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PCB-Richtlinie - Richtlinie für die Bewertung und Sanierung PCB-belasteter Baustoffe und Bauteile in Gebäuden
- Nordrhein-Westfalen -
Fassung vom 3. Juli 1996
(MBl. NRW Nr. 52 vom 09.08.1996 S. 1260)
RdErl. d. Ministeriums für Bauen und Wohnen v. 3.7.1996 -II B 4-476.101
Die vorliegende Richtlinie enthält Hinweise für Gebäudeeigentümer und -nutzer sowie Baufachleute, wie Bauprodukte, die polychlorierte Biphenyle (PCB) enthalten, gesundheitlich zu bewerten sind, wie Sanierungen durchgeführt werden können, welche Schutzmaßnahmen dabei beachtet werden müssen, wie die Abfälle und das Abwasser zu entsorgen sind und wie sich der Erfolg einer Sanierung kontrollieren läßt.
Die PCB gehören chemisch zur Gruppe der chlorierten aromatischen Kohlenwasserstoffe. Die Ausgangsverbindung ist das Biphenyl, das aus zwei miteinander verbundenen Phenylringen besteht, an denen 1 bis insgesamt 10 Chloratome gebunden sein können.
Seit den fünfziger Jahren wurde PCB außer in Kondensatoren von Leuchtstoffleuchten und anderen geschlossenen, d.h. sich ohne Kontakt zur umgebenden Luft vollziehenden, Anwendungen in großem Umfang auch als Weichmacher in einer Reihe offener Anwendungen eingesetzt. Offen angewendete PCB können insbesondere enthalten sein in
Eine der häufigsten Anwendungen in diesem Bereich war die Verwendung als Weichmacher in Fugendichtungsmassen auf Basis eines Polysulfid-Kunstharzes 1. Als Weichmacher für Fugendichtungsmassen wurden Produkte verwendet, die 30 bis 60 Gewichtsprozente Chlor enthielten. Diese Weichmacher wurden z.B. unter den Handelsnamen Clophen, Arodor, Kanechlor, Fenchlor u. a. in den Verkehr gebracht. Die äußere Beschaffenheit der technischen Gemische reicht von fast farblosen öligen Flüssigkeiten bis zu hellgelben Weichharzen. Mit steigendem Chlorgehalt nehmen Dichte und Zähflüssigkeit (Viskosität) stark zu, während die ohnehin geringe Wasserlöslichkeit und die Flüchtigkeit abnehmen.
Im Jahr 1973 empfahl der Rat für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), PCB nicht mehr in offenen, sondern nur noch in geschlossenen Anwendungen einzusetzen. Im Jahr 1978 setzte die Bundesregierung diese Empfehlung in deutsches Recht um. Seit 1983 werden PCB in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr hergestellt.
Aufgrund der zwischenzeitlich aufgehobenen Verordnung zum Verbot von polychlorierten Biphenylen, polychlorierten Terphenylen und zur Beschränkung von Vinylchlorid (PCB-, PCT-, VC-Verbotsverordnung) vom 18. Juli 1989 (BGBl. I S.1482) wurde das Inverkehrbringen und Verwenden von Stoffen, Zubereitungen und Erzeugnissen, die bestimmte PCB oder PCB in bestimmten Konzentrationen (50 mg PCB/kg) enthalten, verboten. Heute gelten insoweit die Verbote nach § 1 der Verordnung über Verbote und Beschränkungen des Inverkehrbringens gefährlicher Stoffe, Zubereitungen und Erzeugnisse nach dem Chemikaliengesetz (Chemikalien-Verbotsverordnung - ChemVerbotsV) vom 14. Oktober 1993 (BGBl. I S.1720), zuletzt geändert durch Verordnung vom 6. Juli 1994 (BGBl. I S.1493).
Die bis etwa 1975 in offenen Anwendungen eingesetzten PCB-haltigen Produkte können bis heute zu PCB-Raumluftbelastungen führen, deren Höhe von der Art der PCB von deren Menge im jeweiligen Produkt, von der Art des PCB-kontaminierten Materials, der Menge und Beschaffenheit PCB-haltiger Produkte im Raum, den Klimabedingungen des Raumes, den Oberflächentemperaturen der Bauten und den Witterungsbedingungen abhängt. Im Laufe der Zeit können in solchen Räumen auch nicht PCB-haltige Bauteile oder Gegenstände durch PCB-haltige Stoffe kontaminiert werden und ihrerseits wieder zur Raumluftverunreinigung beitragen.
Ab einer bestimmten Höhe der Raumluftbelastung von Aufenthaltsräumen (Vorsorgewert) sind Maßnahmen zu prüfen, mit denen die Raumluftbelastung gesenkt werden kann. Zur Vermeidung gesundheitlicher Gefahren können in Abhängigkeit von der Höhe der Raumluftkonzentration und der Nutzung (Gefahrengrenzwert), Sanierungsmaßnahmen notwendig werden.
Zu unterscheiden ist zwischen Primär- und Sekundärquellen.
Primärquellen sind Produkte, denen die PCB gezielt zur Veränderung der Produkteigenschaften zugesetzt wurden. Solche Produkte, z.B. Fugendichtungsmassen oder Beschichtungen, enthalten in der Regel mehr als 0,1 Gewichtsprozent PCB und können nach den bisher vorliegenden Erfahrungen deutlich erhöhte PCB-Raumluftbelastungen verursachen. Neben dem PCB-Gehalt besitzen das Verhältnis von kontaminierter Oberfläche zu Raumvolumen sowie die Art des PCB-Gemisches einen entscheidenden Einfluß auf die resultierende Raumluftbelastung.
Sekundärquellen sind Bauteile (z.B. Wände, Decken) oder Gegenstände (z.B. Mobiliar oder Ausstattungsgegenstände wie Teppichböden oder Gardinen), die PCB meist über längere Zeit aus der belasteten Raumluft aufgenommen haben. Sie vermögen die an der Oberfläche angelagerten PCB nach und nach wieder in die Raumluft freizusetzen.
Großflächige Sekundärkontaminationen können - selbst nach vollständigem Entfernen der Primärquellen - erhöhte PCB-Raumluftkonzentrationen aufrechterhalten.
Diese Richtlinie gilt für die Bewertung und Sanierung von Gebäuden, in denen Bauprodukte oder Bauteile enthalten sind, die PCB in offener Anwendung enthalten (Primärquellen) oder damit kontaminiert sind (Sekundärquellen).
Bei der Durchführung von Sanierungsmaßnahmen sind insbesondere die geltenden Regelungen
zu beachten. Auf spezielle Rechtsvorschriften und technische Regeln wird in den einzelnen Abschnitten hingewiesen.
3 Bewertung und Überprüfung der PCB-Belastung von Räumen
3.1 Bewertung der PCB-Belastung von Räumen und der Dringlichkeit von Sanierungsmaßnahmen
Von PCB-belasteten Baustoffen und Bauteilen in Räumen können Gesundheitsrisiken für die Nutzer der Räume ausgehen. Das gesundheitliche Risiko steigt mit der Konzentration der PCB-Gehalte in der Raumluft, der Nutzungsart und der Aufenthaltsdauer im Raum.
Die folgende Bewertung der Dringlichkeit einer Sanierung erfolgt aufgrund der toxikologischen Bewertung von PCB in der Innenraumluft dauerhaft genutzter Räume durch das frühere Bundesgesundheitsamt und die Arbeitsgemeinschaft der Leitenden Medizinalbeamten der Länder (AGLMB). Auf der Grundlage des Beschlusses des Ausschusses für Umwelthygiene der AGLMB vom 14./15.6.1993 werden folgende Empfehlungen für sachgerecht angesehen:
Großflächige Primärquellen (Farbanstriche, Brandschutzanstriche, Deckenplatten u. a.) enthalten oftmals ein hochchloriertes PCB-Gemisch (Chlophen A 50/60). Dabei gibt es besondere Risiken:
Das bedeutet eine besondere Bewertung hochchlorierter, großflächiger Primärkontaminationen. Zusätzlich zum absoluten Gehalt PCB-kontaminierter Raumluft muß der Chlorgehalt der Quelle kritisch gewürdigt werden.
Zur Erläuterung wird auf folgendes hingewiesen:
Dieser Bewertung liegt eine tolerable tägliche Aufnahmemenge (TDI-Wert) von 1 µg PCB/kg Körpergewicht zugrunde, der vom früheren Bundesgesundheitsamt und der Deutschen Forschungsgemeinschaft abgeleitet wurde.
Die täglich über die Nahrung aufgenommene Menge liegt derzeit bei 0,1 µg/kg Körpergewicht. Eine zusätzliche Belastung über die Atemluft ist unter Vorsorgeaspekten soweit wie möglich einzuschränken. Als vertretbar könnte bis zu 10% des TDI-Wertes angesehen werden, d.h. 0,1 µg PCB/kg Körpergewicht/Tag. Dieser Wert wird bei einer Aufenthaltsdauer von 24 Stunden pro Tag bei Raumluftkonzentrationen von 300 ng PCB/m³ Luft erreicht.
In Räumen mit im Jahresmittel zu erwartenden Raumluftkonzentrationen über 3000 µg PCB/m³ Luft kann der genannte TDI-Wert allein durch die inhalative Aufnahme überschritten werden; in diesen Fällen sind daher Maßnahmen zur Abwehr einer Gefahr für Leben oder Gesundheit ist angezeigt;
3.2 Überprüfung der PCB-Belastung von Gebäuden
Zur Feststellung einer PCB-Belastung von Gebäuden sollte methodisch wie folgt vorgegangen werden:
Eine offene Anwendung von PCB ist insbesondere bei Gebäuden zu befürchten, die bis zum Ende der 70er Jahre erbaut wurden. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand ist eine offene Anwendung von PCB bei Gebäuden, die nach 1980 erbaut wurden, nicht zu erwarten.
4 Empfehlungen für die Sanierung von Gebäuden
4.1 Grundsätze
Eine Sanierung PCB-belasteter Gebäude hat zum Ziel, die Raumluftbelastung durch PCB-haltige Produkte dauerhaft zu senken. Dies kann z.B. durch Entfernen, Abtrennen oder Beschichten PCB-haltiger Produkte geschehen.
Es wird empfohlen sicherzustellen, daß die Räume bis zur Sanierung ausreichend gelüftet und regelmäßig feucht gereinigt werden.
Um Gefährdungen der bei Sanierungen Beschäftigten, Dritter und der Umwelt auszuschließen, sollten folgende Grundsätze beachtet werden:
4.2 Sanierung
4.2.1 Übersicht
Für eine dauerhafte Sanierung von PCB-belasteten Räumen kommt in der Regel nur das Entfernen der Primärquellen (z.B. Dichtungsmassen, Anstriche, Deckenplatten) in Betracht. Die nachfolgend aufgeführten Verfahren haben sich in der Praxis bewährt. Damit sind andere Verfahren, die zu gleichwertigen Ergebnissen führen, nicht ausgeschlossen. Die Beschichtung von Primärquellen hat sich bisher nicht bewährt.
Läßt sich durch diese Maßnahmen an den Primärquellen die PCB-Raumluftkonzentration nicht unter den Sanierungsleitwert von 300 ng PCB/m³ Luft absenken, ist darüber hinaus die Sanierung von Sekundärquellen erforderlich. Großflächige Sekundärquellen sollten möglichst entfernt werden. Im Falle einer Beschichtung oder Abtrennung ist der Langzeiterfolg dieser Maßnahmen durch Messungen nach 5.3 zu belegen.
Die vorgelegten Empfehlungen sind auf den Umgang mit PCB-haltigen Produkten nach Bränden nicht anzuwenden (siehe hierzu die BGA-Empfehlungen von Gebäuden nach Bränden, Bundesgesundheitsblatt 1/90).
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1) Erläuterung:
Eines der wichtigsten Handelsprodukte im Bereich der Polysulfid-Kunstharze trug den Namen "Thiokol", weshalb die damit hergestellten Fugendichtungsmassen auch häufig als "Thiokol-Fugenmassen" bezeichnet wurden.
Diese auch heute noch gebräuchliche Bezeichnung läßt aber keineswegs den Schluß zu, daß diese Produkte zwangsläufig PCB-haltig sein müssen, vielmehr war auch schon seinerzeit die weitaus größere Menge von "Thiokol-Fugenmassen" PCB-frei.
2) Erläuterung:
Es hat sich als sinnvoll erwiesen, die Sanierungsbereiche in Abhängigkeit von der jeweiligen Gebäudestruktur festzulegen.
Günstig ist die Einbeziehung sog. Brandabschnitte, die in aller Regel von festen Wänden begrenzt sind und somit ein einfaches Abtrennen der Baustelle gegenüber den weiter genutzten Teilen eines Gebäudes ermöglichen.
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