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22. TRK-Wert für Antimontrioxid
(BArbBl. 9/88 S. 83)
Arbeitsmedizinische Erfahrungen
Antimontrioxid übt eine Reizwirkung auf die Haut und die Schleimhäute aus (1, 4, 7). Die Inhalation von antimontrioxidhaltigem Staub oder Rauch kann zu Nasenbluten, zur Perforation der Nasenscheidewand und zu entzündlichen Veränderungen im Bereich der Schleimhäute des Atemtraktes führen. Feinherdige (noduläre) Lungenschatten im Röntgenbild wie bei einer beginnenden Silikose sind ohne wesentliche Lungenfunktionseinschränkungen gelegentlich beschrieben worden. Vereinzelte elektrokardiographische Hinweise auf eine Myocardschädigung liegen ebenfalls vor (1, 3, 4). Diese toxischen Wirkungen sind im Zusammenhang mit früher z.T. weit höheren Antimontrioxid-Konzentrationen in der Luft am Arbeitsplatz (3 - 5 mg Sb/m3 maximal bis zu 40 mg Sb/m3 [1]) beobachtet worden. Auch ist in Schmelzbetrieben zusätzlich mit dem Auftreten anderer Gefahrstoffbeimengungen, u.a. geringer Arsenkonzentrationen, zu rechnen.
Eine 1971 in England durchgeführte, retrospektive epidemiologische Studie bei Schmelzern, die seit 1925 mit der Produktion von Antimon und Zirkon (als Metalle und Oxide) beschäftigt waren, ergab eine gegenüber dem Erwartungswert verdoppelte Sterblichkeit an Lungenkrebs. Die Expositionszeiten lagen zwischen 7 und 43 Jahren mit einem Durchschnitt von 22 Jahren. Die Konzentrationen an den Arbeitsplätzen wurden auf etwa 8 mg Antimontrioxid/m3 geschätzt (4). Von den 15 an Lungenkrebs Gestorbenen wurden nur zwei als Nichtraucher eingestuft (1, 2, 6). Im Jahre 1976 wurde in dem gleichen Betrieb eine epidemiologische Studie durchgeführt, in welcher alle am 1, 1, 1961 und nachfolgend dort Beschäftigten einbezogen wurden. Insgesamt konnten 2134 Personen erfaßt werden. Von diesen lebten im Jahre 1976 noch 1918, 136 Beschäftigte waren verstorben, 80 konnten nicht aufgespürt werden. Unter den Gestorbenen war die leicht erhöhte Zahl von 22 Lungenkrebsfallen feststellbar. Bezogen auf verschiedene Vergleichskollektive ließ sich jedoch kein erhöhtes Lungenkrebsrisiko durch Antimontrioxid-Gefährdung für die Zeit nach 1961 nachweisen (1, 2, 6).
In den USA konnten in den Jahren 1951 bis 1976 in vier verschiedenen Antimon produzierenden Betrieben außer gelegentlichen Darmatiden keine Antimonbedingten Gesundheitsschäden nachgewiesen werden. Hier fehlen allerdings verläßliche epidemiologische Untersuchungen (1, 5).
Toxikologische Erfahrungen (8)
An der Ratte und dem Kaninchen erwies sieh Antimontrioxid nach oraler Gabe als wenig giftig. Auch die Hautreizwirkung ist bei Ratte, Kaninchen und Meerschweinchen offenbar wenig ausgeprägt. Beim Kaninchen wurde eine starke Augenreizwirkung beschrieben. Verläßliche Hinweise auf ein mutagenes oder teratogenes Potential ergaben sich bisher nicht.
Zur Frage einer kanzerogenen Wirkung sind zwei Inhalationsversuche an der Ratte durchgeführt worden; dabei ließ sich eine deutliche fibrogene, gleichzeitig aber auch eine kanzerogene Wirkung nachweisen. In einem dieser Kanzerogenese-Inhalationsversuche wurden 48 - 50 weibliche Fischer-Ratten Antimontrioxid-Staub ausgesetzt. Bei Versuchsbeginn waren die Ratten 18 Wochen alt. Die Konzentrationen lagen bei 1,6 ± 1,5 mg/m3 bzw. 4,2 ± 3,2 mg/m3 (bezogen auf den Antimongehalt). Die Bestimmungen erfolgten diskontinuierlich, so daß über die in diesem Falle sehr wichtige Frage der Spitzenkonzentrationen keine Aussage gemacht werden kann (Sammlung auf Millipore-Filter während der jeweils 6-stündigen Expositionszeiten). Die Ratten wurden 6 Stunden pro Tag, fünfmal pro Woche über 12 Monate exponiert (Ganzkörper-Exposition); danach folgte eine einjährige Nachbeobachtungszeit. Das eingesetzte Antimontrioxid war eine Verkaufsware mit einem Reinheitsgrad von 99,4 %. Als Hauptverunreinigungen enthielt es 0,2 % Blei und 0,02 % Arsen. Die Staubgewinnung geschah mittels einer modifizierten Hammermühle; die Möglichkeit hoher Spitzenkonzentrationen ließ sich nicht sicher ausschließen. Die Größe der Partikel lag im Durchschnitt bei 0,4 µm. Abgesehen von der Wirkung auf die Lunge wurde die Behandlung gut vertragen. Als die wesentlichsten Lungenschäden ließen sich dosisabhängig fokale Fibrosen und Zeichen für eine chronische Entzündung nachweisen; bei der hohen Konzentration entwickelten 21 von 45 untersuchten Ratten Lungentumoren (15 Szirrhuskarzinome, 2 Plattenepithelkarzinome, 4 Adenome). Bei der niedrigen Konzentration ergab sich kein Hinweis auf eine kanzerogene Wirkung des Antimontrioxids. Etwa gleichzeitig mit dem vorgenannten Versuch wurde ein weiterer Inhalationsversuch mit Antimontrioxid an Ratten durchgeführt. In letzterem Falle wurden 90 männliche und 90 weibliche Wistar-Ratten einer Konzentration von etwa 50 mg Antimontrioxid/m3 ausgesetzt, und zwar 7 Stunden pro Tag, fünfmal pro Woche über 12 Monate; danach folgte anscheinend eine nur viermonatige Nachbeobachtungszeit. Eine gleiche Anzahl von Ratten diente als Kontrolle. Nach einer vorläufigen Mitteilung entwickelten 19 von 90 weiblichen Ratten Lungengeschwülste (5 Szirrhuskarzinome, 7 Plattenepithelkarzinome, 4 Adenokarzinome bzw. Karzinome, 3 Adenome). Bei den männlichen Versuchsratten und bei den Kontrollen trat kein solcher Tumor auf. Auch bei diesen Versuchsratten entwickelten sich Fibrosen, doch waren sie deutlich weniger ausgeprägt als in der vorgenannten Studie. Die offensichtlich ungewöhnlichen allgemeinen Versuchsbedingungen (bei Versuchbeginn waren die Ratten anscheinend bereits 8 Monate alt; dadurch ergab sich eine Versuchszeit von insgesamt nur 16 Monaten) lassen eine zuverlässige Bewertung dieses Versuchs und seiner Ergebnisse nicht zu.
Es bleibt aber festzuhalten, daß in dem Kanzerogeneseversuch, der eine zuverlässigere Bewertung der Ergebnisse erlaubt, die Konzentration von 4,2 ± 3,2 mg/m3 (bezogen auf den Antimongehalt) eine starke kanzerogene Wirkung zeigte.
Analytik
Zur Messung von Antimontrioxid in der Luft in Arbeitsbereichen stehen anerkannte Verfahren nach ZH 1/120 zur Verfügung (9). Alle Verfahren erlauben Stichprobenmessungen mit ortsfester und personengetragener Probenahme. Die Nachweisgrenze des empfindlichsten Verfahrens (Probenahme durch Abscheiden an Partikelfiltern und anschließende atomabsorptionsspektrometrische Bestimmung mit der Hydrid-Technik) beträgt 0,004 mg/m3 für 240 l Probeluft.
Herstellung und Verwendung
Antimontrioxid wird in technischem Maßstab durch Rösten von Antimontrisulfid im Luft- oder Sauerstoffstrom hergestellt. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es gegenwärtig nur einen Herstellerbetrieb. Ein Teil des Antimontrioxidpulvers muß in einem anderen Betrieb weiteren Aufreinigungsschritten unterzogen werden. Antimontrioxid wird zur Herstellung von Antimonverbindungen, in der Glas-, Keramik- und Farbenindustrie sowie besonders zum Feuerfestmachen von Geweben, Kunststoffen und Gummi verwendet. Der Gesamtverbrauch von Antimontrioxid in der Bundesrepublik wird auf jährlich 2500 Tonnen geschätzt.
Ergebnisse der Arbeitsplatzmessungen
[1] American Conference of Governmental Industrial Hygienists (ACGIH): Documentation of the Threshold Limit Values and Biological Exposure Indices. Fifth Ed. Cincinnati, Ohio, USA,1986. Antimony Trioxide Production, 34-35.
[2] Davies, T. A. L.: The Health of Workers Engaged in Antimony Oxide Manufacture; a Statement, Employment Medical Advisory Servide, Baynards House, Chepstow Place, London WC2, England, November 1973.
[3] DFG-Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe. Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe. Toxikologisch-Arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten, Loseblattsammlung. Hrsg.: D. Henschler, Antimontrioxid. Abgeschlossen 20.5.1983, VCH, 1-5.
[4] Gudzovski, G. A.: Antimony, alloys and compounds. ILO-Enzyclodaedia of Occupational Health and Safety. Third Ed., -ILO-Publications, Genf 1983, 176-178.
[5] Linch, A, L,: Antimony - Relationship between Exposure to Oxid and Sulfide Dusts, Urinary Excretion and Physiologic Response, Report Prepared für Harshaw Chem, Co., July 22, Cleveland, Ohio, USA, 1979; zit. bei (1).
[6] NIOSH: Criteria for a Recornmended Standard Occupations Exposure to Antimony, DHEW Publ. No. 78-216, Washington, DC., USA, 1978.
[7] Raffle, P. A. B., W. R. Lee, R. J. McCallum, R. Murray: Hunters Diseases of Occupations. Antimony. Hodder and Stoughton, London, 1987, 266-268.
[8] Henschler, D., Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe (Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten) -Verlag Chemie.
[9] Von den Berufsgenossenschaften anerkannte Analysenverahren zur Feststellung der Konzentrationen krebserzeugender Arbeitsstoffe in der Luft in Arbeitsbereichen (ZH 1/120).