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Änderungstext
Gesetz Nr. 1994 zur Änderung des Unterbringungsgesetzes
- Saarland -
Vom 13. Mai 2020
(Amtsbl.
I Nr. 27 vom 20.05.2020 S. 332)
Der Landtag des Saarlandes hat folgendes Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:
Das Unterbringungsgesetz vom 11. November 1992 (Amtsbl. S. 1271), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 9. April 2014 (Amtsbl. I S. 156), wird wie folgt geändert:
1. In den §§ 5 Absatz 1, 12 Absatz 3 Satz 2, Absatz 4 Satz 2 wird das Wort "Betreuungsgericht" jeweils durch die Wörter "zuständige Gericht" ersetzt.
2. § 7 wird wie folgt gefasst:
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§ 7 Anwendung der Vorschriften über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit
Anwendung der Vorschriften über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit | " § 7 Anwendung der Vorschriften über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit
Hinsichtlich der einstweiligen und der im Hauptsacheverfahren angeordneten Unterbringung durch das Gericht, ärztlicher Zwangsmaßnahmen, besonderer Sicherungsmaßnahmen gemäß § 11a, Sicherungsmaßnahmen gemäß § 11b sowie für das gerichtliche Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit." |
3. Nach § 11 werden folgende §§ 11a bis 11d eingefügt:
" § 11a Besondere Sicherungsmaßnahmen in Gefahrensituationen
(1) Bei einer von einer untergebrachten Person ausgehenden gegenwärtigen erheblichen Gefahr für Leben oder Gesundheit der untergebrachten Person oder Dritter können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, soweit diese Gefahr nicht anders abgewendet werden kann. Als besondere Sicherungsmaßnahmen sind zulässig:
(2) Maßnahmen nach Absatz 1 Nummer 1 oder 2 sind auch zulässig, wenn in erhöhtem Maße die Gefahr besteht, dass sich die untergebrachte Person selbst oder mit der Hilfe einer dritten Person der Obhut der Einrichtung entzieht oder wenn eine gegenwärtige Gefahr für bedeutende Rechtsgüter Dritter nicht anders abgewendet werden kann.
(3) Die behandelnde Einrichtung (§ 10) kann bei der Durchsetzung einer angeordneten Maßnahme nach Absatz 1 Nummer 2 bis 4 mittels unmittelbaren Zwangs erforderlichenfalls um Unterstützung der Vollzugspolizei ersuchen. Die vollzugspolizeiliche Unterstützung richtet sich nach den Grundsätzen der Vollzugshilfevorschriften der §§ 41 bis 43 des Saarländischen Polizeigesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. März 2001 (Amtsbl. S. 1074), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 22. August 2018 (Amtsbl. I S. 674, 681).
Die Vollzugspolizei bleibt über die nach diesem Gesetz zulässigen Maßnahmen auch zu Maßnahmen in eigener Zuständigkeit nach anderen Rechtsvorschriften, insbesondere dem Saarländischen Polizeigesetz, berechtigt, soweit dies nicht einer ärztlichen Anordnung im Hinblick auf den Gesundheitszustand der untergebrachten Person widerspricht.
(4) Bei besonderen Sicherungsmaßnahmen nach Absatz 1 Nummer 4 wird eine angemessene Überwachung durch therapeutisches oder pflegerisches Personal sichergestellt. Wird eine besondere Sicherungsmaßnahme nach Absatz 1 Nummer 2 vorgenommen, hat eine engmaschige Überwachung durch therapeutisches oder pflegerisches Personal zu erfolgen. Bei besonderen Sicherungsmaßnahmen nach Absatz 1 Nummer 3 ist grundsätzlich eine Einszu-eins-Betreuung durch therapeutisches oder pflegerisches Personal zu gewährleisten. Die ärztliche Kontrolle ist im erforderlichen Maß zu gewährleisten.
(5) Die Maßnahmen nach Absatz 1 sind anzukündigen. Die Ankündigung darf nur unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen, insbesondere wenn die besondere Sicherungsmaßnahme sofort umgesetzt werden muss, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden.
(6) Wenn der untergebrachten Person durch besondere Sicherungsmaßnahmen nach Absatz 1 Nummer 2 oder Absatz 1 Nummer 4 über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden soll, bedarf es der vorherigen richterlichen Anordnung. Ohne richterliche Anordnung sind diese Maßnahmen nur zulässig, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist. In diesem Fall ist unverzüglich eine nachträgliche richterliche Genehmigung zu beantragen, es sei denn, es ist absehbar, dass die besondere Sicherungsmaßnahme vor der Erlangung einer richterlichen Entscheidung beendet sein und eine zeitnahe Wiederholung nicht erforderlich werden wird. Ist eine richterliche Entscheidung beantragt und die Maßnahme vor deren Erlangung beendet worden, so ist dies dem Gericht unverzüglich mitzuteilen. Das Antragsrecht auf eine gerichtliche Entscheidung steht der behandelnden Einrichtung (§ 10) zu.
(7) Die Maßnahme nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 erfordert eine vorherige richterliche Anordnung des zuständigen Gerichts, wenn es sich nicht nur um eine kurzfristige Fixierung handelt, von der in der Regel auszugehen ist, wenn sie absehbar die Dauer von ungefähr einer halben Stunde unterschreitet. Absatz 6 Sätze 2 bis 5 gelten entsprechend.
(8) Die Anordnung einer besonderen Sicherungsmaßnahme nach Absatz 1 hat durch einen Arzt oder eine Ärztin der behandelnden Einrichtung (§ 10) zu erfolgen. Die Anordnung ist zu befristen und unverzüglich aufzuheben, sobald die Voraussetzungen für ihre Anordnung entfallen sind.
(9) Maßnahmen nach Absatz 1 sind durch die behandelnde Einrichtung (§ 10) einem bereits bestellten Betreuer oder einem bereits bestellten Verfahrenspfleger mitzuteilen; ist weder ein Betreuer noch ein Verfahrenspfleger bestellt oder erreichbar, so ist die Mitteilung an eine vom Untergebrachten benannte Person seines Vertrauens oder an einen nahen Angehörigen des Betroffenen zu richten. Abhängig vom Gesundheitszustand der untergebrachten Person soll eine Nachbesprechung der Anwendung von Maßnahmen gemäß Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 bis 4 zeitnah und durch den zuständigen Arzt oder die zuständige Ärztin erfolgen. Eine vom Untergebrachten benannte Person seines Vertrauens kann hinzugezogen werden. Nach Beendigung der Maßnahme ist die untergebrachte Person und deren Betreuer oder Betreuerin oder deren Verfahrenspfleger oder Verfahrenspflegerin durch den zuständigen Arzt oder die zuständige Ärztin auf die Möglichkeit hinzuweisen, die Zulässigkeit einer nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 bis 4 durchgeführten Maßnahme durch das zuständige Gericht überprüfen zu lassen. Für Anträge auf gerichtliche Überprüfung der Zulässigkeit von Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 ist das Amtsgericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk die behandelnde Einrichtung liegt, in der der Betroffene sich befindet; es gelten die §§ 312 Nummer 4 und 151 Nummer 8 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend.
(10) Die Maßnahmen nach Absatz 1 sind hinsichtlich ihrer Anordnung, Begründung, Durchsetzung, Dauer sowie Überwachung je nach Zuständigkeit durch einen Arzt oder eine Ärztin oder das Pflegepersonal der behandelnden Einrichtung (§ 10) zu dokumentieren. Gleichfalls zu dokumentieren sind die Nachbesprechung gemäß Absatz 9 Satz 2 und der Hinweis gemäß Absatz 9 Satz 4.
§ 11b Sicherungsmaßnahmen beim Risiko des Entweichens
Während Ausgängen, der Vorführung oder des Transports ist bei einer in erhöhtem Maße bestehenden Gefahr der Entweichung die Anordnung der Fesselung zulässig, wenn und solange die Gefahr nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen abgewendet werden kann. Die Fesselung darf nur aufrechterhalten werden, soweit und solange ihr Zweck es erfordert. Anordnungsbefugt ist ein Arzt oder eine Ärztin der behandelnden Einrichtung. § 11a Absatz 4 Satz 3, § 11a Absatz 9 Satz 4 sowie § 11a Absatz 10 gelten entsprechend.
§ 11c Unmittelbarer Zwang
(1) Anordnungen nach § 11a Absatz 1 dürfen im Wege des unmittelbaren Zwangs gegenüber der untergebrachten Person durchgesetzt werden, wenn der damit verfolgte Zweck auf keine andere Weise erreicht werden kann.
(2) § 11 Absatz 1 Sätze 2 und 3 gelten entsprechend.
(3) Unmittelbarer Zwang ist vor seiner Anwendung anzudrohen. Von der Androhung kann abgesehen werden, wenn die Umstände sie nicht zulassen, insbesondere wenn die sofortige Anwendung des Zwangsmittels zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist.
(4) Die Befugnis zur Anwendung unmittelbaren Zwangs aufgrund anderer Vorschriften bleibt unberührt.
(5) Hält sich die untergebrachte Person ohne Erlaubnis außerhalb der Einrichtung auf, so kann sie durch Beschäftigte der Einrichtung oder auf deren Veranlassung hin festgehalten und in die Einrichtung zurückgebracht werden.
§ 11d Einschränkung von Grundrechten
Durch den Vollzug besonderer Sicherungsmaßnahmen in Gefahrensituationen nach §§ 11a bis 11c werden das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes, Artikel 1 Satz 2 der Verfassung des Saarlandes) und das Recht auf Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes, Artikel 3 der Verfassung des Saarlandes) eingeschränkt."
4. § 13 wird wie folgt geändert:
a) In 13 Absatz 3 Satz 1 wird das Wort "Betreuungsgerichts" durch die Wörter "zuständigen Gerichts" ersetzt.
b) In § 13 Absatz 3 Satz 4 wird das Wort "Betreuungsgericht" durch die Wörter "zuständigen Gericht" ersetzt.
c) Nach Absatz 3 wird folgender Absatz 4 eingefügt:
"(4) Bei ärztlichen Behandlungsmaßnahmen nach Absatz 2 Nummer 3 kann bei Gefahr in Verzug von den Vorgaben gemäß Absatz 2 Nummer 2 und Absatz 3 abgesehen werden. In diesem Fall ist unverzüglich eine nachträgliche Genehmigung des zuständigen Gerichts nach Maßgabe des § 5 Absatz 1 zu beantragen. Die Aufklärung nach Absatz 2 Nummer 2 ist nachzuholen, sobald es der Gesundheitszustand der untergebrachten Person zulässt. Bereits bestellte Betreuer, Verfahrenspfleger oder sonstige Personensorgeberechtigte sind über die ärztliche Maßnahme zu informieren und sowohl diese als auch die Nachholung der Aufklärung zu dokumentieren."
d) Die bisherigen Absätze 4 und 5 werden die Absätze 5 und 6.
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
ID 200859
ENDE |