zurück |
Kurzzeitwerte für Stoffe mit TRK-Wert |
Anlage |
Technische Richtkonzentrationen werden als Schichtmittelwert angegeben.
Für eine zusätzliche Begrenzung von Expositionsspitzen gegenüber krebserzeugenden Stoffen sprechen verschiedene Überlegungen:
Aus Mangel an toxikologischen Daten ist es nicht möglich, krebserzeugende Stoffe begründet einer oder verschiedenen der vorhandenen Kurzzeitwertkategorien zuzuordnen. Eine Begrenzung von Expositionsspitzen gegenüber krebserzeugenden Stoffen hat deshalb auf der Basis von Überlegungen zum Stand der Technik und u.a. auch unter pragmatischen Gesichtspunkten zu erfolgen.
Grundsätzlich sind auch kurzzeitige Expositionsspitzen gegenüber krebserzeugenden Stoffen durch technische und organisatorische Maßnahmen so niedrig wie möglich zu halten (Minimierungsgebot). Dies ist eine Zielvorgabe für die Ausgestaltung eines Arbeitsplatzes und eines Arbeitsverfahrens.
Dem Vorschlag für eine Kurzzeitwertregelung lagen folgende Überlegungen zugrunde:
Meßtechnik/Analytik
Die meßtechnische Bestimmung der Höhe einer kurzzeitigen Konzentrationsspitze eines Stoffes als "Momentanwert" in der Luft am Arbeitsplatz stößt in der Praxis auf unüberwindliche Schwierigkeiten, von grundsätzlichen Überlegungen einmal abgesehen. Die Entscheidung über die Einhaltung eines Kurzzeit-Grenzwertes kann deshalb meßtechnisch nur auf der Mittelwertbildung über eine angemessene Zeitspanne basieren.
Wesentliches Element eines Grenzwertkonzeptes ist, daß sowohl Anwender als auch Aufsichtsdienste und -behörden durch Messungen sicher feststellen können, ob ein Grenzwert eingehalten oder nicht eingehalten ist. Die meßtechnische Überwachung eines Kurzzeitwertes muß über den Konzentrationsmittelwert während einer angemessenen Zeitspanne erfolgen. Diese Zeitspanne stellt die kürzeste überwachbare Kurzzeitwertdauer dar.
Geht man davon aus, daß die überwiegende Zahl der Stoffe mit TRK-Wert durch anreichernde Probenahme meßtechnisch erfaßt wird, so läßt sich aus der Bestimmungsgrenze des Meßverfahrens und der Sammelrate die kürzeste Probenahmedauer ermitteln, die erforderlich ist, um einen Meßwert mit ausreichender Aussagesicherheit zu erzeugen.
Nach vorliegender Erfahrung sind Meßzeiten von 5 Minuten nicht ausreichend, um bei stark veränderlichen Raumluftkonzentrationen die Expositionsverhältnisse durch Messungen richtig und reproduzierbar zu erfassen. Bei personengetragener Probenahme sind enorme Zeitfehler zu gewärtigen. Ursache hierfür sind die erforderlichen Manipulationen bei der Inbetriebnahme und beim Abschalten der Probenahmevorrichtung und die damit verbundene Störung der Expositionsverhältnisse. Dieser Fehler trägt mit anderen Probenahmefehlern zum Gesamtfehler des Meßverfahrens bei. Der relative Zeitfehler läßt sich durch Verlängerung der Probenahmedauer auf ein tolerierbares Maß senken. Als ausreichend können 15 Minuten angesehen werden. Dies ist die Zeitbasis, die auch von anderer Seite (2) vorgeschlagen wird.
Hohe der Expositionsspitzen an Arbeitsplätzen
Systematische Untersuchungen zur Höhe der Expositionsspitzen an Arbeitsplätzen für die verschiedenen krebserzeugenden Stoffe mit TRK-Wert liegen noch nicht vor. Es ist aber offensichtlich, daß mit kleiner werdender Mittelungsdauer die Höhe der Expositionsspitzen zunehmen. Für die Tag-zu-Tag-Schwankungen der Exposition wurde in einer branchenübergreifenden Studie für die geometrische Standardabweichung ein Wert von 2,7 als geeignete Schätzung zugrunde gelegt (3). Für eine Reihe dampfförmig vorliegender Stoffe werden bei Einhaltung von Maßnahmen nach dem Stand der Technik Konzentrationsspitzen bei 15-minütiger Mittelungsdauer von ca. 20 ml/m3 festgestellt. Dies bestätigte sich auch bei Messungen von Benzol als Expositionsspitzen im Bereich Tankwagenbeladung.
Bei Schweißarbeiten (Lichtbogenhandschweißen mit umhüllten Stabelektroden) ergaben sich in der Vergangenheit bei einem Grenzwert von 0,1 mg/m3 als Schichtmittelwert für Chromate auf der Basis von Messungen mit einer Meßdauer von 0,5 bis 1 h in einer Reihe von Fällen Konzentrationen bis zu 1 mg/m3 für Chromate.
Expositionsspitzen aus toxikologischer Sicht
Für krebserzeugende Gefahrstoffe lassen sich nach dem Stand des Wissens keine unwirksamen Konzentrationen (Dosen) bestimmen. Selbst wenn sich für einzelne Kanzerogene Wirkungsschwellen sicher nachweisen ließen, so sind diese schon deshalb nicht verläßlich, da die Wirkung der Gefahrstoffe in der Regel auf bereits mehr oder weniger in Richtung Krebs vorbelastete oder vorgeschädigte Gewebe trifft. Eine solche Vorbelastung tritt schon spontan durch zellinterne Vorgänge wahrscheinlich häufig auf. Faktoren auch des "normalen" Lebensstils können die Vorbelastung weiter erhöhen. Eine so bedingte Schädigung ist schwer vermeidbar und zum Teil sogar nicht vermeidbar. Umso notwendiger ist es, zusätzliche Risiken durch exogene Gefahrstoffe so klein wie möglich zu halten.
Zur Frage des Risikos von Expositionsspitzen liegen nur sehr wenige verläßliche Untersuchungen vor, Man ging jahrzehntelang davon aus, daß sich bei krebserzeugenden Stoffen alle Einzeldosen verlustlos (= irreversibel) addieren und die Zellen in Richtung Krebs verändern. Erst in der jüngsten Vergangenheit wurden immer mehr zelluläre Vorgänge bekannt, durch welche die von Kanzerogenen an die DNA gesetzten Schäden inbeträchtlichem Umfang repariert werden können. Die Reparaturmechanismen können durch hohe und dadurch häufig noch zusätzlich akut toxische Konzentrationen des Kanzerogens gestört werden. Durch hohe Kanzerogen-Konzentrationen können aber nicht nur die Reparaturmechanismen gestört werden, sondern auch die Entgiftungsmechanismen, welche den Gefahrstoff durch metabolische Umwandlung mindestens teilweise unschädlich machen (4).
Es liegen nur einige Versuche vor, in denen bei gleicher Gesamtdosis und auch sonst gleichen Bedingungen die Wirkung von Stoßdosen (= hohe Spitzenkonzentrationen) mit der Wirkung einer mehr gleichmäßigen Verteilung der Dosen (= weniger hohe Spitzenkonzentrationen) verglichen wurden. Nachfolgend seien die Ergebnisse zusammenfassend dargestellt.
2-Acetylaminofluoren zeigte in einer sehr groß angelegten Untersuchung (Mega-Maus-Experiment) nach Applikation mit dem Futter eine deutlich stärkere krebserzeugende Wirkung (Blase, Leber), wenn 150 ppm über 12 Monate statt 75 ppm über 24 Monate gegeben wurden (Tötung in beiden Fällen nach 24 Monaten). Wenn 150 ppm und im Vergleich dazu 75 ppm beide über 12 Monate dargereicht wurden, so war die erreichte Gesamtdosis im ersten Falle zwar doppelt so hoch wie in der Vergleichsgruppe, die Tumorhäufigkeit aber deutlich mehr als doppelt so hoch im eisten Fall: Lebertumoren 31 %, Blasentumoren 24 %; im zweiten Fall: Lebertumoren 19 %, Blasentumoren 0 %) (5).
Natriumdichromat zeigte an der Ratte nach intratrachealer Instillation nach dem Dosierungsmuster 5 x 0,25 mg/kg/Woche über die Lebenszeit keine krebserzeugende Wirkung; bei gleicher Gesamtdosis erwies sich Natriumdichromat nach der Dosierung 1 x 1,25 mg/kg/Woche über die Lebenszeit als toxischer und auch als krebserzeugend (17,5 % Lungentumoren; 0 % in der Vergleichs- und der Kontrollgruppe). Bei Calciumchromat war der Effekt ähnlich: 5 x 0,25 mg/kg/Woche - 7,5 % Lungentumoren; 1 x 1,25 mg/ kg/Woche - 16% Lungentumoren (Kontrolle: 0 %) (6).
Nitrosodialkylharnstoffe (methyl- bzw. ethyl-) gehören zu den sehr starken Kanzerogenen. In einem Versuch an der Ratte wurden gleiche Wochendosen einmal als Applikation mit dem Trinkwasser (gleichmäßigere Verteilung der Wochendosis) und im anderen Fall als Applikation mit der Schlundsonde (2 x/Woche) (Wochendosis in Form zweier Stoßdosen) miteinander verglichen: Die Verabreichung mit dem Trinkwasser erzeugte weniger Tumoren als die Applikation mit der Schlundsonde (7).
Ethylenoxid und Propylenoxid waren an der Ratte trotz kleinerer Dosen nach der Gabe von Stoßdosen mit der Schlundsonde (2 x/Woche) deutlich stärker krebserzeugend als nach Inhalation (30 Std./Woche) (8).
1,2-Dibromethan zeigte nach Applikation von Stoßdosen mit der Schlundsonde eine starke krebserzeugende Wirkung; jeweils ungefähr die gleiche Dosis gleichmäßiger über die Wochen per Inhalation verteilt, war wesentlich schwächer wirksam (9).
1,2-Dichlorethan erwies sich bei etwa gleichen Gesamtdosen nur dann bei Ratte und Maus als krebserzeugend, wenn die Wochendosis auf fünf Stoßdosen per Schlundsonde verteilt wurde. Bei gleichmäßigerer Verteilung der Dosen per Inhalation (7 Std. 5 x /Woche) ließ sich keine krebserzeugende Wirkung nachweisen (8, 10).
Hydrazin zeigte bisher nach oraler Applikation nur im Bereich toxischer Dosen an Ratte, Maus und Goldhamster eine krebserzeugende Wirkung. Bei vergleichbaren Dosen war auch Hydrazin eh Stoßdosen mit der Schlundsonde toxischer und damit kanzerogener als nach mehr gleichmäßiger Verteilung der Dosen mit dem Trinkwasser (8).
Die Untersuchungen zeigen, daß mindestens in den beurteilbaren Fällen das Krebsrisiko bei höheren Spitzenkonzentrationen größer ist als bei gleichmäßigerer Verteilung der gleichen Dosis.
Das gilt für starke Kanzerogene ebenso wie für schwache.
Bei den schwachen zeigt sich die kanzerogene Wirkung z.T. sogar nur nach Applikation höherer Spitzenkonzentrationen.
Bisher liegen zu wenige Erfahrungen vor, um entscheiden zu können, ob das höhere Risiko bei höheren Spitzenkonzentrationen für alle Kanzerogene gilt.
Immerhin erscheinen die vorliegenden Ergebnisse biologisch plausibel.
Da bis heute keine gegenteiligen Befunde bekanntgeworden sind, gilt es somit aus toxikologischer Sicht im Sinne des vorbeugenden Arbeitsschutzes, bei krebserzeugenden Arbeitsstoffen Expositionsspitzen möglichst zu vermeiden.
Die Stärkere Wirkung hoher Spitzenkonzentrationen von Kanzerogenen Vergleich zu einer gleichmäßigeren Verteilung der gleichen Dosen wurde im Tierexperiment bisher jedoch nur im Bereich mehr oder weniger toxischer Dosen gefunden.
Es ist zu vermuten, daß ein solcher Effekt bei kurzzeitigen Expositionsspitzen von 5 × TRK bei Einhaltung des TRK-Wertes als Schichtmittelwert keine wesentliche Rolle spielt.
Kurzzeitwerte, verkürzte Exposition
Bei verkürzter Exposition sowie beim Auftreten von Expositionsspitzen gilt folgende Regelung:
Kurzzeitwerthöhe | 5 × TRK |
Kurzzeitwertdauer | 15 min/Mittelwert |
Häufigkeit pro Schicht | 5 |
Zeitabstand | 1 h |
Literatur:
(1) T. Vihma, M. Nurminen, Ann. occup. Hyg. 27 (1963) 283-289.
(2) R. L. Zielhuis, P. C. Noordam. H. Roelfzema, A. A. E. Wibowo, Int. Arch. Occup. Environ. Health 61 (1988) 207- 211.
(3) E. Buringh, R. Lanting: Exposure Variability in the workplace. Its Implications for the assessment of compliance. Anm. Ind. Hyg. Assoc I 52 14.6 -11 (1991)
(4) Steinhoff, D.: Kanzerogenese-Versuche als Beitrag zur Arzneimittelsicherheit. Dtsch. Apoth. Ztg. 129 (1969), S. 1893
(5) Littlefield, N. A., I. W. Gaylor: Influence of total dose and dose rate in carcinogenicity studies. J. Toxlcol. Environ. Health 15 (1985), 545-550
(6) Steinhoff, D., Sh. C. Gad, G.K. Hatfield, U. Mohr Carcinogenicity study with sodiun dichromate in rats. Exp. Pathol. 30 (1986), 129-141
Lijinsky, W., J.E. Saavedra: Carcinogenesis in rats by nitrosodialkylureas containing methyl and ethyl groups given by gavage und in drinking water. J. Toxicol. Environ. Health 28 (1989), 27-38
(8) Henschler, D.: Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe: Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten; Arbeitsstoff-Kommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Verlag Chemie, D-6940 Weinheim
(9) TRGS 910 "Begründungen für die Einstufung der krebserzeugenden Gefahrstoffe in die Gruppen I, II oder III der Liste des Anhangs II Nr. 1.1 Gefahrstoffverordnung" Bundesarbeitsblatt 11/1963, S. 40
ENDE |