seiner eigenen gesonderten Sicherheitsuntersuchung haben, im Falle eines Seeunfalls auf Hoher See oder in der ausschließlichen Wirtschaftszone eines Staates, an dem mehr als ein Flaggenstaat beteiligt ist, diese Staaten einander zu konsultieren, um sich um eine Vereinbarung darüber zu bemühen, welche(r) Staat(en) in Erfüllung beziehungsweise Umsetzung einer nach diesem Code bestehenden Verpflichtung beziehungsweise Empfehlung der (die) die Sicherheitsuntersuchung durchführende(n) Staat(en) sein wird (werden).
7.3 Bei Seeunfällen im Sinne von Absatz 7.1 oder 7.2 können sich die jeweiligen Staaten mit einem anderen Staat mit begründetem Interesse dahingehend einigen, dass dieser Staat beziehungsweise diese Staaten der (die) eine Sicherheitsuntersuchung durchführende(n) Staat(en) sein soll(en).
7.4 Vor der Erzielung einer Vereinbarung oder in Fällen, in denen keine Vereinbarung im Sinne der Absätze 7.1, 7.2 oder 7.3 erzielt wird, verbleiben die nach diesem Code und nach anderen völkerrechtlichen Vorschriften bestehenden Pflichten und Rechte von Staaten zur Durchführung einer eigenen Sicherheitsuntersuchung bei den jeweiligen Parteien.
7.5 Ein Flaggenstaat erfüllt durch seine uneingeschränkte Teilnahme an einer durch einen anderen Staat mit begründetem Interesse durchgeführten Sicherheitsuntersuchung seine Verpflichtungen nach diesem Code, SOLAS-Regel I/21 und Artikel 94 Absatz 7 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen.
Kapitel 8
Untersuchungsbefugnisse
8.1 Alle Staaten stellen sicher, dass ihre innerstaatlichen Rechtsvorschriften es Untersuchern, die eine
Sicherheitsuntersuchung durchführen, ermöglichen, an Bord eines Schiffes zu gehen, den Schiffsführer und die Besatzung und jede andere beteiligte Person zu befragen sowie Beweismittel zum Zweck der Durchführung einer Sicherheitsuntersuchung sicherzustellen.
Kapitel 9
Parallele Untersuchungen
9.1 Die Durchführung einer Sicherheitsuntersuchung nach diesem Code durch den (die) die Sicherheitsuntersuchung durchführenden Staat(en) berührt nicht das Recht eines anderen Staates mit begründetem Interesse, seine eigene, gesonderte Sicherheitsuntersuchung durchzuführen.
9.2 Unter Anerkennung der Tatsache, dass der (die) eine Sicherheitsuntersuchung durchführende(n) Staat(en) die Möglichkeit haben muss (müssen), nach diesem Code bestehende Verpflichtungen zu erfüllen, bemüht (bemühen) er (sie) und jeder andere Staat mit begründetem Interesse, der eine Sicherheitsuntersuchung durchführt, sich darum, den zeitlichen Ablauf der Untersuchungen abzustimmen, um gegensätzliche Anforderungen an Zeugen und den Zugang zu Beweismitteln nach Möglichkeit zu vermeiden.
Kapitel 10
Zusammenarbeit
10.1 Alle Staaten mit begründetem Interesse arbeiten im Rahmen des Durchführbaren mit dem (den) die Sicherheitsuntersuchung durchführenden Staat(en) zusammen. Der (Die) die Sicherheitsuntersuchung durchführende(n) Staat(en) ermöglicht (ermöglichen) es Staaten mit begründetem Interesse, im Rahmen des Durchführbaren 6 an der Untersuchung teilzunehmen.
Kapitel 11
Unabhängigkeit der Untersuchung von externen Weisungen
11.1 Der (Die) eine Sicherheitsuntersuchung durchführende(n) Staat(en) stellt (stellen) sicher, dass Untersucher, die eine Sicherheitsuntersuchung durchfuhren, unvoreingenommen und objektiv sind. Die Sicherheitsuntersuchung muss frei von jeglichen Weisungen und Eingriffen von Personen oder Organisationen, die von ihrem Ausgang betroffen sein könnten, über die Ergebnisse der Sicherheitsuntersuchung berichten können.
Kapitel 12
Befragung von Seeleuten
12.1 Erfordert es eine Sicherheitsuntersuchung, dass Seeleute im Rahmen derselben aussagen, so sind die entsprechenden Aussagen so früh wie möglich zu erheben. Es ist Seeleuten zu gestatten, so früh wie möglich auf ihr Schiff oder in ihre Heimat zurückzukehren. Die Menschenrechte der Seeleute sind zu jedem Zeitpunkt zu achten.
12.2 Alle zu befragenden Seeleute sind über die Art und die Grundlage der Sicherheitsuntersuchung in Kenntnis zu setzen. Darüber hinaus sind alle zu befragenden Seeleute entsprechend zu informieren und es ist ihnen der Zugang zu rechtlicher Beratung hinsichtlich folgender Punkte zu gewähren:
Kapitel 13
Untersuchungsberichtsentwürfe
13.1 Vorbehaltlich der Absätze 13.2 und 13.3 übermittelt (übermitteln) der (die) die Sicherheitsuntersuchung durchführende(n) Staat(en), soweit hierum ersucht wird, einem Staat mit begründetem Interesse eine Abschrift des Berichtsentwurfs, um ihm die Gelegenheit zu geben, zu diesem Stellung zu nehmen.
13.2 Der (Die) die Sicherheitsuntersuchung durchführende(n) Staat(en) ist (sind) nur dann an Absatz 13.1 gebunden, wenn der Staat mit begründetem Interesse, der einen Berichtsentwurf erhalten soll, zusichert, diesen nicht in Umlauf zu bringen oder hierzu beizutragen, ihn nicht zu veröffentlichen oder Zugriff auf ihn oder einen seiner Teile zu gewähren, es sei denn, der (die) die Sicherheitsuntersuchung durchführende(n) Staat(en) hat (haben) dem ausdrücklich zugestimmt oder die entsprechenden Berichte oder Unterlagen wurden bereits zuvor von dem (den) die Sicherheitsuntersuchung durchführenden Staat(en) veröffentlicht.
13.3 Der (Die) die Sicherheitsuntersuchung durchführende(n) Staat(en) ist (sind) nicht an Absatz 13.1 gebunden, wenn
13.4 Der (Die) die Sicherheitsuntersuchung durchführende(n) Staat(en) ersucht (ersuchen) die Staaten mit begründetem Interesse darum, innerhalb von 30 Tagen oder einer anderen einvernehmlich vereinbarten Frist zu dem Berichtsentwurf Stellung zu nehmen. Der (Die) die Sicherheitsuntersuchung durchführende(n) Staat(en) prüft (prüfen) die Stellungnahmen vor Fertigung des Abschlussberichts und unterrichtet (unterrichten) in Fällen, in denen sich die Annahme oder Ablehnung der Stellungnahme unmittelbar auf die Interessen des Staates auswirkt der sie übermittelt hat, den Staat mit begründetem Interesse darüber, wie die Stellungnahme berücksichtigt wurde. Werden dem (den) die Sicherheitsuntersuchung durchführenden Staat(en) innerhalb der 30 Tage beziehungsweise der einvernehmlich vereinbarten Frist keine Stellungnahmen übermittelt, so kann (können) er (sie) den Bericht abschließen.
13.5 Der (Die) die Sicherheitsuntersuchung durchführende(n) Staat(en) bemüht (bemühen) sich, die Richtigkeit und Vollständigkeit des Berichtsentwurfs umfassend mit den am besten geeigneten Mitteln zu überprüfen.
Kapitel 14
Untersuchungsberichte
14.1 Bei allen Sicherheitsuntersuchungen von sehr schweren Seeunfällen übermittelt (übermitteln) der (die) die Sicherheitsuntersuchung durchführende(n) Staat(en) die Endfassung des Untersuchungsberichts der Organisation.
14.2 Werden Sicherheitsuntersuchungen von Seeunfällen oder Vorkommnissen auf See durchgeführt, bei denen es sich nicht um sehr schwere Seeunfälle handelt und wird ein Untersuchungsbericht gefertigt, der Informationen enthält, die zukünftige Seeunfälle oder Vorkommnisse auf See verhindern oder in ihrer Schwere mindern könnten, so ist die Endfassung der Organisation zu übermitteln.
14.3 Der Untersuchungsbericht im Sinne der Absätze 14.1 und 14.2 greift, unter Berücksichtigung des Umfangs der Sicherheitsuntersuchung, auf alle im Verlauf dieser Sicherheitsuntersuchung gewonnenen Informationen zurück, die erforderlich sind, um sicherzustellen, dass alle erheblichen Sicherheitsbelange Eingang finden und verständlich dargestellt werden, so dass die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden können.
14.4 Der (Die) die Sicherheitsuntersuchung durchführende(n) Staat(en) stellt (stellen) der Öffentlichkeit und der Schifffahrtsindustrie die Endfassung des Untersuchungsberichts zur Verfügung oder verpflichtet (verpflichten) sich, in Fällen, in denen der Bericht durch einen anderen Staat oder die Organisation veröffentlicht wird, der Öffentlichkeit und der Schifffahrtsindustrie die für den Zugang zu dem Bericht erforderlichen Angaben zur Verfügung zu stellen.
Teil III
Empfohlene Verfahrenweisen
Kapitel 15
Hoheitliche Verantwortung
15.1 Alle Staaten sollen sicherstellen, dass den Seeunfalluntersuchungsbehörden ausreichende sächliche und finanzielle Mittel sowie entsprechend qualifiziertes Personal zur Verfügung stehen, so dass diese in der Lage sind, die Verpflichtungen des Staates zur Durchführung von Sicherheitsuntersuchungen von Seeunfällen und Vorkommnissen auf See nach diesem Code zu erfüllen.
15.2 Alle an Sicherheitsuntersuchungen beteiligten Untersucher sollen auf Grundlage der in Entschließung A.996(25) für Untersucher aufgeführten Kenntnisse ausgewählt werden.
15.3 Absatz 15.2 schließt allerdings weder die sachgerechte Berufung von Untersuchern mit benötigten Spezialkenntnissen zur vorübergehenden Beteiligung an einer Sicherheitsuntersuchung noch die Hinzuziehung von Fachleuten zur Einholung sachverständigen Rates zu allen Aspekten einer Sicherheitsuntersuchung aus.
15.4 Jede Person, die als Untersucher in einer Sicherheitsuntersuchung tätig ist oder an einer solchen mitwirkt, soll verpflichtet werden, nach Maßgabe dieses Codes zu handeln.
Kapitel 16
Grundsätze der Untersuchung
16.1 Unabhängigkeit: Eine Sicherheitsuntersuchung soll vorurteilsfrei geführt werden, um den ungehinderten Zufluss von Informationen zu gewährleisten.
16.1.1 Um die Zielsetzung von Absatz 16.1 zu erreichen, sollen Untersucher, die eine Sicherheitsuntersuchung durchführen, funktional unabhängig sein von
16.1.2 Untersucher, die eine Sicherheitsuntersuchungen durchführen, sollen hinsichtlich der im Folgenden genannten Tätigkeiten keiner Einflussnahme durch die Parteien nach .1, .2 und .3 von Absatz 16.1.1 unterliegen:
16.2 Konzentration auf Sicherheitsaspekte: Eine Sicherheitsuntersuchung hat nicht zum Ziel, Haftungsfragen zu klären oder Schuldzuweisungen zu treffen. Jedoch sollen sich die Untersucher, die eine Sicherheitsuntersuchung durchführen, nicht deshalb von der uneingeschränkten Darstellung der ursächlichen Faktoren abhalten lassen, weil aus den Untersuchungsergebnissen Rückschlüsse auf ein schuldhaftes Verhalten oder auf eine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit gezogen werden könnten.
16.3 Zusammenarbeit: Soweit durchführbar und mit den Verpflichtungen und Empfehlungen dieses Codes, insbesondere mit Kapitel 10 zum Thema Zusammenarbeit, vereinbar, soll (sollen) sich der (die) die Sicherheitsuntersuchung durchführende(n) Staat(en) um eine optimale Zusammenarbeit zwischen den Staaten mit begründetem Interesse und anderen Personen und Organisationen, die einen Seeunfall oder ein Vorkommnis auf See untersuchen, bemühen.
16.4 Priorität: Einer Sicherheitsuntersuchung soll, soweit dies möglich ist, dieselbe Priorität eingeräumt werden wie jeder anderen Untersuchung, einschließlich staatlicher Untersuchungen von Seeunfällen oder Vorkommnissen auf See, die zu strafrechtlichen Zwecken durchgeführt werden.
16.4.1 Gemäß Absatz 16.4 soll Untersuchern, die eine Sicherheitsuntersuchung durchführen, in Fällen, in denen eine andere Person oder Organisation eine gesonderte Untersuchung eines Seeunfalls oder eines Vorkommnisses auf See durchführt, nicht der Zugang zu Beweismitteln verwehrt werden.
16.4.2 Neben anderen sollen folgende Beweismittel jederzeit zugänglich sein:
16.5 Umfang einer Sicherheitsuntersuchung: Die korrekte Bestimmung ursächlicher Faktoren erfordert eine zeitnahe und systematische Untersuchung, die weit über die unmittelbaren Beweise hinaus nach den zugrundeliegenden Umständen forscht, die möglicherweise fern des Schauplatzes des Seeunfalls oder des Vorkommnisses auf See liegen und in Zukunft zu weiteren Seeunfällen oder Vorkommnissen auf See führen können. Sicherheitsuntersuchungen sollen daher als ein Instrument betrachtet werden, mit dem nicht nur die unmittelbar ursächlichen Faktoren, sondern auch Mängel, die sich möglicherweise durch die gesamte Verantwortungskette ziehen, ermittelt werden können.
Kapitel 17
Untersuchung von Seeunfällen (außer sehr schweren Unfällen) und Vorkommnissen auf See
17.1 Eine Sicherheitsuntersuchung von Seeunfällen (außer sehr schweren Seeunfällen - diese werden in Kapitel 6 dieses Codes behandelt) und Vorkommnissen auf See soll durch den Flaggenstaat eines beteiligten Schiffes durchgeführt werden, wenn es als wahrscheinlich angesehen werden kann, dass eine Sicherheitsuntersuchung Informationen ergeben wird, die zur Verhinderung zukünftiger Seeunfälle und Vorkommnisse auf See genutzt werden können.
17.2 Kapitel 7 enthält die verbindlichen Vorschriften, entsprechend denen im Falle eines Seeunfalls der (die) die Sicherheitsuntersuchung durchführende(n) Staat(en) bestimmt wird (werden). Handelt es sich bei dem Ereignis, das entsprechend diesem Kapitel untersucht wird, um ein Vorkommnis auf See, so soll Kapitel 7 im Sinne einer empfohlenen Verfahrensweise so angewendet werden, als bezöge es sich auf Vorkommnisse auf See.
Kapitel 18
Faktoren, die beim Bemühen um eine Vereinbarung nach Kapitel 7 von Teil II berücksichtigt werden sollen
18.1 Wenn sich der (die) Flaggenstaat(en), ein Küstenstaat (falls beteiligt) oder andere Staaten mit begründetem Interesse um eine Vereinbarung nach Kapitel 7 von Teil II darüber bemühen, wer der (die) die Sicherheitsuntersuchung durchführende(n) Staat(en) nach diesem Code sein wird (werden), so sollen die folgenden Faktoren berücksichtigt werden:
Kapitel 19
Widerrechtliche Eingriffshandlungen
19.1 Wird im Laufe einer Sicherheitsuntersuchung bekannt oder wird vermutet, dass eine Straftat im Sinne der Artikel 3, 3a, 3b oder 3c 7 des Übereinkommens zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt von 1988 begangen worden ist, so soll die Seeunfalluntersuchungsbehörde sich umgehend darum bemühen, sicherzustellen, dass die Seesicherheitsbehörde(n) des (der) betroffenen Staates (Staaten) informiert wird (werden).
Kapitel 20
Unterrichtung der beteiligten Parteien und Einleitung einer Untersuchung
20.1 Wird eine Sicherheitsuntersuchung nach diesem Code eingeleitet, so soll der Schiffsführer, der Eigner und der Agent eines an dem untersuchten Seeunfall oder Vorkommnis auf See beteiligten Schiffes so schnell wie möglich über Folgendes unterrichtet werden:
20.2 Jeder Staat soll ein standardisiertes Dokument erstellen, das die Angaben nach Absatz 20.1 enthält und das dem Schiffsführer, dem Agenten und dem Eigner des Schiffes elektronisch übermittelt werden kann.
20.3 In Würdigung des Grundsatzes, dass jedes an einem Seeunfall oder einem Vorkommnis auf See beteiligte Schiff weiter im Dienst bleiben kann und dass ein Schiff nicht länger als unbedingt erforderlich aufgehalten werden soll, soll(en) der (die) die Sicherheitsuntersuchung durchführende(n) Staat(en) die Sicherheitsuntersuchung so früh wie dies mit vertretbarem Aufwand möglich ist beginnen, ohne das Schiff über Gebühr aufzuhalten.
Kapitel 21
Koordinierung einer Untersuchung
21.1 Die Empfehlungen dieses Kapitels sollen entsprechend den Grundsätzen der Kapitel 10 und 11 dieses Codes angewandt werden.
21.2 Der (Die) die Sicherheitsuntersuchung durchführende(n) Staat(en) soll(en) sicherstellen, dass innerhalb des Staates geeignete Rahmenbedingungen bestehen, um
21.3 Der (Die) die Sicherheitsuntersuchung durchführende(n) Staat(en) soll(en) einem Staat mit begründetem Interesse die Möglichkeit geben, im Rahmen des Durchführbaren an den für diesen maßgeblichen Teilbereichen der Sicherheitsuntersuchung teilzunehmen.
21.3.1 Im Rahmen der Teilnahme soll Vertretern des Staates mit begründetem Interesse unter anderem das Recht eingeräumt werden,
21.4 Im Rahmen des Durchführbaren sollen Staaten mit begründetem Interesse den (die) die Sicherheitsuntersuchung durchführenden Staat(en) unterstützen, indem sie ihm (ihnen) Zugang zu Informationen geben, die für die Sicherheitsuntersuchung von Bedeutung sind. Im Rahmen des Durchführbaren sollen Untersucher, die eine Sicherheitsuntersuchung durchführen, zudem Zugang zu Besichtigern der Regierung, Bediensteten der Küstenwache, dem Personal in den Verkehrszentralen, Lotsen und sonstigen in der Schifffahrt tätigen Personen erhalten.
21.5 Der Flaggenstaat eines an einem Seeunfall oder einem Vorkommnis auf See beteiligten Schiffes soll sich darum bemühen, dass die Besatzung dem (den) die Sicherheitsuntersuchung durchführenden Untersucher(n) zur Verfügung steht.
Kapitel 22
Sammeln von Beweismitteln
22.1 Der (Die) die Sicherheitsuntersuchung durchführende(n) Staat(en) soll(en) ein Schiff nicht unnötig zum Sammeln von Beweismitteln festhalten oder diesem Originalunterlagen oder Ausrüstung entnehmen lassen, es sei denn, dies ist für die Zwecke der Sicherheitsuntersuchung unerlässlich. Untersucher sollen Unterlagen, soweit möglich, lediglich kopieren.
22.2 Untersucher, die eine Sicherheitsuntersuchung durchführen, sollen Aufzeichnungen zu Befragungen und andere im Zuge einer Sicherheitsuntersuchung gesammelte Beweismittel so sichern, dass Personen, die diese nicht im Rahmen der Untersuchung benötigen, keinen Zugang zu ihnen haben.
22.3 Untersucher, die eine Sicherheitsuntersuchung durchführen, sollen alle aufgezeichneten Daten, einschließlich der Daten von Schiffsdatenschreibern, soweit eingebaut, effektiv nutzen. Schiffsdatenschreiber sollen Untersuchern, die eine Sicherheitsuntersuchung durchführen, oder einem benannten Vertreter zum Auslesen der Daten zur Verfügung gestellt werden.
22.3.1 Verfügt (Verfügen) der (die) die Sicherheitsuntersuchung durchführende(n) Staat(en) nicht über die zum Auslesen eines Schiffsdatenschreibers erforderlichen Lesegeräte, so sollen Staaten, die über solche verfügen, unter Berücksichtigung folgender Gesichtspunkte ihre Mithilfe anbieten:
Kapitel 23
Vertraulichkeit von Informationen
23.1 Alle Staaten sollen sicherstellen, dass Untersucher, die eine Sicherheitsuntersuchung durchführen, Informationen einer Sicherheitsakte nur dann freigeben, wenn
23.2 Alle an einer Sicherheitsuntersuchung nach diesem Code beteiligten Staaten sollen sicherstellen, dass keine der in ihrem Besitz befindlichen Sicherheitsakten im Zuge strafrechtlicher, zivilrechtlicher, disziplinarischer oder verwaltungsrechtlicher Verfahren freigegeben werden, es sei denn,
23.3 Sicherheitsakten sollen nur dann in den Abschlussbericht oder dessen Anhänge aufgenommen werden, wenn sie für die Analyse des Seeunfalls oder des Vorkommnisses auf See maßgeblich sind. Die Teile der Akte, die für den Abschlussbericht nicht maßgeblich sind und nicht in diesem enthalten sind, sollen nicht freigegeben werden.
23.4 Staaten müssen einem Staat mit begründetem Interesse nur dann Informationen aus Sicherheitsakten zur Verfügung stellen, wenn dies nicht die Integrität und Glaubwürdigkeit von Sicherheitsuntersuchungen in Frage stellt, die die Staaten, die diese zur Verfügung gestellt haben, durchführen.
23.4.1 Der Staat, der die Informationen aus einer Sicherheitsakte zur Verfügung stellt, kann von dem Staat, der die Informationen erhalten soll, verlangen, dass dieser sich verpflichtet, sie vertraulich zu behandeln.
Kapitel 24
Schutz von Zeugen und beteiligten Parteien
24.1 Ist eine Person gesetzlich dazu verpflichtet, zum Zwecke einer Sicherheitsuntersuchung Aussagen zu machen, durch die sie sich selbst belasten könnte, so soll, soweit nach innerstaatlichem Recht zulässig, verhindert werden, dass die Aussagen in zivilrechtlichen oder strafrechtlichen Verfahren gegen diese Person als Beweismittel zugelassen werden.
24.2 Eine zu befragende Person soll über die Art und die Grundlage der Untersuchung in Kenntnis gesetzt werden. Eine zu befragende Person soll entsprechend informiert werden und es ist ihr der Zugang zu rechtlicher Beratung hinsichtlich folgender Punkte zu gewähren:
Kapitel 25
Berichtsentwurf und Abschlussbericht
25.1 Untersuchungsberichte zu Sicherheitsuntersuchungen sollen so schnell wie möglich fertig gestellt werden.
25.2 Soweit hierum ersucht wird und soweit dies durchführbar ist, soll(en) der (die) die Sicherheitsuntersuchung durchführende(n) Staat(en) interessieren Parteien eine Abschrift des Untersuchungsberichtsentwurfs übermitteln, um deren Stellungnahmen einzuholen. Diese Empfehlung gilt allerdings nicht in Fällen, in denen nicht sichergestellt werden kann, dass die interessierte Partei den Untersuchungsberichtsentwurf nicht ohne die ausdrückliche Zustimmung des (der) die Sicherheitsuntersuchung durchführenden Staates (Staaten) in Umlauf bringt oder hierzu beiträgt, ihn veröffentlicht oder Zugriff auf ihn oder einen seiner Teile gewährt.
25.3 Der (Die) die Sicherheitsuntersuchung durchführende(n) Staat(en) soll (sollen) der interessierten Partei eine Frist von 30 Tagen oder eine andere einvernehmlich vereinbarte Frist zur Übermittlung ihrer Stellungnahme zu dem Untersuchungsbericht einräumen. Der (Die) die Sicherheitsuntersuchung durchführende(n) Staat(en) soll (sollen) die Stellungnahme vor Fertigung des Abschlussberichts prüfen und in Fällen, in denen sich die Annahme oder Ablehnung der Stellungnahme unmittelbar auf die Interessen der interessierten Partei auswirkt, die sie übermittelt hat, diese darüber unterrichten, wie die Stellungnahme berücksichtigt wurde. Werden dem (den) die Sicherheitsuntersuchung durchführenden Staat(en) innerhalb der 30 Tage beziehungsweise der einvernehmlich vereinbarten Frist keine Stellungnahmen übermittelt, so kann (können) er (sie) den Untersuchungsbericht abschließe *****.
25.4 Soweit nach dem innerstaatlichen Recht des Staates, der den Untersuchungsbericht erstellt, zulässig, soll verhindert werden, dass der Berichtsentwurf und der Abschlussbericht als Beweismittel in Verfahren zugelassen werden, die mit dem Seeunfall oder dem Vorkommnis auf See im Zusammenhang stehen und die disziplinarische Maßnahmen, strafrechtliche Verurteilungen oder die Bestimmung zivilrechtlicher Haftbarkeit zur Folge haben könnten.
25.5 Während einer laufenden Sicherheitsuntersuchung können zu jedem Zeitpunkt vorläufige Sicherheitsmaßnahmen empfohlen werden.
25.6 Lehnt ein Staat mit begründetem Interesse den Abschlussbericht im Ganzen oder in Teilen ab, so steht es ihm offen, der Organisation seinen eigenen Bericht vorzulegen.
Kapitel 26
Wiederaufnahme einer Untersuchung
26.1 Der (Die) die Sicherheitsuntersuchung durchführende(n) Staat(en), der (die) eine Sicherheitsuntersuchung abgeschlossen hat (haben), soll (sollen) seine (ihre) Ergebnisse erneut prüfen und in Erwägung ziehen, die Untersuchung wieder aufzunehmen, wenn neue Beweismittel vorgelegt werden, die zu erheblichen Veränderungen bei der Auswertung und den gezogenen Schlussfolgerungen führen könnten.
26.2 Werden dem (den) die Sicherheitsuntersuchung durchführenden Staat(en), der (die) eine Sicherheitsuntersuchung abgeschlossen hat (haben), erhebliche neue Beweismittel im Zusammenhang mit einem Seeunfall oder einem Vorkommnis auf See vorgelegt, so sollen die Beweismittel in vollem Umfang ausgewertet und an andere Staaten mit begründetem Interesse zwecks Einholung sachdienlicher Beiträge weitergeleitet werden.
IMO Entschließung MSC.255(84) - Unfall-Untersuchungs-Code
Code über internationale Normen und empfohlene Verfahrensweisen für die Sicherheitsuntersuchung eines Seeunfalls oder eines Vorkommnisses auf See
Vom 17. November 2010
(VkBl. Nr. 23 vom 15.12.2010 S. 632)
Die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO) hat am 16. Mai 2008 den Code über internationale Normen und empfohlene Verfahrensweisen für die Sicherheitsuntersuchung eines Seeunfalls oder eines Vorkommnisses auf See angenommen. Dieser Code wird nachstehend bekannt gegeben.
1) ohne amtliche Übersetzung: englischer Originaltitel: "Participation in Official Inguiries into Maritime Casualties"
2) ohne amtliche Übersetzung; englischer Originaltitel: "The Conduct of Investigations into Casualties"
3) ohne amtliche Übersetzung; englischer Originaltitel: "Exchange of Information fair Investigations into Marine Casualties"
4) ohne amtliche Übersetzung; englischer Originaltitel: "Personnel and Material Resource Needs of Administrations for the Invasegaben of Casualties and the Contravention of Conventions"
5) ohne amtliche Übersetzung; englischer Originaltitel: "Cooperation in Maritime Casualty Investigations"
6) Die Formulierung "im Rahmen des Durchführbaren' kann sich beispielsweise darauf beziehen, dass der Zusammenarbeit oder Teilnahme durch innerstaatliche Rechtsvorschriften Grenzen gesetzt sind, so dass eine uneingeschränkte Zusammenarbeit oder Teilnahme nicht möglich ist.
7) In der Fassung des Protokolls von 2005 (noch nicht in Kraft)
*) Es wird auf das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ), Artikel 94 Absatz 7 beziehungsweise auf die einschlägigen völker- und gewohnheitsrechtlichen Vorschriften verwiesen.
**) Es wird auf das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ), Artikel 2 beziehungsweise auf die einschlägigen völker- und gewohnheitsrechtlichen Vorschriften verwiesen.
***) Alle Staaten erkennen an, dass es sinnvoll ist, in Fällen, in denen Informationen aus einer Sicherheitsakte zur Durchführung der Sicherheitsuntersuchung Personen außerhalb der Sicherheitsuntersuchung zugänglich gemacht werden müssen, diese Informationen vertraulich zu behandeln.
Beispielsweise kann es notwendig werden, Informationen aus einer Sicherheitsakte einem externen Sachverständigen zur Auswertung oder zwecks Einholung einer zweiten Meinung zur Verfügung zu stellen.
Ziel einer vertraulichen Behandlung ist es, sicherzustellen, dass sensible Informationen nicht zu einem Zeitpunkt, zu dem noch nicht geklärt ist, wie die Informationen bei der Bestimmung der ursächlichen Faktoren eines Seeunfalls oder eines Vorkommnisses auf See dienlich sein können, in unangemessener Weise zu Zwecken außerhalb der Sicherheitsuntersuchung freigegeben werden.
Eine unangemessene Freigabe kann dazu führen, dass den an einem Seeunfall oder einem Vorkommnis auf See beteiligten Parteien Schuld oder haftungsrechtliche Verantwortung zugewiesen wird.
****) Beispiele für Fälle, in denen es angemessen sein kann, Informationen aus Sicherheitsakten für strafrechtliche, zivilrechtliche, disziplinarische oder verwaltungsrechtliche Verfahren freizugeben, sind unter anderem:
1 Fälle, in denen ein Verfahrensbeteiligter in der Absicht gehandelt hat, eine zerstörerische Folge
herbeizuführen;
2 Fälle, in denen ein Verfahrensbeteiligter sich des erheblichen Risikos des Eintritts einer zerstörerischen Folge bewusst war und es im Hinblick auf die ihm bekannten Umstände nicht zu rechtfertigen war, dieses Risiko einzugehen.
*****) Siehe Kapitel 13, in welchen Bestimmungen darüber, dass interessierten Parteien auf Ersuchen Berichte zur Verfügung zu stellen sind, wahlweise als verpflichtende Bestimmungen aufgenommen werden können.
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