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Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) zu den Anforderungen an die Inhalte der Aufklärung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 3 GenDG bei genetischen Untersuchungen zur Klärung der Abstammung
Vom 01.07.2011
veröffentlicht und in Kraft getreten am 11.07.2011
(Bundesgesundheitsbl.
Nr. 11 vom Nov. 2011 S. 1241)
I. Vorwort
Am 1. Februar 2010 ist in Deutschland das Gesetz über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz - GenDG) in Kraft getreten. Die Aufgabe, Richtlinien im gesetzlichen Rahmen für verschiedene Teilbereiche des GenDG zu erarbeiten, wurde der am Robert Koch-Institut eingerichteten Gendiagnostik-Kommission (GEKO) übertragen (§ 23 GenDG). Die GEKO ist aus 13 Sachverständigen aus den Fachrichtungen Medizin und Biologie, zwei Sachverständigen aus den Fachrichtungen Ethik und Recht sowie drei Vertretern der für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten, der Verbraucherinnen und Verbraucher und der Selbsthilfe behinderter Menschen auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen zusammengesetzt.
In § 23 Abs. 2 Nr. 3 GenDG wird festgelegt, dass die GEKO in Bezug auf den allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik Richtlinien für die Anforderungen an die Inhalte der Aufklärung und der genetischen Beratung erstellt.
Für den Gesetzgeber stand bei der Einbeziehung der genetischen Untersuchungen zur Klärung der Abstammung in das GenDG im Vordergrund, dass hiermit klare Regelungen zum Schutz des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung geschaffen werden sollen1 und gleichzeitig an die Abstammungsklärung keine geringeren Anforderungen zu stellen sind, als an andere genetische Untersuchungen 1. Nach § 17 Abs. 1 GenDG ist daher sowohl die Aufklärung gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 GenDG erster Halbsatz sowie Nr. 2 bis 5 und Abs. 3 GenDG, als auch die Einwilligung gemäß § 8 GenDG bei der Durchführung von genetischen Untersuchungen zur Klärung der Abstammung erforderlich.
II. Einleitung
Die Aufklärung vor einer genetischen Untersuchung zur Klärung der Abstammung unterscheidet sich in prozeduralen und inhaltlichen Punkten von der Aufklärung vor einer genetischen Untersuchung zu medizinischen Zwecken. Zunächst geht die Initiative zur Auftragserteilung i. d. R. von einer einzelnen Person aus, z.B. von einem Mann, der seine mögliche Vaterschaft zu einem Kind geklärt haben möchte. Die Durchführung der gewünschten genetischen Untersuchung selbst ist jedoch davon abhängig, dass mindestens zwei Personen einbezogen werden und ihre Einwilligung erteilen 2. Schließlich besteht zwischen der Person, die die Klärung der Vaterschaft wünscht, und dem von ihr beauftragten ärztlichen oder nichtärztlichen Sachverständigen kein Arzt-Patienten-Verhältnis, sondern eine vertragliche Beziehung zur Erbringung einer Dienstleistung. Die GEKO sah es daher als sinnvoll an, hierzu eine eigenständige Richtlinie zu verfassen.
Bei familienrechtlichen Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft nach § 1600d BGB und zur Anfechtung der Vaterschaft nach § 1600 BGB erfolgt die Anordnung zur Untersuchung der beteiligten Personen durch das Gericht. Ebenso kann im Verfahren auf der Grundlage des § 1598a BGB, in dem Vater, Mutter und Kind gegenseitig einen Anspruch auf Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung und Duldung der Entnahme einer für die Untersuchung geeigneten genetischen Probe besitzen, auf Antrag des Klärungsberechtigten eine nicht erteilte Einwilligung durch einen Beschluss des Familiengerichts ersetzt werden (§ 17 Abs. 7 Satz 1 GenDG). Eine Aufklärung über die Untersuchung hat aber auch in diesem Fall zu erfolgen 3. Weiterhin ist eine Aufklärung in eingeschränktem Umfang im Verfahren nach § 17 Abs. 8 GenDG zum Nachweis eines Verwandtschaftsverhältnisses nach dem Pass- oder Personalausweisgesetz und im Verfahren der Auslandsvertretungen und der Ausländerbehörden zum Familiennachzug nach dem Aufenthaltsgesetz erforderlich. Einzelheiten zu diesen Verfahren sind in Kapitel IV.2. der Richtlinie dargestellt.
Sowohl für die Durchführung der Aufklärung als auch für die Dokumentation des Inhaltes ist gemäß § 9 Abs. 1 und 3 GenDG die verantwortliche ärztliche Person bzw. gemäß § 17 Abs. 4 GenDG der/die auf dem Gebiet der Abstammungsbegutachtung erfahrene Sachverständige mit abgeschlossener naturwissenschaftlicher Hochschulausbildung verantwortlich. Die nachfolgende Richtlinie beschreibt die Anforderungen an den Inhalt der Aufklärung sowie der sich daran anschließenden Einwilligung und weist darüber hinaus auf ergänzende Themen hin, die Bestandteil der Aufklärung sein können. Zur Verdeutlichung ist ein Formulierungsvorschlag als Anlage beigefügt, der die wesentlichen Inhalte der Aufklärung und Einwilligung bei genetischen Untersuchungen zur Klärung der Abstammung wiedergibt.
Die Anforderungen an die Durchführung genetischer Analysen zur Klärung der Abstammung werden in der Richtlinie der GEKO gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 4 GenDG geregelt.
III. Anforderungen
1. Zweck, Art, Umfang und Aussagekraft der genetischen Untersuchung zur Klärung der Abstammung
Die Zweckbestimmung und die Aussagekraft der genetischen Untersuchung zur Klärung der Abstammung sollen an dem Beispiel eines einfachen Vaterschaftsfalles erläutert werden. Dabei soll ergänzend auf die konkrete Fragestellung eingegangen und auf die Möglichkeiten und Grenzen der jeweils eingesetzten Methode hingewiesen werden.
Es soll darüber informiert werden, dass sich die genetische Untersuchung zur Klärung der Abstammung auf die Analyse nichtkodierender DNA-Merkmale beschränkt und daher die erzielbaren Ergebnisse, mit Ausnahme des Geschlechtes, keine direkten Rückschlüsse auf persönliche Eigenschaften zulassen. Nach § 17 Abs. 1 Satz 3 und 4 GenDG muss klargestellt werden, dass die Untersuchung ausschließlich dem genannten Zweck dient.
Eine Erläuterung des Untersuchungsganges bzw. der eingesetzten Methoden ist nicht zwingend erforderlich und kann z.B. in Form einer ergänzenden schriftlichen Information angeboten werden.
Der entsprechende Formulierungsvorschlag ist in der Anlage in Teil 1a zu finden.
2. Gesundheitliche Risiken
In Abhängigkeit von der Art der Gewinnung der genetischen Probe ist gegebenenfalls über mögliche gesundheitliche Risiken aufzuklären. Im Gegensatz zu genetischen Untersuchungen zu medizinischen Zwecken ist die Kenntnis des Ergebnisses einer Abstammungsuntersuchung nicht mit gesundheitlichen Risiken verbunden; daher erscheint ein gesonderter Hinweis verzichtbar. Der entsprechende Formulierungsvorschlag ist in der Anlage in Teil 1b zu finden.
3. Vorgesehene Verwendung der genetischen Probe sowie der Untersuchungsergebnisse
Es ist darauf hinzuweisen, dass die entnommene genetische Probe unverzüglich vernichtet wird, sobald sie für den Untersuchungszweck nicht mehr benötigt wird und dass die Ergebnisse von Abstammungsuntersuchungen nach § 17 Abs. 5 GenDG für 30 Jahre aufbewahrt werden.
Genetische Proben dürfen zu anderen Zwecken nur verwendet werden, soweit dies nach anderen gesetzlichen Bestimmungen zulässig ist oder wenn zuvor die Person, von der die genetische Probe stammt, nach Unterrichtung über die anderen Zwecke in die Verwendung ausdrücklich und schriftlichen eingewilligt hat. Darüber muss im Rahmen der Aufklärung informiert werden. Bei einer Verwendung zu anderen Zwecken sollen diese benannt werden. Die Einwilligung gilt nur für die jeweils benannten Zwecke. Sie muss schriftlich dokumentiert sein und kann gemäß § 8 Abs. 2 GenDG jederzeit schriftlich oder mündlich widerrufen werden. Bei Widerruf muss die genetische Probe unverzüglich vernichtet werden. Die entsprechenden Formulierungsvorschläge sind in der Anlage in Teil 1c und Teil 2 zu finden.
4. Recht auf Widerruf der Einwilligung
Weiterhin ist auf das Recht auf Widerruf der Einwilligung gemäß § 8 Abs. 2 GenDG zu verweisen. Der Widerruf kann schriftlich oder mündlich erfolgen. Ein mündlicher Widerruf ist unverzüglich zu dokumentieren. Die Untersuchung ist bei Widerruf abzubrechen. Erfolgt der Widerruf nur durch eine der an der Abstammungsklärung beteiligten Personen, so sind die übrigen Beteiligten, sofern sie bereits eingewilligt haben, darüber zu informieren. Der entsprechende Formulierungsvorschlag ist in der Anlage in Teil 1d zu finden.
5. Recht auf Nichtwissen
Abschließend ist die zu untersuchende Person darüber aufzuklären, dass sie ein Recht auf Nichtwissen hat, einschließlich des Rechts, das Untersuchungsergebnis oder Teile davon nicht zur Kenntnis zu nehmen, sondern vernichten zu lassen. Es muss in diesem Zusammenhang jedoch deutlich gemacht werden, dass die Inanspruchnahme des Rechts auf Vernichtung des Ergebnisses voraussetzt, dass die betreffende Person noch keine Kenntnis vom Ergebnis erlangt hat.
Falls eine der bei der Klärung eines Abstammungs- oder Verwandtschaftsverhältnisses beteiligten Personen die Einwilligung nach Beginn der Untersuchung widerruft (nach III.4.) oder von ihrem Recht auf Vernichtung der Ergebnisse Gebrauch macht (III.5.), soll die Untersuchung zunächst mit dem Ziel unterbrochen werden, eine Entscheidung der Beteiligten über das weitere Vorgehen herbeizuführen.
Der entsprechende Formulierungsvorschlag ist in der Anlage in Teil 1e zu finden.
6. Dokumentation über die erteilte Einwilligung
Die Einwilligung im Rahmen einer genetischen Untersuchung zur Klärung der Abstammung soll sich sowohl auf die Durchführung der Untersuchung als auch die Gewinnung der genetischen Probe beziehen. In der Einwilligung soll noch einmal im Einzelnen auf die Kenntnisnahme der nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 erster Halbsatz, Nr. 2-5 GenDG vorgegebenen Inhalte der Aufklärung hingewiesen werden. Dies schließt den Wunsch ein, vom Ergebnis der Untersuchung Kenntnis zu erhalten. Wenn durch einen der Beteiligten bereits vor Beginn der Untersuchung vom Recht auf Nichtwissen Gebrauch gemacht wird, so soll dies bei der Einwilligung erklärt und dokumentiert werden.
Im normalen Abstammungsfall mit Mutter, Kind und möglichem Vater genügt bei Einvernehmlichkeit aus Gründen der vereinfachten Dokumentation eine gemeinsame Einwilligung, die von den beteiligten Personen gemeinsam unterschrieben wird. Bei nichteinwilligungsfähigen Personen nach § 17 Abs. 3 GenDG (in der Regel ist dies das minderjährige Kind, dessen Abstammung geklärt werden soll) müssen die jeweils sorgeberechtigten Personen unterschreiben. Auch bei ehelich geborenen Kindern sind dies beide Eltern. Finden die Entnahmen der genetischen Proben zu getrennten Terminen statt, oder gibt es z.B. in Bezug auf die Verwendung der genetischen Probe oder die Mitteilung des Ergebnisses unterschiedliche Willensbekundungen, so ist für jede untersuchte Person eine eigene Erklärung zu unterschreiben. Der entsprechende Formulierungsvorschlag ist in der Anlage in Teil 2 zu finden.
IV. Aufklärung in familiengerichtlichen Verfahren und in Verfahren gemäß § 17 Abs. 8 GenDG
1. Klärung der Abstammung in familiengerichtlichen Verfahren sowie im Anschluss an ein familiengerichtliches Verfahren nach § 1598a BGB
Die Aufklärung der Verfahrensbeteiligten (i. d. R. Putativvater, Mutter und Kind im Vaterschaftsfeststellungsverfahren bzw. Vater, Mutter und Kind im Vaterschaftsanfechtungsverfahren und im Vaterschaftsklärungsverfahren nach § 1598a BGB) beschränkt sich auf Zweck, Art und Umfang des Abstammungsgutachtens, auf mögliche gesundheitliche Risiken sowie auf die Verwendung der entnommenen genetischen Probe und der gewonnenen Ergebnisse (Punkte III.1.-3. der vorliegenden Richtlinie). Das Recht auf Widerruf der Einwilligung (III. 4.) und auf Nichtwissen (III.5.) kann aus rechtlichen und praktischen Erwägungen hier nicht in Anspruch genommen werden, da die Klärung der Abstammung im Mittelpunkt des familiengerichtlichen Verfahrens steht und im Vaterschaftsfeststellungs- und Anfechtungsverfahren die Grundlage der richterlichen Entscheidung darstellt. Dies ergibt sich auch aus § 17 Abs. 7 Satz 3 GenDG, der klarstellt, dass die Vorschriften im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens unberührt bleiben.
2. Klärung der Abstammung in Verfahren nach § 17 Abs. 8 GenDG
Die in § 17 Abs. 8 GenDG zusammengefassten Regelungen zum "Nachweis eines Verwandtschaftsverhältnisses im Verfahren nach dem Pass- oder Personalausweisgesetz und im Verfahren der Auslandsvertretungen und der Ausländerbehörden zum Familiennachzug nach dem Aufenthaltsgesetz" stellen einen Sonderfall genetischer Untersuchungen zur Klärung der Abstammung dar, da diese regelmäßig damit verbunden sind, dass die Entnahme einer genetischen Probe z.B. bei einem Kind des in Deutschland lebenden Antragstellers im Ausland entweder durch einen für die Auslandsvertretung tätigen Vertrauensarzt oder direkt durch das Personal der Auslandsvertretung erfolgt. Dies gilt auch für die Aufklärung, die nach § 17 Abs. 8 Satz 3 GenDG auch "von einer anderen als der für die Untersuchung verantwortlichen Person vorgenommen werden (darf), die nicht die Anforderungen nach Absatz. 4 erfüllen muss". Unter Berücksichtigung der besonderen Gegebenheiten des Verfahrens werden hierbei einzelne Regelungen des GenDG ausgenommen bzw. werden besondere Regelungen getroffen 4, die wie folgt zu beschreiben sind:
Daraus ergeben sich bei Beauftragung von genetischen Untersuchungen zur Klärung der Abstammung in den Verfahren nach § 17 Abs. 8 GenDG die folgenden Anforderungen an die Inhalte der Aufklärung und die entsprechende Dokumentation der Einwilligung:
Die Dokumentation der Aufklärung und der Einwilligung in die Untersuchung (nach III.6.) einschließlich der Einwilligung zur Übermittlung der Untersuchungsergebnisse an die mit dem Verfahren befasste Auslandsvertretung/Ausländerbehörde erfolgt durch die für die Durchführung nach § 17 Abs. 8 Satz 3 GenDG zuständige Person, die in diesem Falle keine ärztliche oder auf dem Gebiet der Abstammungsbegutachtung erfahrene nichtärztliche Person sein muss.
V. Begründung
1. Zweck, Art, Umfang und Aussagekraft der genetischen Untersuchung zur Klärung der Abstammung
Gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 erster Halbsatz GenDG soll eine umfassende Aufklärung über das Ziel der Untersuchung, also die Klärung des fraglichen Abstammungs- oder Verwandtschaftsverhältnisses und über die eingesetzten Untersuchungsverfahren sowie deren Leistungsfähigkeit in Bezug auf die Klärung der zugrunde liegenden Fragestellung erfolgen. Dabei wird es jedoch in der Regel so sein, dass bereits vor Erteilung des Untersuchungsauftrages eine fachliche Erörterung mit Festlegung des Untersuchungszieles zwischen dem Auftraggeber und dem ärztlichen/nichtärztlichen Sachverständigen erfolgt ist, während die Aufklärung gemäß GenDG der Entnahme der genetischen Probe vorangeht.
Die DNA-Analyse unter Verwendung von Short Tandem Repeat (STR) Polymorphismen hat sich in den letzten Jahren als Standardverfahren bei der Abstammungsklärung etabliert (2,3). Durch die Untersuchung dieser Merkmalssysteme, die dem nichtkodierenden Bereich der DNA entstammen, lassen sich unmittelbar keine relevanten Informationen über persönliche Eigenschaften oder Krankheitsanlagen gewinnen; vielmehr zeichnen sie sich durch eine hohe Leistungsfähigkeit bei der Abklärung von Abstammungs- und Verwandtschaftsbeziehungen aus (4).
2. Gesundheitliche Risiken
Gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 2 GenDG wird hier darauf verwiesen, dass es praktisch keine mit der Gewinnung der genetischen Probe verbundenen Risiken gibt; mögliche Risiken beschränken sich auf die Blutentnahme, falls als Untersuchungsmaterial Blut gewonnen werden soll. In diesem Falle trägt die durchführende Ärztin oder der Arzt die Verantwortung und sie/er hat daher auch die zugehörige Aufklärung durchzuführen. Eine Aufklärung nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 GenDG über gesundheitliche Risiken, die mit der Kenntnis des Ergebnisses der genetischen Untersuchung verbunden sind, ist nicht erforderlich, da im Rahmen der Abstammungsklärung keine medizinischen Fragestellungen beantwortet werden.
3. Vorgesehene Verwendung der genetischen Probe sowie der Untersuchungsergebnisse
Gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 3 GenDG wird hier deutlich gemacht, dass die entnommene genetische Probe nur für den genannten Untersuchungszweck verwendet wird und gemäß § 13 GenDG unverzüglich vernichtet wird, sobald sie für diesen Zweck nicht mehr benötigt wird. Abweichend von § 12 Abs. 1 GenDG müssen die Ergebnisse nach § 17 Abs. 5 GenDG für 30 Jahre aufbewahrt werden.
Nach § 13 Abs. 2 GenDG ist es gestattet, bei ausdrücklicher und schriftlicher Einwilligung der zu untersuchenden Person die entnommene genetische Probe für andere Zwecke zu verwenden. Daher kann Wahlmöglichkeit zu einer Verwendung der genetischen Probe angeboten werden, die von dem der Untersuchung zugrunde liegenden Zweck abweicht. Falls versäumt wurde, bei optional angebotenen Auswahlmöglichkeiten eine Entscheidung durch Ankreuzen zu treffen, so gilt eine Einwilligung als nicht erteilt. Die Verwendung zu Forschungszwecken ist eine Möglichkeit, die auch vom Gesetzgeber in Betracht gezogen wird 6. Forschungszweck kann z.B. die wissenschaftliche Validierung oder Weiterentwicklung von neuen Methoden zur Abstammungsklärung sein. Bei allen Forschungsverwendungen sind die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes und der jeweiligen Landesdatenschutzgesetze zu beachten. Die möglichen anderen Zwecke nach § 13 Abs. 2, 1. Halbsatz GenDG beziehen sich auch auf die Verwendung als Beweismittel zur Verfolgung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit bei Verstößen gegen die § § 25 und 26 GenDG 7.
4. Recht auf Widerruf der Einwilligung
Gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 4 GenDG wird hier auf das Recht auf Widerruf der Einwilligung nach § 8 Abs. 2 GenDG verwiesen. Die Möglichkeit zum Widerruf ist eine zwingende Ausprägung des informationellen Selbstbestimmungsrechtes8. Der Widerruf kann schriftlich oder mündlich erklärt werden, muss aber in Hinblick auf die möglichen Rechtsfolgen in jedem Falle unverzüglich schriftlich dokumentiert werden9.
5. Recht auf Nichtwissen
Gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 5 GenDG wird hier auf das Recht auf Nichtwissen gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 GenDG in Verbindung mit § 8 Abs. 2 GenDG verwiesen. Dabei wird jedoch auch Bezug auf § 12 Abs. 1 Satz 4 GenDG genommen, der klarstellt, dass ein einmal zur Kenntnis genommenes Ergebnis bei zunächst erteilter und dann widerrufener Einwilligung nicht mehr vernichtet werden kann. Darauf wird auch in der Begründung des Gesetzes zu § 8 Abs. 1 GenDG Bezug genommen: 10 "Im Rahmen der Einwilligung hat die betroffenen Person auch zu entscheiden, ob und inwieweit ihr das Ergebnis der genetischen Untersuchung zur Kenntnis zu geben oder zu vernichten ist. Es besteht nur die Wahl zwischen Kenntnisnahme der Ergebnisse oder aber Vernichtung der Ergebnisse ohne Möglichkeit der Kenntnisnahme."
Im Gegensatz zu einer genetischen Untersuchung zu medizinischen Zwecken, bei der die genetische Untersuchung eines Verwandten der bereits untersuchten ratsuchenden Person in der Regel kein Bestandteil des Untersuchungsergebnisses ist und somit auch in Bezug auf die Vernichtung des persönlichen Ergebnisses separat behandelt werden kann, macht die Fortsetzung der Untersuchung bei Klärung der Abstammung keinen Sinn, wenn z.B. die allein sorgeberechtigte Kindesmutter ihre Einwilligung für sich und das Kind zurückzieht und der Putativvater weiterhin eine Fortsetzung wünscht. Es ist daher angebracht, den beteiligten Parteien zunächst die Möglichkeit zu geben, sich über die Fortsetzung oder das Ende der Untersuchung zu verständigen.
6. Dokumentation über die erteilte Einwilligung
Die Einwilligung bezieht sich nach § 8 Abs. 1 GenDG sowohl auf die Gewinnung der genetischen Probe als auch auf die explizite Erklärung zur Kenntnisnahme der aus der genetischen Untersuchung erhaltenen Ergebnisse. Die aus der Untersuchung gewonnenen genetischen Daten können nur im Zusammenhang der zu klärenden Abstammungs- bzw. Verwandtschaftskonstellation sinnvoll interpretiert und im Gutachten dargestellt werden. Die Ergebnisdarstellung enthält daher zwingend genetische Daten aller beteiligten Personen. Da grundsätzlich jede Person über die Verwendung ihrer genetischen Daten selbst entscheidet, bedarf es hier der Zustimmung jedes Beteiligten. Unabhängig davon hat jede Person, die in eine Abstammungsuntersuchung eingewilligt hat, einen Auskunftsanspruch gegenüber dem "Klärungsberechtigten", der eine Abstammungsuntersuchung hat durchführen lassen (§ 1598a Abs. 4 BGB).
Da in den meisten Fällen die Abstammung von minderjährigen Kindern geklärt werden soll, die noch nicht einwilligungsfähig sind, ist nach § 17 Abs. 3 Satz 2 GenDG die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters notwendig. Hier wird auf § § 1627 und 1901 Abs. 2 und 3 BGB verwiesen. Nach dem BGB wird ein minderjähriges Kind durch seine sorgeberechtigten Eltern (§ 1629 BGB) oder gegebenenfalls durch einen Vormund (§ 1793 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder Pfleger (§ 1915 Abs. 1, § 1793 Abs. 1 Satz 1 BGB) vertreten. Diese haben die Entscheidung darüber, ob sie die Einwilligung erteilen, am Kindeswohl auszurichten (§ 1627 BGB). Können sich gemeinsam sorgeberechtigte Eltern über die Abgabe der Einwilligung für das Kind nicht einigen, kann jeder Elternteil beim Familiengericht beantragen, ihm insoweit die Alleinentscheidungsbefugnis zu übertragen (§ 1628 BGB)11. Daraus folgt, dass eine wirksame Einwilligung bei ehelich geborenen Kindern und bei Kindern, deren unverheiratete Eltern das Sorgerecht gemeinsam ausüben, auch durch beide Elternteile einvernehmlich erteilt und mit ihren Unterschriften dokumentiert werden muss.
VI. Literatur
(1) Genenger, A. (2010) Das neue Gendiagnostikgesetz. NJW 63(3): 113-7.
(2) Deutsche Gesellschaft für Abstammungsgutachten (2008) Leitlinien für die Erstattung von Abstammungsgutachten. (URL: http://www.dgab.org/Website/Aktuelles files/Leitlinien 2008.pdf, letzter Zugriff: 08.02.2011).
(3) Schneider, P.M. (2008) Populationsgenetik autosomaler Polymorphismen, medgen 20(3): 298- 301.
(4) Gjertson, D.W.; Brenner, C.H.; Baur, M.P.; Carracedo, A.; Guidet, F.; Luque, J.A.; Lessig, R.; Mayr, W.R.; Pascali, V.L.; Prinz, M.; Schneider, P.M.; Morling, N. (2007) ISFG: Recommendations on biostatistics in paternity testing. Forensic Sci Int Genet 1(3-4): 223-231
VII. In-Kraft-Treten
Diese Richtlinie wird nach Verabschiedung ihrer endgültigen Form durch die GEKO mit der Veröffentlichung auf der Homepage des RKI wirksam.
Muster Aufklärungs- und Einwilligungs-Bogen | Anlage |
Titel: Aufklärung und Einwilligung zur genetischen Untersuchung zur Klärung der Abstammung in privatem Auftrag | |
Teil 1: Aufklärung | |
a) Zweck, Art, Umfang und Aussagekraft der Untersuchung
Die Untersuchung hat den Zweck, das durch den Auftrag beschriebene fragliche Abstammungs- bzw. Verwandtschaftsverhältnis mit Hilfe einer genetischen Analyse zu klären. In der Regel wird die Vaterschaft entweder mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit (> 99,9 %) festgestellt, oder der untersuchte Mann wird als Vater sicher ausgeschlossen. Die untersuchten DNA-Merkmale erlauben mit Ausnahme des Geschlechtes keine direkten Rückschlüsse auf persönliche Eigenschaften und dienen ausschließlich dazu, das im Auftrag genannte fragliche Abstammungs- oder Verwandtschaftsverhältnis zu klären. | |
Optional: kurze Beschreibung des Untersuchungsverfahrens | |
b) Gesundheitliche Risiken
Zur Untersuchung wird die DNA z.B. aus Mundschleimhautabstrichen (diese enthalten Zellen der Mundschleimhaut) oder aus einer Blutprobe der zu untersuchenden Person gewonnen. Zuverlässige DNA-Analysen sind grundsätzlich aus jeder Art von genetischen Proben möglich. Über gegebenenfalls mögliche Risiken werden Sie bei der Probenentnahme aufgeklärt. Eine genetische Probe darf nur zu anderen Zwecken verwendet werden, soweit dies nach den jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen zulässig ist oder wenn zuvor die Person, von der die genetische Probe stammt, nach Unterrichtung über die anderen Zwecke in die Verwendung ausdrücklich und schriftlichen eingewilligt hat. Bei erteilter Einwilligung kann die Probe auch für spätere Überprüfungen des Untersuchungsergebnisses oder die Verwendung zu Forschungszwecken aufbewahrt werden (siehe auch Teil 2 des Aufklärungs- und Einwilligungsbogens). | |
c) Verwendung der entnommenen genetischen Probe und der gewonnenen Ergebnisse
Die entnommene Probe wird unverzüglich vernichtet, sobald sie für den Untersuchungszweck nicht mehr benötigt wird. Die gewonnenen Ergebnisse werden nach Kenntnisnahme für 30 Jahre (also generationsübergreifend) aufbewahrt und anschließend vernichtet | |
d) Recht auf Widerruf der Einwilligung
Sie haben das Recht, Ihre Einwilligung zur genetischen Untersuchung jederzeit schriftlich oder mündlich gegenüber der verantwortlichen Person zu widerrufen. | |
e) Recht auf Nichtwissen
Sie haben das Recht auf Nichtwissen einschließlich des Rechts, das Untersuchungsergebnis oder Teile davon nicht zur Kenntnis zu nehmen, sondern vernichten zu lassen. Eine Vernichtung des Ergebnisses setzt voraus, dass Sie davon noch keine Kenntnis erlangt haben. Falls eine der bei der Klärung eines Abstammungs- oder Verwandtschaftsverhältnisses beteiligten Personen die Einwilligung widerruft oder von ihrem Recht auf Nichtwissen und Vernichtung der Ergebnisse Gebrauch macht, wird die Untersuchung zunächst mit dem Ziel unterbrochen, eine Entscheidung der Beteiligten über das weitere Vorgehen herbeizuführen. | |
Teil 2: Einwilligungserklärung | |
Ich bestätige durch meine Unterschrift, dass ich mit der Untersuchung und der Gewinnung der dafür erforderlichen genetischen Probe einverstanden bin und über
ausreichend aufgeklärt wurde. Ich erkläre weiterhin, dass ich vom Ergebnis der Untersuchung in Kenntnis gesetzt werden will. Abweichend davon erkläre ich: [ ] Ich möchte keine Kenntnis vom Ergebnis der Untersuchung erlangen. (falls zutreffend, bitte ankreuzen) | |
Optional: Mit Ihrem Einverständnis kann auch eine sichere Aufbewahrung Ihres Untersuchungsmaterials in unserem Labor erfolgen; dies kann unter Umständen sinnvoll sein.
Bitte entscheiden Sie, ob und wenn ja, für welchen Zweck Ihre Probe aufbewahrt werden soll:
Meine genetische Probe soll für eine eventuelle Überprüfung der Untersuchungsergebnisse oder weiterführende Untersuchungen bis auf Widerruf aufbewahrt werden (eine Weitergabe an Dritte ist ohne ausdrückliche Einwilligung ausgeschlossen): [ ] ja [ ] nein (bitte ankreuzen) Meine genetische Probe darf in anonymisierter Form aufbewahrt und zu Forschungszwecken verwendet werden. Forschungszweck kann z.B. die wissenschaftliche Validierung oder Weiterentwicklung von neuen Methoden zur Abstammungsklärung sein. [ ] ja [ ] nein (bitte ankreuzen) | |
Ich bin damit einverstanden, dass alle beteiligten Personen eine Ausfertigung des Gutachtens erhalten. Ich bin darüber informiert worden, dass alle Beteiligten ohnehin einen gesetzlichen Auskunftsanspruch gegenüber dem Auftraggeber des Gutachtens haben (§ 1598a Abs. 4 BGB). | |
__________________________
Name (in Blockschrift) Person 1 Name (in Blockschrift) Person 2 __________________________ | ________________________ Datum, Unterschrift* _________________________ _________________________ |
*evtl. aller gesetzlichen Vertreter |
____________
1 BT-Drucks. 16/10532, S. 33
2 Bei der Klärung einer Vaterschaft ist es angeraten, auch die Kindesmutter in die Untersuchung mit einzubeziehen, da auf Grundlage von drei Proben, nämlich der des möglichen Vaters, des Kindes und der Mutter, sicherere Untersuchungsergebnisse zu erzielen sind; vgl. hierzu BT-Drucks. 16/10532, S. 33, sowie Leitlinien für die Erstattung von Abstammungsgutachten (2)
3 vgl. BT-Drucks. 16/10532, S. 35
4 vgl. ausführliche Begründung zu Abs. 8 in BT-Drucks. 16/10532, S. 35
5 bei Entnahme eines Mundschleimhautabstriches, vgl. Fn. 4
6 BT-Drucks. 16/10532, S. 30
7 BT-Drucks. 16/10532, S. 30
8 BT-Drucks. 16/10532, S. 27
9 BT-Drucks. 16/12713, S. 35
10 BT-Drucks. 16/10532, S. 26
11 BT-Drucks. 16/10532, S. 31
ENDE |