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Ethylchloracetat (Monochloressigsäureethylester)
(CAS-Nummer:105-39-5)

Ausgabe: Januar 2006
Stand: Sept. 1995



Synonym:Ethylchloracetat
ARW:5 mg/m3 bzw. 1 ppm
H (Gefahr der Hautresorption)

S (Gefahr der Sensibilisierung)

 
Spitzenbegrenzung:υ

Zusammenfassende toxikologische Bewertung von Monochloressigsäureethylester

Monochloressigsäureethylester wirkt akut toxisch an der Ratte (LD50 oral: 180 mg/kg KG, LD50 dermal: 161 mg/kg KG) [1, 2]. Als Symptome werden Hockstellung, gesträubtes Fell, Bauchlage, Gleichgewichtsstörungen, Passivität, verengte Lidspalten und vermehrter Tränenfluß beschrieben. Die beschriebenen Symptome sind kein Hinweis auf ein neurotoxisches Potential von Monochloressigsäureethylester, sondern indirekte neurotoxische Effekte, wie sie bei vielen Substanzen als Intoxikationserscheinungen nach akuter Applikation hoher Dosen auftreten.

Zur akuten Inhalationstoxizität wurde an Ratten eine Prüfung durchgeführt, die aufgrund des Fehlens wichtiger Angaben nicht bewertet werden kann [3].

Monochloressigsäureethylester wirkt reizend auf Haut und Schleimhäute, wobei nach Augenkontakt eine Gefahr ernster Augenschäden gegeben ist [4, 5]. Die Substanz besitzt außerdem ähnliche hautresorptive Eigenschaften wie der entsprechende Methylester, da nach dermaler Applikation der unverdünnten Substanz 2 von 6 Kaninchen starben. Es wurden zwei Maximierungstests mit 5%igem Chloressigsäureethylester in 50% Ethanol durchgeführt, bei denen 5 von 20 bzw. 15 von 19 behandelten Meerschweinchen eine positive Hautreaktion zeigten [6, 17]. In einem weiteren Maximierungstest, bei dem 80%ige Monochloressigsäure in Ethanol geprüft wurde, zeigten alle 20 behandelten Meerschweinchen eine positive Hautreaktion [18].

Bei Prüfung im Ames-Test erwies sich Monochloressigsäureethylester als nicht punktmutagen [7, 8, 16]. An Hefezellen mit und ohne Zusatz von S9-Mix fand sich ebenfalls keine mutagene Wirkung der Prüfsubstanz [9].

Zur Toxizität nach wiederholter Applikation liegen für Chloressigsäureethylester keine Daten vor. Es wurde jedoch der Chloressigsäuremethylester in einem Inhalationsversuch an Ratten über 28 Tage in Konzentrationen von 10, 33 und 100 ppm (0,04, 0,14 und 0,45 mg/l) geprüft und ein NOEL von 33 ppm für weibliche Tiere bzw. von 10 ppm für männliche Tiere festgelegt. Höhere Konzentrationen führten zu Symptomen wie Beeinträchtigungen der Atmung, Reizerscheinungen und Einfluß auf Körpergewichtsentwicklung und Futterverbrauch, während hämatologische und klinischchemische Untersuchungen ohne toxikologisch relevante Befunde waren. Auch histopathologisch wurden keine substanzbedingten Veränderungen gefunden [19].

In einem Kurzzeit-Kanzerogenitätstest an Strain A-Mäusen wurde nach 24 i.p.-Injektionen von 30,6, 61,3 oder 122,6 mg/kg Kgw. über 8 Wochen (3mal/Woche) in einem von zwei statistischen Tests eine erhöhte Inzidenz an Lungentumoren ermittelt [10]. Die Relevanz dieser Befunde erscheint jedoch als fraglich und läßt keinen Schluß über eine potentielle kanzerogene Wirkung von Chloressigsäureethylester zu. Lungenadenome treten bei dem besonders empfindlichen Inzuchtstamm Strain A mit hoher Spontaninzidenz auf (bereits im Alter von 3-4 Monaten). Diese Tumorenart ist außerdem bei Mäusen recht häufig, wird aber beim Menschen kaum beobachtet. Des weiteren unterscheidet sich die i.p.-Applikation von der oralen Aufnahme bezüglich Resorption und Pharmakokinetik, z.B. gibt es keinen firstpass-Effekt. Die Zuverlässigkeit dieses Testsystems wurde durch eine Überprüfung im Rahmen des National Toxicology Program (NTP) erheblich in Frage gestellt (im Vergleich zur 2-Jahresstudie wurden 37% der Prüfsubstanzen richtig als kanzerogen bzw. nicht kanzerogen eingestuft, 71% ergaben falsch negative und 44% falsch positive Resultate). Außerdem kam es beim Vergleich zwischen zwei Testlabors zu keiner Übereinstimmung in den Ergebnissen [20]. In weiteren Untersuchungen auf tumorauslösende Wirkung wurden Mäuse dermal bzw. subkutan über 580 Tage mit Chloressigsäureethylester behandelt. Es konnte keine kanzerogene Wirkung nachgewiesen werden [11].

In Analogie zu anderen Estern ist im wässrigen Milieu die Hydrolyse zu Monochloressigsäure anzunehmen. Auch bei dieser Verbindung ergaben sich in Kanzerogenitätsstudien nach dermaler und subkutaner Applikation an der Maus sowie nach Schlundsondierung bei Maus und Ratte keine Hinweise auf eine kanzerogene Wirkung [11, 12, 13, 14].

Zur Frage der Reproduktionstoxizität liegen zu Monochloressigsäureethylester keine Daten vor. Nach oraler Verabreichung von 0, 17, 35, 70 oder 140 mg Monochloressigsäure/kg KG per Schlundsonde an trächtige Long-Evans-Ratten an den Gestationstagen 6 bis 15 kam es in der höchsten Dosisgruppe bei gleichzeitiger Maternaltoxizität zu einer erhöhten Inzidenz an visceralen Mißbildungen bei den Feten (die Untersuchung liegt nur als Abstract vor) [21].

Erfahrungen beim Menschen

Eine starke Augenreizwirkung von Chloressigsäureethylester für den Menschen ist bekannt [15]. Weiterhin zeigte ein Patient im Patch-Test eine starke Reaktion auf Chloressigsäureethylester, aus der abgeleitet wurde, daß der Patient sensibilisiert war [6].

Empfehlung eines Grenzwertes bei berufsbedingter Exposition

Aufgrund der limitierten Datenlage zum Chloressigsäureethylester selbst müssen für die Festlegung des Arbeitsplatzrichtwertes (ARW) Daten aus entsprechenden Untersuchungen mit dem Chloressigsäuremethylester herangezogen werden.

Beim Chloressigsäuremethylester steht bei inhalativer Exposition die starke Reizwirkung auf Haut und Schleimhäute im Vordergrund. Nach 28-tägiger Exposition wurde der NOEL für die Reizwirkung mit 10 ppm (ca. 45 mg/m3) bestimmt. Mit Ausnahme einer retardierten Körpergewichtsentwicklung wurde keine systemische Toxizität beobachtet. Hinweise auf mutagene Eigenschaften liegen bisher nicht vor. Langzeitstudien zur Kanzerogenität sind nicht vorhanden, aus einer entsprechenden Studie mit dem Hydrolyseprodukt Monochloressigsäure konnten jedoch keine Anzeichen einer kanzerogenen Wirkung festgestellt werden. Aus einem Kurzzeittest ergaben sich keine Hinweise auf die Ausbildung von Lungentumoren. Die fraglichen Befunde im entsprechenden Kurzzeit-Kanzerogenitätstest mit Chloressigsäureethylester werden aus den schon genannten Gründen nicht für relevant gehalten.

Eine fruchtschädigende Wirkung ist unter Arbeitsplatzbedingungen nicht zu erwarten, da der Ester vermutlich schnell gespalten wird und das Hydrolyseprodukt Monochloressigsäure nur in der höchsten, maternal toxischen Dosis von 140 mg/kg KG für Ratten fruchtschädigend wirkte.

Aufgrund des bei den vorhandenen Daten nahezu identischen Toxizitätspotentials zum Chloressigsäuremethylester wird in Analogie zu dessen MAK-Wert ein ARW von 5 mg/m3 bzw. 1 ppm festgelegt.

Wegen der ausgeprägten toxischen Wirkung bei dermaler Exposition sollte auf hautresorptive Eigenschaften hingewiesen werden. Das sensibilisierende Potential wird mit einem "S" gekennzeichnet.

Literatur

[1] Unveröffentlichte Untersuchung der Hoechst AG; Bericht 79.0237

[2] Unveröffentlichte Untersuchung der Hoechst AG; Bericht 79.0238

[3] Unveröffentlichte Untersuchung der Hoechst AG; Bericht 79.0380

[4] Unveröffentlichte Untersuchung der Hoechst AG; Bericht 88.1894

[5] Unveröffentlichte Untersuchung der Hoechst AG; Bericht 79.0239

[6] Braun & van der Walle, Contact Dermatitis 16: 114-115 (1987)

[7] Unveröffentlichte Untersuchung der Hoechst AG; Bericht 83.0071

[8] Sato et al., Sci. Total Environ. 46: 229-241 (1985)

[9] Nestmann & Lee, Mutat. Res. 155: 53-60 (1985)

[10] Theiss et al., Cancer Res. 39: 391-395 (1979)

[11] Van Duuren et al., J. Natl. Cancer Inst. 53: 695-700 (1974)

[12] Innes et al., J. Natl. Cancer Inst. 42: 1101-1114 (1969)

[13] Bionetics Res. Labs., Rep.-No. PB-223.159 (1968)

[14] NTP-Technical Report No. 396 (1990)

[15] Carpenter & Smyth, Am. J. Ophthal. 29: 1363-1372 (1946)

[16] Unveröffentlichte Untersuchung der Hoechst AG; Bericht 92.0845

[17] NOTOX 0278/344 (1986); Sponsor: ENKA, The Netherlands

[18] NOTOX 0604/763 (1987); Sponsor: AKZO, The Netherlands

[19] Unveröffentlichte Untersuchung der Hoechst AG; Bericht 88.0233

[20] bga/Schriften 1/1986; Prof. D. Kayser (Hrsg.)

[21] Smith et al., Teratology 41: 593 (1990)

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