umwelt-online: Richtlinien zur Organtransplantation gemäß § 16 TPG (2)
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Richtlinien für die Organvermittlung zur Lebertransplantation
I. Grundsätze der Richtlinien für die Organvermittlung
1. Rechtsgrundlage dieser Richtlinien ist das Transplantationsgesetz (TPG). Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 TPG werden die Regeln für die Organvermittlung von der Bundesärztekammer nach dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft in Richtlinien festgestellt und entsprechend dem jeweiligen Erkenntnisfortschritt fortgeschrieben. Diese Richtlinien sind für die Vermittlungsstelle verbindlich.
2. Nach § 12 Abs. 3 TPG erfolgt die Organzuteilung (Allokation) durch die Vermittlungsstelle nach Regeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen, insbesondere nach Erfolgsaussicht und Dringlichkeit für geeignete Patienten. Dabei sind die Wartelisten der Transplantationszentren als eine einheitliche Warteliste zu behandeln.
3. Außerdem gelten für die Organvermittlung die folgenden rechtlichen Bestimmungen:
Die Transplantation von vermittlungspflichtigen Organen (nämlich: Herz, Niere, Leber, Lunge, Pankreas und Darm) darf gemäß § 9 TPG nur in dafür zugelassenen Transplantationszentren (§ 10 TPG) vorgenommen werden. Alle vermittlungspflichtigen Organe dürfen nur nach §§ 3 und 4 TPG entnommen werden. Ihre Übertragung ist nur zulässig, wenn sie durch die Vermittlungsstelle unter Beachtung der Regelungen nach § 12 TPG vermittelt worden sind. Die Vermittlungsentscheidung ist für jedes Organ unter Angabe der Gründe zu dokumentieren.
4. Die in den folgenden Richtlinien festgelegten Kriterien für die Organallokation berücksichtigen zusätzlich zu den in § 12 Abs. 3 TPG genannten Gesichtspunkten der Erfolgsaussicht und der Dringlichkeit den Gesichtspunkt der Chancengleichheit.
5. Kriterien des Erfolgs einer Transplantation sind das Überleben des Empfängers, die längerfristig gesicherte Transplantatfunktion sowie die verbesserte Lebensqualität. Die Erfolgsaussichten sind für die einzelnen Organe, aber auch innerhalb definierter Patientengruppen grundsätzlich verschieden. Neben diesen empfängerbezogenen Kriterien hängt der Erfolg der Transplantation auch von der Qualität des Spenderorgans und der Qualität der medizinischen Betreuung ab.
6. Das Maß der Dringlichkeit ist der Schaden, der durch die Transplantation verhindert werden soll. Patienten, die ohne Transplantation vom Tod unmittelbar bedroht sind, werden der Gruppe der Patienten mit erhöhter Dringlichkeit zugeordnet und bei der Organzuteilung vorrangig berücksichtigt.
7. Dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit liegt die Bestimmung in § 12 Abs. 3 Satz 2 TPG zu Grunde, nach der die Wartelisten der Transplantationszentren bei der Organallokation als eine einheitliche Warteliste zu behandeln sind. Die Richtlinien wenden denselben Gesichtspunkt auf Patienten an, die durch schicksalhaft ungleiche Ausgangschancen und durch lange Wartezeiten benachteiligt sind. So werden Patienten, die auf Grund medizinischer Merkmale wie Unverträglichkeiten oder einer seltenen Blutgruppe besonders geringe Chancen haben, ein Transplantat zu erhalten, bei der Organallokation relativ zu anderen Patienten bevorzugt. Ebenfalls bevorzugt werden Kinder, da diese durch das Warten auf ein geeignetes Transplantat in ihrer Entwicklung in besonderer Weise beeinträchtigt werden. Der Gedanke eines Ausgleichs von Benachteiligungen - zusammen mit dem Gesichtspunkt, dass mit langen Wartezeiten in der Regel auch die Dringlichkeit einer Transplantation zunimmt - liegt auch der Gewichtung der Wartezeit zu Grunde. Die Chancen auf eine Transplantation müssen von Wohnort, sozialem Status, finanzieller Situation und der Meldung bei einem bestimmten Transplantationszentrum unabhängig sein.
8. Voraussetzung für die Organvermittlung ist, dass der in die Warteliste eines Transplantationszentrums aufgenommene Patient mit den für die Vermittlung notwendigen aktuellen medizinischen Daten bei der Vermittlungsstelle registriert ist.
9. Bestehen bei einem registrierten Patienten vorübergehend Kontraindikationen gegen eine Transplantation, wird der Patient als "NT", vorübergehend "nicht transplantabel", klassifiziert und bei der Empfängerauswahl nicht berücksichtigt. Überschreiten die NT-Zeiten insgesamt 30 Tage, so ruht die Wartezeit für diesen Zeitraum. Der Patient ist jeweils über seinen Meldestatus auf der Warteliste von einem Arzt des Transplantationszentrums zu informieren.
10. Die Aufnahme der Patienten in die Warteliste für eine Organtransplantation verpflichtet die Transplantationszentren sicherzustellen, dass jedem Patienten das allozierte Organ transplantiert werden kann, soweit keine medizinischen oder persönlichen Hinderungsgründe auf Seiten des Empfängers vorliegen (Wahrung der Chancengleichheit aller Patienten [s. Ziffern 2., 4. und 7.1 auf der für jedes Organ bundeseinheitlichen Warteliste).
Deshalb muss jedes Transplantationszentrum dafür sorgen, dass
Jeder Patient auf der Warteliste muss darüber informiert sein, dass ausnahmsweise Organe aus zentrumsinternen organisatorischen oder personellen Gründen nicht rechtzeitig transplantiert werden können, und für diese Situation vorsorglich entscheiden, ob er die Transplantation in einem anderen Zentrum wünscht oder auf das angebotene Organ verzichten will. Diese Entscheidung des Patienten ist zu dokumentieren. Gegebenenfalls empfiehlt sich eine vorherige Vorstellung des Patienten mit seinen Unterlagen im vertretenden Zentrum.
Wenn ein Transplantationsprogramm ausfällt, muss das verantwortliche Zentrum unverzüglich
Ist der Ausfall nicht nur kurzfristig, hat das verantwortliche Zentrum alle Patienten der betroffenen Warteliste, die sich nicht für eine bedarfsweise Transplantation in einem anderen Zentrum entschieden haben, zu informieren.6
11. Funktionseinschränkungen postmortal gespendeter Nieren, Pankreata, Lebern, Herzen und Lungen oder bestimmte Vorerkrankungen der Spender können eine schwere Vermittelbarkeit dieser Organe bedingen. Viele solcher Organe können unter günstigen Bedingungen, wie einer sehr kurzen Konservierungszeit, erfolgreich transplantiert werden.
Voraussetzung für die Vermittlung dieser Organe ist die Angabe von Akzeptanzkriterien seitens der Transplantationszentren (Zentrumsprofil) gegenüber der Vermittlungsstelle und eine spezielle Absprache bei der Aufnahme eines Patienten auf die Warteliste über seine persönlichen Akzeptanzkriterien (Patientenprofil). Diese können sich im Laufe der Wartezeit aus medizinischen Gründen ändern und sind gegenüber der Vermittlungsstelle regelmäßig zu aktualisieren. 7 Die Weitergabe der persönlichen Akzeptanzkriterien setzt die informierte Einwilligung eines Patienten voraus. 8
II. Kriterien und Verfahrensregeln zur Allokation
1. Kriterien für die Allokation von Lebern
1.1 Blutgruppenkompatibilität (A-B-O-System)
Voraussetzung für die Organtransplantation ist die Blutgruppenkompatibilität zwischen Spender und Empfänger.
Um aber eine gleichmäßige Verteilung zu gewährleisten, erfolgt die Auswahl zu transplantierender Empfänger nach den folgenden Regeln:
Spender Blutgruppe | Empfänger Blutgruppe |
0 | 0 |
A | A, AB |
B | B, AB |
AB | AB |
1.2 Dringlichkeitsstufen I-IV
1.2.1 Dringlichkeitsstufe I
High urgency (HU), akutes Leberversagen, akutes Transplantatversagen innerhalb von 7 Tagen nach Transplantation.
Bei Patienten in akut lebensbedrohlicher Situation (High urgency/Dringlichkeitsstufe I) droht ohne Transplantation der Tod in wenigen Tagen. Sie werden daher vorrangig vor allen anderen Patienten bei der Organzuteilung berücksichtigt. Innerhalb der HU-Patienten wird zunächst die Ischämiezeit und danach die Wartezeit berücksichtigt.
1.2.2 Dringlichkeitsstufen II-IV
II Chronische Lebererkrankung mit akuter Dekompensation,
III Chronische Lebererkrankung mit Komplikationen,
IV Chronische Lebererkrankung ohne Komplikationen.
Bei Patienten der Dringlichkeitsstufe II mit akuter Dekompensation (z.B. Dialysepflichtigkeit, Beatmung, Kreislaufversagen) soll durch eine erhöhte Priorität die Behandlungs- und Überlebenschance verbessert werden. Deshalb erhalten diese Patienten den maximal für Dringlichkeit erreichbaren Wert. Patienten der Dringlichkeitsstufe II erhalten Priorität vor Patienten der Dringlichkeitsstufen III und IV. 13
Patienten der Dringlichkeitsstufe III erhalten die Hälfte, Patienten der Dringlichkeitsstufe IV erhalten ein Viertel des für Dringlichkeit erreichbaren Wertes.
1.2.3 Anmeldung für die Dringlichkeitsstufen
Die Anmeldung für die Dringlichkeitsstufe I gilt zeitlich begrenzt auf 7 Tage, bei Anmeldung der Dringlichkeitsstufe II auf 28 Tage; beide unterliegen einer Überprüfung im Auditverfahren (s. 3.).
Patienten mit chronischen Lebererkrankungen ohne Komplikationen (Dringlichkeitsstufe IV) müssen eine Chance haben, nach entsprechender Wartezeit bei der Organallokation berücksichtigt zu werden.
1.3 Wartezeit (40% Gewichtung)
Die Wartezeit ist ein bedeutsamer Faktor für die Prognose des chronisch Leberkranken. Auf Grund der Sterblichkeit und der fortschreitenden Verschlechterung des Gesamtzustandes, insbesondere während des ersten Jahres der Wartezeit, stellt diese somit einen besonderen Dringlichkeitsfaktor dar. Wird der Patient nach einer NT-Klassifikation wieder transplantabel, ist die vor der NT-Listung bereits registrierte Wartezeit anzurechnen. Die insgesamt zu berücksichtigende Wartezeit ist derzeit auf 12 Monate zu begrenzen. Die Wartezeit wird in Tagen berechnet.
1.4 Konservierungszeit (20 % Gewichtung)
Die sofortige und adäquate Funktionsaufnahme der transplantierten Leber ist für den Verlauf und den Erfolg nach Transplantation entscheidend. Neben spenderbedingten Faktoren (z.B. Alter, Verfettung, Intensivverlauf) ist ganz besonders die Dauer der Konservierung (kalte Ischämiezeit) für die Frühfunktion von Bedeutung. Eine möglichst kurze kalte Ischämiezeit ist daher anzustreben und bei der Organallokation zu berücksichtigen.
Die Konservierungsdauer ist abhängig von organisatorischen Faktoren und der Transportzeit zwischen Spenderkrankenhaus und Transplantationszentrum. Neben Dringlichkeit und Wartezeit ist daher die Ischämiezeit als dritter wichtiger Faktor für die Allokation zu berücksichtigen. Es ist anzunehmen, dass durch die Nutzung der Informations- und Organisationsstrukturen in den gebildeten Organentnahmeregionen die Ischämiezeiten verkürzt werden können. Die Transplantationszentren sollen verpflichtet sein, nach Erhalt der Organe die Transplantation unverzüglich durchzuführen. Es besteht die Erwartung, dass durch die Berücksichtigung der Ischämiezeit die Erfolgsaussichten für die Patienten verbessert werden. Das Ergebnis ist zu dokumentieren und innerhalb von 2 Jahren im Rahmen der Qualitätssicherung zu überprüfen.
1.5 Übereinstimmung der HLA-Merkmale
Anders als bei Nierentransplantationen spielt die HLA-Kompatibilität für das Ergebnis der Lebertransplantation derzeit keine Rolle. Sie findet daher keine Berücksichtigung bei der Organallokation.
1.6 Lebertransplantation bei Kindern 14
Bei Kindern (unter 16 Jahren) muss die Wartezeit möglichst kurz gehalten werden. Wegen der problematischen Größenverhältnisse sollen zunächst alle Organe von Spendern unter 46 kg Körpergewicht primär für die Kinderlebertransplantation vermittelt werden.
1.7 Kombinierte Organtransplantation
Unter Berücksichtigung von Indikation und Erfolgsaussicht erfolgt eine vorrangige Allokation für Lebertransplantationen in Kombination mit anderen Organen, wenn diese Kombinationen nach Prüfung durch das Audit-Komitee als sinnvoll und dringlich angesehen werden. Das gilt nicht, wenn zusätzlich zur Leber lediglich eine Niere transplantiert werden soll.
1.8 Leberteiltransplantation 14
Bei geeigneten Spenderlebern kann im Interesse der Versorgung von zwei Patienten mit einem Transplantat die Möglichkeit der Organteilung erwogen werden. Dieses Verfahren wird derzeit vor allem bei Kindern, jedoch auch bei Erwachsenen angewendet. Wegen der speziellen medizinischen Bedingungen bei Empfängern einer Teilleber gelten die folgenden Allokationsregeln.
Erhält ein Patient von der Vermittlungsstelle ein sich aus der Warteliste ergebendes postmortales Leberangebot, so kann die Leber zu Zwecken der Transplantation geteilt werden, sofern die Erfolgsaussichten der Transplantation für diesen Patienten nicht unvertretbar beeinträchtigt werden.
Bei geplanter Teilung der Leber für zwei Empfänger wird auch der zweite Teil der Leber entsprechend den Richtlinien zur Organvermittlung einem Patienten zugeteilt.
Im Falle der Teilung in einen linkslateralen Lappen (Segmente 2 und 3) und einen rechten Lappen plus Segment 4 (Segmente 4 bis 8) handelt es sich in der Regel nicht um ein Organ mit eingeschränkter Vermittelbarkeit.
Im Falle einer Teilung der Leber in den anatomisch rechten (Segmente 5 bis 8) und den anatomisch linken Leberlappen (Segmente 2 bis 4) handelt es sich in der Regel um ein Organ mit eingeschränkter Vermittelbarkeit; hierbei sind die Regeln des modifizierten und beschleunigten Vermittlungsverfahrens zu beachten.
Eine Ischämiezeit von weniger als 12 Stunden für die Teillebertransplantate ist anzustreben.
Die für die Allokation von Teillebern erforderlichen Angaben (Segmentverteilung und Ablaufzeiten) meldet das teilende Zentrum unmittelbar an die Vermittlungsstelle.
2. Verfahrensweise bei der Organvermittlung
Die Regeln der Organallokation der vermittlungspflichtigen Leber-Spenderorgane sind regelmäßig auf ihre Validität zu überprüfen. Auf der Grundlage der Qualitätssicherung ist jährlich zu klären, ob die Entwicklung der medizinischen Wissenschaft eine Änderung der Kriterien oder ihrer Gewichtung erforderlich macht. Die Vermittlungsentscheidung ist verbindlich. Sie wird für jedes Organ transparent und nachvollziehbar begründet und dokumentiert.
Das Verfahren der Organvermittlung erfolgt unter Verwendung eines abgestimmten Allokations-Algorithmus nach den unter 1. beschriebenen Kriterien.
Die Entscheidung über die Annahme eines Spenderorgans trifft das Transplantationszentrum auf der Grundlage der vom Patienten bei seiner Aufklärung vor Aufnahme getroffenen individuellen Entscheidung und unter Berücksichtigung der Gesamtsituation des Spenderorgans und der individuellen Situation des Transplantatempfängers (Patientenprofil). Begründete Vorgaben für Spenderorgane können im Rahmen des angebotenen Behandlungsspektrums mit der Vermittlungsstelle vereinbart werden (Zentrumsprofil). Die Ablehnung eines angebotenen Spenderorgans ist unter Angabe der Gründe zu dokumentieren.
Die Gewichtung der Allokationsfaktoren wird fortlaufend gemäß dem Stand der medizinischen Wissenschaft überprüft und angepasst.
... 10
3. Expertengruppe Lebertransplantation (Auditgruppe)
3.1 Aufgabenstellung der Auditgruppe 14
Ein Patient, der zur dringlichen Transplantation (Dringlichkeitsstufe I) angemeldet wird, muss sich in dem anmeldenden Transplantationszentrum in stationärer Behandlung befinden. Über die Zuordnung zu den Dringlichkeitsstufen I und II entscheidet in Zweifelsfällen eine Auditgruppe bei der Vermittlungsstelle.
3.2 Zusammensetzung der Auditgruppe
Die Auditgruppe besteht aus zwei in der Lebertransplantation erfahrenen Ärzten aus verschiedenen Zentren im Vermittlungsbereich von Eurotransplant, nicht jedoch aus dem anmeldenden Zentrum. Das anmeldende Zentrum hat in der Auditgruppe eine zusätzliche Stimme.
3.3 Entscheidungen der Auditgruppe 15
Die Entscheidung der Auditgruppe ist mehrheitlich zu treffen; die Anmeldung des Zentrums gilt als positives Votum. Die Entscheidung der Auditgruppe erfolgt unverzüglich. Jedes Votum wird begründet und zusammen mit der Vermittlungsentscheidung bei Eurotransplant dokumentiert. Das Auditverfahren ist nach Eingang der Voten der Audit-Mitglieder bei der Vermittlungsstelle abgeschlossen.
Die Einstufung in die Dringlichkeitsstufen I und II trifft der medizinische Dienst von Eurotransplant. In Zweifelsfällen entscheidet die Auditgruppe.
Die Reevaluation erfolgt auf Veranlassung des anmeldenden Zentrums für die Dringlichkeitsstufe I nach 7 Tagen, für die Dringlichkeitsstufe II nach 28 Tagen durch die dann zuständigen Gutachter.
4. Allokation von schwer vermittelbaren Organen 16
4.1 Ausgangssituation
Funktionseinschränkungen postmortal gespendeter Nieren, Pankreata, Lebern, Herzen und Lungen oder bestimmte Vorerkrankungen der Spender können eine schwere Vermittelbarkeit dieser Organe bedingen. Eine exakte Definition von Kriterien, die diese unter Umständen gut funktionsfähigen Organe beschreiben, ist auf Grund der Ursachenvielfalt nicht möglich. Viele solcher Organe können unter günstigen Bedingungen, wie einer sehr kurzen Konservierungszeit, erfolgreich transplantiert werden.
Ferner kann es im Laufe eines Vermittlungsprozesses zu logistischen oder organisatorischen Schwierigkeiten oder zur hämodynamischen Verschlechterung des Spenders kommen, die auf Grund eines drohenden Organverlusts eine beschleunigte Vermittlung und sofortige Transplantation erfordern.
Voraussetzung für die beschleunigte Vermittlung von Organen ist die Angabe von Akzeptanzkriterien seitens der Transplantationszentren (Zentrumsprofil) gegenüber der Vermittlungsstelle und eine spezielle Absprache bei der Aufnahme eines Patienten auf die Warteliste über seine persönlichen Akzeptanzkriterien (Patientenprofil). Diese können sich im Laufe der Wartezeit aus medizinischen Gründen ändern und sind gegenüber der Vermittlungsstelle regelmäßig zu aktualisieren. Die Weitergabe der persönlichen Akzeptanzkriterien setzt die informierte Einwilligung eines Patienten voraus. 8
Generell besteht für die Vermittlungsstelle die Verpflichtung, auch für solche Organe mit erweiterten Spenderkriterien unter Berücksichtigung der Zentren- und Patientenprofile jeweils ein Vermittlungsverfahren durchzuführen.
4.2 Kriterien für die Einschränkung der Vermittelbarkeit
Organe von Spendern mit schwerwiegenden vorausgehenden Grunderkrankungen (z.B. mit Tumorleiden in der Anamnese) oder sich aus der Grunderkrankung ergebenden Komplikationen erfordern ein besonderes Vermittlungsverfahren.
Es liegen beispielsweise dann erweiterte Spenderkriterien vor, wenn der Spender unter einer der nachfolgend genannten Krankheiten gelitten hat:
Bisher existieren nur für die Lebertransplantation spezifizierte erweiterte Spenderkriterien. Dies sind alternativ:
Im Einzelfall muss es der Einschätzung der an der Organentnahme beteiligten Ärzte überlassen bleiben, ob erweiterte Spenderkriterien vorliegen. Dies gilt insbesondere auch, wenn im Laufe des Vermittlungsverfahrens oder des Organspendeprozesses gravierende Beeinträchtigungen, zum Beispiel der Kreislaufstabilität des Spenders, auftreten, die eine beschleunigte Organentnahme, Allokation und Transplantation notwendig machen.
4.3 Vermittlungsregeln
Je nach Problemlage ist zu unterscheiden zwischen einem gegenüber den geltenden Regeln modifizierten oder einem beschleunigten Vermittlungsverfahren.
4.3.1 Modifiziertes Vermittlungsverfahren
Unter den zuvor beschriebenen Voraussetzungen sollen schwer vermittelbare Organe in einem modifizierten Vermittlungsverfahren nur solchen Transplantationszentren angeboten werden, die gegenüber der Vermittlungsstelle ihre Bereitschaft zur Akzeptanz dieser Organe entsprechend den zuvor mitgeteilten Zentren- und Patientenprofilen erklärt haben. Die Vermittlung durch die Vermittlungsstelle erfolgt hierbei nach den allgemeinen Regeln für die jeweiligen Organe, wobei aber nur diejenigen Patienten der Warteliste berücksichtigt werden, für die die Zentren im Vorfeld anhand der Patientenprofile die grundsätzliche Bereitschaft zur Akzeptanz des schwer vermittelbaren Organs erklärt haben. Hierzu gehören auch Organe, die aus einem Domino-Transplantationsverfahren 12 gewonnen werden.
4.3.2 Beschleunigtes Vermittlungsverfahren
Die Vermittlungsstelle ist zu einer beschleunigten Vermittlung dann berechtigt, wenn eine Kreislaufinstabilität des Spenders eintritt oder drei verschiedene Zentren aus spender(organ)bedingten medizinischen Kriterien das Angebot einer Leber, eines Herzens oder einer Lunge abgelehnt haben und zugleich die Vermittlungsangebote für sämtliche geeignete Patienten der höchsten Dringlichkeitsstufe der jeweiligen Warteliste zurückgewiesen wurden. Für Nieren darf ein beschleunigtes Vermittlungsverfahren erst nach Ablehnung eines Organangebots aus medizinischen Gründen durch fünf verschiedene Zentren einsetzen. Pankreata werden nach Ablehnung durch drei verschiedene Zentren für die Inseltransplantation freigegeben.
Ferner ist die Vermittlungsstelle zu einer beschleunigten Vermittlung dann berechtigt, wenn ein Spenderorganverlust aus logistischen oder aus organisatorischen Schwierigkeiten droht.
Für jedes Organangebot gilt im beschleunigten Verfahren jeweils eine Erklärungsfrist von maximal 30 Minuten; wird diese Frist überschritten, gilt ein Angebot (aus organisatorischen Gründen) als abgelehnt.
Da die beschleunigte Vermittlung von Organen häufig nur innerhalb einer Region möglich ist, sollen in diesem Fall vorrangig die Organisationsstrukturen der Region genutzt werden. Die Vermittlungsstelle stellt dabei dem Zentrum/den Zentren eine Liste von potentiellen Empfängern zur Verfügung, nach der das Zentrum den am besten geeigneten Empfänger in der Reihenfolge der Auflistung auswählt. Wenn Zentren konkurrieren, erhält derjenige Patient die Organzuteilung, für den die Akzeptanzerklärung des betreuenden Zentrums bei der Vermittlungsstelle zuerst eingegangen ist.
4.4 Evaluation
Neben der schriftlichen Dokumentation der Auswahlentscheidung sollen die Ergebnisse der Transplantation aller schwer vermittelbaren Organe von der Vermittlungsstelle fortlaufend gesondert dokumentiert und nach zwei Jahren auf der Grundlage eines gemeinsamen Berichts der Vermittlungs- und der Koordinierungsstelle evaluiert werden. Die Verfahrensevaluation für die Leberallokation soll nach einem Jahr vorgenommen werden.
Die Transplantationszentren haben die Pflicht, die für die Evaluation notwendigen Daten der Vermittlungsstelle zu übermitteln.
5. Sanktionen
Bei einem Verstoß gegen die Allokationsrichtlinien sind die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Organübertragung nach § 9 TPG nicht gegeben und es liegt nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 TPG ein Bußgeldtatbestand vor. Wird der Vermittlungsstelle ein Verstoß bekannt oder hat sie hinreichende Verdachtsmomente für einen solchen, unterrichtet sie die nach § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr.4 TPG gebildete Prüfungskommission. Diese informiert gegebenenfalls die zuständige Bußgeldbehörde.
Literatur siehe Anhang.
Richtlinien für die Organvermittlung thorakaler Spenderorgane (Herz)
I. Grundsätze der Richtlinien für die Organvermittlung
1. Rechtsgrundlage dieser Richtlinien ist das Transplantationsgesetz (TPG). Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 TPG werden die Regeln für die Organvermittlung von der Bundesärztekammer nach dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft in Richtlinien festgestellt und entsprechend dem jeweiligen Erkenntnisfortschritt fortgeschrieben. Diese Richtlinien sind für die Vermittlungsstelle verbindlich.
2. Nach § 12 Abs. 3 TPG erfolgt die Organzuteilung (Allokation) durch die Vermittlungsstelle nach Regeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen, insbesondere nach Erfolgsaussicht und Dringlichkeit für geeignete Patienten. Dabei sind die Wartelisten der Transplantationszentren als eine einheitliche Warteliste zu behandeln.
3. Außerdem gelten für die Organvermittlung die folgenden rechtlichen Bestimmungen:
Die Transplantation von vermittlungspflichtigen Organen (nämlich: Herz, Niere, Leber, Lunge, Pankreas und Darm) darf gemäß § 9 TPG nur in dafür zugelassenen Transplantationszentren (§ 10 TPG) vorgenommen werden. Alle vermittlungspflichtigen Organe dürfen nur nach §§ 3 und 4 TPG entnommen werden. Ihre Übertragung ist nur zulässig, wenn sie durch die Vermittlungsstelle unter Beachtung der Regelungen nach § 12 TPG vermittelt worden sind. Die Vermittlungsentscheidung ist für jedes Organ unter Angabe der Gründe zu dokumentieren.
4. Die in den folgenden Richtlinien festgelegten Kriterien für die Organallokation berücksichtigen zusätzlich zu den in § 12 Abs. 3 TPG genannten Gesichtspunkten der Erfolgsaussicht und der Dringlichkeit den Gesichtspunkt der Chancengleichheit.
5. Kriterien des Erfolgs einer Transplantation sind das Überleben des Empfängers, die längerfristig gesicherte Transplantatfunktion sowie die verbesserte Lebensqualität. Die Erfolgsaussichten sind für die einzelnen Organe, aber auch innerhalb definierter Patientengruppen grundsätzlich verschieden. Neben diesen empfängerbezogenen Kriterien hängt der Erfolg der Transplantation auch von der Qualität des Spenderorgans und der Qualität der medizinischen Betreuung ab.
6. Das Maß der Dringlichkeit ist der Schaden, der durch die Transplantation verhindert werden soll. Patienten, die ohne Transplantation vom Tod unmittelbar bedroht sind, werden der Gruppe der Patienten mit erhöhter Dringlichkeit zugeordnet und bei der Organzuteilung vorrangig berücksichtigt.
7. Dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit liegt die Bestimmung in § 12 Abs. 3 Satz 2 TPG zu Grunde, nach der die Wartelisten der Transplantationszentren bei der Organallokation als eine einheitliche Warteliste zu behandeln sind. Die Richtlinien wenden denselben Gesichtspunkt auf Patienten an, die durch schicksalhaft ungleiche Ausgangschancen und durch lange Wartezeiten benachteiligt sind. So werden Patienten, die auf Grund medizinischer Merkmale wie Unverträglichkeiten oder einer seltenen Blutgruppe besonders geringe Chancen haben, ein Transplantat zu erhalten, bei der Organallokation relativ zu anderen Patienten bevorzugt. Eben-falls bevorzugt werden Kinder, da diese durch das Warten auf ein geeignetes Transplantat in ihrer Entwicklung in besonderer Weise beeinträchtigt werden. Der Gedanke eines Ausgleichs von Benachteiligungen - zusammen mit dem Gesichtspunkt, dass mit langen Wartezeiten in der Regel auch die Dringlichkeit einer Transplantation zunimmt - liegt auch der Gewichtung der Wartezeit zu Grunde. Die Chancen auf eine Transplantation müssen von Wohnort, sozialem Status, finanzieller Situation und der Meldung bei einem bestimmten Transplantationszentrum unabhängig sein.
8. Voraussetzung für die Organvermittlung ist, dass der in die Warteliste eines Transplantationszentrums aufgenommene Patient mit den für die Vermittlung notwendigen aktuellen medizinischen Daten bei der Vermittlungsstelle registriert ist.
9. Bestehen bei einem registrierten Patienten vorübergehend Kontraindikationen gegen eine Transplantation, wird der Patient als "NT", vorübergehend "nicht transplantabel", klassifiziert und bei der Empfängerauswahl nicht berücksichtigt. Überschreiten die NT-Zeiten insgesamt 30 Tage, so ruht die Wartezeit für diesen Zeitraum. Der Patient ist jeweils über seinen Meldestatus auf der Warteliste von einem Arzt des Transplantationszentrums zu informieren.
10. Die Aufnahme der Patienten in die Warteliste für eine Organtransplantation verpflichtet die Transplantationszentren sicherzustellen, dass jedem Patienten das allozierte Organ transplantiert werden kann, soweit keine medizinischen oder persönlichen Hinderungsgründe auf Seiten des Empfängers vorliegen (Wahrung der Chancengleichheit aller Patienten [s. Ziffern 2., 4. und 7.] auf der für jedes Organ bundeseinheitlichen Warteliste).
Deshalb muss jedes Transplantationszentrum dafür sorgen, dass
Jeder Patient auf der Warteliste muss darüber informiert sein, dass ausnahmsweise Organe aus zentrumsinternen organisatorischen oder personellen Gründen nicht rechtzeitig transplantiert werden können, und für diese Situation vorsorglich entscheiden, ob er die Transplantation in einem anderen Zentrum wünscht oder auf das angebotene Organ verzichten will. Diese Entscheidung des Patienten ist zu dokumentieren. Gegebenenfalls empfiehlt sich eine vorherige Vorstellung des Patienten mit seinen Unterlagen im vertretenden Zentrum.
Wenn ein Transplantationsprogramm ausfällt, muss das verantwortliche Zentrum unverzüglich
Ist der Ausfall nicht nur kurzfristig, hat das verantwortliche Zentrum alle Patienten der betroffenen Warteliste, die sich nicht für eine bedarfsweise Transplantation in einem anderen Zentrum entschieden haben, zu informieren.6
11. Funktionseinschränkungen postmortal gespendeter Nieren, Pankreata, Lebern, Herzen und Lungen oder bestimmte Vorerkrankungen der Spender können eine schwere Vermittelbarkeit dieser Organe bedingen. Viele solcher Organe können unter günstigen Bedingungen, wie einer sehr kurzen Konservierungszeit, erfolgreich transplantiert werden.
Voraussetzung für die Vermittlung dieser Organe ist die Angabe von Akzeptanzkriterien seitens der Transplantationszentren (Zentrumsprofil) gegenüber der Vermittlungsstelle und eine spezielle Absprache bei der Aufnahme eines Patienten auf die Warteliste über seine persönlichen Akzeptanzkriterien (Patientenprofil). Diese können sich im Laufe der Wartezeit aus medizinischen Gründen ändern und sind gegenüber der Vermittlungsstelle regelmäßig zu aktualisieren. 7 Die Weitergabe der persönlichen Akzeptanzkriterien setzt die informierte Einwilligung eines Patienten voraus. 8
II. Kriterien und Verfahrensregeln zur Allokation
1. Kriterien für die Allokation von thorakalen Spenderorganen (Herz)
1.1 Blutgruppenkompatibilität (A-B-0-System)
Voraussetzung für die Organtransplantation ist die Blutgruppenkompatibilität zwischen Spender und Empfänger.
Um aber eine gleichmäßige Verteilung zu gewährleisten, erfolgt die Auswahl zu transplantierender Empfänger nach den folgenden Regeln:
Spender Blutgruppe | Empfänger Blutgruppe |
0 | 0 |
A | A, AB |
B | B, AB |
AB | AB |
1.2 Hohe Dringlichkeit (high urgency - HU)
Bei Patienten auf der Warteliste in akut lebensbedrohlicher Situation besteht eine besondere Dringlichkeit zur Transplantation. Sie werden daher vorrangig vor allen anderen Patienten transplantiert. Die Zuordnung eines Patienten in diese Dringlichkeitsstufe muss besonders begründet werden. Empfänger, die diese Kriterien erfüllen, sind in der Regel bereits auf der Warteliste geführte Patienten, deren Zustand sich verschlechtert. Es handelt sich um Patienten, die auf der Intensivstation trotz höherdosierter Therapie mit Katecholaminen und Phosphodiesterase-Hemmern nicht rekompensierbar sind oder bei denen refraktäre Arrhythmien dokumentiert werden. Es handelt sich jedoch nicht um Patienten, die zur Beobachtung oder mit Low-dose-Katecholaminen auf der Intensivstation liegen. Bei progredientem Multiorganversagen scheidet die HU-Listung aus. Bei Patienten, die noch nicht in die Warteliste aufgenommen sind, muss vor HU-Anmeldung eine detaillierte Evaluation erfolgen.
Patienten, bei denen ein ventrikuläres Unterstützungssystem (VAD) implantiert wird, werden grundsätzlich auf der einheitlichen Warteliste mit normaler Dringlichkeit geführt. Falls sich das Krankheitsbild initial verschlechtert, ist eine HU-Anmeldung nicht angezeigt. VAD-Patienten werden nur dann in die HU-Gruppe eingestuft, wenn sie sich zunächst erholen und erst später methodenbedingte Komplikationen erleiden. Nicht dazu zählen Komplikationen im Frühverlauf (1 bis 2 Wochen) nach VAD-Implantation. Eine HU-Anmeldung kommt nicht in Betracht bei Patienten, bei denen eine notfallmäßige Entscheidung gefällt werden muss nach herzchirurgischen Eingriffen, nach großem Myokardinfarkt oder fulminanter Myokarditis. Sie weisen nach bisherigen Ergebnissen eine sehr geringe Erfolgsaussicht bei einer Transplantation auf. Als Ausnahme gilt die akute Re-Transplantation bei Transplantatversagen innerhalb der ersten 7 Tage nach Organübertragung, wenn die Implantation eines VAD nicht oder nur mit geringer Erfolgsaussicht erfolgen kann.
Die Allokation von Organen erfolgt auch für HU-Patienten nach den in der Tabelle (s. 1.1.) dargestellten Regeln.
Innerhalb der HU-Patienten wird zunächst die Ischämiezeit und danach die Wartezeit berücksichtigt. Der HU-Status gilt für die Dauer von 28 Tagen; er muss nach Ablauf dieser Frist erneut begründet werden (s. 3.3.). 17
1.3 Wartezeit (80 % Gewichtung)
Die Wartezeit ist ein bedeutsamer Faktor für die Prognose nach Aufnahme in die Warteliste zur thorakalen Organtransplantation. Auf Grund der Sterblichkeit, insbesondere während des ersten Jahres der Wartezeit, stellt sie somit einen Dringlichkeitsfaktor dar. Wird der Patient nach einer NT-Klassifikation wieder transplantabel, ist die vor der NT-Listung bereits registrierte Wartezeit anzurechnen. Die insgesamt zu berücksichtigende Wartezeit ist derzeit auf zwei Jahre zu begrenzen. Die Wartezeit wird in Tagen berechnet.
1.4 Konservierungszeit (20 % Gewichtung)
Eine sofortige und adäquate Funktionsaufnahme des Transplantates ist bei Herzübertragungen entscheidend für den kurz- und langfristigen Transplantationserfolg. Neben spenderseitigen Faktoren (z.B. Alter des Spenders, Funktionszustand der Spenderorgane zum Zeitpunkt der Organentnahme) und der warmen Ischämiezeit (Implantationszeit) ist die Funktionsaufnahme insbesondere von der Dauer der Konservierungszeit ("kalte Ischämiezeit") abhängig. Eine möglichst kurze Konservierungs- und Transportzeit ist daher anzustreben und bei der Organallokation zu berücksichtigen. Dies bedeutet für die isolierte Herztransplantation eine prospektive Gesamtischämiezeit (kalt und warm) von unter 3 Stunden.
Die Konservierungsdauer ist abhängig von organisatorischen Faktoren und der Transportzeit zwischen Spenderkrankenhaus und Transplantationszentrum. Neben Dringlichkeit und Wartezeit ist daher die Ischämiezeit als dritter wichtiger Faktor für die Allokation zu berücksichtigen. Es ist anzunehmen, dass durch die Nutzung der Informations- und Organisationsstrukturen in den gebildeten Organentnahmeregionen die Ischämiezeiten verkürzt werden können. Die Transplantationszentren sollen verpflichtet sein, nach Erhalt der Organe die Transplantation unverzüglich durchzuführen. Es besteht die Erwartung, dass durch die Berücksichtigung der Ischämiezeit die Erfolgsaussichten für die Patienten verbessert werden. Das Ergebnis ist zu dokumentieren und innerhalb von 2 Jahren im Rahmen der Qualitätssicherung zu überprüfen.
1.5 Übereinstimmung der HLA-Merkmale
Im Hinblick auf den langfristigen Transplantationserfolg ist auch für thorakale Organe eine möglichst weitgehende Übereinstimmung der HLA-Merkmale zwischen Organspender und -empfänger anzustreben. Auf Grund der Logistik von Organentnahme und -transplantation mit obligat kurzen Ischämiezeiten kommt ein prospektives HLA-Matching bei der thorakalen Organtransplantation derzeit nicht in Betracht.
2. Verfahrensweise bei der Organvermittlung
Die Regeln der Organallokation der vermittlungspflichtigen thorakalen Spenderorgane sind regelmäßig auf ihre Validität zu überprüfen. Auf der Grundlage der Qualitätssicherung ist jährlich zu klären, ob die Entwicklung der medizinischen Wissenschaft eine Änderung der Kriterien oder ihrer Gewichtung erforderlich macht. Hierzu zählen z.B. die Anwendbarkeit der HLA-Kompatibilität als Vergabekriterium, die derzeit aus Zeitgründen nicht genutzt werden kann, oder die Abhängigkeit der tatsächlichen kalten Ischämie von der räumlichen Entfernung. Darüber hinaus wird die Wartezeit und deren Einfluss auf die Prognose aller Patienten auf der bundeseinheitlichen Warteliste prospektiv analysiert.
Die Vermittlungsentscheidung ist verbindlich. Sie wird für jedes Organ transparent und nachvollziehbar begründet und dokumentiert.
Das Verfahren der Organvermittlung erfolgt unter Verwendung eines abgestimmten Allokations-Algorithmus nach den unter 1. beschriebenen Kriterien.
Die Entscheidung über die Annahme eines Spenderorgans trifft das Transplantationszentrum unter Berücksichtigung der vom Patienten bei seiner Aufklärung vor Aufnahme in die Warteliste getroffenen individuellen Entscheidung und unter Berücksichtigung der Gesamtsituation des Spenderorgans sowie der individuellen Situation des Transplantatempfängers (Patientenprofil). Begründete Vorgaben für Spenderorgane können im Rahmen des angebotenen Behandlungsspektrums mit der Vermittlungsstelle vereinbart werden (Zentrumsprofil). Die Ablehnung eines angebotenen Spenderorgans ist unter Angabe der Gründe zu dokumentieren.
Die Gewichtung der Allokationsfaktoren wird fortlaufend gemäß dem Stand der medizinischen Wissenschaft überprüft und angepasst.
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3. Expertengruppe thorakale Transplantation (Auditgruppe)
3.1 Aufgabenstellung der Auditgruppe
Ein Patient, der zur dringlichen Transplantation (HU) angemeldet wird, muss sich in dem anmeldenden Transplantationszentrum in stationärer Behandlung befinden. Über die Dringlichkeit entscheidet eine Auditgruppe bei der Vermittlungsstelle.
3.2 Zusammensetzung der Auditgruppe
Aus jedem zur Transplantation thorakaler Organe zugelassenen Transplantationszentrum in Deutschland werden zwei in der thorakalen Organtransplantation erfahrene Ärzte für die Auditgruppe nominiert. Aus dieser Gruppe wird im Rotationsverfahren ein ständiger Bereitschaftsdienst gebildet. Die jeweils amtierende Auditgruppe setzt sich aus drei Mitgliedern zusammen, die in verschiedenen Transplantationszentren tätig sind, nicht jedoch in dem Zentrum, das von der Allokationsentscheidung betroffen ist; ihr müssen ein Internist und ein Chirurg angehören.
3.3 Entscheidungen der Auditgruppe
Die Entscheidung der Auditgruppe ist mehrheitlich und innerhalb von 6 Stunden zu treffen. Jedes Votum wird begründet und zusammen mit der Vermittlungsentscheidung bei Eurotransplant dokumentiert. Das Auditverfahren ist nach Eingang der Voten der Audit-Mitglieder bei Eurotransplant abgeschlossen.
Im Falle eines positiven Erstvotums erfolgt die Reevaluation in der Regel auf Anmeldung des behandelnden Zentrums durch die zuständigen Ärzte von Eurotransplant für das Herz, die Lunge oder eine Kombinationstransplantation (Herz-Lunge) jeweils nach 28 Tagen. 17 Sofern die verantwortlichen Ärzte von Eurotransplant wesentliche Änderungen der medizinischen Voraussetzungen beim Empfänger gegenüber dem Erstaudit feststellen, wird die Reevaluation gemäß den Vorgaben nach den Abschnitten 3.1., 3.2. und 3.3. Abs. 1 durchgeführt.18
4. Allokation von schwer vermittelbaren Organen 16
4.1 Ausgangssituation
Funktionseinschränkungen postmortal gespendeter Nieren, Pankreata, Lebern, Herzen und Lungen oder bestimmte Vorerkrankungen der Spender können eine schwere Vermittelbarkeit dieser Organe bedingen. Eine exakte Definition von Kriterien, die diese unter Umständen gut funktionsfähigen Organe beschreiben, ist auf Grund der Ursachenvielfalt nicht möglich. Viele solcher Organe können unter günstigen Bedingungen, wie einer sehr kurzen Konservierungszeit, erfolgreich transplantiert werden.
Ferner kann es im Laufe eines Vermittlungsprozesses zu logistischen oder organisatorischen Schwierigkeiten oder zur hämodynamischen Verschlechterung des Spenders kommen, die auf Grund eines drohenden Organverlusts eine beschleunigte Vermittlung und sofortige Transplantation erfordern.
Voraussetzung für die beschleunigte Vermittlung von Organen ist die Angabe von Akzeptanzkriterien seitens der Transplantationszentren (Zentrumsprofil) gegenüber der Vermittlungsstelle und eine spezielle Absprache bei der Aufnahme eines Patienten auf die Warteliste über seine persönlichen Akzeptanzkriterien (Patientenprofil). Diese können sich im Laufe der Wartezeit aus medizinischen Gründen ändern und sind gegenüber der Vermittlungsstelle regelmäßig zu aktualisieren. Die Weitergabe der persönlichen Akzeptanzkriterien setzt die informierte Einwilligung eines Patienten voraus. 8
Generell besteht für die Vermittlungsstelle die Verpflichtung, auch für solche Organe mit erweiterten Spenderkriterien unter Berücksichtigung der Zentren- und Patientenprofile jeweils ein Vermittlungsverfahren durchzuführen.
4.2 Kriterien für die Einschränkung der Vermittelbarkeit
Organe von Spendern mit schwerwiegenden vorausgehenden Grunderkrankungen (z.B. mit Tumorleiden in der Anamnese) oder sich aus der Grunderkrankung ergebenden Komplikationen erfordern ein besonderes Vermittlungsverfahren.
Es liegen beispielsweise dann erweiterte Spenderkriterien vor, wenn der Spender unter einer der nachfolgend genannten Krankheiten gelitten hat:
Im Einzelfall muss es der Einschätzung der an der Organentnahme beteiligten Ärzte überlassen bleiben, ob erweiterte Spenderkriterien vorliegen. Dies gilt insbesondere auch, wenn im Laufe des Vermittlungsverfahrens oder des Organspendeprozesses gravierende Beeinträchtigungen, zum Beispiel der Kreislaufstabilität des Spenders auftreten, die eine beschleunigte Organentnahme, Allokation und Transplantation notwendig machen.
4.3 Vermittlungsregeln
Je nach Problemlage ist zu unterscheiden zwischen einem gegenüber den geltenden Regeln modifizierten oder einem beschleunigten Vermittlungsverfahren.
4.3.1 Modifiziertes Vermittlungsverfahren
Unter den zuvor beschriebenen Voraussetzungen sollen schwer vermittelbare Organe in einem modifizierten Vermittlungsverfahren nur solchen Transplantationszentren angeboten werden, die gegenüber der Vermittlungsstelle ihre Bereitschaft zur Akzeptanz dieser Organe entsprechend den zuvor mitgeteilten Zentren- und Patientenprofilen erklärt haben. Die Vermittlung durch die Vermittlungsstelle erfolgt hierbei nach den allgemeinen Regeln für die jeweiligen Organe, wobei aber nur diejenigen Patienten der Warteliste berücksichtigt werden, für die die Zentren im Vorfeld anhand der Patientenprofile die grundsätzliche Bereitschaft zur Akzeptanz des schwer vermittelbaren Organs erklärt haben. Hierzu gehören auch Organe, die aus einem Domino-Transplantationsverfahren 12 gewonnen werden.
4.3.2 Beschleunigtes Vermittlungsverfahren
Die Vermittlungsstelle ist zu einer beschleunigten Vermittlung dann berechtigt, wenn eine Kreislaufinstabilität des Spenders eintritt oder drei verschiedene Zentren aus spender(organ)bedingten medizinischen Kriterien das Angebot einer Leber, eines Herzens oder einer Lunge abgelehnt haben und zugleich die Vermittlungsangebote für sämtliche geeignete Patienten der höchsten Dringlichkeitsstufe der jeweiligen Warteliste zurückgewiesen wurden. Für Nieren darf ein beschleunigtes Vermittlungsverfahren erst nach Ablehnung eines Organangebots aus medizinischen Gründen durch fünf verschiedene Zentren einsetzen. Pankreata werden nach Ablehnung durch drei verschiedene Zentren für die Inseltransplantation freigegeben.
Ferner ist die Vermittlungsstelle zu einer beschleunigten Vermittlung dann berechtigt, wenn ein Spenderorganverlust aus logistischen oder aus organisatorischen Schwierigkeiten droht.
Für jedes Organangebot gilt im beschleunigten Verfahren jeweils eine Erklärungsfrist von maximal 30 Minuten; wird diese Frist überschritten, gilt ein Angebot (aus organisatorischen Gründen) als abgelehnt.
Da die beschleunigte Vermittlung von Organen häufig nur innerhalb einer Region möglich ist, sollen in diesem Fall vorrangig die Organisationsstrukturen der Region genutzt werden. Die Vermittlungsstelle stellt dabei dem Zentrum/den Zentren eine Liste von potentiellen Empfängern zur Verfügung, nach der das Zentrum den am besten geeigneten Empfänger in der Reihenfolge der Auflistung auswählt. Wenn Zentren konkurrieren, erhält derjenige Patient die Organzuteilung, für den die Akzeptanzerklärung des betreuenden Zentrums bei der Vermittlungsstelle zuerst eingegangen ist.
4.4 Evaluation
Neben der schriftlichen Dokumentation der Auswahlentscheidung sollen die Ergebnisse der Transplantation aller schwer vermittelbaren Organe von der Vermittlungsstelle fortlaufend gesondert dokumentiert und nach zwei Jahren auf der Grundlage eines gemeinsamen Berichts der Vermittlungs- und der Koordinierungsstelle evaluiert werden. Die Verfahrensevaluation für die Leberallokation soll nach einem Jahr vorgenommen werden.
Die Transplantationszentren haben die Pflicht, die für die Evaluation notwendigen Daten der Vermittlungsstelle zu übermitteln.
5. Sanktionen
Bei einem Verstoß gegen die Allokationsrichtlinien sind die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Organübertragung nach § 9 TPG nicht gegeben und es liegt nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 TPG ein Bußgeldtatbestand vor. Wird der Vermittlungsstelle ein Verstoß bekannt oder hat sie hinreichende Verdachtsmomente für einen solchen, unterrichtet sie die nach § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 TPG gebildete Prüfungskommission. Diese informiert gegebenenfalls die zuständige Bußgeldbehörde.
Literatur siehe Anhang.
Richtlinien für die Organvermittlung thorakaler Spenderorgane (Herz-Lungen und Lungen)
I. Grundsätze der Richtlinien für die Organvermittlung
1. Rechtsgrundlage dieser Richtlinien ist das Transplantationsgesetz (TPG). Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 TPG werden die Regeln für die Organvermittlung von der Bundesärztekammer nach dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft in Richtlinien festgestellt und entsprechend dem jeweiligen Erkenntnisfortschritt fortgeschrieben. Diese Richtlinien sind für die Vermittlungsstelle verbindlich.
2. Nach § 12 Abs. 3 TPG erfolgt die Organzuteilung (Allokation) durch die Vermittlungsstelle nach Regeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen, insbesondere nach Erfolgsaussicht und Dringlichkeit für geeignete Patienten. Dabei sind die Wartelisten der Transplantationszentren als eine einheitliche Warteliste zu behandeln.
3. Außerdem gelten für die Organvermittlung die folgenden rechtlichen Bestimmungen:
Die Transplantation von vermittlungspflichtigen Organen (nämlich: Herz, Niere, Leber, Lunge, Pankreas und Darm) darf gemäß § 9 TPG nur in dafür zugelassenen Transplantationszentren (§ 10 TPG) vorgenommen werden. Alle vermittlungspflichtigen Organe dürfen nur nach §§ 3 und 4 TPG entnommen werden. Ihre Übertragung ist nur zulässig, wenn sie durch die Vermittlungsstelle unter Beachtung der Regelungen nach § 12 TPG vermittelt worden sind. Die Vermittlungsentscheidung ist für jedes Organ unter Angabe der Gründe zu dokumentieren.
4. Die in den folgenden Richtlinien festgelegten Kriterien für die Organallokation berücksichtigen zusätzlich zu den in § 12 Abs. 3 TPG genannten Gesichtspunkten der Erfolgsaussicht und der Dringlichkeit den Gesichtspunkt der Chancengleichheit.
5. Kriterien des Erfolgs einer Transplantation sind das Überleben des Empfängers, die längerfristig gesicherte Transplantatfunktion sowie die verbesserte Lebensqualität. Die Erfolgsaussichten sind für die einzelnen Organe, aber auch innerhalb definierter Patientengruppen grundsätzlich verschieden. Neben diesen empfängerbezogenen Kriterien hängt der Erfolg der Transplantation auch von der Qualität des Spenderorgans und der Qualität der medizinischen Betreuung ab.
6. Das Maß der Dringlichkeit ist der Schaden, der durch die Transplantation verhindert werden soll. Patienten, die ohne Transplantation vom Tod unmittelbar bedroht sind, werden der Gruppe der Patienten mit erhöhter Dringlichkeit zugeordnet und bei der Organzuteilung vorrangig berücksichtigt.
7. Dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit liegt die Bestimmung in § 12 Abs. 3 Satz 2 TPG zu Grunde, nach der die Wartelisten der Transplantationszentren bei der Organallokation als eine einheitliche Warteliste zu behandeln sind. Die Richtlinien wenden denselben Gesichtspunkt auf Patienten an, die durch schicksalhaft ungleiche Ausgangschancen und durch lange Wartezeiten benachteiligt sind. So werden Patienten, die auf Grund medizinischer Merkmale wie Unverträglichkeiten oder einer seltenen Blutgruppe besonders geringe Chancen haben, ein Transplantat zu erhalten, bei der Organallokation relativ zu anderen Patienten bevorzugt. Ebenfalls bevorzugt werden Kinder, da diese durch das Warten auf ein geeignetes Transplantat in ihrer Entwicklung in besonderer Weise beeinträchtigt werden. Der Gedanke eines Ausgleichs von Benachteiligungen - zusammen mit dem Gesichtspunkt, dass mit langen Wartezeiten in der Regel auch die Dringlichkeit einer Transplantation zunimmt - liegt auch der Gewichtung der Wartezeit zu Grunde. Die Chancen auf eine Transplantation müssen von Wohnort, sozialem Status, finanzieller Situation und der Meldung bei einem bestimmten Transplantationszentrum unabhängig sein.
8. Voraussetzung für die Organvermittlung ist, dass der in die Warteliste eines Transplantationszentrums aufgenommene Patient mit den für die Vermittlung notwendigen aktuellen medizinischen Daten bei der Vermittlungsstelle registriert ist.
9. Bestehen bei einem registrierten Patienten vorübergehend Kontraindikationen gegen eine Transplantation, wird der Patient als "NT", vorübergehend "nicht transplantabel", klassifiziert und bei der Empfängerauswahl nicht berücksichtigt. Überschreiten die NT-Zeiten insgesamt 30 Tage, so ruht die Wartezeit für diesen Zeitraum. Der Patient ist jeweils über seinen Meldestatus auf der Warteliste von einem Arzt des Transplantationszentrums zu informieren.
10. Die Aufnahme der Patienten in die Warteliste für eine Organtransplantation verpflichtet die Transplantationszentren sicherzustellen, dass jedem Patienten das allozierte Organ transplantiert werden kann, soweit keine medizinischen oder persönlichen Hinderungsgründe auf Seiten des Empfängers vorliegen (Wahrung der Chancengleichheit aller Patienten [s. Ziffern 2. , 4. und 7.] auf der für jedes Organ bundeseinheitlichen Warteliste).
Deshalb muss jedes Transplantationszentrum dafür sorgen, dass
Jeder Patient auf der Warteliste muss darüber informiert sein, dass ausnahmsweise Organe aus zentrumsinternen organisatorischen oder personellen Gründen nicht rechtzeitig transplantiert werden können, und für diese Situation vorsorglich entscheiden, ob er die Transplantation in einem anderen Zentrum wünscht oder auf das angebotene Organ verzichten will. Diese Entscheidung des Patienten ist zu dokumentieren. Gegebenenfalls empfiehlt sich eine vorherige Vorstellung des Patienten mit seinen Unterlagen im vertretenden Zentrum.
Wenn ein Transplantationsprogramm ausfällt, muss das verantwortliche Zentrum unverzüglich
Ist der Ausfall nicht nur kurzfristig, hat das verantwortliche Zentrum alle Patienten der betroffenen Warteliste, die sich nicht für eine bedarfsweise Transplantation in einem anderen Zentrum entschieden haben, zu informieren.6
11. Funktionseinschränkungen postmortal gespendeter Nieren, Pankreata, Lebern, Herzen und Lungen oder bestimmte Vorerkrankungen der Spender können eine schwere Vermittelbarkeit dieser Organe bedingen. Viele solcher Organe können unter günstigen Bedingungen, wie einer sehr kurzen Konservierungszeit, erfolgreich transplantiert werden.
Voraussetzung für die Vermittlung dieser Organe ist die Angabe von Akzeptanzkriterien seitens der Transplantationszentren (Zentrumsprofil) gegenüber der Vermittlungsstelle und eine spezielle Absprache bei der Aufnahme eines Patienten auf die Warteliste über seine persönlichen Akzeptanzkriterien (Patientenprofil). Diese können sich im Laufe der Wartezeit aus medizinischen Gründen ändern und sind gegenüber der Vermittlungsstelle regelmäßig zu aktualisieren. 7 Die Weitergabe der persönlichen Akzeptanzkriterien setzt die informierte Einwilligung eines Patienten voraus. 8
II. Kriterien und Verfahrensregeln zur Allokation
1. Kriterien für die Allokation von Herz-Lungen und Lungen
1.1 Blutgruppenkompatibilität (A-B-0-System)
Voraussetzung für die Organtransplantation ist die Blutgruppenkompatibilität zwischen Spender und Empfänger. Um aber eine gleichmäßige Verteilung zu gewährleisten, erfolgt die Auswahl zu transplantierender Empfänger nach den folgenden Regeln:
Spender Blutgruppe | Empfänger Blutgruppe |
0 | 0 |
A | A, AB |
B | B, AB |
AB | AB |
Falls ein Organ nach diesen Regeln nicht vermittelbar ist, gilt allein das Prinzip der Blutgruppenkompatibilität.
1.2 Hohe Dringlichkeit (high urgency - HU)
Bei Patienten auf der Warteliste in akut lebensbedrohlicher Situation besteht eine besondere Dringlichkeit zur Transplantation. Sie werden daher vorrangig vor allen anderen Patienten transplantiert. Die Zuordnung eines Patienten in diese Dringlichkeitsstufe muss besonders begründet werden. Empfänger, die diese Kriterien erfüllen, sind in der Regel bereits auf der Warteliste geführt, und ihr Zustand verschlechtert sich. Sie werden unter intensiv-medizinischen Bedingungen behandelt, die Atmung maschinell unterstützt oder ersetzt. Falls eine Aufnahme in die Warteliste noch nicht erfolgte, muss vor HU-Anmeldung eine detaillierte Evaluation erfolgen.
Die Allokation von Organen erfolgt auch für HU-Patienten nach den in der Tabelle (s. 1.1.) dargestellten Regeln.
Innerhalb der HU-Patienten wird bei der Allokation zunächst die Ischämiezeit und danach die Wartezeit berücksichtigt. Der HU-Status für das Herz, die Lunge oder eine Kombinationstransplantation (Herz-Lunge) gilt jeweils für die Dauer von 28 Tagen; er muss jeweils nach Ablauf dieser Frist erneut begründet werden (s. 3.3.). 17
1.3 Wartezeit (80% Gewichtung)
Die Wartezeit ist ein bedeutsamer Faktor für die Prognose nach Aufnahme in die Warteliste zur thorakalen Organtransplantation. Auf Grund der Sterblichkeit, insbesondere während des ersten Jahres der Wartezeit, stellt sie somit einen Dringlichkeitsfaktor dar. Wird der Patient nach einer NT-Klassifikation wieder transplantabel, ist die vor der NT-Listung bereits registrierte Wartezeit anzurechnen. Die insgesamt zu berücksichtigende Wartezeit ist derzeit auf zwei Jahre zu begrenzen. Die Wartezeit wird in Tagen berechnet.
1.4 Konservierungszeit (20% Gewichtung)
Eine sofortige und adäquate Funktionsaufnahme der Transplantate ist bei Herz-Lungen- und Lungenübertragungen entscheidend für den kurz- und langfristigen Transplantationserfolg. Neben spenderseitigen Faktoren (z.B. Alter des Spenders, Funktionszustand der Spenderorgane zum Zeitpunkt der Organentnahme) und der warmen Ischämiezeit (Implantationszeit) ist die Funktionsaufnahme insbesondere von der Dauer der Konservierungszeit ("kalte Ischämiezeit") abhängig. Eine möglichst kurze Konservierungs- und Transportzeit ist daher anzustreben und bei der Organallokation zu berücksichtigen. Dies bedeutet für die kombinierte Herz-Lungen-Transplantation eine prospektive Gesamtischämiezeit (kalt und warm) von unter 3 Stunden, für die alleinige Lungentransplantation von unter 4 Stunden.
Die Konservierungsdauer ist abhängig von organisatorischen Faktoren und der Transportzeit zwischen Spenderkrankenhaus und Transplantationszentrum. Neben Dringlichkeit und Wartezeit ist daher die Ischämiezeit als dritter wichtiger Faktor für die Allokation zu berücksichtigen. Es ist anzunehmen, dass durch die Nutzung der Informations- und Organisationsstrukturen in den gebildeten Organentnahmeregionen die Ischämiezeiten verkürzt werden können. Die Transplantationszentren sollen verpflichtet sein, nach Erhalt der Organe die Transplantation unverzüglich durchzuführen. Es besteht die Erwartung, dass durch die Berücksichtigung der Ischämiezeit die Erfolgsaussichten für die Patienten verbessert werden. Das Ergebnis ist zu dokumentieren und innerhalb von 2 Jahren im Rahmen der Qualitätssicherung zu überprüfen.
1.5 Übereinstimmung der HLA-Merkmale
Im Hinblick auf den langfristigen Transplantationserfolg ist auch für thorakale Organe eine möglichst weitgehende Übereinstimmung der HLA-Merkmale zwischen Organspender und -empfänger anzustreben. Auf Grund der Logistik von Organentnahme und -transplantation mit obligat kurzen Ischämiezeiten kommt ein prospektives HLA-Matching bei der thorakalen Organtransplantation derzeit nicht in Betracht.
1.6 Kombinierte Herz-Lungen-Transplantation
Patienten mit geplanter Herz-Lungen-Transplantation ist innerhalb jeder Dringlichkeitsstufe Vorrang vor Patienten mit isolierter Herz- und isolierter Lungentransplantation zu geben.
2. Verfahrensweise bei der Organvermittlung
Die Regeln der Organallokation der vermittlungspflichtigen thorakalen Spenderorgane sind regelmäßig auf ihre Validität zu überprüfen. Auf der Grundlage der Qualitätssicherung ist jährlich zu klären, ob die Entwicklung der medizinischen Wissenschaft eine Änderung der Kriterien oder ihrer Gewichtung erforderlich macht. Hierzu zählen z.B. die Anwendbarkeit der HLA-Kompatibilität als Vergabekriterium, die derzeit aus Zeitgründen nicht genutzt werden kann, oder die Abhängigkeit der tatsächlichen kalten Ischämie von der räumlichen Entfernung. Darüber hinaus wird die Wartezeit und deren Einfluss auf die Prognose aller Patienten auf der bundeseinheitlichen Warteliste prospektiv analysiert. -
Die Vermittlungsentscheidung ist verbindlich. Sie wird für jedes Organ transparent und nachvollziehbar begründet und dokumentiert.
Das Verfahren der Organvermittlung erfolgt unter Verwendung eines abgestimmten Allokations-Algorithmus nach den unter 1. beschriebenen Kriterien.
Die Entscheidung über die Annahme eines Spenderorgans trifft das Transplantationszentrum unter Berücksichtigung der vom Patienten bei seiner Aufklärung vor Aufnahme getroffenen individuellen Entscheidung und unter Berücksichtigung der Gesamtsituation des Spenderorgans sowie der individuellen Situation des Transplantatempfängers (Patientenprofil). Begründete Vorgaben für Spenderorgane können im Rahmen des angebotenen Behandlungsspektrums mit der Vermittlungsstelle vereinbart werden (Zentrumsprofil). Die Ablehnung eines angebotenen Spenderorgans ist unter Angabe der Gründe zu dokumentieren.
Die Gewichtung der Allokationsfaktoren wird fortlaufend gemäß dem Stand der medizinischen Wissenschaft überprüft und angepasst.
... 10
3. Expertengruppe Thorakale Transplantation (Auditgruppe)
3.1 Aufgabenstellung der Auditgruppe
Ein Patient, der zur dringlichen Transplantation (HU) angemeldet wird, muss sich in dem anmeldenden Transplantationszentrum in stationärer Behandlung befinden. Über die Dringlichkeit entscheidet eine Auditgruppe bei der Vermittlungsstelle.
3.2 Zusammensetzung der Auditgruppe
Aus jedem zur Transplantation thorakaler Organe zugelassenen Transplantationszentrum in Deutschland werden zwei in der thorakalen Organtransplantation erfahrene Ärzte für die Auditgruppe nominiert. Aus dieser Gruppe wird im Rotationsverfahren ein ständiger Bereitschaftsdienst gebildet. Die jeweils amtierende Auditgruppe setzt sich aus drei Mitgliedern zusammen, die in verschiedenen Transplantationszentren tätig sind, nicht jedoch in dem Zentrum, das von der Allokationsentscheidung betroffen ist; ihr müssen ein Internist und ein Chirurg angehören.
3.3 Entscheidungen der Auditgruppe
Die Entscheidung der Auditgruppe ist mehrheitlich und innerhalb von 6 Stunden zu treffen. Jedes Votum wird begründet und zusammen mit der Vermittlungsentscheidung bei Eurotransplant dokumentiert. Das Auditverfahren ist nach Eingang der Voten der Audit-Mitglieder bei Eurotransplant abgeschlossen.
Im Falle eines positiven Erstvotums erfolgt die Reevaluation in der Regel auf Anmeldung des behandelnden Zentrums durch die zuständigen Ärzte von Eurotransplant für das Herz, die Lunge oder eine Kombinationstransplantation (Herz-Lunge) jeweils nach 28 Tagen. 18 Sofern die verantwortlichen Ärzte von Eurotransplant wesentliche Änderungen der medizinischen Voraussetzungen beim Empfänger gegenüber dem Erstaudit feststellen, wird die Reevaluation gemäß den Vorgaben nach den Abschnitten 3.1., 3.2. und 3.3. Abs. 1 durchgeführt.19
4. Allokation von schwer vermittelbaren Organen 16
4.1 Ausgangssituation
Funktionseinschränkungen postmortal gespendeter Nieren, Pankreata, Lebern, Herzen und Lungen oder bestimmte Vorerkrankungen der Spender können eine schwere Vermittelbarkeit dieser Organe bedingen. Eine exakte Definition von Kriterien, die diese unter Umständen gut funktionsfähigen Organe beschreiben, ist auf Grund der Ursachenvielfalt nicht möglich. Viele solcher Organe können unter günstigen Bedingungen, wie einer sehr kurzen Konservierungszeit, erfolgreich transplantiert werden.
Ferner kann es im Laufe eines Vermittlungsprozesses zu logistischen oder organisatorischen Schwierigkeiten oder zur hämodynamischen Verschlechterung des Spenders kommen, die auf Grund eines drohenden Organverlusts eine beschleunigte Vermittlung und sofortige Transplantation erfordern.
Voraussetzung für die beschleunigte Vermittlung von Organen ist die Angabe von Akzeptanzkriterien seitens der Transplantationszentren (Zentrumsprofil) gegenüber der Vermittlungsstelle und eine spezielle Absprache bei der Aufnahme eines Patienten auf die Warteliste über seine persönlichen Akzeptanzkriterien (Patientenprofil). Diese können sich im Laufe der Wartezeit aus medizinischen Gründen ändern und sind gegenüber der Vermittlungsstelle regelmäßig zu aktualisieren. Die Weitergabe der persönlichen Akzeptanzkriterien setzt die informierte Einwilligung eines Patienten voraus. 20
Generell besteht für die Vermittlungsstelle die Verpflichtung, auch für solche Organe mit erweiterten Spenderkriterien unter Berücksichtigung der Zentren- und Patientenprofile jeweils ein Vermittlungsverfahren durchzuführen.
4.2 Kriterien für die Einschränkung der Vermittelbarkeit
Organe von Spendern mit schwerwiegenden vorausgehenden Grunderkrankungen (z.B. mit Tumorleiden in der Anamnese) oder sich aus der Grunderkrankung ergebenden Komplikationen erfordern ein besonderes Vermittlungsverfahren.
Es liegen beispielsweise dann erweiterte Spenderkriterien vor, wenn der Spender unter einer der nachfolgend genannten Krankheiten gelitten hat:
Im Einzelfall muss es der Einschätzung der an der Organentnahme beteiligten Ärzte überlassen bleiben, ob erweiterte Spenderkriterien vorliegen. Dies gilt insbesondere auch, wenn im Laufe des Vermittlungsverfahrens oder des Organspendeprozesses gravierende Beeinträchtigungen, zum Beispiel der Kreislaufstabilität des Spenders auftreten, die eine beschleunigte Organentnahme, Allokation und Transplantation notwendig machen.
4.3 Vermittlungsregeln
Je nach Problemlage ist zu unterscheiden zwischen einem gegenüber den geltenden Regeln modifizierten oder einem beschleunigten Vermittlungsverfahren.
4.3.1 Modifiziertes Vermittlungsverfahren
Unter den zuvor beschriebenen Voraussetzungen sollen schwer vermittelbare Organe in einem modifizierten Vermittlungsverfahren nur solchen Transplantationszentren angeboten werden, die gegenüber der Vermittlungsstelle ihre Bereitschaft zur Akzeptanz dieser Organe entsprechend den zuvor mitgeteilten Zentren- und Patientenprofilen erklärt haben. Die Vermittlung durch die Vermittlungsstelle erfolgt hierbei nach den allgemeinen Regeln für die jeweiligen Organe, wobei aber nur diejenigen Patienten der Warteliste berücksichtigt werden, für die die Zentren im Vorfeld anhand der Patientenprofile die grundsätzliche Bereitschaft zur Akzeptanz des schwer vermittelbaren Organs erklärt haben. Hierzu gehören auch Organe, die aus einem Domino-Transplantationsverfahren 12 gewonnen werden.
4.3.2 Beschleunigtes Vermittlungsverfahren
Die Vermittlungsstelle ist zu einer beschleunigten Vermittlung dann berechtigt, wenn eine Kreislaufinstabilität des Spenders eintritt oder drei verschiedene Zentren aus spender(organ)bedingten medizinischen Kriterien das Angebot einer Leber, eines Herzens oder einer Lunge abgelehnt haben und zugleich die Vermittlungsangebote für sämtliche geeignete Patienten der höchsten Dringlichkeitsstufe der jeweiligen Warteliste zurückgewiesen wurden. Für Nieren darf ein beschleunigtes Vermittlungsverfahren erst nach Ablehnung eines Organangebots aus medizinischen Gründen durch fünf verschiedene Zentren einsetzen. Pankreata werden nach Ablehnung durch drei verschiedene Zentren für die Inseltransplantation freigegeben.
Ferner ist die Vermittlungsstelle zu einer beschleunigten Vermittlung dann berechtigt, wenn ein Spenderorganverlust aus logistischen oder aus organisatorischen Schwierigkeiten droht.
Für jedes Organangebot gilt im beschleunigten Verfahren jeweils eine Erklärungsfrist von maximal 30 Minuten; wird diese Frist überschritten, gilt ein Angebot (aus organisatorischen Gründen) als abgelehnt.
Da die beschleunigte Vermittlung von Organen häufig nur innerhalb einer Region möglich ist, sollen in diesem Fall vorrangig die Organisationsstrukturen der Region genutzt werden. Die Vermittlungsstelle stellt dabei dem Zentrum/den Zentren eine Liste von potentiellen Empfängern zur Verfügung, nach der das Zentrum den am besten geeigneten Empfänger in der Reihenfolge der Auflistung auswählt. Wenn Zentren konkurrieren, erhält derjenige Patient die Organzuteilung, für den die Akzeptanzerklärung des betreuenden Zentrums bei der Vermittlungsstelle zuerst eingegangen ist.
4.4 Evaluation
Neben der schriftlichen Dokumentation der Auswahlentscheidung sollen die Ergebnisse der Transplantation aller schwer vermittelbaren Organe von der Vermittlungsstelle fortlaufend gesondert dokumentiert und nach zwei Jahren auf der Grundlage eines gemeinsamen Berichts der Vermittlungs- und der Koordinierungsstelle evaluiert werden. Die Verfahrensevaluation für die Leberallokation soll nach einem Jahr vorgenommen werden.
Die Transplantationszentren haben die Pflicht, die für die Evaluation notwendigen Daten der Vermittlungsstelle zu übermitteln.
5. Sanktionen
Bei einem Verstoß gegen die Allokationsrichtlinien sind die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Organübertragung nach § 9 TPG nicht gegeben und es liegt nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 TPG ein Bußgeldtatbestand vor. Wird der Vermittlungsstelle ein Verstoß bekannt oder hat sie hinreichende Verdachtsmomente für einen solchen, unterrichtet sie die nach § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 TPG gebildete Prüfungskommission. Diese informiert gegebenenfalls die zuständige Bußgeldbehörde.
Literatur siehe Anhang.
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