umwelt-online: VwV zur 92/43/EWG (FFH-RL) und 79/409/EWG (Vogelschutz-RL) (2)
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3. Verträglichkeitsprüfung
Die Maßstäbe für die Prüfung der Verträglichkeit eines Projektes sind die Erhaltungsziele für das jeweilige Gebiet (§ 19c Abs. 1 Satz 1).
3.1 Erhebliche Beeinträchtigungen (§ 19c Abs. 2)
a) Allgemeine Aussagen
Nach § 19c Abs. 2 ist ein Projekt unzulässig, wenn es zu erheblichen Beeinträchtigungen eines "Natura 2000"-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann.
Erheblich ist die Beeinträchtigung, wenn die Veränderungen oder Störungen in ihrem Ausmaß oder ihrer Dauer dazu führen, dass ein Gebiet seine Funktionen in Bezug auf die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck gar nicht mehr oder nur noch in deutlich eingeschränktem Umfang erfüllen kann.
Für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung ist die Störungsempfindlichkeit der Arten, um derentwillen das besondere Schutzgebiet eingerichtet wurde, ein wesentliches Kriterium. Besondere Bedeutung hat der Schutz von prioritären Biotopen und prioritären Arten. Prioritäre Biotope und Arten sind nur in den Anhängen I bzw. II der FFH-Richtlinie enthalten und mit einem Sternchen (*) gekennzeichnet (§ 19a Abs. 2 Nr. 5 und 6). Die Bewertung hat sich an dem betroffenen Schutzgebiet zu orientieren; über die Betrachtung des einzelnen Gebietes hinaus sind nicht die Auswirkungen auf das Natura 2000-Netz insgesamt abzuprüfen.
Projekte, die sich in der Umgebung des "Natura 2000"-Gebiets befinden, dürften nur durch Veränderungen des Wasserhaushaltes oder durch Stoffeinträge emittierender Anlagen ausnahmsweise Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele für das "Natura 2000"-Gebiet auslösen können.
b) Erheblichkeitseinschätzung, Verfahrensablauf und Beurteilungsgrundlagen
In der Regel werden erhebliche Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele oder der für den Schutzzweck wesentlichen Bestandteile eines Gebietes nur durch größere Vorhaben oder Planungen - ausgenommen bei kleineren Schutzgebieten - ausgelöst werden können. Der situationsangepasste Darlegungs- und Prüfaufwand verteilt sich regelmäßig wie folgt:
1.) Darlegungen durch die Behörde
2.) Darlegungen durch der Vorhabenträger
Situationsangepasst können die inhaltlichen Prüfschritte nach folgenden Maßstäben - bei Bedarf im Rahmen einer Studie - erfolgen:
3.) Prüfung der Studie bzw. der vorgelegten Unterlagen durch die Behörde
3.2 Prüfergebnis
Ergibt die Prüfung, dass das Projekt zu einer erheblichen Beeinträchtigung führen kann, ist es unzulässig nach § 19c Abs. 2. Gleichwohl kann das Projekt auf Grund der Ausnahmeregelungen des § 19c Abs. 3 und 4 zugelassen werden.
4. Ausnahmen vom Verbot des § 19c Abs. 2
Wenn ein Projekt unzulässig ist, weil es zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines "Natura 2000"-Gebietes führen kann, darf ~s nur zugelassen oder durchgeführt werden, wenn die im Folgenden unter 4.1 und 4.2 erläuterten Voraussetzungen kumulativ vorliegen, wobei eine Prüfungsreihenfolge nicht vorgegeben ist:
4.1 Fehlen von zumutbaren Alternativen (§ 19c Abs. 3 Nr. 2)
Diese Voraussetzung liegt vor, wenn der mit dem Projekt verfolgte Zweck an einem anderen Standort oder durch eine andere Ausführung ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen nicht erreicht werden kann, d. h. eine zumutbare Standort- oder Ausführungsalternative nicht gegeben ist. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist zu beachten.
Eine wesentliche Voraussetzung der Alternativenprüfung ist, dass der Vorhabenträger hinreichend detaillierte Unterlagen für mehrere Standorte bzw. Trassen vorlegt.
Bei der Prüfung, ob eine Alternative vorhanden ist, ist von den Zielen auszugehen, die mit dem Projekt erreicht werden sollen. Aus dem Kreis der Alternativen ist unter Beachtung des Gebots der Verhältnismäßigkeit (Zumutbarkeit) die dem Schutz des Natura 2000-Gebietsnetzes am ehesten gerecht werdende auszuwählen. Um eine Alternative als unverhältnismäßig bzw. unzumutbar ausschließen zu können, muss der erhöhte Aufwand bei der Realisierung der Alternative in Relation zu der Schwere der ansonsten auftretenden Gebietsbeeinträchtigungen gesetzt werden. In diesem Zusammenhang sind wirtschaftliche Gesichtspunkte angemessen zu berücksichtigen. Betriebswirtschaftliche Erwägungen allein sind für die Bewertung der Angemessenheit nicht ausreichend.
Eine zumutbare Alternative ist zu verwirklichen, sie ist einer Abwägung nicht zugänglich.
Im Falle einer Alternative, die den mit dem Vorhaben verfolgten Zweck ohne bzw. ohne erhebliche Beeinträchtigungen erreicht, wird dem Projekt ohne weitere Prüfung nach 4.2 zugestimmt.
Wurde eine Alternative gefunden, die zu geringeren aber immer noch erheblichen Beeinträchtigungen führt, oder konnte keine Alternativlösung gefunden werden, muss das Projekt darüber hinaus aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses notwendig sein (siehe 4.2).
4.2 Zwingende Grunde als Rechtfertigung (§ 19c Abs. 3 Nr. 1)
Neben dem Fehlen von Alternativlösungen ist weitere Zulassungsvoraussetzung, dass das Projekt aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, notwendig ist. Öffentliche Interessen können auch vorliegen, wenn ein Unternehmen wirtschaftlicher Art erweitert werden soll und mittels, der Durchführung von Investitionen Arbeitsplätze geschaffen oder erhalten werden. Private, nicht zugleich öffentlichen Interessen dienende Gründe scheiden als Rechtfertigung für die Zulassung von Ausnahmen aus.
Das öffentliche Interesse, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, das mit dem Projekt verfolgt wird, muss im Einzelfall gewichtiger sein als das Interesse am Erhalt der Lebensraumtypen und/oder Arten, die im konkreten Fall betroffen und durch die Erhaltungsziele geschützt sind (überwiegendes öffentliches Interesse); dem Erhalt der Lebensraumtypen und Arten wird auf europäischer Ebene ein sehr hohes Gewicht beigemessen. 6 Auch sollte bei der Prüfung der Zulassung eines Projektes, das mit erheblichen Beeinträchtigungen eines Schutzgebiets verbunden ist, die vom Gesetzgeber festgelegte Gewichtung für solche Vorhaben bei der Konkretisierung des überwiegenden öffentlichen Interesses mitberücksichtigt werden. Ein überwiegendes öffentliches Interesse ist z.B. bei gefahrenabwehrbezogenen Maßnahmen im Rahmen einer Altlastensanierung anzunehmen.
Darüber hinaus muss das Projekt auch aus zwingenden Gründen erforderlich sein. Ein bloßes Überwiegen reicht danach nicht aus.
5. Prioritäre Biotope und prioritäre Arten (§ 19c Abs. 4)
Befinden sich in dem vom Projekt betroffenen Gebiet prioritäre Biotope und/oder prioritäre Arten und werden diese auch, erheblich beeinträchtigt, ist die Zulassung von Ausnahmen an strengere Regelungen gebunden. Die Vogelschutzrichtlinie sieht keine prioritären Vogelarten vor, sodass sich die strengere Vorschrift des § 19c Abs. 4 nicht auf Vogelschutzgebiete bezieht (zur Definition der prioritären Biotope und Arten vgl. Nummer 3.1 Buchstabe a)).
Ohne Beteiligung der EU-Kommission können die nationalen Behörden über Ausnahmen dann entscheiden, wenn ganz bestimmte Gründe für das Projekt geltend gemacht werden: Es muss sich insofern um (zwingende) Gründe (des überwiegenden öffentlichen Interesses) im Zusammenhang mit
Werden andere Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, geltend gemacht, hat die Zulassungsbehörde vor der Zulassung das Ministerium für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung (MLUR) zu beteiligen und über das BMU eine Stellungnahme der EU-Kommission einzuholen (§ 19c Abs. 4). Eine Prüfung der Unterlagen durch das MLUR erfolgt im Einzelfall
Die Stellungnahme der EU-Kommission ist im Rahmen der Prüfung der Zulassung oder Durchführung des Projekts zu berücksichtigen und nicht bindend; die EU-Kommission kann aber bei Nichtberücksichtigung Maßnahmen gegenüber dem Mitgliedstaat ergreifen. Die Zulassungsbehörde hat sich mit der Kommissionsauffassung inhaltlich auseinander zu setzen und in den Fällen, in denen sie im Gegensatz zur Kommissionsstellungnahme entscheidet, darzulegen, aus welchen Gründen sie von der Stellungnahme abweicht.
6. Maßnahmen zur Sicherung des Zusammenhangs des Europäischen ökologischen Netzes (§ 19c Abs. 5)
Wird ein Projekt nach § 19c Abs. 3 oder 4 zugelassen oder durchgeführt, sind alle zur Sicherung des Zusammenhangs des Europäischen ökologischen Netzes "Natura 2000" notwendigen Maßnahmen vorzunehmen. Diese Maßnahmen müssen erreichen, dass die von dem Projekt beeinträchtigten Funktionen im Europäischen Netz "Natura 2000" wiederhergestellt werden. Der Umfang der Maßnahmen muss geeignet sein, die Beeinträchtigungen im Hinblick auf die Kohärenz des Europäischen Netzes weitgehend auszugleichen. Eine Auswahl nach der Art einer Maßnahme ist dann möglich, wenn verschiedene Maßnahmen aus fachlicher Sicht in gleichem Maße in Frage kommen. Im Verhältnis zu Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach der ER sind diese Maßnahmen grundsätzlich eigenständig zu ermitteln. Im Ergebnis können bestimmte tatsächliche Maßnahmen geeignet sein, sowohl die rechtlichen Anforderungen im Hinblick auf das europäische Netz "Natura 2000" als auch den Kompensationsbedarf nach der ER zu erfüllen; dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn Ausgleichsmaßnahmen nach der ER Beeinträchtigungen derselben FFH-relevanten Schutzgüter kompensieren. Die Verpflichtungen des Vorhabenträgers zur Sicherung des Netzzusammenhangs sind durch die Zulassungsbehörde festzulegen.
Die EU-Kommission ist von der Zulassungsbehörde über die getroffenen Maßnahmen zu unterrichten. Die Unterrichtung erfolgt in gleicher Weise wie die Einholung der Stellungnahme der EU-Kommission bei der Beeinträchtigung prioritärer Biotope oder Arten (siehe 5.).
7. Bestandsschutz
Genehmigte Projekte sowie rechtmäßige Nutzungen und die zu deren Durchführung erforderlichen Maßnahmen (auch soweit hierfür weitere Einzelgenehmigungen erforderlich sind) genießen Bestandsschutz (z.B. immissionsschutzrechtliche Genehmigungen, zugelassene Rahmen-, Haupt- und Abschlussbetriebspläne). Sie unterliegen dementsprechend nicht der Pflicht zur Verträglichkeitsprüfung. Genehmigungen im Sinne dieser Regelung sind alle verbindlichen Entscheidungen über die Zulässigkeit eines Vorhabens. Der Bestandsschutz erstreckt sich auf den durch einen Zulassungsbescheid konkretisierten Nutzungsrahmen, einschließlich gegebenenfalls enthaltener Nebenbestimmungen, und nicht auf die tatsächlich ausgeübte Nutzung.
Alle Projekte, deren konkrete Zulassungsverfahren gegenwärtig durchgeführt werden, unterfallen grundsätzlich den Vorschriften der §§ 19a bis 19f Je nach erreichtem Verfahrensstand kann es im Einzelfall unzumutbar sein, Alternativplanungen zu fordern.
8. Belastungen durch Emissionen (§ 19e)
Die Vorschrift des § 19e regelt als Sonderfall die VP für genehmigungsbedürftige Anlagen und für die genehmigungsbedürftige Änderung von Anlagen nach dem BImSchG. Sie tritt nur hinsichtlich der Emissionen an die Stelle des § 19c. Zusätzlich kann eine VP nach § 19c erforderlich sein, wenn die Errichtung der baulichen Anlage sonstige Beeinträchtigungen eines europäischen Schutzgebiets hervorrufen kann.
Eine VP nach § 19e ist nur dann durchzuführen, wenn sich ein europäisches Schutzgebiet im Einwirkungsbereich der Anlage befindet. Dieser Einwirkungsbereich entspricht für stoffliche Emissionen dem Beurteilungsgebiet nach der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft).
Emissionen wie Lärm, Erschütterung, Bewegung, Licht und nicht gefährdende Stäube, die von außen auf ein "Natura 2000"-Gebiet einwirken können, sind regelmäßig nicht geeignet, erhebliche Beeinträchtigungen auszulösen (s.o. unter 2.1).
9. Verträglichkeitsprüfung von Plänen
Die o. g. Aussagen zur VP gelten entsprechend auch für Pläne (§ 19d).
9.1 Pläne
Unter "Pläne" sind Pläne und Entscheidungen in vorgelagerten Verfahren zu verstehen, die bei behördlichen Entscheidungen zu beachten oder zu berücksichtigen sind, soweit sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Plänen oder Projekten geeignet sind, ein Natura 2000-Gebiet erheblich zu beeinträchtigen (§§ 19d i.V.m. 19a Abs. 2 Nr. 9).
Der VP unterfallen folgende Pläne:
9.2 Plangewährleistung
Verbindliche Ziele der Raumordnung gemäß § 3 ROG (mit Ausnahme der durch Rechtsverordnung für verbindlich erklärten Sanierungs- und Braunkohlenpläne), die noch nicht durch Bebauungspläne oder durch die Zulassung oder rechtmäßige Durchführung von Maßnahmen umgesetzt worden sind, bedürfen nach der Beschlussfassung der Landesregierung zur Meldung von FFH- und Vogelschutzgebieten im Hinblick auf erkennbare Konflikte mit den Zielen der FFH- und der Vogelschutzrichtlinie gegebenenfalls einer Überprüfung.
Bei Raumordnungsplänen bezieht sich die VP auf diejenigen raumordnerischen Ziele, die einen konkreten Flächenbezug haben. Sind derartige Ziele zu prüfen, gilt das unter 3. bis 6. dargestellte Verfahren entsprechend. Raumordnerische Ziele ohne konkreten Flächenbezug, wie beispielsweise Funktionsfestlegungen für Gemeinden, bedürfen regelmäßig keiner VB Eine Beibehaltung bestehender raumordnerischer Ziele, deren Umsetzung ein "Natura 2000"-Gebiet beeinträchtigen kann, ist möglich, wenn die Voraussetzungen des § 19c Abs. 3 bis 5 vorliegen.
Zur VP in Bauleitplänen und Satzungen nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB siehe Ziffer 3.3.4 des Einführungserlasses zum Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 (BauROG) - Vorschriften mit Bezug zum allgemeinen Städtebaurecht - ABl. 1998 S. 590 (602 f.). Danach wird, wenn ein Verfahren zur Ausgliederung einer Fläche aus einem Schutzgebiet erforderlich sein sollte, die VP im Rahmen des Ausgliederungsverfahrens geprüft.
10. Verträglichkeitsprüfung für Gewässerbenutzungen
Die VP für die Erlaubnis und Bewilligung von Gewässerbenutzungen richtet sich nach der Sondervorschrift des § 6 Abs. 2 WHG. Sie tritt an die Stelle des § 19c und enthält insoweit eine besondere Voraussetzung für die wasserrechtliche Zulassung von Gewässerbenutzungen im Hinblick auf ihre Verträglichkeit mit den Zielen der FFH- und der Vogelschutzrichtlinie. Inhaltliche Abweichungen für die Durchführung der VP bestehen nicht. Es wird daher auf die Ausführungen zu den Nummern 3 und 4 verwiesen. Auch hier kann für sonstige Beeinträchtigungen, die sich nicht oder nicht allein auf das Gewässer auswirken, etwa durch Bauvorhaben an Ort und Stelle, ergänzend eine VP nach § 19c erforderlich sein.
11. Die Beteiligung der Öffentlichkeit im Rahmen der Verträglichkeitsprüfung
Die Anhörung der Öffentlichkeit im Sinne des Art. 6 Abs. 3 Satz 2 FFH-Richtlinie richtet sich nach den Vorschriften, die für die Zulassung des jeweiligen Projekts maßgebend sind.
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6) vgl. den 4. Erwägungsgrund in der Präambel der FFH-Richtlinie
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